Kammergericht 17. November 2022
1 W 345/22
BGB §§ 1629, 1795 a. F.

Erwerb eines Miterbenanteils durch minderjährigen Miterben

letzte Aktualisierung: 16.2.2023
KG, Beschl. v. 17.11.2022 – 1 W 345/22

BGB §§ 1629, 1795 a. F.
Erwerb eines Miterbenanteils durch minderjährigen Miterben

Die Übertragung eines Miterbenanteils hat die gesamtschuldnerische Haftung des Erwerbers für die
Nachlassverbindlichkeiten zur Folge und ist deshalb für einen Minderjährigen rechtlich nicht
lediglich vorteilhaft. Daran ändert es nichts, wenn der Minderjährige bereits Miterbe ist (Anschluss
an OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 20 W 172/14 – NJW-RR 2015,
842 = ZEV 2015, 342).

Gründe

I.
Die Beteiligten sind seit dem 9. Juli 2015 in Abt. I des im Beschlusseingang bezeichneten
Grundbuchs in Erbengemeinschaft mit drei weiteren Miterben eingetragen. In Abt. II ist eine
Grunddienstbarkeit gebucht, Abt. III ist frei von Belastungen. Die Beteiligte zu 2 ist die Mutter
des am 20. September 2011 geborenen Beteiligten zu 1 und des Beteiligten zu 3.
Am 5. Juli 2022 einigte sich der Beteiligte zu 3 mit dem von der Beteiligten zu 2 vertretenen
Beteiligten zu 1 auf die Übertragung seines Miterbenanteils. Der Beteiligte zu 3 bewilligte
zugleich die Berichtigung des Grundbuchs, die der Notar unter dem 29. Juli 2022 beantragt hat.
Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 3. August 2022 auf die Erfordernisse einer
Genehmigung der für den Beteiligten zu 1 abgegebenen Erklärungen durch einen
Ergänzungspfleger sowie der familiengerichtlichen Genehmigung hingewiesen. Hiergegen
richtet sich die Beschwerde vom 25. August 2022, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom
31. August 2022 nicht abgeholfen hat.

II.
1. Die Beschwerde ist zulässig, § 71 Abs. 1 GBO. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind
nur die in der Zwischenverfügung unter Nr. 1. und 2. aufgeführten Eintragungshindernisse.
Soweit das Grundbuchamt unter 3. die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts
erfordert hat, verhält sich die Beschwerde hierzu nicht.

Bei der Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung unterliegt nur das angegriffene
Eintragungshindernis der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht (Senat, Beschluss vom 26.
April 1965 - 1 W 1027/65 - OLGZ 1965, 92, 96). Hat das Grundbuchamt, wie hier, in einer
Zwischenverfügung mehrere Eintragungshindernisse aufgeführt, so bildet jede Beanstandung
für sich eine anfechtbare Entscheidung im Sinne des § 71 GBO (Demharter, GBO, 32. Aufl.,
§ 77, Rdn. 12).

Beschwerdeführer sind die Beteiligten zu 1 bis 3. Der Notar hat nicht angegeben, in wessen
Namen er die Beschwerde erhoben hat. In einem solchen Fall ist die Beschwerde regelmäßig
dahin auszulegen, dass sie als im Namen der Antragsberechtigten erhoben gilt, wenn nicht
besondere Umstände dagegen sprechen (BGH, NJW 2010, 3300, 3302). Antragsberechtigt
hinsichtlich sämtlicher Anträge vom 21. Januar 2021 sind die Beteiligten zu 1 bis 3, § 13 Abs. 1
S. 2 GBO. Für die Beteiligte zu 2 folgt dies aus ihrer Stellung als in Abt. I des Grundbuchs
eingetragener Miterbin.

2. In der Sache bleibt die Beschwerde ohne Erfolg. Die von dem Grundbuchamt aufgeführten
Eintragungshindernisse bestehen, so dass die Zwischenverfügung insoweit veranlasst war, § 18
Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO.

a) Jeder Miterbe kann über seinen Anteil an dem Nachlass verfügen, § 2033 Abs. 1 S. 1 BGB,
insbesondere kann er den Anteil an einen anderen Miterben übertragen. Infolgedessen behält er
zwar die Eigenschaft und Stellung als Miterbe, verliert aber seine gesamthänderische Beteiligung
am Nachlass, die bei Übertragung auf einen Miterben auf diesen übergeht (BGH, NJW 2011,
1226).

