OLG Hamm 16. Februar 2021
27 W 130/20
GmbHG §§ 5a Abs. 1 S. 1, 30 Abs. 1 S. 1; AktG § 26 Abs. 2

Angemessenheit von Gründungskosten bei der UG (haftungsbeschränkt)

letzte Aktualisierung: 5.1.2022
OLG Hamm, Beschl. v. 16.2.2021 – 27 W 130/20

GmbHG §§ 5a Abs. 1 S. 1, 30 Abs. 1 S. 1; AktG § 26 Abs. 2
Angemessenheit von Gründungskosten bei der UG (haftungsbeschränkt)

1. Der in der Satzung einer UG (haftungsbeschränkt) angegebene pauschalierte Höchstbetrag für den Gründungsaufwand von 2.500 Euro verstößt gegen die Informationsfunktion des auf die GmbH und damit auch die UG entsprechend anzuwendenden § 26 Abs. 2 AktG und gegen das Gebot der Kapitalerhaltung aus § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG, wenn das Stammkapital zu mehr als 83 % durch die Gründungskosten aufgezehrt wird.
2. Selbst dann, wenn im Gesellschaftsvertrag eine entsprechende Kostenübernahmeregelung vorgesehen ist, gewährt diese nur dann eine Befreiung von der Bindung des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG, wenn es sich um notwendige Aufwendungen für solche Kosten handelt, die kraft Gesetzes oder nach Art und Umfang angemessen die GmbH treffen.
3. Es ist die Aufgabe der Gründungsgesellschafter, nicht aber außenstehender Dritter, die für die Gründung erforderlichen Kosten zu errechnen und in einem Gesamtbetrag zusammenzufassen, der zwar in Anerkennung eines Pauschalierungsinteresses ein Höchst- oder Schätzbetrag sein darf, der aber die tatsächlich zu erwartenden Gründungskosten sachgerecht abbilden und angemessen sein muss.

(Leitsätze der DNotI-Redaktion)

Gründe

I.
Der Verfahrensbevollmächtigte meldete die Beteiligte am 1. Oktober 2020 zur Eintragung
im Handelsregister an (UR-Nr. #/2020). Der Anmeldung lag unter anderem eine
beglaubigte Abschrift der Satzung bei, nach deren § 20 Abs. 4 Satz 1 die Beteiligte die
Gründungskosten bis zu einem Höchstbetrag von 2.500 Euro trägt (Bl. 24 d.A.). Das
Stammkapital beträgt gem. § 3 Abs. 2 der Satzung 3.000 Euro (Bl. 12 d.A.).

Mit Schreiben vom 27. Oktober 2020 beanstandete das Amtsgericht die Angemessenheit
der Gründungskosten, die von der Beteiligten zu tragen seien, und forderte die Beteiligte
zu ihrer konkreten Darlegung auf (Bl. 31 d.A.).

Mit Schreiben vom 9. November 2020 wies diese dieses Ansinnen als unzulässig zurück,
da die Gründungskosten in der Satzung auch pauschaliert werden könnten. Hilfsweise
bezifferte er sie mit Notarkosten von 806,14 Euro, Kosten für die Gründung von 163,79
Euro und maximal 400 Euro für die Handelsregisteranmeldung und Steuerberaterkosten
(Bl. 36 f. d.A.).

Mit Zwischenverfügung vom 12. November 2020 stellte sich das Amtsgericht auf den
Standpunkt, dass demnach von einem tatsächlichen Gründungsaufwand von insgesamt
maximal 1.369,93 Euro auszugehen sei, also der in der Satzung postulierte Betrag von
2.500 Euro deutlich überhöht sei. Daher sei von einem Eintragungshindernis auszugehen
(Bl. 39 d.A.).

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2020 hielt die Beteiligte an ihrer gegenteiligen Auffassung
fest (Bl. 43 f. d.A.). Mit Schreiben vom 8. Dezember 2020 bat sie um eine
rechtsmittelfähige Entscheidung (Bl. 54 d.A.).

