OLG Hamm 22. September 2020
21 U 19/20
BGB §§ 516, 518 Abs. 2

Pflegeleistungen des Erben sprechen für Schenkung des Erblassers und gegen Missbrauch der Vollmacht

letzte Aktualisierung: 27.11.2020
OLG Hamm, Beschl. v. 22.9.2020 – 21 U 19/20

BGB §§ 516, 518 Abs. 2
Pflegeleistungen des Erben sprechen für Schenkung des Erblassers und gegen Missbrauch
der Vollmacht

Zur Beweislast und Beweiswürdigung bei der Entnahme erheblicher Beträge durch den
pflegenden Vorsorgebevollmächtigten kurz vor dem Tod des Vollmachtgebers.

(Leitsatz der DNotI-Redaktion)

Gründe

I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche der Erbengemeinschaft auf Rückzahlung
von Geldbeträgen geltend, die die Beklagte nach Auffassung der Klägerin unter Missbrauch
ihrer Vollmacht erlangt haben soll.
Die Parteien sind Geschwister und bilden - gemeinsam mit ihrer gemeinsamen Schwester,
Frau U L, - die ungeteilte Erbengemeinschaft des am 00.00.2019 verstorbenen Vaters der
Parteien, Herrn I W (im Folgenden: Erblasser). Die Ehefrau des Erblassers, Frau N W,
verstarb bereits am 00.00.2018.

Die Eheleute W hatten mittels notarieller Testamente vom 17.05.2011 und 14.06.2011
(Urkunden-Nr. 01/2011 und 02/2011 des Notars Urkunde aus C1) zunächst wechselseitig sich
selbst und sodann ihre Töchter zu Erben eingesetzt.
Die Beklagte hatte ihre Eltern im Februar 2017 in ihrem Haus aufgenommen, wo die Eheleute
W sodann über einen eigenen Haushalt verfügten. Um die Pflege ihrer Eltern zu
bewerkstelligen, gab die Beklagte zum 31.12.2016 ihren Beruf als Pflegefachkraft auf. Nach
dem Tod der Mutter der Parteien kümmerte sich die Beklagte um den Erblasser und pflegte
diesen in seinen letzten Lebensjahren. Jedenfalls in seinem letzten Lebensjahr war der
Erblasser stark pflegebedürftig. Für die von ihr vorgenommenen Pflegeleistungen erhielt die
Beklagte von dem Erblasser einen monatlichen Betrag in Höhe von 480,00 €, später 650,00 €
sowie das Pflegegeld. Hierdurch sollte der Beklagten, die aufgrund der Pflege ihres Vaters
ihre gelernte Tätigkeit als Altenpflegerin nicht mehr im gewohnten Umfang ausüben konnte,
ein finanzieller Ausgleich gewährt werden. Ferner beteiligte sich der Erblasser an den
höheren Nebenkosten (erhöhter Wasser- und Stromverbrauch) in Höhe von 80,00 €
monatlich. Der Erblasser hatte der Beklagten zudem eine notarielle Vorsorgevollmacht erteilt,
die sich auf Angelegenheiten der Gesundheitssorge und auf Vermögensangelegenheiten
bezog (Urkunden-Nr. 03/2011 des Notars Y aus C1). Unter anderem wurde die Beklagte dazu
bevollmächtigt, für den Erblasser Zahlungen und Wertgegenstände anzunehmen sowie
Zahlungen vorzunehmen. Als Bevollmächtigte hob die Beklagte regelmäßig Geldbeträge von
verschiedenen Konten des Erblassers ab und tätigte Überweisungen. Da der Erblasser über
die finanziellen Transaktionen weiterhin informiert sein wollte und in seinem gesamten Leben,
und zwar bis zum Schluss, in finanziellen Angelegenheiten einen sehr genauen und peniblen
Umgang pflegte, sah er regelmäßig seine Kontoauszüge durch. Dies tat er auch noch, als er
gesundheitlich und körperlich stark beeinträchtigt war. Hierzu erwartete er regelmäßig, dass
die Beklagte ihm nach jedem Einkauf die Quittungen vorlegte und das Wechselgeld
auszahlte. Darüber hinaus wollte er regelmäßig den aktuellen Kontostand einsehen. Auch
ließ er sich die Kontoauszüge vorlegen, was die Beklagte auch jedes Mal tat. Eine letzte
Vorlage der Kontoauszüge erfolgte am 31.01.2019.

Am 12.10.2018 ließ sich die Beklagte von dem Konto des Erblassers bei der Abank C mit der
Kontonummer 000000008 einen Betrag in Höhe von 30.000,00 € auszahlen, welchen sie
jedoch am 19.11.2018 auf das gleiche Konto des Erblassers wieder einzahlte. Am 18.10.2018
löste die Beklagte zwei Unterdepots eines Wertpapierdepots bei der Union Investment auf
(Unterdepot-Nr. 0000000001 und 0000000002) und ließ sich Beträge in Höhe von 10.106,00
€ und 11.066,00 € überweisen. Am 19.10.2018 löste die Beklagte zwei weitere Unterdepots
eines Wertpapierdepots bei der Union Investment auf (Unterdepot-Nr. 0000000003 und
0000000004) und ließ sich Beträge in Höhe von 20.692,10 € und 20.933,69 € überweisen.
Am 10.12.2018 ließ sich die Beklagte ein zweites Mal von dem Konto mit der Kontonummer
000000008 einen Betrag in Höhe von 30.000,00 € auszahlen. Am 10.01.2019 überwies die
Beklagte zwei Teilbeträge in Höhe von 30.000,00 € und 60.000,00 € auf das Konto des
Erblassers mit der Kontonummer 000000008. Am folgenden Tag, dem 11.01.2019, ließ sie
sich von diesem Konto einen Betrag in Höhe von 90.000,00 € auszahlen.
Zudem ließ sich die Beklagte in dem Zeitraum Februar 2018 bis Februar 2019 mehrere
Beträge von dem Konto des Erblassers bei der Abank C mit der Kontonummer 000000005
überweisen und auszahlen.

Ferner überwies sich die Beklagte am 02.07.2018 von dem Konto mit der Kontonummer
000000008 einen Betrag in Höhe von 500,00 €.

