Beglaubigung im österreichischen Online-Verfahren nicht gleichwertig
letzte Aktualisierung: 21.10.2024
KG, Beschl. v. 17.7.2024 – 22 W 25/24
Beglaubigung im österreichischen Online-Verfahren nicht gleichwertig
Die nach österreichischem Recht erfolgte notarielle Online-Beglaubigung ist einer deutschen
Beglaubigung mittels Videokommunikation nach § 40a BeurkG nicht gleichwertig. Eine Pflicht zur
Anerkennung ergibt sich auch nicht aus der Gesellschaftsrechtsrichtlinie in der Fassung der
Digitalisierungsrechtlinie der EU.
Gründe
I.
Der Geschäftsführer der Beteiligten, einer GmbH, meldete am 4.10.2023 zum Handelsregister
des Amtsgerichts Charlottenburg die Änderung der inländischen Geschäftsanschrift der
Beteiligten zur Eintragung an. Bei dem zur Anmeldung eingereichten Dokument handelt es sich
um eine von dem Notar Mag. H mit Amtssitz in Österreich im Online-Verfahren erstellten
Urkunde, die neben der handschriftlichen Unterzeichnung vom Geschäftsführer der Beteiligten
auch elektronisch signiert wurde und einen diesbezüglichen Beglaubigungsvermerk des Notars
ausweist.
Das Amtsgericht Charlottenburg hat mit Beschluss vom 15.03.2024 die Eintragung mit der
Begründung abgelehnt, dass eine im Ausland vorgenommene Beglaubigung im Online-
Verfahren nur dann anerkannt werden könne, wenn das Verfahren den §§ 40a, 16a Abs. 1
BeurkG gleichstünde, was im Falle einer nach österreichischem Recht vorgenommenen
OnlineBeglaubigung nicht der Fall sei.
Gegen den Beschluss hat die Beteiligte unter dem 15.04.2024 Beschwerde eingelegt. Sie ist der
Ansicht, eine Gleichwertigkeit des österreichischen mit dem deutschen Verfahren zur notariellen
Beglaubigung im Online-Verfahren liege vor, da die Zwecke der Anforderungen des BeurkG
auch nach den Vorschriften der österreichischen Notarordnung erfüllt seien, so dass man von
einer Funktionsäquivalenz der Verfahren ausgehen könne. Sofern der deutsche Gesetzgeber die
RL (EU) 2017/1132 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts (GesR-RL) zu
OnlineEintragungen im Gesellschaftsrecht überschießend umgesetzt habe, dürfe das nicht zu
Lasten anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union gehen, die sich auf das erforderliche
Mindestmaß der Vorgaben der Richtlinie beschränkt hätten. Die Nichtanerkennung einer in
Österreich vorgenommenen Online-Beglaubigung mit grenzüberschreitendem Bezug stelle auch
eine unverhältnismäßige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des österreichischen Notars
dar.
Das Amtsgericht Charlottenburg hat der Beschwerde mit Beschluss vom 29. April 2024 nicht
abgeholfen und sie dem Senat als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1.
Die Beschwerde ist gemäß
fristgerecht eingelegt sowie gem.
Zurückweisung ihres Eintragungsantrags gem. § 59 Abs. 2 FamFG auch beschwerdeberechtigt.
2.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Das Registergericht hat zu Recht den Antrag auf Eintragung der Änderung der inländischen
Geschäftsanschrift der Beteiligten auf Grundlage der von dem österreichischen Notar Mag. H
beglaubigten Urkunde zurückgewiesen.
a)
Die von der Beteiligten eingereichte Anmeldung zum Handelsregister vom 4.10.2023 erfüllt
nicht die Voraussetzungen der
BnotO. Insbesondere ist die notarielle Beglaubigung der qualifizierten elektronischen Signatur
(qeS) des Geschäftsführers der Beteiligten durch den österreichischen Notar Mag. H im Wege
des OnlineVerfahrens nicht in der nach dem BeurkG und der BnotO vorgeschriebenen Weise
erfolgt.