Gehört zum Nachlass ein Grundstück und sind die Erben in ihrer gesamthänderischen
Verbundenheit als Eigentümer im Grundbuch eingetragen, § 47 Abs. 1 GBO, hat die
Übertragung des Anteils die Unrichtigkeit des Grundbuchs zur Folge (Löhning, in: Staudinger,
BGB, Stand 2020, § 2033, Rdn. 38).

b) Die Berichtigung des Grundbuchs erfolgt auf Antrag, § 13 Abs. 1 S. 1 GBO, wenn sie
derjenige, dessen grundbuchmäßiges Recht von ihr formell betroffen ist, bewilligt, § 19 GBO
(BayObLG, DNotZ 1988, 781; Böttcher, in: Meikel, GBO, 12. Aufl., § 20, Rdn. 105). Zu
bewilligen hat danach der seinen Anteil übertragende Miterbe. Im Rahmen der Bewilligung hat
dieser Miterbe die Unrichtigkeit des Grundbuchs schlüssig darzutun (Böttcher, a.a.O., Rdn. 96).
Danach ist hier zur Berichtigung des Grundbuchs die Bewilligung des Beteiligten zu 3
erforderlich, die er auch zur UR-Nr. 2xx/2xxx des Notars Jxxx Gxxx-Exxx in Bxxx erteilt hat.
Hingegen folgt allein aus dieser Urkunde die wirksame Übertragung des Anteils des Beteiligten
zu 3 auf den Beteiligten zu 1 noch nicht. Damit fehlt es bislang an der schlüssigen Darlegung der
Grundbuchunrichtigkeit.

aa) Die Übertragung eines Erbanteils erfolgt durch notariell zu beurkundenden Vertrag
zwischen dem verfügenden Miterben und dem Erwerber des Anteils, § 2033 Abs. 1 S. 2 BGB,
wie er zur UR-Nr. 2xx/2xxx am 5. Juli 2022 zwischen den Beteiligten zu 1 und 3 geschlossen
worden ist. Dabei ist der Beteiligte zu 1 durch seine Mutter, die Beteiligte zu 2 vertreten worden.
Deren Erklärungen wirken jedoch nicht für und gegen den Beteiligten zu 1, weil sie an dessen
Vertretung verhindert war. Das folgt aus §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Danach
kann ein sorgeberechtigter Elternteil das Kind bei einem Rechtsgeschäft zwischen einem seiner
Verwandten in gerader Linie einerseits und dem Kind andererseits nicht vertreten. So ist es hier.
Die Beteiligte zu 2 ist sowohl mit dem Beteiligten zu 1 als auch dem Beteiligten zu 3 in gerader
Linie verwandt, § 1589 Abs. 1 S. 1 BGB. Sie ist auch die Mutter des Beteiligten zu 3.
Entgegen der Beschwerde liegt kein die Anwendung von §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1
BGB rechtfertigender Ausnahmefall vor. Allerdings werden diese Vorschriften nach ihrem Sinn
und Zweck dahin einschränkend ausgelegt, dass sie keine Anwendung finden, wenn das
Geschäft für den Vertretenen lediglich rechtlich vorteilhaft ist (Senat, Beschluss vom 31. August
2010 - 1 W 167/10 -, FamRZ 2011, 736, 737). Ein auf den Erwerb einer Sache gerichtetes
Rechtsgeschäft ist für einen Minderjährigen aber nicht lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne
von § 107 BGB, wenn er in dessen Folge mit Verpflichtungen belastet wird, für die er nicht nur
dinglich mit der erworbenen Sache, sondern auch persönlich mit seinem sonstigen Vermögen
haftet (BGH, FamRZ 2022, 1190).

Das ist nicht anders beim Erwerb von Rechten, infolgedessen der Minderjährige
Verpflichtungen übernimmt. So ist es bei dem Erwerb des Anteils eines Miterben an einer
Erbengemeinschaft, § 2033 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Erwerber haftet wie der den Anteil
übertragende Miterbe für die Nachlassverbindlichkeiten, § 2382 Abs. 1 BGB, und zwar auch
dann, wenn die Übertragung unentgeltlich erfolgt, § 2385 BGB. Daran ändert es nichts, wenn
der Minderjährige bereits Miterbe ist (OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 2015, 842, 843). Für
die gemeinschaftlichen Nachlassverbindlichkeiten haften die Miterben als Gesamtschuldner,
§ 2058 BGB. Untereinander sind sie entsprechend ihrem Anteil am Nachlass verpflichtet, §§ 426
Abs. 1, 2038 Abs. 2, 748 BGB. Mit der Übernahme eines weiteren Anteils erhöht sich danach
die Haftung des (minderjährigen) Miterben im Innenverhältnis entsprechend, so dass ein darauf
gerichtetes Rechtsgeschäft für ihn nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, sondern auch nachteilig
ist. Das wird, soweit ersichtlich, nicht in Zweifel gezogen (Schulte-Bunert, in: Erman, BGB,
16. Aufl. § 1795, Rdn. 9; Sonnenfeld, in: BeckOGK, BGB, § 1795, Stand 5/2022, Rdn. 60;
Spickhoff, in: Münchener Kommentar, BGB, 8. Aufl., § 1795, Rdn. 9; Veit, in: Staudinger, BGB,
2020, § 1795, Rdn. 24; Grüneberg/Götz, BGB, 81. Aufl., § 1795, Rdn. 13; Schöner/Stöber,
Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rdn. 968).