Mit Schreiben vom 07.05.2019 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die von ihr
vorgenommenen Entnahmen bis zum 15.05.2019 zu erstatten.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe die ihr eingeräumte Vollmacht in erheblichem
Umfang zur eigenen Bereicherung missbraucht. Sie habe die mit der Klage geltend
gemachten Beträge ohne Einverständnis des Erblassers entnommen. Die Auszahlung in
Höhe von 30.000,00 € am 12.10.2018 habe der Erblasser im November 2018 entdeckt und
von der Beklagten die Rückzahlung des Betrages verlangt. Diesem Verlangen habe die
Beklagte am 19.11.2018 Folge geleistet. Die Auszahlung in Höhe von nochmals 30.000,00 €
am 10.12.2018 habe die Beklagte sodann erneut ohne Absprache und Einverständnis des
Erblassers vorgenommen. Nachdem die Beklagte auch die Unterdepots aufgelöst habe, habe
der Erblasser im Januar 2019 erneut Kenntnis von den „Machenschaften“ seiner Tochter
erhalten. Nachdem die Beklagte durch den Erblasser zur Rückzahlung aufgefordert worden
sei, habe sie am 10.01.2019 durch Einzahlung auf das Tagesgeldkonto einen Betrag in Höhe
von insgesamt 90.000,00 € zurückgezahlt. Da es dem Verstorbenen ab dem 10.01.2019
jedoch gesundheitlich wieder schlechter gegangen sei und er ins Krankenhaus habe
verbracht werden müssen, habe die Beklagte offenbar nun endgültig nicht mehr damit
gerechnet, dass der Erblasser nochmals in der Lage sein würde, seine Kontoauszüge zu
überprüfen bzw. die Vorgänge zu erfassen. Deswegen habe sich die Beklagte nur einen Tag
später, am 11.01.2019, vom Tagesgeldkonto einen Betrag in Höhe von 90.000,00 € in bar
auszahlen lassen. Alle Entnahmen seien ohne Einverständnis des Erblassers und ohne
Rechtsgrund erfolgt. Die Gelder seien von der Beklagten vielmehr veruntreut worden. Dies
gelte auch für die Entnahmen von dem Konto bei der Abank C mit der Kontonummer
000000005 in Höhe von insgesamt 10.330,00 €. Auch diese Verfügungen seien ohne
Einverständnis und Wissen des Erblassers erfolgt. Ebenso seien auch die Verfügungen in
Höhe von 500,00 € am 02.07.2018 von dem Tagesgeldkonto bei der Abank C mit der
Kontonummer 000000008 sowie in Höhe von insgesamt 3.532,78 € von dem Girokonto bei
der Bbank Q mit der Kontonummer 00000006 ohne Einverständnis und Wissen des
Erblassers erfolgt.

Nachdem die Beklagte am 02.10.2019 einen Betrag in Höhe von 730,00 € auf das Konto der
Erbengemeinschaft eingezahlt hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit
übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Klägerin hat beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft nach dem am 23.02.2019
verstorbenen I W, bestehend aus der Klägerin, der Beklagten sowie Frau U L, wohnhaft Dstr.
00, 00000 C1, zur gesamten Hand 107.160,57 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2019 zu zahlen,
2.
die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von den vorgerichtlichen Kosten des Rechtsanwaltes
O aus der Kostenrechnung vom 13.08.2019 (Rechnungsnr. 007/19) in Höhe von 2.348,94 €
freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die Entnahme von 30.000,00 € von dem Konto des Erblassers sei auf
ausdrücklichen Wunsch des Erblassers erfolgt. Im November 2018 sei es dann zum Streit
zwischen der Beklagten und dem Erblasser gekommen, in dessen Folge sie den Betrag an
den Erblasser zurückgezahlt habe. Die Rückzahlung des Betrages sei deshalb erfolgt, weil
der Erblasser mit zunehmendem Alter hinsichtlich der Pflege häufiger eine unberechtigte
Unzufriedenheit gezeigt und die Beklagte sich kontrolliert gefühlt habe. Sie habe vermehrt
den Eindruck gehabt, dem Erblasser nichts mehr recht machen zu können. Der Beklagten sei
es immer schwerer gefallen, unter diesen Bedingungen die pflegerische Tätigkeit auszuüben.
Sie habe daher vorgeschlagen, nach einem entsprechenden Altersheim zu suchen. Da der
Erblasser daraufhin geäußert habe, dass er für ein Altersheim nicht die notwendigen
finanziellen Mittel habe, habe die Beklagte aus dieser Situation heraus beschlossen, die
30.000,00 € unverzüglich an den Erblasser zurückzuzahlen. Da sich die Beklagte und der
Erblasser in der Folge aber wieder versöhnt hätten und übereingekommen seien, dass eine
Heimunterbringung nicht notwendig sei, wenn beide an der gemeinsamen Beziehung arbeiten
würden, habe der Erblasser darauf bestanden, dass die Beklagte den Betrag in Höhe von
30.000,00 € zurücküberweise. Dies sei daher am 10.12.2018 erfolgt. Als Beweis, dass die
Beklagte die Zahlung an sich vorgenommen habe, habe er sich den Kontoauszug zeigen
lassen. Der Erblasser habe dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Geld für die
bereits erbrachten, aber auch für die künftigen Leistungen hinsichtlich seiner Pflege dienen
sollte. Er habe mit der Zahlung die Leistung der Beklagten würdigen wollen. Insbesondere
habe er die ungleichen Leistungen der Töchter berücksichtigt wissen wollen. Der Erblasser
habe gegenüber der Beklagten mehrfach wörtlich gesagt: „Der Erbschleicher L soll das nicht
haben.“ Darüber hinaus habe er sich massiv enttäuscht über die fehlende Unterstützung der
Klägerin und das Nichteinhalten der gemeinsam mit den Geschwistern getroffenen
Absprache gezeigt. Auch die Auszahlung der Erlöse aus den Unterdepots des
Wertpapierdepots habe als Ausgleich für die Entbehrungen, die die Beklagte durch die Pflege
des Erblassers auf sich genommen habe, gedient. Auf den Wunsch des Erblassers hätten
sämtliche Depots, die frei verfügbar und kündbar gewesen seien, aufgelöst und an die
Beklagte ausgezahlt werden sollen. Auf den Einwand der Beklagten gegenüber dem
Erblasser, dass es sich dabei doch um eine erhebliche Menge an Geld handele, habe dieser
gesagt: „Du hast die ganze Arbeit. Wenn ich dich nicht hätte, wäre ich eine ganz arme Sau.“
Er sei der Ansicht gewesen und habe dies auch immer wieder gegenüber der Beklagten
geäußert, dass er mit seinem Geld machen könne, was er wolle.