Nach § 12 Abs. 1, 2 HGB sind Anmeldungen zur Eintragung in das Handelsregister
elektronisch in öffentlich beglaubigter Form einzureichen, wobei die öffentliche Beglaubigung
mittels Videokommunikation gemäß § 40a BeurkG zulässig ist. Nach § 40a Abs. 1 S. 1 BeurkG
soll eine qeS nur dann beglaubigt werden, wenn sie in Gegenwart des Notars oder mittels des
von der Bundesnotarkammer nach § 78p BNotO betriebenen Videokommunikationssystems
anerkannt worden ist. Die Feststellung der Beteiligten erfolgt dabei über das von der
Bundesnotarkammer betriebene Videokommunikationssystem mittels Videokommunikation in
dem nach § 16c BeurkG vorgegebenen Verfahren (§ 78p Abs. 1, Abs. 2 Satz Nr. 1 BnotO).
Dieses Verfahren ist zweistufig angelegt. Nach
eines ihm elektronisch übermittelten Lichtbildes sowie anhand eines elektronischen
Identitätsnachweises oder eines elektronischen Identifizierungsmittels durch einen zusätzlichen
Lichtbildabgleich Gewissheit über die Person der Beteiligten verschaffen. Die Kombination
beider Verfahrensschritte – und nur ihre Kombination – gewährleistet nach dem in der
Gesetzesbegründung erkennbaren Willen des Gesetzgebers „im Ergebnis die notwendige und mit dem
Präsenzverfahren vergleichbare Sicherheit hinsichtlich der Feststellung der Urkundsbeteiligten“ (vgl. RegBegr.
zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRuG), BTDrs.
19/28177, 121; auch: Rachlitz, in: BeckOGK, 1.12.2023, BeurkG § 16c Rn. 7f; HKNotarR/
Felix Schmitt, 1. Aufl. 2022, BeurkG § 16c Rn. 5; Stelmaszczyk, in: Beck´sches Notar-
Handbuch, 8. Auflage 2024, § 31 Rn. 570 ff.). Denn während der Notar im Präsenzverfahren
nach § 10 Abs. 1 BeurkG bei der Feststellung der Identität nicht an gesetzliche Beweisregeln
gebunden ist, schreibt § 16c BeurkG für das Online-Verfahren das oben beschriebene
zweistufige Verfahren zwingend vor, um auch in diesem EDV-gestützten Verfahren die
verlässliche Identifizierung der Beteiligten sicherzustellen, da anders als im Präsenzverfahren, wo
der Notar das ihm vorgelegte Ausweisdokument haptisch prüfen kann, es ihm im
Onlineverfahren eben nicht möglich ist, die Sicherheit eines Fernidentifizierungsverfahrens und
die Echtheit eines Ausweisdokuments zu prüfen (vgl. Winkler, BeurkG, 21. Aufl. 2023, BeurkG
§ 16c Rn. 3 ff.).
Dementsprechend gilt auch das sog. Video-Identifikations-Verfahren, bei dem ein
Ausweisdokument zum Bildabgleich in die Kamera gehalten wird, als für das notarielle
OnlineVerfahren ungeeignet (vgl. Winkler aaO; Rachlitz, in: BeckOGK, 1.12.2023, BeurkG
§ 16c Rn. 14; HK-NotarR/Felix Schmitt, 1. Aufl. 2022, BeurkG § 16c Rn. 5; Stelmaszczyk, in:
Beck´sches NotarHandbuch, 8. Auflage 2024, § 31 Rn. 617).
b)
Das Registergericht war nicht verpflichtet, die nach österreichischem Recht vorgenommene
notarielle Beglaubigung im dortigen Online-Verfahren anzuerkennen.
