BayObLG 16. Juli 1992
3 Z BR 55/92
HGB § 18 Abs. 2

Ortsname als geographischer Firmenzusatz

16. AktG 1965 §§ 221 Abs.3, 235; AGBG § 23 (Genußscheine 17. HGB § 18 Abs. 2 (Ortsname als geographischer Firmenan einer AG) Zusatz)
a) Die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer AG kann nur
durch Aktien, nicht jedoch durch andere Berechtigungen
wie Genußscheine eingeräumt werden.
Den Inhabern von Genußscheinen können auch keine
Rechte gewährt werden, die Ausfluß der mitgliedschaftlichen Stellung der Aktionäre sind (z. B. Stimmrecht,
Recht der Erhebung einer Anfechtungsklage).
b) Genußrechte, die gekündigt werden können und im Falle
der Liquidation der Gesellschaft in Höhe des Ausgabe.
betrages im Range vor den Aktionären zurückgezahlt
werden müssen, sind nicht aktiengleich ausgestaltet.
c) Genußscheinbedingungen unterliegen der Inhaltskontrolle nach dem AGBG, da sich Genußrechte in einem bestimmten geldwerten Anspruch erschöpfen und darin ihr
Charakter als schuldrechtliches Gläubigerrecht zum
Ausdruck kommt. Soweit sie aktienähnlich ausgestaltet
sind, unterliegen sie einer an aktienrechtlichen Normen
und Grundsätzen ausgerichteten Inhaltskontrolle.
d) Ist nach den Genußscheinbedingungen die Herabpetzung des Genußkapitals an die Herabsetzung des Grundkapitals gekoppelt und erfolgt die Herabsetzung nicht
wegen endgültig feststehender, sondern nur wegen
drohender künftiger Verluste, für die Rückstellungen in
der Bilanz gebildet worden sind, und können spätere
Rückstellungen aufgelöst werden, weil die befürchteten
Verluste nicht eingetreten sind, lebt das Genußrecht
weder in der anteiligen Höhe wieder auf noch kann der
Genüßrechtsinhaber dessen Auffüllung verlangen. Er
hat jedoch in ergänzender Vertragsauslegung einen
Anspruch auf Auszahlung des anteilig auf das Genußkapital und sein Genußrecht entfallenden Betrages.
e) Die Gesellschaft trifft aufgrund des Genußrechtsvertrages in gewissem Umfang die Pflicht, für die Erhaltung
und den Schutz der Genußrechte (des Genußrechtskapitals) zu sorgen. Verletzt sie diese Pflicht durch eine Geschäftstätigkeit, die dem in der Satzung festgelegten
Unternehmensgegenstand nicht entspricht oder die
kaufmännisch schlechthin unseriös und verantwortungslos ist, haftet sie dem Genußrechtsinhaber auf Schadenersatz.
f) Das Grundkapital kann durch eine Kapitalherabsetzung
vollkommen beseitigt werden, wenn gewährleistet ist,
daß durch eine gleichzeitig durchgeführte Kapitalerhöhung der für die Gründung erforderliche Mindestnennbetrag wieder erreicht wird.
BGH, Urteil vom 5.10.1992 — II ZR 172/91 —, mitgeteilt von
D. Bundschuh, Vorsitzender Richter am BGH
1. Wird in die Firma eines Bauunternehmens als nachge.
stellter geographischer Zusatz nur ein Ortsname aufge.
nommen, so wird ein solcher Zusatz regelmäßig dahin
verstanden, daß sich an diesem Ort der Sitz der Gesellschaft befindet.
2. Bezeichnet der in einer Firma enthaltene Ortsname nicht