Aufgrund der angespannten Pflegesituation sei es am 10.01.2019 erneut zu einer Eskalation
und einem massiven Streitgespräch zwischen der Beklagten und dem Erblasser gekommen.
Da der Erblasser wie bereits zuvor Bedenken erhoben habe, ob er sich eine
Heimunterbringung finanziell leisten könne, habe die Beklagte daraufhin, wie zuvor, den
Geldbetrag, nun in Höhe von insgesamt 90.000,00 €, an den Erblasser überwiesen. Bereits
einen Tag später seien jedoch die Wogen erneut geglättet gewesen. Die Beklagte habe es
auch einfach nicht über das Herz gebracht, den Erblasser in seinen möglicherweise letzten
Tagen in einem Heim unterzubringen. Sie hätten sich erneut darauf geeinigt, die Pflege zu
Hause fortführen zu wollen. Erneut habe der Erblasser darauf bestanden, dass die Beklagte
ihr Geld wieder zurückerhalten solle. Daher habe die Beklagte den Betrag in Höhe von
90.000,00 € am 11.01.2019 in bar abgehoben. Die Abhebung sei im Wissen und in Kenntnis
des Erblassers erfolgt. Die Zahlung sei Zeichen der Anerkennung, Dankbarkeit und
Entlohnung für die geleisteten Tätigkeiten der Beklagten gewesen.

Die Abhebungen von dem Girokonto (000000005) seien zum Zwecke des täglichen Bedarfs
und jeweils im Auftrag des Erblassers erfolgt. Dieser habe sich jeweils direkt nach den
Abhebungen die Quittungen und Kontoauszüge zeigen lassen. Hinsichtlich der Verfügung
vom 02.07.2018 in Höhe von 500,00 € von dem Tagesgeldkonto (000000008) habe es sich
um eine der Beklagten zustehende Zahlung wegen des deutlich erhöhten Stromverbrauchs
des Erblassers gehandelt. Über das Girokonto (00000006) habe die Beklagte im Übrigen
keine Verfügungen getroffen. Bei diesem Konto habe es sich um das Girokonto der
vorverstorbenen Mutter gehandelt. Verfügungen über dieses Konto habe nur der Erblasser
selbst getroffen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Darstellung im landgerichtlichen Urteil Bezug
genommen.

Das Landgericht hat die Parteien persönlich angehört und durch Vernehmung des Zeugen T
Beweis erhoben. Mit dem am 17.01.2020 verkündeten Urteil hat es die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Zahlungsanspruch der Klägerin
gegen die Beklagte bestehe nicht. Zwar stehe für die Kammer fest, dass die Beklagte die
Beträge nicht als Entlohnung für die bei ihrem Vater vorgenommenen Pflegeleistungen
erlangt habe, da nach ihrem eigenen Vortrag der Geldbetrag als Würdigung ihrer Leistung
und Ausgleich für Entbehrungen gedacht gewesen sei, während sie für die pflegerische
Tätigkeit bereits einen monatlichen Betrag zzgl. Pflegegeld erhalten habe. Der Betrag von
über 90.000,00 € sei von dem Erblasser jedoch im Wege der Schenkung der Beklagten
zugewandt worden. Der Beklagten, der hier die Beweislast obliege, da es sich um eine
Handschenkung handele und die damit die Umstände beweisen müsse, die den nach § 518
Abs. 2 BGB für die Wirksamkeit des behaupteten Schenkungsversprechens erforderlichen
Tatbestand ausfüllen, sei dieser Nachweis gelungen. Der Zeuge T habe den Vortrag der
Beklagten teilweise bestätigt. Er habe nachvollziehbar und in sich schlüssig ausgesagt, dass
der Vater der Parteien die Beklagte und ihn zu sich in den Keller gerufen habe, um ihnen die
Schenkung eines Betrages in Höhe von 30.000,00 € mitzuteilen, da er gegenüber der
Beklagten seine Dankbarkeit für ihren pflegerischen Aufwand und für die Begleitung im Alltag
habe zeigen wollen. Dies scheine der Kammer nach allgemeiner Lebenserfahrung eine
nachvollziehbare Motivation für eine Schenkung. Der Zeuge habe zudem die Umstände des
Schenkungsversprechens sowie der Rückzahlung detailgetreu wiedergeben können. Die
Kammer habe bei der Würdigung der Zeugenaussage nicht verkannt, dass es sich bei dem
Zeugen T um den Ehemann der Beklagten handele, mithin eine parteiähnliche Interessenlage
bestehe. Einem solchen Zeugen sei allerdings nicht von vornherein weniger Glauben zu
schenken als Zeugen, die in keiner Beziehung zu den Parteien stehen. Der Zeuge habe
zudem keine einseitigen Belastungstendenzen erkennen lassen. Auch habe er es
unterlassen, obwohl es für ihn leicht möglich gewesen wäre, für die Beklagte günstiger
auszusagen. Der Zeuge habe nämlich angegeben, lediglich bei demjenigen Gespräch
zwischen der Beklagten und ihrem Vater anwesend gewesen zu sein, bei dem es um die
Schenkung eines Betrages in Höhe von 30.000,00 € gegangen sei. Einem weiteren
Gespräch, das die Schenkung eines restlichen Betrages zum Gegenstand gehabt habe, habe
er nicht beigewohnt. Der Verzicht auf eine wahrheitswidrige Bestätigung auch des höheren
Schenkungsbetrages und damit der Inkaufnahme einer für die beklagte Ehefrau insoweit
ungünstigen Aussage spreche sehr dafür, dass der Zeuge sich um wahrheitsgemäße
Angaben bemüht habe.

Die Kammer sei gleichwohl auch davon überzeugt, dass der Erblasser der Beklagten zudem
einen Betrag in Höhe von 62.797,79 € schenkweise habe zukommen lassen wollen. Auch
wenn der Zeuge T dies nicht unmittelbar habe bestätigen können, sei die glaubhafte Aussage
des Zeugen zumindest ein Indiz für eine Schenkung. Denn der Zeuge habe ausgesagt, dass
die Beklagte ihm mitgeteilt habe, dass ihr Vater ihr den fraglichen Betrag geschenkt habe, da
er ohne sie ein „armes Schwein“ sei, mithin den Betrag als Anerkennung für die pflegerischen
Leistungen der Beklagten habe leisten wollen. Für den Vortrag der Beklagten spreche zudem,
dass sie keine Bereicherungsabsicht habe erkennen lassen, indem sie offensichtlich auf
Verlangen ihres Vaters die geforderten Beträge zurückgezahlt habe. Im Übrigen sei zwischen
den Parteien auch unstreitig, dass der Erblasser penibel seine Kontobewegungen anhand
von Kontoauszügen und anderen Nachweisen kontrolliert habe.

