OLG München 14. September 2010
34 Wx 72/10
BGB §§ 875, 889, 1092 Abs. 1, 1093; GBO § 53 Abs. 1; InsO § 36; ZPO § 857

Löschung eines Wohnungsrechts kann mangels Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse nicht vom Insolvenzverwalter bewilligt werden

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Dokumentnummer: 34wx72_10
letzte Aktualisierung: 12.1.2011
OLG München, 14.9.2010 - 34 Wx 72/10
BGB §§ 875, 889, 1092 Abs. 1, 1093; GBO § 53 Abs. 1; InsO § 36; ZPO § 857
Löschung eines Wohnungsrechts kann mangels Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse nicht
vom Insolvenzverwalter bewilligt werden
Das Wohnungsrecht als beschränkte persönliche Dienstbarkeit fällt, sofern keine
Ausübungsgestattung über den Kreis der nach § 1093 Abs. 2 BGB berechtigten Personen
vorliegt, nicht in die Insolvenzmasse. Demgemäß ist auch der Insolvenzverwalter nicht befugt,
über ein zugunsten des Schuldners im Grundbuch eingetragenes Wohnungsrecht zu verfügen.


Oberlandesgericht München
Aktenzeichen: 34 Wx 072/10
Beschluss
vom 14.9.2010
AG Wolfratshausen - Grundbuchamt - Grundbuch von Benediktbeuern Bl. 2989
34. Zivilsenat
in der Grundbuchsache
...
Löschung eines Amtswiderspruchs
beschlossen:
I.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen die am 30. April 2010 vorgenommene Eintragung
eines Amtswiderspruchs gegen die Löschung des Wohnungsrechts in Abt. II/2 zugunsten des
Beteiligten zu 2 im Grundbuch des Amtsgerichts Wolfratshausen von Benediktbeuern Blatt 2989
wird zurückgewiesen.
II.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 10.000 €.
Gründe:
I.
Zugunsten des Beteiligten zu 2 war im Grundbuch ein Wohnungsrecht auf Lebenszeit,
auszuüben in sämtlichen Räumen des Gebäudes und dem Recht auf Alleinbenutzung des
Hofraums und des Gartens, gemäß Bewilligung vom 8.8.2005 am 25.8.2005 eingetragen worden.
Nach der Bewilligung kann das Wohnungsrecht nur persönlich oder durch die Familie des
Wohnungsberechtigten ausgeübt werden; eine Ausübung durch Dritte ist nicht gestattet.
Eigentümerin des Grundstücks war seinerzeit die Ehefrau des Beteiligten zu 2. Gemäß
Auflassung vom 2.3.2010 wurde der Beteiligte zu 2 als Eigentümer dieses Grundstücks am
19.4.2010 im Grundbuch eingetragen.
Über das Vermögen des Beteiligten zu 2 war bereits am 12.11.2004 das Insolvenzverfahren
eröffnet worden. Insolvenzverwalter ist der Beteiligte zu 1. Mit der Eintragung des Beteiligten zu
2 als Eigentümer des Grundstücks wurde auch der Insolvenzvermerk eingetragen. Gleichzeitig
wurde auf Bewilligung und Antrag des Beteiligten zu 1 das Wohnungsrecht gelöscht.Auf
Anregung des Beteiligten zu 2 hat das Grundbuchamt zu dessen Gunsten am 30.4.2010 einen
Widerspruch gegen die Löschung des Wohnungsrechts von Amts wegen eingetragen. Hiergegen
richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1, der sie im Wesentlichen darauf stützt, dass sich
der Beteiligte zu 2 nach Insolvenzeröffnung an dem erworbenen Grundstück kein insolvenzfestes
oder wirksames Wohnungsrecht habe bestellen können. Denn die Ehefrau des Beteiligten zu 2
habe das Grundstück nur treuhänderisch für diesen gehalten. Die Eintragung des Beteiligten zu 2
im Grundbuch habe gegen Treu und Glauben verstoßen und sei nicht schutzwürdig. Das
Grundbuch sei durch die Löschung nicht unrichtig.