den Sitz des Unternehmens, ohne daß dies kenntlich ist,
so ist die Firma in aller Regel zur Täuschung geeignet
und unzulässig.
BayObLG, Beschluß vom 16.7.1992 — 3 Z BR 55/92 = BayObLGZ 1992 Nr. 49 —, mitgeteilt von Johann Demharter,
Richter am BayObLG
Aus dem Tatbestand:
Am 27.8.1991 meldeten die Gesellschafter einschließlich der
Kommanditisten die beteiligte Kommanditgesellschaft unter der
Firma „A Bauträger GmbH & Co. X KG" zur Eintragung in das
Handelsregister an. Nach Anhörung der zuständigen Industrie- und
Handelskammer (IHK), die Bedenken gegen die Zulässigkeit der
Firma erhoben hatte, wies der Rechtspfleger die Anmeldung zurück,
da die Gesellschaft ihren Sitz nicht in X habe. Die hiergegen eingelegte Erinnerung, der Rechtspfleger und Richter nicht abhalfen,
behandelte das Landgericht als Beschwerde und wies das Rechtsmittel als unbegründet zurück. Gegen diese Entscheidung richtet
sich die weitere Beschwerde der Gesellschaft.
Aus den Gründen:
Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt: Der geographische
Zusatz „X" sei täuschungsgeeignet, da dieser als Hinweis
auf den Sitz des Unternehmens zu deuten sei; tatsächlich
liege aber dieser Sitz in einem anderen Ort. Auch wenn bei
Wohnungsbauunternehmen die angesprochenen Verkehrskreise an die Verwendung lokalisierender Zusätze gewöhnt
seien, ändere dies nichts daran, daß letztere dem Grundsatz
der Firmenwahrheit zu entsprechen hätten und daher geographische Zusätze zum Ausdruck bringen müßten, was tatsächlich gemeint sei. Der bloße Zusatz „X" sei als Hinweis
auf den Sitz der Gesellschaft zu werten und nicht nur als
Hinweis auf den besonderen Schwerpunkt ihrer geschäftlichen Aktivität. Sollte letzteres beabsichtigt sein, trage dem
der von der IHK vorgeschlagene Zusatz „Projekt X" Rechnung. Offen bleiben könne, ob der geographische Zusatz
auch deshalb zur Irreführung geeignet sei, weil ein solcher
regelmäßig nur für führende Unternehmen des Gebiets und
des Geschäftszweigs zulässig sei. Allerdings sei bei Wohnbauunternehmen die Verwendung von geographischen Zusätzen so stark verbreitet, daß die Allgemeinheit darin
keinen Hinweis auf eine Sonderstellung des Unternehmens
sehe. Eine Ortsangabe ohne weiteren klärenden Zusatz
bedeute aber einen Hinweis auf den Sitz der Niederlassung,
so daß deshalb die Eintragung zu Recht abgelehnt worden
sei.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung
(§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) stand. Die mit der weiteren
Beschwerde erhobenen Angriffe gegen die Entscheidung
des Landgerichts sind unbegründet.
2.Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB darf die Firma einer Kommanditgesellschaft weder in ihrem Kern noch in ihren Zusätzen
noch in ihrer Gesamtheit zur Täuschung geeignet sein, weil
sich die Kommanditgesellschaft als Kaufmann mit ihrer
Firma an eine nicht abgegrenzte Öffentlichkeit, also an die
Allgemeinheit wendet (vgl. BayObLGZ 1989, 44/46 m. w. N.).
414 MittBayNot 1992 Heft 6