Die von dem österreichischen Notar Mag. H vorgenommene Beglaubigung nach der
österreichischen Notariatsordnung (NO) und der Notar-E-Identifikationsordnung (NEIV) ist
anders als das o.g. Verfahren nach deutschem Recht ausgestaltet. Nach § 69b Abs. 2 NO hat der
Notar bei einer nicht physisch anwesenden Partei durch Sicherungsmaßnahmen dafür zu sorgen,
dass die Feststellung und Prüfung der Identität der Partei unter Verwendung eines
elektronischen Verfahrens auf sichere und zweifelsfreie Weise erfolgen, dies anhand eines
amtlichen im Rahmen eines videogestützten elektronischen Verfahrens oder durch ein gesetzlich
vorgesehenes Verfahren, mit dem gesichert dieselbe Information wie mit der Vorlage eines
amtlichen Lichtbildausweises zur Verfügung gestellt wird (elektronischer Ausweis). Demnach
genügt zur Identitätsfeststellung das sog. – nach deutschem Recht nicht ausreichende -
Videoidentifikationsverfahren, bei dem der amtliche Lichtbildausweis zur Identifizierung in die
Kamera gehalten und optisch überprüft wird, vgl. § 3 Abs. 3 NEIV. Nach § 2 Abs. 1 NEIV ist
es dem Notar außerdem gestattet, für das elektronisch unterstützte Identifikationsverfahren
Mitarbeitende einzusetzen, wenn diese für dessen Durchführung besonders geschult und
zuverlässig sind. Gemäß § 5 NEIV kann sich der Notar für die Ausführung des elektronisch
unterstützten Identifikationsverfahrens ferner eines Dienstleisters bedienen, d.h. das
Videokommunikationssystem wird nicht von der österreichischen Notarkammer betrieben.
aa)
Eine Pflicht zur Anerkennung der nach dem österreichischen Online-Verfahren
vorgenommenen Beglaubigung des Notars. Mag. H durch das Registergericht ergibt sich –
anderes als die Beteiligte meint - nicht aus den Bestimmungen der GesR-RL in der Fassung der
RL (EU) 2019/1151 (Digitalisierungs-RL).
Denn die Richtlinie sieht zwar in den Artt. 13g ff. vor, dass in den Mitgliedstaaten Gründungen
von Gesellschaften und die Einreichung von Urkunden und Informationen von Gesellschaften
online möglich sein sollen. Auch legt sie in den Artt. 13 bis 13f allgemeine Bestimmungen
zugrunde, wonach bestimmte Identifizierungsmittel für die Zwecke von Online-Verfahren
anzuerkennen sind. Eine Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung von in anderen Mitgliedstaaten
nach dortigem (umgesetzten) Recht vorgenommenen notariellen Online-Beglaubigungen enthält
die Richtlinie aber nicht. Vielmehr lässt die GesR-RL nach Art. 13c Abs. 1 und 3 ausdrücklich
sowohl „nationale Rechtsvorschriften unberührt, in deren Rahmen gemäß den Rechtsordnungen und -traditionen
der Mitgliedstaaten Behörden oder Personen oder Stellen benannt werden, die nach nationalem Recht mit der
Bearbeitung von Aspekten der Online-Gründung von Gesellschaften, der OnlineEintragung von
Zweigniederlassungen und der Online-Einreichung von Urkunden und Informationen betraut sind“, als auch
„die Anforderungen des nationalen Rechts in Bezug auf die Echtheit, Korrektheit, Zuverlässigkeit,
Vertrauenswürdigkeit und die vorgeschriebene rechtliche Form eingereichter Urkunden und Informationen“.
Soweit Art. 13b Abs. 1 GesR-RL bestimmte elektronische Identifizierungsmittel benennt, die im
Rahmen der Online-Verfahren der Mitgliedstaaten anerkannt werden sollen – insofern sie dem
Sicherheitsniveau den Anforderungen von Art. 6 Abs. 1 VO (EU) 910/2014 (sog. eIDAS-VO)
entsprechen -, fordert diese Vorschrift lediglich die Anerkennung des von einem Mitgliedstaat
ausgestellten Identifizierungsmittels (z.B. elektronischer Personalausweis) im Rahmen einer
Identifizierung im Online-Verfahren, das von einem anderen Mitgliedstaat durchgeführt wird,
und betrifft daher nicht den hier vorliegenden Sachverhalt einer in einem anderen Mitgliedstaat
durchgeführten Online-Beglaubigung einer qeS.