Die Klägerin habe gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Rückzahlung eines weiteren
Betrages in Höhe von 14.362,78 €. Aus dem Vortrag beider Parteien gehe hervor, dass
sämtliche in diesem Rechtsstreit in Frage stehenden Abhebungen von dem Girokonto und
dem Tagesgeldkonto mit dem Willen des Erblassers vorgenommen worden seien. Denn der
Erblasser habe in finanziellen Angelegenheiten einen genauen Umgang gepflegt und habe
sich regelmäßig die Kontoauszüge vorlegen lassen. Mit der Einsichtnahme in die
Kontoauszüge habe der Erblasser alle Verfügungen gebilligt, genehmigt und zumindest
konkludent zu verstehen gegeben, dass das abgehobene Geld für seine Zwecke verwendet
und aufgebraucht worden sei und die jeweils zuletzt von der Beklagten abgehobene Summe
nun von der Beklagten für seinen Lebensunterhalt verwendet werden könne. Hinsichtlich der
Entnahmen von dem weiteren Girokonto der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers habe
die insoweit beweisbelastete Klägerin bereits nicht nachgewiesen, dass es überhaupt zu
einer Entnahme durch die Beklagte gekommen sei.

Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin in der Hauptsache ihren
erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiter. Mit ihrer Berufungsbegründung führt sie im
Wesentlichen aus, die Beweiswürdigung des Landgerichts sei grob fehlerhaft, weshalb die
Tatsachenfeststellung unrichtig sei. Die Begründung mit einer allgemeinen Lebenserfahrung
sei nicht zulässig. Eine tatsächliche Vermutung aufgrund einer allgemeinen Lebenserfahrung
zur Erleichterung einer Beweisführung sei nur zulässig, wenn eine Beweisführung
anderenfalls nicht möglich oder zumindest äußert erschwert sei. Dies sei hier nicht der Fall.
Im Übrigen müsse bei einer tatsächlichen Vermutung ein Sachverhalt feststehen, der nach
allgemeiner Lebenserfahrung auf eine bestimmte Schlussfolgerung hinweise. Anzunehmen,
dass ein Pflegebedürftiger im Allgemeinen bereit sei, hierfür 30.000,00 € zu schenken, wenn
bereits eine monatliche Vergütung für den pflegerischen Aufwand geleistet werde, sei schlicht
abwegig. Eine solche allgemeine Lebenserfahrung gebe es nicht, zumindest nicht aber so,
dass man insoweit von einer tatsächlichen Vermutung im Sinne einer prozessualen
Beweiserleichterung ausgehen könne. Allein hierauf stütze das Gericht aber die
Schlussfolgerung, dass von einer Schenkung in Höhe von 30.000,00 € auszugehen sei,
wobei es insbesondere auch die Drucksituation, dass der Erblasser Angst vor der
Unterbringung in einem Pflegeheim gehabt habe, vollkommen unberücksichtigt gelassen
habe. Zudem sei auch die Schlussfolgerung des Gerichts, dass die weiteren Behauptungen
der Beklagten naheliegend seien, dass der fragliche Betrag aufgrund von Streitigkeiten mit
ihrem Vater mehrfach zurücküberwiesen worden sei, fehlerhaft. Bereits die Logik dieser
Schlussfolgerung erschließe sich nicht. Zwar führe die Kammer insoweit aus, dass sie
angeblich nicht verkannt habe, dass es sich bei dem Zeugen um den Ehemann der Beklagten
handele. Schlussfolgerungen oder Konsequenzen aus dieser Erkenntnis ziehe die Kammer
gleichwohl nicht. Tatsächlich habe der Zeuge im Wesentlichen lediglich den Vortrag der
Beklagten wiederholt. Insoweit seien entgegen der Auffassung der Kammer an
Zeugenaussagen von Eheleuten sowie an die Begründung ihrer Würdigung sehr wohl höhere
Anforderungen zu stellen. Dies habe nichts damit zu tun, dass man einem Ehepartner einer
Partei von vornherein weniger Glauben schenke, sondern sei vielmehr selbstverständliche
Folge der einer Partei obliegenden Beweislast, zumal es, wie hier, darum gehe, die Heilung
einer Formwidrigkeit zu beweisen. Insoweit könne es nicht ausreichen, wenn ein Vortrag nur
teilweise bestätigt und im Übrigen eine Beweiswürdigung lediglich darauf gestützt werde,
dass aus einer Zeugenaussage angeblich Indizien für ein vermutetes Geschehen abgeleitet
werden könnten. Schlechterdings vollkommen unverständlich werde es dann, wenn das
Gericht lobend hervorhebe, dass der Zeuge auf eine wahrheitswidrige Bestätigung der
weiteren, angeblich geschenkten Beträge verzichtet habe. Dies sei eine
Selbstverständlichkeit und nicht einmal erwähnenswert. Erst recht könne allein aus dem
Unterlassen von Behauptungen nicht automatisch geschlossen werden, dass die tatsächlich
getätigten Behauptungen wahr seien. Geradezu absurd werde es dann aber, wenn das
Gericht ausdrücklich ausführe, dass der Zeuge einerseits auf weitere wahrheitswidrige
Bestätigungen verzichtet habe, es aber genau diese wahrheitswidrigen Bestätigungen im
Folgenden dann als bewiesen unterstelle. Der Zeuge habe die angeblich weiteren
Schenkungen in Höhe von 62.797,79 € gerade nicht bestätigt, genau hieraus leite das Gericht
dann aber ein Indiz dafür ab, dass es dennoch so gewesen sei, weil die Beklagte ihm dies
berichtet habe. Die Aussage des Zeugen sei auch nicht glaubhaft. Des Weiteren habe das
Gericht vollkommen unberücksichtigt gelassen, dass der Erblasser nachgewiesener Maßen
seine drei Töchter habe gerecht behandelt wissen wollen und jede Schenkung genauestens
dokumentiert habe. Schließlich sei, selbst wenn man das Ergebnis der Beweiswürdigung des
Gerichts zu Grunde legen wolle, lediglich eine erste Schenkung in Höhe von 30.000,00 €
bewiesen. Denn nach eigenem Vortrag der Beklagten habe sie diesen Betrag
zurücküberwiesen, die Schenkung sei also rückabgewickelt worden. Den neuerlichen
Entnahmen habe also zwingend eine neue Abrede und damit ein erneutes
Schenkungsversprechen des Erblassers zu Grunde liegen müssen. Schließlich sei darauf
hinzuweisen, dass sich der Erblasser bei der Entnahme am 11.01.2019 in einem schlechten
Zustand im Krankenhaus befunden habe. Er sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage
gewesen, einer Schenkung zuzustimmen bzw. eine Schenkungsvereinbarung zu treffen.
Auch dies berücksichtige das Gericht nicht. Insoweit streite keinerlei Beweiserleichterung für
die Beklagte. Auch bezüglich des weiteren Betrages in Höhe von 14.362,78 € überzeuge die
Begründung des Landgerichts nicht. Ob der Erblasser insoweit über die einzelnen
Entnahmen durch Vorlage der Kontoauszüge tatsächlich noch informiert gewesen sei, sei
nicht relevant. Entscheidend sei die Verwendung der Beträge, die der Erblasser zwangsläufig
aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht mehr habe kontrollieren können, da er nicht
mehr in der Lage gewesen sei, Einkäufe etc. zu begleiten. Es sei auch schlichtweg falsch,
wenn das Gericht behaupte, dass der Erblasser insoweit konkludent zu verstehen gegeben
habe, dass das abgehobene Geld für seine Zwecke verwendet und aufgebraucht worden sei.

Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die
Erbengemeinschaft nach dem am 23.02.2019 verstorbenen I W, bestehend aus der Klägerin,
der Beklagten sowie Frau U L, wohnhaft Dstr. 10, 00000 C1, zur gesamten Hand 107.160,57
€, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2019
zu zahlen
sowie
die Klägerin von den vorgerichtlichen Kosten des Rechtsanwalts O aus der Kostenrechnung
vom 13.08.2019 (RG-Nr. 007/19) in Höhe von 2.348,94 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt mit ihrer Berufungserwiderung unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens das angegriffene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf
die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren verwiesen.

II.
Die Berufung der Klägerin ist gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da zur einstimmigen
Überzeugung des Senats das Berufungsbegehren wegen offensichtlicher Unbegründetheit
keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und
eine Entscheidung in dieser Sache nicht der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung dient. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
Die Berufung kann gem. § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die
Entscheidung auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO beruht oder die nach §
529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Diese
Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Die von der Klägerin vorgetragenen Berufungsgründe sind unter Berücksichtigung derjenigen
Tatsachen, die der Senat gemäß § 529 ZPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat,
nicht geeignet, eine vom Urteil des Landgerichts abweichende und ihr günstigere
Entscheidung zu tragen.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Die gebotene und
lebensnahe Gesamtwürdigung aller Umstände dieses Falles begründet die zutreffende
Überzeugungsbildung des Landgerichts.

Wegen der Einzelheiten wird in vollem Umfang auf die mit dem Senatsbeschluss vom
23.07.2020 erteilten Hinweise Bezug genommen.

Die hierauf erfolgte Stellungnahme der Klägerin vom 11.09.2020 rechtfertigt keine andere
Entscheidung, sondern gibt lediglich zu der folgenden ergänzenden Begründung Anlass:

1.
Soweit die Klägerin einwendet, dass es nicht akzeptabel sei, dass ein lapidarer Hinweis auf
eine angebliche Lebenserfahrung ausreichend sein soll, und dass es eine solche allgemeine
Lebenserfahrung nicht gebe, ist dies jeweils unzutreffend und greift nicht durch.
Denn erstens hat weder das Landgericht seine Überzeugung von einer Schenkung allein mit
einer allgemeinen Lebenserfahrung begründet noch hat der Senat in seinem
Hinweisbeschluss darauf hingewiesen, dass allein eine solche Begründung ausreichend
wäre. Das Landgericht hat sich vielmehr auf die gesamte Aussage des Zeugen T gestützt und
hierbei besonders die von ihm bekundeten Details und Einzelheiten sowie alle weiteren
Umstände dieses Falles gewürdigt. Die Gesamtwürdigung ist nicht zu beanstanden.

Zweitens kann eine allgemeine Lebenserfahrung im Rahmen der Beweiswürdigung gem. §
286 ZPO berücksichtigt werden und stellt mitunter gerade ein maßgebliches Kriterium dar
(vgl. MüKoZPO/Prütting, 6. Aufl. 2020, ZPO § 286 Rn. 9; Musielak/Voit/Foerste, 17. Aufl.
2020 Rn. 10a, ZPO § 286 Rn. 10a; Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, §
286 ZPO, Rn. 13b; Saenger, Zivilprozessordnung, ZPO § 286 Rn. 3, beck-online). Die
allgemeine Lebenserfahrung prägt die Beweiswürdigung und insbesondere auch die Prüfung
der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen (vgl. Musielak/Voit/Foerste, 17. Aufl. 2020, ZPO §
286 Rn. 13).

Vorliegend hat das Landgericht die benannte allgemeine Lebenserfahrung auch nicht im
Wege eines Anscheinsbeweises oder einer tatsächlichen Vermutung angewandt, sondern
damit – in den Urteilsgründen erkennbar – lediglich begründet, dass der diesbezügliche Teil
der Aussage des Zeugen hinsichtlich der Motivation des Erblassers anhand der allgemeinen
Lebenserfahrung plausibel und nachvollziehbar ist und der allgemeinen Lebenserfahrung
nicht entgegensteht. Dass die Motivation eines Erblassers für eine Schenkung eines – auch
hohen – Geldbetrages an seine Tochter große Dankbarkeit für ihren pflegerischen Aufwand
und für die Begleitung im Alltag sein kann und eine solche Motivation nachvollziehbar ist, ist
auch für jedermann verständlich und nachvollziehbar und setzt insbesondere kein
besonderes Wissen voraus, welches vom Gericht zunächst offenzulegen wäre. Da das
Landgericht keinen Anscheinsbeweis angewandt hat, ist ferner auch die gesonderte
Feststellung eines typischen Geschehensablaufs nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Beschluss
vom 31. Januar 2018 – 9 B 11/17 –, juris).