Das Täuschungsverbot dieser Vorschrift gilt ohne jede Ausnahme für alle Firmen. Für das Verbot täuschender Zusätze
geht das Gesetz von den Grundsätzen der Firmenwährheit
und Firmenklarheit aus. Dadurch soll im öffentlichen Interesse erreicht werden, daß die Firma stets einen soweit als
möglich zuverlässigen und richtigen Aufschluß über die Verhältnisse eines Geschäfts gibt (vgl. Heymann/Emmerich
HGB § 18 Rdnr. 1 m. w. N.). Dieser Gesetzeszweck ist bei der
Prüfung der Frage, ob eine Firma zur Täuschung geeignet
ist, stets vorrangig zu berücksichtigen (vgl. z. B. BGHZ 80,
353/355). Für die Täuschungseignung genügt es, daß eine
nicht ganz entfernt liegende Möglichkeit der Irreführung bei
einem nicht unbeachtlichen Teil der durch die Firma angesprochenen Verkehrskreise besteht; eine Täuschungsabsicht oder eine schon eingetretene Täuschung braucht nicht
vorzuliegen (vgl. Staub/Hüffer HGB 4. Aufl. § 18 Rdnr.29
m. w. N.). Ob sich eine Firma zur Täuschung eignet, ist auf
Grund der Verkehrsauffassung unter besonderer Berücksichtigung des Einzelfalls zu beurteilen. Das Registergericht
hat deshalb grundsätzlich die hierzu erforderlichen Ermittlungen durchzuführen (§ 12 FGG); einem Gutachten der IHK
kommt dabei regelmäßig besondere Bedeutung zu (vgl.
BayObLG a. a. O. m. w. N.).
(1) Geographische Zusätze, insbesondere Ortsnamen, werden ohne Rücksicht auf ihre Stellung in der Firma zunächst
als Hinweis auf den Sitz im Tätigkeitsbereich des betreffenden Unternehmens verstanden. Dies hängt auch damit zusammen, daß nach überwiegender Ansicht der Sitz der Gesellschaft der Ort ist, von dem aus tatsächlich die Geschäfte
geleitet werden, wo sich der Schwerpunkt der geschäftlichen Tätigkeit befindet. Ob danach im vorliegenden Fall im
Gesellschaftsvertrag und in der Anmeldung der Sitz der
Gesellschaft zutreffend wiedergegeben ist, wenn man der
Ansicht folgt, daß es nicht auf den im Gesellschaftsvertrag festgelegten, sondern auf den tatsächlichen Sitz
ankommt (vgl. im einzelnen Sch/ege/berger/Martens HGB
5. Aufl. § 106 Rdnrn.12, 13), ist nicht Gegenstand dieses
Rechtsbeschwerdeverfahrens. Nach den Feststellungen des
Landgerichts, an die der Senat gebunden ist, befindet
sich der Sitz der Gesellschaft nicht in X, sondern in dem
ca. 50 km entfernten Y; andernfalls hätte die Gesellschaft in
Y nicht angemeldet werden können.
(2) Ortsnamen in der Firma einer Gesellschaft haben regelmäßig eine doppelte Bedeutung: Sie kennzeichnen den Sitz
des Unternehmens und drücken häufig dessen besondere
Stellung und herausgehobene Bedeutung in diesem Ort aus.
Ob letztere Eigenschaft gegeben ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Das verkennt die Rechtsbeschwerde und übersieht, daß sich aus den von ihr angeführten Entscheidungen
des Bundesgerichtshofs nichts für ihre Rechtsansicht herleiten läßt, da es dort nicht um die Frage ging, ob eine Ortsbezeichnung, die sich nicht mit dem Sitz des Unternehmens
deckt, zulässig ist. Der Bundesgerichtshof hat nämlich mit
Urteil vom 23.3.1973 entschieden, daß die Firmenbezeichnung „Bayerische Bank" ohne jeden einschränkenden und
individualisierenden Zusatz den Eindruck erwecken könne,
das so firmierende Unternehmen sei „die" Bayerische Bank
schlechthin und damit das führende Bankunternehmen in
Bayern (vgl. GRUB 1973, 486). Da aber beide an diesem
Rechtsstreit beteiligten Banken ihren Sitz in München
haben, stellte sich die Frage der Sitzkennzeichnung von vorneherein nicht. Vergleichbares gilt für das Urteil vom
1.6.1979 (WM 1979, 922/923). Parteien dieses Rechtsstreits
waren zwei in der Baubranche tätige Gesellschaften jeweils
mit dem Sitz in Ulm, die beide in ihre Firma den Ortszusatz
MittBayNot 1992 Heft 6
