BGH 14. Februar 2025
V ZR 86/24
WEG §§ 20 Abs. 3, 44 Abs. 1 S. 2

Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Gestattung einer baulichen Veränderung; Durchbrüche tragender Wände; Fassadendurchbohrung; Eingriff in bauliche Substanz; Maßstab für relevante Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer

letzte Aktualisierung: 4.4.2025
BGH, Urt. v. 14.2.2025 – V ZR 86/24

WEG §§ 20 Abs. 3, 44 Abs. 1 S. 2
Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Gestattung einer baulichen Veränderung;
Durchbrüche tragender Wände; Fassadendurchbohrung; Eingriff in bauliche Substanz;
Maßstab für relevante Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer

1. Wird mit der Beschlussersetzungsklage die Gestattung einer Maßnahme nach § 20 Abs. 3 WEG
verlangt, genügt es für die Vorbefassung, dass der Kläger in der Eigentümerversammlung die
Beschlussfassung verlangt hat, wie er sie in der Folge von dem Gericht ersetzt verlangt. Die
Zulässigkeit der Klage hängt nicht davon ab, dass der Kläger der Eigentümerversammlung weitere
Informationen und Unterlagen vorgelegt hat.
2a. Ob der Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Gestattung einer baulichen Veränderung das
Einverständnis anderer Wohnungseigentümer voraussetzt, hängt entscheidend davon ab, ob sich ein
Wohnungseigentümer nach der Verkehrsanschauung verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann
(Fortführung von Senat, Beschluss vom 21. Dezember 2000 – V ZB 45/00, BGHZ 146, 241, 246).
2b. Von einem einzelnen Wohnungseigentümer beabsichtigte Durchbrüche einer tragenden Wand
oder Fassadendurchbohrungen sind nicht ohne weiteres als beeinträchtigende bauliche Veränderungen
einzuordnen; ob sich andere Wohnungseigentümer durch derartige Eingriffe in die
bauliche Substanz des Gemeinschaftseigentums verständlicherweise beeinträchtigt fühlen können,
hängt vielmehr von einer tatrichterlichen Würdigung der Umstände des Einzelfalls ab (Fortführung
von Senat, Beschluss vom 21. Dezember 2000 – V ZB 45/00, BGHZ 146, 241, 246 ff.).

Entscheidungsgründe:

I.
Das Berufungsgericht hält die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses
für unzulässig. Bei einer Beschlussersetzungsklage gelte auch nach neuem
Recht das sog. Vorbefassungsgebot, d.h. der Kläger müsse sich grundsätzlich
vor der Anrufung des Gerichts um eine Beschlussfassung der Eigentümerversammlung
bemüht haben. Werde - wie hier - die Gestattung einer Maßnahme
nach § 20 Abs. 3 WEG verlangt, reiche es allerdings für eine Vorbefassung nicht
aus, der Eigentümerversammlung die Thematik zu unterbreiten. Vielmehr müsse
der klagende Wohnungseigentümer den anderen Wohnungseigentümern auch
die zur Entscheidung notwendigen Informationen einschließlich möglicherweise
erforderlicher Privatgutachten zur Verfügung stellen. § 20 Abs. 3 WEG diene der
Umsetzung von Individualinteressen, indem dem einzelnen Wohnungseigentümer
ermöglicht werde, eine bauliche Veränderung durchzusetzen, soweit diese
für die anderen Wohnungseigentümer keine nennenswerten Nachteile habe.
Ohne eine hinreichende Tatsachengrundlage könnten die Wohnungseigentümer
die Folgen der baulichen Veränderung nicht beurteilen. Nach Sinn und Zweck
des § 20 Abs. 3 WEG sei es nicht Aufgabe der GdWE, sich auf eigene Kosten
die erforderlichen Informationen zu verschaffen. Die Beschaffung der notwendigen
Informationen könne auch nicht in das Beschlussersetzungsverfahren verlagert
werden. Mangels Vorlage von Informationen und fachlichen Stellungnahmen
über die Auswirkungen der Maßnahme auf die Bausubstanz und den KfW-Standard
fehle es hier an einer hinreichenden Vorbefassung.