Das Amtsgericht wies daraufhin die Anmeldung mit dem mit der Beschwerde
angefochtenen Beschluss vom 9. Dezember 2020 wegen eines Eintragungshindernisses
gemäß § 9c Abs. 1 Satz 1 GmbHG aus dem in der Zwischenverfügung genannten Grund
zurück (Bl. 56 f. d.A.).

Mit Verfügung vom selben Tag traf das Amtsgericht eine Nichtabhilfeentscheidung und
legte die Sache dem Senat zur Entscheidung über die Beschwerde vor (Bl. 58R d.A.).
Mit Schreiben vom 12. Januar 2021 stellte die Beteiligte sinngemäß klar, dass sie eine
sofortige Entscheidung des Beschwerdegerichts für sinnvoll halte und auf eine weitere
bzw. formell nach Eingang der Beschwerde ergehende Abhilfeentscheidung des
Amtsgerichts aus prozessökonomischen Gründen zur Verfahrensbeschleunigung verzichte
(Bl. 66 ff. d.A.).

Mit Schriftsatz vom selben Tag legte sie nochmals vorsorglich Beschwerde beim
Amtsgericht ein (Bl. 80 f. d.A.).

II.
Die nach § 382 Abs. 3 i. V. m. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und nach §§ 64, 63 Abs. 1
FamFG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist unbegründet.
Das Amtsgericht hat die Eintragung der Beteiligten im Handelsregister zu Recht abgelehnt.
Das Registergericht darf gemäß § 9c Abs. 1 S. 1 GmbHG die Eintragung der Gesellschaft
ins Handelsregister nur dann vornehmen, wenn sie ordnungsgemäß errichtet und
angemeldet ist. Die registergerichtliche Prüfung erstreckt sich bei der Erstanmeldung auf
die Rechtmäßigkeit und die inhaltliche Richtigkeit des Eintragungsgegenstandes. Das
Registergericht darf nach § 9c Abs. 2 Nr. 2 GmbHG die Eintragung einer mangelhaften
Bestimmung des Gesellschaftsvertrages ablehnen, wenn sie Vorschriften verletzt, die
ausschließlich oder überwiegend dem Schutz der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst
dem öffentlichen Interesse dienen. Der hier als Gläubigerschutzvorschrift in Betracht
kommende § 26 Abs. 2 AktG, der auf die GmbH und damit auch die UG entsprechende
Anwendung findet (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 1989 – II ZB 10/88, juris Rn. 13;
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 25. Juni 2013 – 3 W 28/13, juris Rn. 8), wird durch die
Regelung des Gründungsaufwandes in § 20 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages der
Beteiligten verletzt.