Grundbuchs nach Löschung des Rechts und nicht auf eine eventuelle Unrichtigkeit bei dessen
Eintragung abzustellen sei. Bei der Eintragung des Widerspruchs sei die wirksame Entstehung
des Rechts nicht zu prüfen, weil für das Grundbuchamt § 891 Abs. 1 BGB gelte. Das Grundbuch
sei unrichtig gewesen, weil die zum Erlöschen des Wohnungsrechts erforderlichen
Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Notwendig seien die Aufgabeerklärung des
Berechtigten und die Löschung des Rechts im Grundbuch. Die Bewilligung der Löschung durch
den Insolvenzverwalter führe nicht zum Erlöschen des Rechts, weil dieses nicht zur
Insolvenzmasse gehöre. Das Wohnungsrecht sei nicht übertragbar und deshalb auch nicht
pfändbar. Unpfändbare Rechte gehörten nicht zur Insolvenzmasse. Die Löschung hätte also nur
aufgrund Erklärung des Berechtigten oder aufgrund Bewilligung des Insolvenzverwalters mit
nachträglicher Genehmigung des Berechtigten vorgenommen werden dürfen. Das Grundbuchamt
habe unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften gelöscht, weil die Bewilligung des Berechtigten,
des Beteiligten zu 2, gefehlt habe. Im Hinblick auf die Möglichkeit eines gutgläubigen
lastenfreien Erwerbs des Grundstücks durch einen Dritten lägen die Voraussetzungen zur
Eintragung eines Amtswiderspruchs vor.
Im Beschwerdeverfahren macht der Beteiligte zu 1 noch geltend, dass es einer Bewilligung oder
Genehmigung des Insolvenzschuldners hier nicht bedürfe, weil Eigentümer der Immobilie und
Wohnberechtigter identisch seien. Im Regelfall gehöre die beschränkte persönliche Dienstbarkeit
nur zur Insolvenzmasse, wenn die Ausnahme des§ 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB gegeben sei. Jedoch
handele es sich hier um einen Ausnahmefall. Das Wohnungsrecht sei pfändbar, damit
massezugehörig. Lasse sich ein Insolvenzschuldner nach der Insolvenzeröffnung ein
Wohnungsrecht eintragen, um die Verwertung der Immobilie zu verhindern oder zu erschweren,
sei dies nicht schutzwürdig mit der Folge, dass die Pfändungsregeln nicht zur Anwendung
kämen. Der Schutzzweck des § 1092 BGB sei nicht berührt. Wenn der Insolvenzverwalter über
die Immobilie verfügen könne, könne er auch das Wohnungsrecht als ein „Weniger“ löschen
lassen. Auch sei die Bewilligung des Wohnungsrechts seitens der für den Insolvenzschuldner nur
treuhänderisch handelnden Ehefrau nach Insolvenzeröffnung absolut unwirksam gewesen. So sei
auch ein Nießbrauchsrecht trotz Ausschlusses der Ausübungsüberlassung pfändbar.
Der Beteiligte zu 2 hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Er hält das zu seinen Gunsten bestellte
Wohnungsrecht für wirksam und die vorgenommene Löschung für rechtswidrig. Einen eigenen
Sachantrag hat er nicht gestellt.
II.
Die unbeschränkte Beschwerde mit dem Ziel, den Amtswiderspruch zu löschen (Bay-ObLGZ
1986, 294/297; Demharter GBO 27. Aufl. § 53 Rn. 31), ist zulässig (§ 71 Abs. 1, § 73 GBO, §
10 Abs. 2 Satz 1 FamG), in der Sache aber nicht begründet.
1. Ergibt sich, dass das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine
Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist, so ist von Amts
wegen ein Widerspruch einzutragen (§ 53 Abs. 1 Satz 1 GBO). Zu den Eintragungen im
Grundbuch zählen auch Löschungen (Demharter § 53 Rn. 2). Zutreffend ist das Grundbuchamt
davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO vorliegen. Auf die
Ausführungen in der Nichtabhilfeentscheidung kann zunächst Bezug genommen werden.
Ergänzend ist noch auszuführen:
a) Das am 25.8.2005 zugunsten des Beteiligten zu 2 eingetragene Wohnungsrecht nach § 1093
BGB war Grundbuchinhalt. Es wird vermutet, dass diesem das Recht zusteht (§ 891 Abs. 1
BGB). Aus der Löschung am 19.4.2010 folgt nicht, dass es zuvor nicht bestand. Für die Zeit der
Eintragung gilt vielmehr § 891 Abs. 1 BGB, weil die Löschung nicht berichtigen sollte (BGHZ
Vermutung des § 891 BGB gleichermaßen (OLG Schleswig FGPrax 2004, 264;
Palandt/Bassenge § 891 Rn. 1). Sie ist nur widerlegt, wenn dem Grundbuchamt Tatsachen
bekannt sind oder nachgewiesen werden, die die Unrichtigkeit zweifelsfrei ergeben (OLG
Zweibrücken FGPrax 1997, 127; Palandt/Bassenge § 891 Rn. 10).
Davon kann keine Rede sein. Das Wohnungsrecht wurde zu einem Zeitpunkt eingetragen, in
dem der Beteiligte zu 1 nach dem Grundbuch nicht Eigentümer des Grundstücks war. Ein
Treuhandverhältnis ergibt sich nicht aus dem Grundbuch und ist auch nicht zweifelsfrei. Der
vorgelegte Vergleich vom 2.3.2010 (5 U 3520/09 OLG München) weist aus, dass das Grundbuch
hinsichtlich der Eigentumslage jedenfalls nicht unrichtig war, weil es sonst einer Auflassung des
Grundstücks an den Beteiligten zu 2 nicht bedurft hätte. Dass ein Wohnungsrecht zugunsten des
Beteiligten zu 2 aufgrund Bewilligung der damaligen Eigentümerin nicht entstanden war, ist
nicht zweifelsfrei nachgewiesen.
b) Das gegenständliche Wohnungsrecht ist ein solches, das nicht zur Insolvenzmasse gehört (§
36 InsO).
Beschränkte persönliche Dienstbarkeiten, zu denen das Wohnungsrecht gehört, sind nach § 1092
Abs. 1 Satz 1 BGB nicht übertragbar und deshalb mangels Pfändbarkeit (§ 857 Abs. 1 ZPO)
grundsätzlich nicht Gegenstand der Insolvenzmasse (§ 36 Abs. 1 Satz 1 InsO; siehe BGH ZIP
2006, 2321; WuM 2007, 30). Auch insolvenzrechtliche Prinzipien gebieten entgegen sonst
bestehenden Gleichlaufs keine von der Einzelzwangsvollstreckung abweichende Wertung. Ist
keine Ausübungsgestattung über den Kreis der nach § 1093 Abs. 2 BGB berechtigten Personen was noch zum Inhalt des Rechts als solchen gehört - vorhanden, so fällt das Wohnungsrecht
mangels Übertragbarkeit und Pfändbarkeit überhaupt nicht in die Insolvenzmasse
(Staudinger/Mayer BGB Bearb. 2009 § 1092 Rn. 13; § 1093 Rn. 53; Musielak/Becker ZPO 7.
Aufl. § 857 Rn. 15; a. A. für Überlassung an Personen nach § 1093 Abs. 2 BGB: Hintzen
JurBüro 1991, 755/758; Rossak MittBayNot 2000, 383/387).
c) Gehört aber das Wohnungsrecht nicht zur Insolvenzmasse, so ist der Beteiligte zu 1 als
Insolvenzverwalter darüber auch nicht verfügungsbefugt. Dies ist der Beteiligte zu 2, dessen
Berechtigung es auch umfasst, die Aufgabeerklärung abzugeben (§ 875 BGB) und die Löschung
zu bewilligen (§ 19 Abs. 1 GBO), worauf das Recht gelöscht werden kann.
Daran ändert auch nichts, dass der Beteiligte zu 2 Eigentum an dem Grundstück erworben hat;
denn nach § 889 BGB erlischt ein an einem fremden Grundstück begründetes Recht nicht durch
Konsolidation. Der in § 889 BGB ausgesprochene Grundsatz gilt für alle beschränkten
dinglichen Rechte an Grundstücken, auch für Dienstbarkeiten jeder Art (Staudinger/Gursky