II.
Mit dieser Begründung kann die Entscheidung keinen Bestand haben. Entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts ist ein Rechtsschutzbedürfnis für
die Klage gegeben.

1. Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass bei
einer Beschlussersetzungsklage das sog. Vorbefassungsgebot gilt. Voraussetzung
für eine zulässige Beschlussersetzungsklage ist grundsätzlich, dass sich
der Kläger vor der Anrufung des Gerichts um die Beschlussfassung der primär
zuständigen Versammlung der Wohnungseigentümer (§ 19 Abs. 1, § 23 Abs. 1
WEG) bemüht. Dies ergibt sich bereits aus § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG, wonach die
Klage voraussetzt, dass eine notwendige Beschlussfassung unterbleibt. Dabei
handelt es sich um eine spezialgesetzliche Ausprägung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses
(st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 8. Juli 2022 - V ZR
202/21, NJW 2022, 3003 Rn. 28). Eine Vorbefassung ist nur dann ausnahmsweise
entbehrlich, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon
ausgegangen werden kann, dass der Antrag in der Eigentümerversammlung
nicht die erforderliche Mehrheit finden wird, so dass die Befassung der Versammlung
eine unnötige Förmelei wäre (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 15. Januar
2010 - V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 Rn. 14 f.; Urteil vom 16. September 2022
- V ZR 69/21, NJW 2023, 63 Rn. 6).

2. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist dagegen die Annahme des Berufungsgerichts,
bei einer Klage, welche die gerichtliche Ersetzung der Gestattung einer
baulichen Maßnahme nach § 20 Abs. 3 WEG zum Gegenstand hat, sei es für
eine hinreichende Vorbefassung erforderlich, dass der den Beschluss verlangende
Wohnungseigentümer der Eigentümerversammlung die für die Beschlussfassung
erforderlichen Informationen verschafft und ihr in diesem Zusammenhang
ggf. auch Privatgutachten vorlegt.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats genügt es für die Vorbefassung
jedenfalls, dass der Kläger in der Eigentümerversammlung die Beschlussfassung
verlangt hat, wie er sie in der Folge von dem Gericht ersetzt verlangt (vgl. Urteil
vom 23. Juni 2023 - V ZR 158/22, NJW-RR 2023, 1242 Rn. 27). Danach liegt hier
eine hinreichende Vorbefassung vor, weil der Kläger in der Eigentümerversammlung
erfolglos versucht hat, eine Beschlussfassung zu erreichen, wie er sie nun
mit der Klage geltend macht.

b) Allerdings hat sich der Senat mit der Frage, ob nach neuem Recht besondere
Anforderungen an die Vorbefassung zu stellen sind, wenn ein Anspruch
aus § 20 Abs. 3 WEG geltend gemacht wird, bisher nicht befassen müssen. Insoweit
wird teilweise vertreten, dass bei einem Anspruch aus § 20 Abs. 3 WEG
das Vorbefassungsgebot unterlaufen würde, wenn im Prozess um eine Beschlussersetzung
erstmals Unterlagen vorgelegt würden, über die die Wohnungseigentümer
so nie in der Wohnungseigentümerversammlung hätten befinden können
(vgl. Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl., § 20 Rn. 447W Fn. 1181 u. Rn. 343); teilweise
wird ganz allgemein angenommen, dass die Wohnungseigentümer immer
mit allen dem Gericht präsentierten Entscheidungsgrundlagen vorbefasst gewesen
sein müssten (vgl. Bärmann/Pick/Fichtner, WEG, 21. Aufl., § 44 Rn. 176).

c) Die besseren Argumente sprechen gegen solche zusätzlichen Anforderungen
an die Vorbefassung. Wird mit der Beschlussersetzungsklage die Gestattung
einer Maßnahme nach § 20 Abs. 3 WEG verlangt, genügt es - wie sonst
auch - für die Vorbefassung, dass der Kläger in der Eigentümerversammlung die
Beschlussfassung verlangt hat, wie er sie in der Folge von dem Gericht ersetzt
verlangt. Die Zulässigkeit der Klage hängt nicht davon ab, dass der Kläger der
Eigentümerversammlung weitere Informationen und Unterlagen vorgelegt hat.

