BGH 29. April 2022
BLw 5/20
VwVfG §§ 48, 49; GrdstVG §§ 7 Abs. 2 und 3; 22 Abs. 1

Rücknahme oder Widerruf einer Genehmigung nach dem GrdstVG; Rechtsfolgen

VwVfG §§ 48, 49; GrdstVG §§ 7 Abs. 2 und 3; 22 Abs. 1
Rücknahme oder Widerruf einer Genehmigung nach dem GrdstVG; Rechtsfolgen

1. Gegen die Rücknahme oder den Widerruf einer Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz kann gemäß § 22 Abs. 1 GrdstVG ein Antrag auf Entscheidung durch das nach dem Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen zuständige Gericht gestellt werden.

2a. Die Rücknahme einer rechtswidrigen Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz richtet sich nach § 48 Abs. 3 VwVfG und kann auch dann erfolgen, wenn die privatrechtsgestaltende Wirkung der Genehmigung bereits eingetreten ist; die Fiktion des § 7 Abs. 3 GrdstVG tritt nicht ein, wenn die Eintragung in das Grundbuch aufgrund eines rechtswidrig genehmigten Rechtsgeschäfts vorgenommen worden ist.

2b. Die Rücknahme einer rechtswidrigen Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz ist nach dem im Rahmen der Ermessenabwägung einzubeziehenden Rechtsgedanken des § 7 Abs. 3 GrdstVG regelmäßig ausgeschlossen, wenn das Rücknahmeverfahren nicht innerhalb eines Jahres nach Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch eingeleitet worden ist; das gilt jedoch nicht, wenn die in § 48 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 VwVfG genannten Voraussetzungen vorliegen, unter denen sich die Beteiligten nicht auf Vertrauensschutz berufen können.

2c. Auch eine gemäß § 7 Abs. 3 GrdstVG fingierte Genehmigung kann zurückgenommen werden, wenn und soweit die in § 48 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 VwVfG genannten Voraussetzungen bezogen auf die Herbeiführung der Eintragung in das Grundbuch vorliegen.

3. Soll die Rücknahme einer rechtswidrigen Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz erfolgen und liegen die Voraussetzungen vor, unter denen das Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz ausgeübt werden kann, so hat die Behörde während des Rücknahmeverfahrens die Erklärung der Siedlungsbehörde über die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die vorkaufsberechtigte Stelle herbeizuführen und muss den Veräußerer über diesen Vorgang in Kenntnis setzen; die Rücknahme muss zwingend mit der Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts verbunden werden. Eines Zwischenbescheids nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GrdstVG bedarf es nicht; die Vertragsparteien können die Anhörung zum Anlass nehmen, zu erklären, dass der Antrag für den Fall der Rücknahme zurückgenommen wird.

4. Das Grundbuchamt hat in entsprechender Anwendung von § 7 Abs. 2 Satz 1 GrdstVG einen Widerspruch in das Grundbuch einzutragen, wenn das Ersuchen der Genehmigungsbehörde auf die Rücknahme oder den Widerruf der nach dem Grundstückverkehrsgesetz erteilten Genehmigung nach §§ 48, 49 VwVfG gestützt wird; die Unanfechtbarkeit des Rücknahmebescheids bzw. dessen sofortige Vollziehbarkeit gehört zu denjenigen Voraussetzungen des Widerspruchs, die grundsätzlich nicht das Grundbuchamt, sondern die Genehmigungsbehörde zu prüfen hat.

BGH, Beschl. v. 29.4.2022 – BLw 5/20

Problem
Im Jahr 2015 verkauften 14 Gesellschaften eines Konzerns jeweils in ihrem Alleineigentum stehende landwirtschaftliche Grundstücke mit einer Fläche von insgesamt 2262 ha zu einem Kaufpreis von insgesamt 26,7 Millionen Euro. Käuferin war eine ebenfalls konzernzugehörige und als landwirtschaftliches Unternehmen registrierte Gesellschaft. Die Vertragsparteien vereinbarten eine langfristige Rückverpachtung der Flächen an die jeweiligen Verkäuferinnen. Der Landkreis erteilte kurz darauf eine Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz. Unmittelbar nach Erteilung der Genehmigung übertrug die Alleingesellschafterin der Käuferin 94,9 % ihrer Geschäftsanteile auf eine konzernfremde Kapitalanlagegesellschaft. Daraufhin teilte der Landkreis mit, dass er die Rücknahme der erteilten Genehmigung beabsichtige und die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts vorbereite. Es liege eine ungesunde Verteilung von Grund und Boden vor. Anschließend erklärte der Landkreis mittels Bescheid vom 27.9.2017 für sechs der 14 verkauften Grundstücke die Rücknahme der erteilten Genehmigung sowie evtl. fingierter Genehmigungen und teilte die Ausübung des Vorkaufsrechts durch das gemeinnützige Siedlungsunternehmen mit. Aufgrund dessen versuchte der Landkreis gemäß § 7 Abs. 2 GrdstVG einen Widerspruch in das Grundbuch eintragen zu lassen, was zunächst auch erfolgte. Aufgrund einer im Beschwerdeverfahren ergangenen Anordnung des OLG wurde der Widerspruch jedoch wieder gelöscht. Die Vorinstanz hob den Rücknahmebescheid auf, wogegen sich die Rechtsbeschwerde beim BGH richtet.