Bearb. 2008 § 889 Rn. 4). Das Recht besteht mit seinem bisherigen Inhalt fort und verleiht die
gleichen Befugnisse wie vor der Vereinigung. Insbesondere bleibt es auch bei der
Verfügungsberechtigung über das betreffende Recht (Staudinger/Gursky § 889 Rn. 9). Deshalb
kann aus der Insolvenzzugehörigkeit des Eigentums (Vollrechts) nicht auch auf die
Insolvenzzugehörigkeit des Wohnungsrechts geschlossen werden.
d) Die vorgenommene Löschung erfolgte unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften, weil der
Beteiligte zu 1 nicht zur Bewilligung berechtigt war und der Beteiligte zu 2 die Löschung nicht
genehmigt hat.
e) Die Grundbuchunrichtigkeit und die damit verbundene Möglichkeit eines gutgläubig
lastenfreien Erwerbs des im Grundbuch ohne Wohnungsrecht eingetragenen Eigentums liegen
auf der Hand.
Dienstbarkeiten nicht ziehen. Letztere sind wegen ihrer personalen Charakters höchstpersönlich
und damit inhaltlich beschränkt, was ihre Verkehrsfähigkeit vom Grundsatz her ausschließt
(Kesseler ZIP 2006, 2323/2325). Die Gestattung der Ausübungsüberlassung bedeutet eine
Erweiterung ihres gesetzlichen Inhalts (RGZ 159, 204; Erman/Grziwotz BGB 11. Aufl. § 1092
Nr. 2). Anders ist dies beim Nießbrauch, bei dem die Überlassung der Ausübung zum Inhalt des
Rechts gehört (§ 1059 Satz 2 BGB). Dies rechtfertigt es, dass der Nießbraucher in der Insolvenz
nicht mehr über den Nießbrauch verfügen kann (OLG Frankfurt NJW-RR 1991, 445 = EWiR
1990, 897 mit Anm. Petzoldt), was damit zu begründen ist, dass der Pfändungsschutz in § 857
Abs. 3 und 4 ZPO hauptsächlich dazu dient, den mit dem Recht belasteten Eigentümer vor einer
unkontrollierten Aushöhlung und Entwertung seines Eigentums durch einen Wechsel in der
Person des Berechtigten zu schützen, und es daran fehlt, wenn die Aufgabe des Rechts eine
sinnvolle Verfügung darstellt, welche mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens in Einklang steht.
g) Der Gesichtspunkt, dass der Beteiligte zu 2 (derzeit) auch Eigentümer des Grundstücks ist,
kann für die Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters über das dingliche Recht nicht
ausschlaggebend sein. Dem steht schon § 889 BGB entgegen (s. o.). Das der Insolvenzmasse
zugehörige Vollrecht ist - wenn auch wirtschaftlich erschwert - im Grundsatz verkehrsfähig und
verwertbar. Ob der Erwerb des Wohnungsrechts nach der Insolvenzeröffnung unwirksam ist und
der Beteiligte zu 1 gegen den Beteiligten zu 2 einen materiellen Anspruch auf Zustimmung zur
Löschung des Wohnungsrechts hat, ist eine dem materiellen Recht zugehörige Frage, die an
dieser Stelle nicht entschieden werden kann.
2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 4 i. V. m. § 30 Abs. 1 KostO. Für die
Bewertung zieht der Senat den Wert des Wohnungsrechts (60.000 €) heran und bemisst das
Interesse an der Löschung des Widerspruchs mit einem Bruchteil.Die Voraussetzungen für die
Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

14.09.2010

Aktenzeichen:

34 Wx 72/10

Rechtsgebiete:

Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Insolvenzrecht
Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht

Erschienen in:

FGPrax 2011, 17
NotBZ 2011, 106
Rpfleger 2011, 153-154

Normen in Titel:

BGB §§ 875, 889, 1092 Abs. 1, 1093; GBO § 53 Abs. 1; InsO § 36; ZPO § 857