aa) Wie bereits ausgeführt (Rn. 5), ist das in § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG verankerte
Vorbefassungsgebot eine Ausprägung des für die Zulässigkeit einer
Klage erforderlichen allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses. Mit dem Erfordernis
des Rechtsschutzbedürfnisses als Einschränkung des Justizgewährleistungsanspruchs
(Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG) soll verhindert werden, dass die Gerichte
als Teil der Staatsgewalt unnütz oder gar unlauter bemüht werden oder ein
gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Verfolgung zweckwidriger und insoweit
nicht schutzwürdiger Ziele ausgenutzt wird. Es sollen solche Klagebegehren
nicht in das Stadium der Begründetheitsprüfung gelangen, die - gemessen am
Zweck des Zivilprozesses - ersichtlich eines staatlichen Rechtsschutzes durch
eine materiell-rechtliche Prüfung nicht bedürfen. Rechtsschutz kann unter diesem
rechtlichen Gesichtspunkt deshalb nur unter engen Voraussetzungen versagt
werden (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 27. Juli 2023 - IX ZR 267/20,
BGHZ 238, 61 Rn. 21 mwN).

bb) Daran gemessen können auch bei einem Anspruch aus § 20 Abs. 3
WEG keine weiteren Anforderungen an die Vorbefassung gestellt werden; insbesondere
kann nicht die Vorlage von Unterlagen verlangt werden.

(1) Hinge die Vorbefassung davon ab, dass der Kläger der Eigentümerversammlung
die für die Entscheidung notwendigen Informationen und Materialien
vorlegt, wäre nicht ohne umfangreiche materiell-rechtliche Prüfung ersichtlich,
wann die Beschlussersetzungsklage zulässig ist. Ob - und wenn ja welche - Unterlagen
und Nachweise als Entscheidungsgrundlage für die Eigentümerversammlung
erforderlich und ausreichend sind, hängt nämlich von einer sachlichen
Prüfung des Anspruchs im Einzelfall ab. Das Rechtsschutzbedürfnis dient indes
nicht dazu, materiell-rechtliche Prüfungen in die Zulässigkeit zu verlagern.

(2) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Eigentümerversammlung
hinreichende Informationen benötigt, um eine fundierte Entscheidung
treffen zu können.

(a) Bei der Entscheidung über eine Beschlussersetzungsklage kommt es
nach allgemeinen prozessualen Regeln darauf an, ob der geltend gemachte Anspruch
im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung besteht; für
dieses Klageziel ist es unerheblich, ob bereits bei der Ablehnung des
Beschlussantrags eine Handlungspflicht bestand (vgl. Senat, Urteil vom 4. Mai
2018 - V ZR 203/17, NZM 2018, 611 Rn. 26). Es ist also nicht zu prüfen, ob die
Beschlussfassung zu Recht abgelehnt wurde, weil es an einer hinreichenden
Entscheidungsgrundlage fehlte. Deswegen kann die GdWE in einem
Beschlussersetzungsverfahren nach § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG unterliegen, obwohl
die Ablehnung des Beschlusses in der Eigentümerversammlung rechtmäßig
war. Der Prüfungsrahmen der Beschlussersetzungsklage würde der Sache nach
auf die Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbeschlusses erstreckt, wenn im Rahmen
der Vorbefassung zu prüfen wäre, ob der Eigentümerversammlung bei der Beschlussfassung
die für die Entscheidung erforderlichen Informationen vorlagen.
Ein Grund hierfür besteht umso weniger, als die Ergebnisse etwaiger von dem
Kläger im Vorfeld eines Gerichtsverfahrens eingeholter Gutachten und Stellungnahmen
die anderen Wohnungseigentümer nicht binden und in einem Prozess
nicht als ein Beweismittel im Sinne der §§ 355 ff. ZPO, sondern nur als urkundlich
belegter Parteivortrag gewürdigt werden dürfen (vgl. Senat, Beschluss vom
14. März 2018 - V ZB 131/17, NZM 2018, 399 Rn. 17). Selbst wenn also den
Wohnungseigentümern vor der Beschlussfassung umfangreiche Materialien vorgelegt
worden sind, kann und muss das Gericht ggf. weitere Beweise erheben,
was die Entscheidungsgrundlage des Gerichts gegenüber derjenigen der Eigentümerversammlung
verändert und erweitert. Dass die Beweiserhebung durch das
Gericht zu Kosten führen kann, die der unterliegende Teil nach § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO zu tragen hat, ist ein allgemeines Prozessrisiko.

