Liquidationslose Vollbeendigung einer GmbH & Co. KG bei Insolvenzeröffnung über Vermögen der Komplementär-GmbH, wenn nur ein Kommanditist vorhanden ist
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Dokumentnummer: 2zr247_01
letzte Aktualisierung: 25.05.2004
BGH, 15.03.2004 - II ZR 247/01
Liquidationslose Vollbeendigung einer GmbH & Co. KG bei Insolvenzeröffnung über
Vermögen der Komplementär-GmbH, wenn nur ein Kommanditist vorhanden ist
a) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Komplementär-GmbH einer
GmbH & Co. KG mit einem einzigen Kommanditisten führt zum Ausscheiden der Komplementär-GmbH aus der KG (
b) Prozessual sind auf einen solchen Rechtsübergang während eines laufenden Rechtsstreits die
c) Zu den Voraussetzungen der Haftung eines Verfrachters gegenüber einer Akkreditivbank aus
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 247/01
Verkündet am:
15. März 2004
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Liquidationslose Vollbeendigung einer GmbH & Co. KG bei Insolvenzeröffnung
über Vermögen der Komplementär-GmbH, wenn nur ein Kommanditist vorhanden ist
a) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG mit einem einzigen Kommanditisten führt
zum Ausscheiden der Komplementär-GmbH aus der KG (§§ 161 Abs. 2, 131
Abs. 3 Nr. 2 HGB) und zur liquidationslosen Vollbeendigung der KG unter
Gesamtrechtsnachfolge des Kommanditisten; er haftet für Gesellschaftsverbindlichkeiten nur mit dem übergegangenen Vermögen.
b) Prozessual sind auf einen solchen Rechtsübergang während eines laufenden
Rechtsstreits die
c) Zu den Voraussetzungen der Haftung eines Verfrachters gegenüber einer
Akkreditivbank aus
BGH, Urteil vom 15. März 2004 - II ZR 247/01 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht
und die Richter Prof. Dr. Goette, Kraemer, Dr. Graf und Dr. Strohn
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des
Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 18. Juli 2001
aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,
auch
über
die
Kosten
des
Revisionsverfahrens,
an
den
6. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die klagende Bank mit Sitz in O. eröffnete am 12. Januar 1999 im
Auftrag der in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässigen S. Ltd. ein
unwiderrufliches Akkreditiv über 229.600,00 US-$ zugunsten der im Vereinigten
Königreich domizilierten Si. Ltd., die ebenso wie die S. Ltd. zur Firmengruppe des inzwischen untergetauchten, unter Betrugsverdacht stehenden
indischen Geschäftsmanns P. gehörte. Hintergrund des Akkreditivauftrags
war ein Kaufvertrag zwischen der S. Ltd. und der Si. Ltd. über eine
Metallieferung von 8.000 kg "Indium Tin Alloy", die von G. nach D.
verschifft werden sollten. Nach den Akkreditivbedingungen war Voraussetzung
für die Auszahlung des Akkreditivbetrages durch die L.er Korrespondenzbank der Klägerin u.a. die Vorlage eines Konnossements mit Angabe des
Schiffsnamens und datierter Verladebestätigung ("shipped on board"-Vermerk)
des Verfrachters. Ein entsprechendes Dokument über die Verfrachtung von
8.000 kg
M.
hatte
"Indium
die
Tin
in
Alloy"
H.
in
einem
ansässige
Container
Beklagte
als
mit
der
Kennung
Verfrachterin
auf
Drängen P. bereits am 11. Januar 1999 ausgestellt, obwohl der Container
an diesem Tag noch auf dem Landweg unterwegs war und erst am 14. Januar
1999 auf das Frachtschiff "MS Sa. Ma." verladen wurde. Spätestens an
diesem Tag übergab die Beklagte das Konnossement an P., der hiermit am
selben Tag die Auszahlung der Akkreditivsumme an die Si. Ltd. bei der
L.er Korrespondenzbank der Klägerin erwirkte. Von ihr erhielt daraufhin
die Klägerin das Konnossement in dreifacher Ausfertigung und indossierte es
an die S. Ltd. weiter. Diese erteilte daraufhin am 25. Januar 1999 der Reederei Ma. die Weisung, das inzwischen in R. eingetroffene Frachtgut nach Sin. zu verschiffen. Am 14. Juli 1999 erstattete die Klägerin ihrer
L.er
Korrespondenzbank
die
ausgezahlte
Akkreditivsumme
von
229.500 US-$. Ihr Rückgriff gegenüber der S. Ltd. scheiterte an deren Insolvenz.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz
in Höhe der 229.500 US-$ aus
der Akkreditivsumme an die Si. Ltd. ermöglicht habe. Das Landgericht hat
der Klage mit Rücksicht auf den unstreitig falschen "shipped on board"-Vermerk
stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg. Vor Erlaß des zweitinstanzlichen Urteils war das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Komplementär-GmbH der Beklagten eröffnet und dessen Eröffnung über das Vermögen der Beklagten mangels Masse abgelehnt worden. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts.