Insbesondere hat das Landgericht auch keine Feststellungen dazu getroffen, dass es eine
allgemeine Lebenserfahrung gebe, die immer und ausnahmslos gelte und aus der sich eine
zwingende Schlussfolgerung ergebe. Das Landgericht hat vielmehr zutreffend die Umstände
dieses Einzelfalles und die Details des Parteivorbringens und der Aussage des Zeugen
gewürdigt.

2.
Soweit die Klägerin einwendet, das Landgericht habe wesentlichen Parteivortrag nicht
berücksichtigt, vermag auch dies der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Eine Gesamtwürdigung ergibt hier die Überzeugung davon, dass die Beklagte die streitigen
Geldbeträge mit Wissen und Wollen des Erblassers aufgrund einer Schenkung erlangt hat.
Ausgehend von den vom Landgericht zutreffend angewandten Maßstäben hatte die Beklagte
nicht ein Schenkungsversprechen zu beweisen, sondern die die Beklagte treffende
Beweislast beschränkte sich darauf, dass die Leistung mit Wissen und Wollen des Leistenden
bewirkt und der Formmangel der Schenkung damit geheilt worden ist (BGH, Urteil vom
11.03.2014 - X ZR 150/11 -, juris). Der angeblich Beschenkte muss die Umstände beweisen,
die den nach § 518 Abs. 2 BGB für die Wirksamkeit des behaupteten
Schenkungsversprechens erforderlichen Tatbestand ausfüllen (BGH, Urteil vom 14.11.2006 –
X ZR 34/05 –, BGHZ 169, 377-383, juris Rn. 13).

Im Wege der gebotenen Gesamtwürdigung hat das Landgericht diese Überzeugung
zutreffend gewonnen.

Im Einzelnen und vertiefend ergibt sich dies aus folgenden Gründen:

a)
Die Behauptungen der Klägerin und damit die Grundlage der Klage, die Beklagte habe Geld
des Erblassers unter Vollmachtsmissbrauch mit rechtswidriger Bereicherungsabsicht
entwendet und der Erblasser habe die „Machenschaften“ der Klägerin zu einem bestimmten
Zeitpunkt entdeckt und die Beklagte zur Rückzahlung aufgefordert, stellen bereits reine
Vermutungen dar, die durch nichts belegt sind. Das einzige Indiz ist die Höhe der
Auszahlungen und Abhebungen.

b)
Der Vortrag der Beklagten zu ihrem Verhältnis mit dem von ihr gepflegten Vater und zu
dessen Beweggründen und Motiven der Schenkung der hohen Beträge von insgesamt über
90.000,00 € ist hingegen schlüssig und unter lebensnaher Betrachtung nachvollziehbar.

c)
Es handelt sich zwar um hohe Geldbeträge. Der Erblasser verfügte aber über ein
entsprechendes Barvermögen. Dies ergibt sich aus den Kontoauszügen und der unstreitigen
Tatsache, dass neben den hier streitgegenständlichen Beträgen noch ein weiteres
Barvermögen von mind. 50.000,00 € vorhanden ist.

Neben dem Umstand, dass auch bereits in der Vergangenheit mehrfach Geldschenkungen an
alle Töchter des Erblassers erfolgt waren, ist hier maßgeblich, dass den
streitgegenständlichen hohen Geldbeträgen auch erhebliche Leistungen der Beklagten
gegenüberstehen. Die Beklagte hatte unstreitig ihre Eltern ab Februar 2017 in ihrem Haus
aufgenommen und sich nach dem Tod ihrer Mutter um den Erblasser gekümmert und diesen
insbesondere in seinem letzten Lebensjahr gepflegt. Der Umfang und die Intensität der auch
körperlichen Pflege gehen aus dem Chat-Verkehr aus der „WhatsApp-Geschwistergruppe“
(K8) hervor. Auf dieser Grundlage ist eine dementsprechend ebenfalls sehr große
Dankbarkeit des pflegebedürftigen Vaters gegenüber der ihn täglich pflegenden Tochter
nachvollziehbar und unter lebensnaher Betrachtung verständlich. Darüber hinaus hat der
Zeuge T das Motiv der Dankbarkeit des Erblassers sowie auch die Behauptung der Beklagten
bestätigt, dass der Erblasser von seinen beiden anderen Töchtern enttäuscht und darüber
verärgert war, weil diese nicht mehr zu ihm kamen. Die Beklagte hat dies mithin bewiesen.
Dass die Beklagte jedenfalls im letzten Lebensjahr des Erblassers dessen Pflege im
Wesentlichen alleine und ohne die Unterstützung ihrer Schwestern leistete, ergibt sich
darüber hinaus auch aus dem vorgelegten Chat-Verkehr, nach welchem die Parteien die
„WhatsApp-Geschwistergruppe“, die bis dahin zur Organisation der Aufteilung der Pflege des
Erblassers diente, am 18.08.2017 verlassen hatten. Dass die dritte Schwester, Frau U L,
jedenfalls im letzten Lebensjahr des Erblassers keine Pflegeleistungen mehr erbrachte, ist
ferner unstreitig. Auf dieser Grundlage ergibt sich der nachvollziehbare Sachverhalt, dass die
Beklagte den Erblasser in dessen letztem Lebensjahr alleine in ihrem Haus pflegte und
aufgrund des Umfangs der Pflegebedürftigkeit täglich für ihn da war und sich um ihn
kümmerte. Sie war damit die einzige Bezugsperson des Erblassers, während dieser im
Gegensatz dazu auch noch von seinen beiden anderen Töchter enttäuscht war, weil diese
nicht mehr zu ihm kamen. Eine übergroße Dankbarkeit des Erblassers gegenüber der
Beklagten ist auf dieser Grundlage unter lebensnaher Betrachtung mithin sehr
nachvollziehbar und verständlich. Auf dieser Grundlage war die Aussage des Zeugen T als
glaubhaft zu betrachten und zudem auch die Überzeugung zu gewinnen, dass auch dem
Betrag von über 60.000,00 € eine Schenkung des Erblassers zugrunde lag. Denn die
Umstände, die der Rücküberweisung und der nochmaligen Hingabe der Geldbeträge
zugrunde lagen, hat der Zeuge T glaubhaft bestätigt. Er hat auch glaubhaft bekundet, was er
bezüglich des zweiten Geldbetrages von der Beklagten mitbekommen hat. Schließlich
überzeugt eine Schenkung auch dieses zweiten Geldbetrages gerade im Wege der
Gesamtwürdigung. Denn aus der Überzeugung, dass der erste Geldbetrag vom Erblasser
schenkweise an die Beklagte gegeben wurde, ergibt sich auch die Überzeugung, dass auch
dem zweiten Geldbetrag ebenfalls eine solche Schenkung und gerade keine rechtswidrige
Entwendung durch die Beklagte zugrunde lag. Unverständlich und nicht überzeugend wäre
es bei dem vorliegenden Sachverhalt vielmehr, würde man bezüglich des ersten Betrages
von einer Schenkung des Erblassers, hinsichtlich des zweiten Betrages aber, weil der Zeuge
diesbezüglich keine unmittelbare Kenntnis einer Vereinbarung hatte, von einer Entwendung
des Geldes durch die Beklagte ausgehen. Dies würde nicht zueinander passen und
unverständlich sein. Im Gegenteil spricht mithin vorliegend gerade die Gesamtwürdigung aller
Umstände dafür, dass sowohl dem ersten als auch dem zweiten Geldbetrag jeweils eine
Schenkung des Erblassers aus Dankbarkeit für die tägliche Pflege allein durch die Beklagte
zugrunde lag. Der diesbezügliche Vortrag und die Bekundungen des Zeugen hinsichtlich der
Auseinandersetzungen und Streitereien zwischen dem Erblasser und der Beklagten, die zu
der Rücküberweisung und nochmaligen Abhebung des Geldes führten, sind auf dieser
Grundlage sehr verständlich und unter lebensnaher Betrachtung nachvollziehbar. Bei diesem
Ergebnis der Gesamtwürdigung passen alle Umstände zusammen und sind schlüssig und
nachvollziehbar.