„Ulm" aufgenommen hatten. In den Gründen dieser Entscheidung ist ausgeführt, daß zwar der Gebrauch einer Ortsangabe in Verbindung mit einer gattungsmäßigen Unternehmensbezeichnung als Bestandteil eines Firmennamens
gegen § 3 UWG verstoßen könne, wenn hierdurch der unrichtige Eindruck erweckt werde, es handle sich um das einzige
oder doch bedeutungsvollste Unternehmen dieser Branche
am Ort. Jedoch sei im Bereich der Bauträger- und Wohnungsbauunternehmen die Verwendung von Ortsbezeichnungen und anderer geographischer Zusätze als Firmenbestandteil stark verbreitet, so daß aus Rechtsgründen nicht
zu beanstanden sei, daß das Berufungsgericht eine Täuschungsgefahr in diesem Sinn verneint. Aus dieser Begründung läßt sich nur herleiten, daß nicht jeder geographische
Zusatz in jedem Fall eine Herausstellung des Unternehmens
im Sinne einer Bedeutungsberühmung sein muß. Jedenfalls
besagen diese Entscheidungen des Bundesgerichtshofs
nichts zur Zulässigkeit eines vom Sitz der Gesellschaft verschiedenen Ortsnamens in der Firma.
(3) Hat ein Unternehmen der Baubranche in seine Firma als
nachgestellten Zusatz einen Ortsnamen ohne nähere Kennzeichnung aufgenommen, so wird ein solcher Zusatz vom
überwiegenden Teil der durch die Firma angesprochenen
Verkehrskreise als Kennzeichnung des Sitzes der Gesellschaft verstanden (vgl. Gößner Lexikon des Firmenrechts
Stichwort „Ortszusatz" 0 7; Boke/mann Das Recht der
Firmen- und Geschäftsbezeichnungen 3. Aufl. Rdnr. 125; Heymann/Emmerich HGB. § 18 Rdnrn.44, 45; vgl. auch BGH
Rpfleger 1990, 75/76). Fallen Ortsname in der Firma und Sitz
des Unternehmens auseinander, ist die Firma regelmäßig
zur Täuschung geeignet; dann ist auch die Anmeldung einer
solchen Firma zurückzuweisen. Wird ein Ortszusatz im Falle
einer Sitzverlegung unrichtig, hat dies regelmäßig die Unzulässigkeit der Firma zur Folge (vgl. für den Ausnahmefall die
Entscheidung des OLG Stuttgart BB Beilage 12175 S.10
m. Anm.'Wessel, die aber den Grundsatz gerade bestätigt).
3. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde sind Verfahrensverstöße nicht ersichtlich; insbesondere sind die
Vorinstanzen ihrer Ermittlungspflicht nach § 12 FGG nachgekommen. Bei ihren Entscheidungen waren sie durch die
gutachtliche Stellungnahme der IHK sachverständig beraten. Welche weiteren Ermittlungen erforderlich gewesen
sein sollten, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf. Das Vorbringen, bei den angesprochenen Verkehrskreisen sei die
Ansicht verbreitet, eine Ortsangabe in der Firmenbezeichnung deute nicht auf den Sitz des Unternehmens, sondern
auf dessen Tätigkeitsschwerpunkt hin, ist auch nicht andeutungsweise belegt; sollte eine solche Ansicht tatsächlich
verbreitet sein, ist sie wohl darauf zurückzuführen, daß,
anders als im vorliegenden Fall, Sitz und Tätigkeitsschwerpunkt eines Unternehmens in aller Regel zusammenfallen.
Überdies werden durch die Firma des Unternehmens nicht in
erster Linie Angehörige der Baubranche, also die Konkurrenten, sondern die beworbenen Kunden, also die Allgemeinheit angesprochen.
Ob eine Firmierung „Projekt X" zulässig wäre, ist hier nicht
zu entscheiden, da eine solche Anmeldung bisher nicht vorliegt. Möglicherweise sind aber die hiergegen von der
Gesellschaft vorgebrachten Bedenken nicht unbegründet,
da unter Projekt regelmäßig ein Plan, eine Planung oder ein
bestimmtes Vorhaben verstanden wird (vgl. OLG Stuttgart
BB 1973, 861/862). Nach Vollendung eines solchen Projekts
könnte die Firma unzulässig werden; gegebenenfalls müßte
dann die Bezeichnung „Projekt" durch „Objekt" oder ähnliches ersetzt werden.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BayObLG

Erscheinungsdatum:

16.07.1992

Aktenzeichen:

3 Z BR 55/92

Erschienen in:

MittBayNot 1992, 414-415
MittRhNotK 1992, 249-250

Normen in Titel:

HGB § 18 Abs. 2