I. Das Berufungsgericht geht in prozessualer Hinsicht allerdings zutreffend davon aus, daß der Rechtsstreit weder durch die Ablehnung der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten (Beschluß des
Insolvenzgerichts vom 12. Juni 2001) noch durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihrer Komplementär-GmbH am 31. Mai 2001
unterbrochen worden ist.
führte zwar - entgegen der Ansicht der Parteien in der Revisionsinstanz - nicht
nur zur Auflösung der Beklagten, sondern gem. §§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 3 Nr. 2
HGB zum Ausscheiden der Komplementär-GmbH aus der Beklagten mit der
Folge ihrer liquidationslosen Vollbeendigung unter Gesamtrechtsnachfolge ihres - nach übereinstimmendem Parteivortrag in der Revisionsinstanz - einzig
verbliebenen Kommanditisten (vgl. Senat,
Baumbach/Hopt, HGB 31. Aufl. § 131 Rdn. 35; Anh. § 177 a Rdn. 45 zu b; a.A.
bei "Simultaninsolvenz" von KG und Komplementär-GmbH K. Schmidt, GmbHR
2002, 1209, 1213 f.; derselbe in Scholz, GmbHG 9. Aufl. § 60 Rdn. 114; vor
§ 64 Nr. 120 ff.). Prozessual sind auf diesen Rechtsübergang während des
Rechtsstreits die
18. Februar 2002 - II ZR 331/00,
Rechtsübergangs durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war (vgl.
ZPO nicht gestellt worden ist, konnte der Rechtsstreit unter der bisherigen Parteibezeichnung (vgl. BGH, Urt. v. 19. Februar 2002 - VI ZR 394/00, NJW 2002,
1430 f.) mit Wirkung für den verbliebenen Kommanditisten als Rechtsnachfolger
der Beklagten fortgesetzt werden (vgl. Senat,
1. Dezember 2003 - II ZR 161/02, Umdr. S. 5 f.). Das gilt auch für die Revisionsinstanz mit Rücksicht auf den Fortbestand der Prozeßvollmacht der vorinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten (
Befugnis zur Bestellung eines Revisionsanwalts (
Klarzustellen ist, daß der verbliebene Kommanditist nach den in BGHZ
113, 132, 134 ff. vorgezeichneten Grundsätzen für die Verbindlichkeiten der KG
nur mit dem ihm zugefallenen Gesellschaftsvermögen haftet (vgl. BGHZ 113,
138), also - nach Wegfall des § 419 a.F. BGB - nur zur Duldung der Zwangsvollstreckung in jenes Vermögen zu verurteilen ist (vgl. Senat aaO, S. 138 f.).
Eine weitergehende Haftung gem.
Kommanditist das Handelsgeschäft der KG fortführt, bleibt davon ebenso unberührt wie die Nachhaftung der ausgeschiedenen Komplementär-GmbH (§ 128
HGB).
II. In der Sache meint das Berufungsgericht, ein Schaden sei der Klägerin nicht schon durch die Auszahlung der Akkreditivsumme seitens ihrer Korrespondenzbank entstanden, weil sie dafür als Gegenleistung den dreifachen Satz
des Konnossements erhalten habe, das trotz des falsch datierten Verladevermerks "werthaltig" gewesen sei; denn die zugrundeliegende Ware sei tatsächlich verladen worden. Ein Schaden der Klägerin sei erst dadurch eingetreten,
daß sie den dreifachen Satz des Konnossements ohne Absicherung an die
S. Ltd. übergeben und ihr damit eine anderweitige Verfügung über die zugrundeliegende Ware ermöglicht habe.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Entgegen dem verfehlten Ausgangspunkt des Berufungsgerichts ist
der Klägerin ein Schaden, dessen rechts- oder sittenwidrige Verursachung
durch die Beklagte hier in Frage steht, bereits aufgrund der die Klägerin zur Erstattung verpflichtenden Auszahlung der Akkreditivsumme durch ihre L.er
Korrespondenzbank entstanden. Ohne das - von der Beklagten ausgestellte Konnossement hätte die Auszahlung nach den Akkreditivbedingungen nicht
erfolgen können. Daß die Auszahlung Zug um Zug gegen Übergabe des Konnossements zu erfolgen hatte (vgl. Rabe, Seehandelsrecht 4. Aufl. vor § 556
Nr. 80), betrifft nicht die der Klägerin von ihrem Auftraggeber (S. Ltd.) geschuldete Gegenleistung in Gestalt der Erstattung des verauslagten Betrages,
die an der Insolvenz der S. Ltd. scheiterte. Dieser Schaden ist der Beklagten jedenfalls objektiv dann zuzurechnen, wenn sie die Auszahlung der Akkreditivsumme durch Falschangaben in dem Konnossement herbeigeführt hat. Daß
die Klägerin im Vertrauen auf die Seriosität des Geschäftsmanns P. den
Dreifachsatz des Konnossements an die S. Ltd. weiter indossiert und ihr
damit die Umdestination des Frachtguts ermöglicht hat, könnte allenfalls zu einem Mitverschulden der Klägerin führen, das aber gegenüber einer vorsätzlich
fraudulösen Mitwirkung der Beklagten in den Hintergrund träte.