d)
Die von der Klägerin nun behauptete Drucksituation, dass der Erblasser Angst vor einer
Unterbringung in einem Altenheim gehabt habe, gab es nicht. Dies stellt eine reine
Vermutung der Klägerin dar, die durch nichts belegt ist. Eine solche Drucksituation haben
weder die Klägerin noch die Beklagte bislang vorgetragen. Die Behauptung ist damit
unschlüssig sowie nach § 531 Abs. 2 ZPO auch nicht zuzulassen.

e)
Zudem sprechen erhebliche Umstände gegen eine rechtswidrige Entwendung der
Geldbeträge durch die Beklagte ohne Wissen und Wollen des Erblassers.
Denn es ist unstreitig, dass der Erblasser in finanziellen Angelegenheiten in seinem
gesamten Leben bis zum Schluss einen sehr genauen und peniblen Umgang pflegte, über
alle finanziellen Transaktionen informiert sein wollte und regelmäßig seine Kontoauszüge
durchsah. Es ist mangels Bestreiten durch die Klägerin auch unstreitig, dass er dies auch
noch tat, als er gesundheitlich und körperlich stark beeinträchtigt war, sowie, dass er
regelmäßig erwartete, dass die Beklagte ihm alle Quittungen und auch die Kontoauszüge
vorlegte, was die Beklagte auch jedes Mal tat. Mangels Bestreiten ist ferner unstreitig, dass
eine letzte Vorlage der Kontoauszüge sogar noch am 31.01.2019 erfolgte. Unstreitig ist auch,
dass der Erblasser bis zuletzt voll geschäftsfähig und orientiert war.

Der erst in der Berufungsbegründung erfolgte Vortrag der Klägerin, der Erblasser habe sich
bei der Entnahme am 11.01.2019 in einem schlechten Zustand im Krankenhaus befunden
und sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage gewesen, einer Schenkung zuzustimmen
bzw. eine Schenkungsvereinbarung zu treffen, ist in dieser Form neu. Diese Behauptungen
sind damit nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Im Übrigen hat die Klägerin für diese
von der Beklagten bestrittenen Behauptungen auch keinen Beweis angeboten. Ferner steht
den Behauptungen darüber hinaus der unstreitige Umstand entgegen, dass der Erblasser bis
zuletzt voll geschäftsfähig und orientiert war.

Auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts ist es zudem nicht überzeugend vorstellbar,
dass die Beklagte trotz der regelmäßigen Kontrolle durch den Erblasser auf einmal, und dies
bereits im Oktober 2018, die erheblichen Geldbeträge entwendet haben soll. Auf der
unstreitigen Tatsachengrundlage wäre es überaus wahrscheinlich gewesen, dass die
Beklagte vom Erblasser sofort ertappt worden wäre. Es spricht nichts dafür, dass die Beklagte
trotz dieses überaus hohen Entdeckungsrisikos die Geldbeträge gleichwohl durch einfache
Überweisung auf ihr Konto entwendet haben soll. Es ist auch nicht überzeugend, dass die
Beklagte dies schlicht versucht, das Geld dem Erblasser nach Entdeckung dann wieder
zurückgezahlt und das Geld dann einfach noch einmal entwendet haben soll. Diesbezüglich
passt auch nicht, worauf bereits hingewiesen wurde, dass der Erblasser sich bei dieser
Sachlage einfach weiterhin von der Beklagten wie zuvor habe pflegen lassen und die
Aufdeckung einer rechtswidrigen Entwendung bereits der ersten 30.000,00 € keine
Konsequenzen gehabt haben soll. Dass eine solche rechtwidrige Entwendung des Geldes
durch die Beklagte für den Erblasser schlicht wieder erledigt gewesen sein soll, ist nicht
lebensnah und überzeugt nicht. Ferner ist auf der unstreitigen Tatsachengrundlage auch nicht
überzeugend, dass und warum der Erblasser die Auszahlung in Höhe von nochmals
30.000,00 € am 10.12.2018 erst im Januar 2019 bemerkt und die Beklagte diesen Betrag
dann erst am 10.01.2019 wieder zurückgezahlt haben soll. Auf der unstreitigen
Tatsachengrundlage hätte der Erblasser die Entnahme am 10.12.2018 sofort bemerken
müssen und hätte die Beklagte sofort zur Rede gestellt und zur Rückzahlung aufgefordert.
Eine behauptete Kenntnis erst im Januar 2019 und die Rückzahlung erst am 10.01.2019
passen nicht dazu und sprechen erheblich gegen die Richtigkeit der Behauptungen der
Klägerin. Die Behauptungen der Klägerin überzeugen mithin insgesamt nicht. Alle genannten
Umstände sprechen vielmehr dafür, dass der Erblasser der Beklagten die Geldbeträge jeweils
schenkte und die - von dem Zeugen T insoweit auch bestätigte - Sachverhaltsdarstellung der
Beklagten bezüglich der Umstände, die der Rücküberweisung und nochmaligen Auszahlung
zugrunde lagen, richtig ist und der Wahrheit entspricht.