Die Beteiligte weist zwar im Ausgangspunkt zutreffend darauf hin, dass eine Klausel wie
die vorliegend verwendete, die den Gründungsaufwand pauschal mit 2.500 Euro beziffert,
bei einer mit dem Mindeststammkapital gem. § 25 Abs. 1 GmbHG von 25.000 Euro
ausgestatteten GmbH nicht zu beanstanden ist. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass
die entsprechenden Kosten oftmals nicht exakt angegeben werden können, und ist aus
Gründen des Gläubigerschutzes nicht zu beanstanden (vgl. Senat, Beschluss vom 2.
September 2014 – 27 W 107/14, nicht veröffentlicht). Bei einer Unternehmergesellschaft,
die diesen Mindestbetrag gem. § 5a Abs. 1 Satz 1 GmbHG unterschreitet, ist die Situation
dagegen grundsätzlich anders. In Ziffer 5. Musterprotokoll für deren Gründung in Form
einer Einpersonengesellschaft ist eine Pauschale von 300 Euro für die Gründungskosten
vorgesehen, begrenzt auf die Höhe des Stammkapitals (Anlage zu § 2 Abs. 1a GmbHG).
Ob bei Unternehmergesellschaften mit einem höheren Stammkapital, also im Bereich von
301 bis 24.999 Euro, die Tragung der Gründungskosten grundsätzlich auf diesen Betrag
beschränkt ist oder die Obergrenze bei zehn Prozent des Stammkapitals liegt (vgl. dazu
OLG Hamburg, Beschluss vom 18. März 2011 – 11 W 19/11, GmbHR 2011, 766, zit. nach
juris, Rn. 15; KG, Beschluss vom 15. Juli 2015 – 22 W 67/14, juris, Rn. 13 m. zust. Anm.
Cramer, EWiR 2016, 11, 12; Haug, BB 2015, 2836; Vedder, MittBayNot 2017, 176, 177;
vgl. auch Lohbeck, GWR 2015, 431), muss der Senat im vorliegenden Fall nicht
entscheiden (offen gelassen bereits von Senat, Beschluss vom 12. Juli 2017 – 27 W 72/17,
ebenfalls unveröffentlicht), da der in der Satzung der Beteiligten angegebene pauschalierte
Höchstbetrag von 2.500 Euro jedenfalls gegen die Informationsfunktion des § 26 Abs. 2
AktG und das Gebot der Kapitalerhaltung aus § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG verstößt.

Beim Stammkapital einer GmbH handelt es sich um einen Haftungsfonds für die
Gesellschaftsgläubiger. Deswegen ist es im Rahmen der Kapitalaufbringung effektiv zu
leisten und späterer offener oder verdeckter Rückfluss an die Gesellschafter zu verhindern.
Auf diese Weise soll das Gesellschaftsvermögen bis zur Höhe der Stammkapitalziffer vor
einer Zweckentfremdung durch die Gesellschafter geschützt und damit die Funktion des
Stammkapitals als Mindestbetriebsvermögen und Befriedigungsreserve für die Gläubiger
erhalten werden (vgl. Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Auflage 2019, § 30 Rn.
5 m. w. N.). Zwar kann der im Zusammenhang mit der Gründung einer GmbH
entstehende, nach der Intention des Gesetzgebers grundsätzlich die Gesellschafter als
Gründer treffende Kostenaufwand (sog. Gründerkosten) – solche für notarielle
Beurkundung, Handelsregistereintragung, Bekanntmachung, Aufwendungen für
Rechtsanwälte und Steuerberater sowie etwaige im Zusammenhang mit der Gründung
anfallende Steuern – der Gesellschaft auferlegt werden, so dass diese den
Gründungsaufwand zu Lasten ihres Nominalkapitals zu tragen hat. Selbst dann, wenn im
Gesellschaftsvertrag eine entsprechende Kostenübernahmeregelung vorgesehen ist,
gewährt diese allerdings nur dann eine Befreiung von der Bindung des § 30 Abs. 1 Satz 1
GmbHG, wenn es sich um notwendige Aufwendungen für solche Kosten handelt, die kraft
Gesetzes oder nach Art und Umfang angemessen die GmbH treffen (vgl. OLG Celle,
Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 9 W 124/14, ZIP 2014, 2387, zit. nach juris, Rn. 14;
OLG Hamburg, a. a. O., Rn. 12; Altmeppen, GmbHG, 10. Auflage 2021, § 5 Rn. 73 m. w.
N.).