2. Richtig ist allerdings, daß die unstreitig falsche Angabe des Verschiffungsdatums in dem Konnossement für sich allein als Schadensursache dann
keine Rolle spielte, wenn das Frachtgut sich bei Vorlage des Konnossements
gegenüber der Korrespondenzbank der Klägerin (am 14. Januar 1999) tatsächlich an Bord des in dem Konnossement bezeichneten Schiffs "Sa. Ma."
befand, weil die Auszahlung der Akkreditivsumme dann auch bei Angabe des
tatsächlichen Verladedatums (14. Januar 1999) zu erreichen gewesen wäre. Ob
dies der Fall war, oder das Konnossement darüber hinaus weitere
wegen insoweit in sich widersprüchlicher Feststellungen des Berufungsgerichts
nicht beurteilen. Das angefochtene Urteil nimmt gem.
a.F. in vollem Umfang auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug,
aus dem hervorgeht, daß zwischen den Parteien umstritten ist, ob sich in dem
an
Bord
des
Schiffs
verbrachten
Container
mit
der
Kennung
M.
die in dem Konnossement bezeichnete Ware befand. Demgegenüber geht das
Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils ohne weiteres
davon aus, daß "die Ware" tatsächlich auf das Schiff verladen und verschifft
worden sei. Damit liegt ein Widerspruch zwischen Tatbestand und Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils vor, der dessen rechtlicher Überprüfung entgegensteht und daher von Amts wegen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache führen muß (vgl. Sen.Urt. v.
13. Mai 1996 - II ZR 275/94,
2000, 1871 f.). Der Senat macht dabei von der Möglichkeit der Zurückverweisung an einen anderen Senat des Berufungsgerichts Gebrauch (§ 565 Abs. 1
Satz 2 ZPO a.F.).
III. 1. Für die weitere Verhandlung und Entscheidung ist darauf hinzuweisen, daß eine etwaige Falschangabe hinsichtlich der verschifften Ware für die
Auszahlung der Akkreditivsumme und damit für den Schaden der Klägerin insofern ursächlich wäre, als die Akkreditivbank die Auszahlung nur vornehmen
darf, wenn sie zuvor die Übereinstimmung zwischen den Akkreditivbedingungen
und den vorgelegten Dokumenten genau geprüft hat (vgl. Baumbach/Hopt,
HGB 31. Aufl. VI Bankgeschäfte (11), ERA Art. 13 Rdn. 1; vgl. auch zum
Grundsatz der Dokumentenstrenge, Sen.Urt. v. 2. Juli 1984 - II ZR 160/83, WM
1984, 1214; Urt. v. 10. Dezember 1970 - II ZR 132/68,
Auszahlung hätte daher nicht erfolgen dürfen, wenn sich aus dem Konnossement die Verschiffung einer anderen als der nach der Handelsrechnung zu liefernden Ware ergeben hätte. Entgegen der Auffassung der Beklagten scheitert
ihre Haftung nicht zwangsläufig daran, daß das von ihr ausgestellte Konnossement hinsichtlich der Warenbezeichnung formularmäßig die Einschränkung
"said to contain" enthält. Hat der Aussteller des Konnossements - wie hier von
der Klägerin behauptet - Grund zu der Annahme, daß die Warenangaben falsch
sind, muß er seine Zweifel durch Anbringung eines entsprechenden Vermerks
zum Ausdruck bringen, was dazu geführt hätte, daß das Konnossement "unrein" geworden wäre und eine Auszahlung nicht hätte stattfinden dürfen (vgl.
Rabe aaO, § 645 Rdn. 3). In dem bewußten Unterlassen eines entsprechenden
Vermerks durch die Beklagte kann ein unter
gegenüber der Klägerin zu sehen sein (vgl. Herber, Seehandelsrecht, S. 430).
Das gilt - entgegen der bisherigen Ansicht des Berufungsgerichts - erst recht
dann, wenn sich die Beklagte bewußt in betrügerische Machenschaften P.
gegenüber der Klägerin hat einbinden lassen.
2. Soweit es auf die Falschangabe hinsichtlich des Verladedatums in
dem Konnossement der Beklagten ankommen sollte, entfällt deren Kausalität
für den Schaden der Klägerin nur dann, wenn die Ware auch tageszeitlich vor
der Auszahlung der Akkreditivsumme vollständig auf das Schiff verladen war.
Röhricht
Goette
Graf
Kraemer
Strohn
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:14.03.2004
Aktenzeichen:II ZR 247/01
Rechtsgebiete:
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
OHG
RNotZ 2004, 338-339
NotBZ 2004, 276
BGB § 826 Gi; HGB §§ 131 Abs. 3 Nr. 2, 161 Abs. 2; ZPO §§ 239, 246