(b) Insoweit ergeben sich keine Besonderheiten, wenn ein Anspruch aus
§ 20 Abs. 3 WEG geltend gemacht wird.

(aa) Allerdings hängt ein Gestattungsanspruch nach § 20 Abs. 3 WEG davon
ab, dass diejenigen Wohnungseigentümer, deren Einverständnis fehlt, nicht
beeinträchtigt werden. Dass die bauliche Veränderung von dem Antragssteller
gewünscht wird, spricht für die Sichtweise des Berufungsgerichts, wonach es
nicht Sache der GdWE ist, die erforderlichen Informationen über mögliche Beeinträchtigungen
der anderen Wohnungseigentümer zu beschaffen. Vielmehr liegt
es im eigenen Interesse des Antragsstellers, der Eigentümerversammlung möglichst
umfassende Informationen und Materialien für eine fundierte Entscheidung
zur Verfügung zu stellen. Denn so erhöht sich seine Chance, die anderen Wohnungseigentümer
von seinem Anliegen zu überzeugen und die von ihm gewünschte
Beschlussfassung einvernehmlich und ohne ein zeitaufwendiges Gerichtsverfahren
zu erreichen.

(bb) Diese zutreffenden Überlegungen rechtfertigen es aber, anders als
das Berufungsgericht meint, im Ergebnis nicht, die im Rahmen der Zulässigkeit
zu prüfenden Anforderungen an die Vorbefassung zu erweitern. Dies führte nämlich
zu einer nicht hinnehmbaren Beeinträchtigung der Rechtsschutzmöglichkeiten
des Wohnungseigentümers. Zum einen könnte der Wohnungseigentümer
nicht sicher wissen, welche Unterlagen er der Eigentümerversammlung vorlegen
muss, damit er im Anschluss eine zulässige Beschlussersetzungsklage erheben
kann (s.o. Rn. 12). Zum anderen wäre für den Antragsteller vor der Beschlussfassung
weder absehbar, welche Unterlagen die anderen Wohnungseigentümer
für eine positive Beschlussfassung für erforderlich halten werden, noch könnte er
vorhersehen, ob und aus welchen Gründen der beantragte Beschluss - möglicherweise
trotz der Vorlage umfangreicher Materialien - abgelehnt werden wird. Es
hätte erhebliche Verzögerungen zur Folge, wenn die Eigentümerversammlung
nach Vorlage von - ggf. zeitaufwendig beschafften - Unterlagen die Beschlussfassung
dennoch ablehnte. Zudem bestünde aufgrund der fehlenden Verwertbarkeit
von Privatgutachten im Gerichtsverfahren (s.o. Rn. 14) die Gefahr, dass Gutachten
zu einem Thema doppelt eingeholt werden müssten und insoweit auch
doppelte Kosten entstünden.

III.
Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da
der Senat nicht selbst entscheiden kann, ist die Sache an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

1. Allerdings hat das Revisionsgericht nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache
selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung
bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt
und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. Dabei kann über
die sachliche Berechtigung der Klage auch nach deren Abweisung als unzulässig
entschieden werden, wenn das Berufungsurteil einen Sachverhalt ergibt, der für
die rechtliche Beurteilung eine verwertbare tatsächliche Grundlage bietet, und
bei Zurückverweisung der Sache ein anderes Ergebnis nicht möglich erscheint
(vgl. im Einzelnen Senat, Urteil vom 29. September 2017 - V ZR 19/16, NJW-RR
2018, 719 Rn. 41 ff. mwN - insoweit nicht vollständig in BGHZ 216, 83 abgedruckt).