Diese Angemessenheitsgrenze, bei deren Einhaltung es gestattet ist, unter Durchbrechung
des Gebots der Kapitalerhaltung den Gründungsaufwand der (künftigen) GmbH
aufzuerlegen, ist, auch wenn eine bestimmte Obergrenze, innerhalb der eine Vorbelastung
als zulässig anzusehen sein sollte, gesetzlich nicht normiert ist, jedenfalls im vorliegenden
Fall überschritten. Eine Aufzehrung des Stammkapitals im Umfang von mehr als 83
Prozent durch die mit der Gründung verbundenen Kosten, wie sie in § 20 Abs. 4 Satz 1
des Gesellschaftsvertrags vorgesehen ist, stellt eine so erhebliche Schmälerung der der
Sicherung der Gläubiger dienenden Mindesthaftungsmasse dar, dass sich dies mit dem in
§ 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG geregelten Prinzip der Kapitalbindung und -erhaltung, das
einen Vorverbrauch und eine Rückzahlung des Stammkapitals grundsätzlich verbietet,
nicht in Einklang bringen lässt.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Höhe dieser Kosten in der Satzung aufgedeckt
wird. Denn § 26 Abs. 2 AktG soll im Interesse der Gläubiger und Gesellschafter
sicherstellen, dass offengelegt wird, wieweit das Grundkapital durch den
Gründungsaufwand vorgebelastet ist (vgl. OLG Zweibrücken, a. a. O., Rn. 9; KG, a. a. O.,
Rn. 12 m. w. N.). Es ist nämlich die Aufgabe der Gründungsgesellschafter, nicht aber
außen stehender Dritter, die für die Gründung erforderlichen Kosten zu errechnen und in
einem Gesamtbetrag zusammenzufassen, bei dem es sich – auch bei einer
Unternehmergesellschaft – zwar in Anerkennung eines Pauschalierungsinteresses um
einen Höchst- oder Schätzbetrag handeln darf, der aber die tatsächlich zu erwartenden
Gründungskosten sachgerecht abbilden muss und keine Größenordnung erreichen darf,
die mit der Angemessenheitsgrenze nicht mehr vereinbar ist.

Genau das ist vorliegend jedoch der Fall, da der geschätzte Gründungsaufwand von bis zu
2.500 Euro um den Faktor 1,8 über den tatsächlich bezifferten Kosten von knapp 1.000
Euro zuzüglich eines geschätzten Betrags von 400 Euro für die Handelsregisteranmeldung
und Steuerberaterkosten liegt. Weder im Ausgangsverfahren noch im Rahmen ihrer
Beschwerde hat die Beteiligte auch nur den Versuch unternommen, geschweige denn
deutlich gemacht, wie es zu dieser Diskrepanz zwischen den ursprünglich kalkulierten und
den tatsächlich entstandenen Kosten gekommen ist. Der Senat kann nur vermuten, ohne
dass es für die Entscheidung darauf ankommt, dass hier versehentlich das
Gründungsformular für eine „normale“ GmbH mit einem Mindestkapital gem. § 25 Abs. 1
GmbHG verwendet worden ist. Träfe die Auffassung der Beteiligten zu, dass eine
Unternehmergesellschaft unabhängig von ihrem Stammkapital bzw. jedenfalls eine solche
mit einem Stammkapital von mindestens 2.500 Euro wie eine GmbH mit einem
Stammkapital von 25.000 Euro satzungsmäßig einen pauschalen Gründungsaufwand von
2.500 Euro vorsehen dürfte, liefe das Transparenzgebot des § 26 Abs. 2 AktG bei der
Gründung vieler Unternehmergesellschaften leer und es bestünde die Gefahr, dass die
Gründer die anfängliche Kapitalausstattung der Gesellschaft durch die eigentlich sie
treffenden Gründungskosten entgegen § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG vorbelasten.

III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich auf § 84 FamFG.
Die Wertfestsetzung beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG, da keine genügenden Anhaltspunkte
für die Bestimmung eines vom Regelbetrag abweichenden Gegenstandswerts bestehen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamm

Erscheinungsdatum:

16.02.2021

Aktenzeichen:

27 W 130/20

Rechtsgebiete:

Kostenrecht
Aktiengesellschaft (AG)
GmbH
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

GmbHG §§ 5a Abs. 1 S. 1, 30 Abs. 1 S. 1; AktG § 26 Abs. 2