f)
Dem Motiv des Erblassers Ende 2018 und Anfang 2019, der Beklagten aus Dankbarkeit die
Geldbeträge zu schenken, stehen schließlich auch die übrigen Umstände nicht entgegen. Der
Erblasser hatte seinen Töchtern in den Jahren zuvor jeweils Geldgeschenke gemacht und
mag auch zuvor immer gewillt gewesen sein, seine Töchter gleich zu behandeln, obwohl sich
auch bereits aus dem Testament (B2) ergibt, dass bereits damals in Kauf genommen wurde,
dass eine Tochter mehr erhält als die andere. Zudem hatte er in den Jahren zuvor
Schenkungen stets schriftlich dokumentiert. Dies war jedoch alles in der Vergangenheit und
zu einer Zeit, als der Erblasser noch gar nicht bei der Beklagten lebte, als seine Frau noch
lebte bzw. jedenfalls, als sich noch alle drei Töchter um den Erblasser gekümmert haben.
Diese Ausgangslage und der Sachverhalt hatten sich nun bis Ende 2018 und Anfang 2019
aber erheblich verändert. Der Erblasser lebte nun alleine bei der Beklagten, war
pflegebedürftig und hatte nur noch die Beklagte, die sich nunmehr nur noch alleine um ihn
kümmerte und ihn körperlich pflegte, während die anderen beiden Töchter des Erblassers
nicht mehr zu ihm kamen. Die Veränderung der Handhabe des Erblassers bezüglich
Schenkungen an seine Töchter hatte sich mithin durch die erhebliche Veränderung des
Sachverhalts verändert. Eine solche Änderung steht der Überzeugung des
Schenkungsmotivs Ende 2018 und Anfang 2019 damit nicht entgegen. Die nun erst erfolgte
Behauptung der Klägerin, Weihnachten 2018 hätten alle drei Kinder von dem Erblasser
„Weihnachtsgeld“ in Höhe von 1.000,00 € erhalten, ist neu und nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht
zuzulassen. Zudem stünde auch dieser Umstand der Überzeugung von einem
Schenkungsmotiv des Erblassers nicht entgegen, da ein solches Weihnachtsgeschenk nichts
mit der Schenkung aus Dankbarkeit für die Pflege durch die Beklagte zu tun hat. Schließlich
wusste der Erblasser auch, dass seine anderen beiden Töchter nicht vollständig leer
ausgehen werden, da sich im Nachlass ein weiteres Barvermögen von mind. 50.000,00 €
befand.

3.
Soweit die Beklagte nochmals einwendet, die Glaubwürdigkeit des Zeugen T hätte anders
gewürdigt werden müssen, greift auch dies nicht durch. Insoweit wird auf den
Hinweisbeschluss des Senats Bezug genommen. Die unstreitigen Tatsachen und die
Gesamtwürdigung aller Umstände sprechen gerade für die Glaubhaftigkeit der Aussage des
Zeugen und gegen die Annahme seiner Unglaubwürdigkeit. Die diesbezügliche
Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Die Kammer hat entgegen der
Einwendung der Klägerin den Umstand des Verwandtschaftsverhältnisses im Rahmen der
Beweiswürdigung ausdrücklich berücksichtigt (S. 7/8 des Urteils) und zutreffend begründet,
dass und weshalb dieser Umstand der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen hier nicht
entgegensteht.

4.
Soweit sich die Klägerin nochmals dagegen wendet, dass das Landgericht auch davon
überzeugt war, dass auch dem Betrag von über 60.000,00 € eine Schenkung des Erblassers
zugrunde lag, obwohl der Zeuge T diesbezüglich bekundet hat, dass er diese
Schenkungsvereinbarung nicht persönlich mitbekommen hat, wird ebenfalls auf den
Hinweisbeschluss sowie auf die obigen Gründe verwiesen. Die Überzeugung ergibt sich hier
aus einer Gesamtwürdigung aller Umstände und Indizien. Die Klägerin greift die einzelnen
Indizien nur isoliert an und ist der Auffassung, dass das jeweilige Indiz für einen Beweis nicht
ausreiche. Hier folgt die Überzeugung indes aus der Gesamtwürdigung aller Umstände, was
die Berufungsangriffe der Klägerin nicht zu erschüttern vermögen. Die vom Landgericht
zutreffend erlangte Überzeugung entspricht auf der Grundlage der unstreitigen und
bewiesenen Tatsachen lebensnaher Betrachtung und beruht auf einer Gesamtschau aller
Indizien und Umstände.

5.
Soweit die Klägerin schließlich einwendet, es hätte bei der weiteren Entnahme von 90.000,00
€ einer weiteren Schenkungsabrede bedurft, so greift auch dies nicht durch. Wie bereits im
Hinweisbeschluss sowie oben dargestellt, musste die Beklagte bereits keine
Schenkungsabrede, sondern Umstände beweisen, die den nach § 518 Abs. 2 BGB für die
Wirksamkeit des behaupteten Schenkungsversprechens erforderlichen Tatbestand ausfüllen.
Sie musste mithin beweisen, dass die jeweilige Geldhergabe mit Wissen und Wollen des
Erblassers aufgrund einer Schenkungsabsicht erfolgten. Dies hat sie getan. Die
Gesamtwürdigung ergibt, dass den entsprechenden Geldbeträgen jeweils eine
Schenkungsabsicht des Erblassers und gerade keine rechtswidrige Entwendung durch die
Beklagte zugrunde lag. Dies gilt daher ebenso für die Auszahlung der 90.000,00 €.

6.
Hinsichtlich der übrigen Ansprüche und Beträge bleibt es bei den Hinweisen aus dem
Senatsbeschluss, zu welchen die Klägerin danach nicht mehr Stellung genommen hat. Die
diesbezüglichen Würdigungen und Feststellungen des Landgerichts sind nicht zu
beanstanden.

III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamm

Erscheinungsdatum:

22.09.2020

Aktenzeichen:

21 U 19/20

Rechtsgebiete:

Sonstige besondere Schuldverhältnisse
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
Grundstücksübergabe, Überlassungsvertrag

Normen in Titel:

BGB §§ 516, 518 Abs. 2