2. Für eine Entscheidung über die Begründetheit der Klage bedarf es weiterer
Feststellungen. Insbesondere steht nicht fest, dass sie unbegründet ist. Ein
Anspruch des Klägers scheidet nicht ohne weiteres deswegen aus, weil der Kläger
die Gestattung einer mit Fassadendurchbohrungen verbundenen Maßnahme
beantragt. Allerdings wird teilweise vertreten, dass insbesondere eine Durchbohrung
der Außenwand oder des Dachs grundsätzlich eine beeinträchtigende bauliche
Veränderung darstelle, mit der alle übrigen Wohnungseigentümer einverstanden
sein müssten (vgl. LG Frankfurt a.M., ZWE 2021, 460 Rn. 12; ZWE
2024, 52 Rn. 10 f.). Das trifft jedoch nicht zu.

a) Nach § 20 Abs. 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer verlangen,
dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Wohnungseigentümer,
deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten
Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden
sind. Für die Beurteilung, wann hiernach eine relevante Beeinträchtigung
vorliegt, kann im Grundsatz auf die Rechtsprechung zu einer benachteiligenden
baulichen Veränderung im Sinne der § 22 Abs. 1 Satz 2, § 14 Nr. 1 WEG
aF zurückgegriffen werden, da in § 20 Abs. 3 WEG lediglich eine sprachliche Anpassung
dahingehend vorgenommen wurde
(vgl. BT-Drucks.
19/18791 S. 65; vgl. auch BeckOGK/Kempfle, WEG [1.12.2024], § 20 Rn. 188;
Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl., § 20 Rn. 325). Ob der Anspruch eines Wohnungseigentümers
auf Gestattung einer baulichen Veränderung das Einverständnis
anderer Wohnungseigentümer voraussetzt, hängt entscheidend davon
ab, ob sich ein Wohnungseigentümer nach der Verkehrsanschauung verständlicherweise
beeinträchtigt fühlen kann (vgl. zum Nachteil im Sinne der § 22 Abs. 1
Satz 2, § 14 Nr. 1 WEG aF Senat, Beschluss vom 21. Dezember 2000 - V ZB
45/00, BGHZ 146, 241, 246 mwN).

b) Der ständigen Senatsrechtsprechung entsprechend sind von einem einzelnen
Wohnungseigentümer beabsichtigte Durchbrüche einer tragenden Wand
oder Fassadendurchbohrungen nicht ohne weiteres als beeinträchtigende bauliche
Veränderungen einzuordnen; ob sich andere Wohnungseigentümer durch
derartige Eingriffe in die bauliche Substanz des Gemeinschaftseigentums verständlicherweise
beeinträchtigt fühlen können, hängt vielmehr von einer tatrichterlichen
Würdigung der Umstände des Einzelfalls ab (vgl. Senat, Beschluss vom
21. Dezember 2000 - V ZB 45/00, BGHZ 146, 241, 246 ff.). Wird die Maßnahme
nach fachkundiger Planung und ggf. statischer Berechnung durch ein Fachunternehmen
nach den Regeln der Baukunst durchgeführt, kann es an einer Beeinträchtigung
der anderen Wohnungseigentümer fehlen; das gilt nicht nur für tragende
Innenwände, sondern auch für Außenwände. Etwas anderes ergibt sich
insbesondere nicht aus Art. 14 Abs. 1 GG (so aber LG Frankfurt a.M., ZWE 2021,
460 Rn. 11; ZWE 2024, 52 Rn. 10). Denn auf die Eigentumsfreiheit können sich
nicht nur die Wohnungseigentümer, die einen Eingriff in die Bausubstanz ablehnen,
sondern auch die die Maßnahme verlangenden Wohnungseigentümer berufen
(vgl. Senat, Urteil vom 13. Januar 2017 - V ZR 96/16, ZWE 2017, 224
Rn. 19). Ob ein Wanddurchbruch oder eine Fassadendurchbohrung eine beeinträchtigende
bauliche Veränderung darstellt, kann daher nur auf Grund einer fallbezogenen
Abwägung der beiderseits grundrechtlich geschützten Interessen
entschieden werden (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Januar 2004 - V ZB 51/03,
BGHZ 157, 322, 326 f.; Urteil vom 13. Januar 2017 - V ZR 96/16, aaO Rn. 15;
jeweils zu § 14 Nr. 1 WEG aF).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

14.02.2025

Aktenzeichen:

V ZR 86/24

Rechtsgebiete:

WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

WEG §§ 20 Abs. 3, 44 Abs. 1 S. 2