Anlass, den vorliegenden Sachverhalt anders zu bewerten, besteht nicht. Dem Einwand der
Beschwerde, der Nachlass sei bis auf das Grundstück auseinandergesetzt, stehen schon die zur
UR-Nr. 2xx/2xxx beurkundeten Erklärungen der Beteiligten entgegen. Der Nachlass soll
„weitgehend auseinandergesetzt“ sein, § 1 der Urkunde. Dass er nicht noch lediglich aus dem
Grundstück besteht, lässt sich auch § 4 Abs. 2 der Urkunde entnehmen, wonach zum Nachlass
noch Festgeldkonten gehören sollen, von denen der Beteiligte zu 3 bei ihrer Auflösung 1/10 des
Guthabenbetrages erhalten soll. Ohnehin kommt es nicht darauf an, ob das Grundstück mit
Rechten Dritter belastet ist. Nicht das Grundstück als solches soll - anteilig - von dem
Beteiligten zu 3 auf den Beteiligten zu 1 übertragen werden, sondern der dem Beteiligten zu 3
zustehende Erbanteil. Nur daran sind die - erbrechtlichen - Haftungsfolgen geknüpft.
Wer unter elterlicher Sorge steht, erhält für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern
verhindert sind, einen Pfleger, § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB. Dieser Ergänzungspfleger vertritt den
Minderjährigen anstelle der verhinderten Sorgeberechtigten, §§ 1915 Abs. 1 S. 1, 1793 Abs. 1 S.
1 BGB. Das ist hier wegen der rechtlichen Verhinderung der Beteiligten zu 2 bei der Vertretung
des Beteiligten zu 1 bei der Übertragung des Erbanteils des Beteiligten zu 3 auf ihn nach den
obigen Ausführungen erforderlich. Hierauf hat das Grundbuchamt in der angefochtenen
Zwischenverfügung zu Recht hingewiesen.

bb) Die Zwischenverfügung ist auch insoweit nicht zu beanstanden, wie das Grundbuchamt
zudem eine familiengerichtliche Genehmigung der zwischen den Beteiligten zu 3 und 1 zu
treffenden Vereinbarungen für erforderlich erachtet hat.

Zur Übernahme einer fremden Verbindlichkeit durch einen Minderjährigen bedarf der
Ergänzungspfleger der Genehmigung des Familiengerichts, §§ 1909, 1915 Abs. 1 S. 1 und 3,
1822 Nr. 10 BGB. Hiervon werden solche Fälle erfasst, in denen von dem Mündel eine
Subsidiärhaftung übernommen werden soll, also dem Mündel, der aufgrund der übernommenen
Haftung leisten würde, ein Ersatzanspruch gegen den Primärschuldner zusteht (Müller, DNotZ
2013, 208, 210). Hierzu gehört auch die Eingehung einer gesamtschuldnerischen Haftung gemäß
§ 421 BGB (OLG Köln, FamRZ 2015, 1410). Die Übertragung eines Erbanteils führt zu einer
solchen gesamtschuldnerischen Haftung des Erwerbers, §§ 2058, 2383, 2385 BGB. Daran ändert
sich vorliegend nichts dadurch, dass der Beteiligte zu 1 bereits einen Anteil an dem Nachlass
hält. Ist ein Erbe zu mehreren Erbanteilen berufen, so bestimmt sich seine Haftung für die
Nachlassverbindlichkeiten in Ansehung eines jeden der Erbteile so, wie wenn die Erbteile
verschiedenen Erben gehörten, § 2007 S. 1 BGB. Das gilt auch bei Übertragung des Anteils
eines Miterben auf einen anderen Miterben (Grüneberg/Weidlich, a.a.O., § 2007, Rdn. 1).
An der familiengerichtlichen Genehmigung fehlt es hier. Ohne diese Genehmigung können die
Erklärungen zur UR-Nr. 2xx/2xxx keine Wirksamkeit erlangen, § 1829 Abs. 1 S. 1 BGB.

c) Vor diesem Hintergrund kommt derzeit die Berichtigung des Grundbuchs auch nicht gemäß
§ 22 Abs. 1 S. 1 GBO in Betracht. Danach bedarf es zur Berichtigung des Grundbuchs keiner
Bewilligung, wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen wird. Ein solcher Nachweis bedarf der Form
des § 29 GBO, kann also nur durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden erbracht
werden. Daran fehlt es hier.

Nach den obigen Ausführungen bedürfen die zur UR-Nr. 2xx/2xxx im Namen des Beteiligten
zu 1 beurkundeten Erklärungen der Beteiligten zu 2 der Genehmigung durch einen noch zu
bestellenden Ergänzungspfleger sowie die Verfügung insgesamt der Genehmigung durch das
Familiengericht. Diese liegen nicht vor. Das Grundbuchamt hat sie mit Recht in der
angefochtenen Zwischenverfügung erfordert.

3. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus §§ 61, 36 Abs. 3 GNotKG.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, § 78 Abs. 2 S. 1 GBO, besteht nicht.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

Kammergericht

Erscheinungsdatum:

17.11.2022

Aktenzeichen:

1 W 345/22

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Erbenhaftung
Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Erbteilsveräußerung
Abstammung (incl. künstliche Befruchtung), Adoption
Erbengemeinschaft, Erbauseinandersetzung
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)
Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)

Erschienen in:

ZEV 2023, 314-317

Normen in Titel:

BGB §§ 1629, 1795 a. F.