Entscheidung
In der Sache hat die Rechtsbeschwerde Erfolg. Das Gericht thematisiert verschiedene Zulässigkeitsprobleme, die hier aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht weiter dargestellt werden sollen. Insofern sei auf den Volltext der Entscheidung auf der DNotI-Homepage verwiesen. Nach Auffassung des BGH richtet sich die Rücknahme einer rechtswidrigen Grundstückverkehrsgenehmigung nach § 48 Abs. 3 VwVfG und kann auch dann erfolgen, wenn die privatrechtsgestaltende Wirkung der Genehmigung bereits eingetreten ist. Da es sich um einen begünstigten Verwaltungsakt handelt, der weder eine Geld- noch eine Sachleistung gewährt, richtet sich die Rücknahme nach § 48 Abs. 3 VwVfG. Dabei ist auch möglich, dass die Rücknahme des Verwaltungsakts auf einzelne Kaufgegenstände beschränkt wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine einheitliche Urkunde mehrere rechtlich selbstständige Verträge enthält, die der Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz bedürfen. Im vorliegenden Fall bejaht der BGH das Vorliegen 14 rechtlich selbstständiger Kaufverträge insbesondere mit dem Argument, dass 14 verschiedene Verkäuferinnen beteiligt sind.

Die Rücknahme sei auch nicht gemäß § 7 Abs. 3 GrdstVG ausgeschlossen. Eine direkte Anwendung des § 7 Abs. 3 GrdstVG scheide aus, da bei einer einmal erteilten Genehmigung kein Anlass für eine Fiktionswirkung bestehe. Auch eine analoge Anwendung der Norm komme nicht in Betracht, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Die Rücknahme von rechtswidrigen, privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakten sei in § 48 VwVfG eingehend und differenziert geregelt, sodass insbesondere auch die Frist des § 48 Abs. 4 S. 1 VwVfG der Frist für die Fiktionswirkung nach dem GrdstVG als lex specialis vorgehe. Die Wertung des § 7 Abs. 3 GrdstVG sei jedoch im Rahmen des Rücknahmeverfahrens gem. § 48 VwVfG zu berücksichtigen. Denn der Regelungszweck des § 7 Abs. 3 GrdstVG bestehe darin, nach dem Ablauf einer gewissen Zeit über die Wirksamkeit des Veräußerungsgeschäfts und die Richtigkeit des Grundbuchs Gewissheit zu haben. Eine Rücknahme nach mehr als einem Jahr scheide also regelmäßig aus. Etwas anderes gelte aber dann, wenn bei den Vertragsbeteiligten die Voraussetzungen der §§ 48 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 VwVfG vorlägen. Denn dann können sich die Beteiligten nicht auf Vertrauensschutz berufen. Ein solches Berufen auf Vertrauensschutz scheide vorliegend aus, da die Erwerberin unvollständige und unrichtige Angaben gemacht habe, da die dauerhafte Einbringung der Flächen in eine konzerninterne Besitzgesellschaft nicht beabsichtigt war, sondern von vornherein geplant war, die erwerbende Kapitalgesellschaft in weiten Teilen an einen Dritten zu veräußern. Daraus resultiere eine ungesunde Verteilung von Grund und Boden im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG. Dient der Erwerb nämlich der Weiterveräußerung an eine konzernfremde Kapitalgesellschaft, die lediglich Gewinne aus der Rückverpachtung erzielen solle, liege eine solche ungesunde Verteilung von Grund und Boden nahe.

Umstritten war bislang die richtige Verfahrensweise bei der Rücknahme einer Genehmigung nach dem GrdstVG. Teilweise wurde vertreten, dass die Rücknahme einer Genehmigung von der erneuten Entscheidung über den Genehmigungsantrag zu trennen sei und der Lauf der Frist gemäß § 6 GrdstVG erneut in Gang gesetzt werde. Dies sieht der BGH nun anders und entscheidet den Streit dahingehend, dass die Rücknahme zwingend mit der konkludenten Versagung der Genehmigung einhergehe, weil sie die Rechtswidrigkeit der Genehmigung gerade voraussetze. Die Rücknahme müsse deshalb zwingend mit der Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts verbunden werden. Liegen nämlich die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts vor und wird das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt, scheide die versagende Genehmigung und damit zugleich die Rücknahme der erteilten Genehmigung gemäß § 9 Abs. 5 GrdstVG aus. Daraus ergebe sich nach Auffassung des BGH zwingend, dass die Rücknahme die Frist des § 6 GrdstVG nicht erneut in Gang setze.

In entsprechender Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 1 GrdstVG sei dann ein Widerspruch in das Grundbuch einzutragen, wenn das Ersuchen der Genehmigungsbehörde auf die Rücknahme oder den Widerruf der erteilten Genehmigung gestützt werde. Im Gegensatz zu § 53 GBO hänge die Eintragung des Widerspruchs gemäß § 7 Abs. 2 GrdstVG nicht von einem Verfahrensfehler des Grundbuchamts ab.

Da weitere Sachverhaltsermittlung dahingehend erforderlich war, ob aufstockungsbedürftige und leistungsfähige Landwirte zum Erwerb der Flächen zu den Bedingungen des Kaufvertrags bereit und in der Lage waren, hat der BGH die Sache zur erneuten Sachverhaltsaufklärung zurückverwiesen. Hierbei hat er klargestellt, dass es für die Frage auf den Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts ankommt.

Praxishinweis
Für den umgekehrten Fall, dass die Genehmigung zunächst versagt wird, ist zu beachten, dass das genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäft damit endgültig unwirksam wird und die nachträgliche Aufhebung der Versagung und Genehmigung nicht mehr zur Wirksamkeit des einmal endgültig unwirksamen zivilrechtlichen Vertrags führen kann (vgl. dazu BGH NJW 1956, 1918 sowie DNotI-Abrufgutachten Nr. 101068).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

29.04.2022

Aktenzeichen:

BLw 5/20

Rechtsgebiete:

Grundbuchrecht
Sonstiges Öffentliches Recht

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 85-87

Normen in Titel:

VwVfG §§ 48, 49; GrdstVG §§ 7 Abs. 2 und 3; 22 Abs. 1