Die Erwägungsgründe der GesR-RL streiten indes deutlich gegen eine Anerkennungspflicht von
in anderen Mitgliedstaaten vorgenommenen Beurkundungen im Rahmen von mit der Richtlinie
bezweckten Online-Eintragungen. So heißt es in Erwägungsgrund 15 der Digitalisierungs-RL,
mit der die GesrR-RL geändert und die Online-Verfahren im Gesellschaftsrecht eingeführt
wurden, dass diese „unbeschadet der materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Anforderungen der
Mitgliedstaaten, einschließlich jener an die Erstellung der Errichtungsakte und die Echtheit, Korrektheit,
Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit und die vorgeschriebene rechtliche Form eingereichter Urkunden oder
Informationen“ erfolgen soll. Und im zwanzigsten Erwägungsgrund heißt es, dass es „den
Mitgliedstaten überlassen bleiben [sollte], die Vorschriften über die Mittel und Methoden für die Durchführung
dieser Kontrollen [der Identität von Personen] zu entwickeln und anzunehmen“.
Hieran wird deutlich, dass der europäische Gesetzgeber mit der GesR-RL (und der sie
ergänzenden Digitalisierungs-RL) keine über die Einführung von Online-Verfahren bei der
Gründung von Gesellschaften sowie Einreichung von diese betreffende Unterlagen und
Urkunden hinausgehende Harmonisierung angestrebt hat. Vielmehr sollten die Gestaltung der
OnlineVerfahren und insbesondere die Prüfung der Echtheit und Vertrauenswürdigkeit der
damit verbundenen Akte in der Hoheit der Mitgliedstaaten verbleiben. Daher verfängt auch
nicht das Argument des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten, wenn er vorträgt, es könne
nicht zum Nachteil eines Mitgliedstaates gereichen, wenn ein anderer die Vorgaben der o.g.
Richtlinien „überschießend“ umsetze.
bb)
Eine Pflicht zur Anerkennung der von dem österreichischen Notar Mag. H durchgeführten
OnlineBeglaubigung der qeS im Rahmen der Registeranmeldung der Beteiligten mit der Folge
einer Ersetzung (Substitution) des deutschen Online-Beurkundungsverfahrens ergibt sich auch
nicht aus kollisionsrechtlichen Grundsätzen.
Nach diesem Rechtsinstitut kann eine gesellschaftsrechtlich notwendige Beurkundung durch
einen ausländischen Notar vorgenommen werden, sofern die ausländische Beurkundung der
deutschen gleichwertig ist. Gleichwertigkeit ist gegeben, wenn die ausländische Urkundsperson
nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars
entsprechende Funktion ausübt und für die Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu
beachten hat, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht
(vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – II ZB 6/13 –, juris Rn. 14).
Eine Gleichwertigkeit des oben beschriebenen Verfahrens der Online-Beglaubigung nach
§§ 16a, 40a BeurkG, 78p BNotO mit dem ebenfalls oben dargestellten Verfahren nach
österreichischem Recht (§§ 69b NO; 2 ff. NEIV) ist aus mehreren Gründen nicht gegeben. Wie
oben dargelegt, bestehen die Unterschiede der beiden nationalen Verfahren im Wesentlichen in
drei Punkten, und zwar erstens darin, dass in Österreich das sog. Online-
Identifikationsverfahren, mit dem ein optischer Abgleich des per Video sichtbaren
Ausweisdokuments mit der per Video zugeschalteten Person stattfindet, für die Identifizierung
genügt, wohingegen in Deutschland gemäß § 16c S. 2 BeurkG das dem Notar zu übermittelnde
Lichtbild nebst Vornamen, Familienname, Tag der Geburt, ausstellendem Staat,
Dokumentenart, Gültigkeitsdauer sowie derjenigen Daten, die zur Überprüfung der Echtheit des
Dokuments erforderlich sind, aus dem elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmedium des
elektronischen Identifizierungsmittels auszulesen ist, wobei dieses Identifizierungsmittel dem
Vertrauensniveau „hoch“ der eIDAS-VO entsprechen muss. Der zweite Unterschied besteht
darin, dass die Identifikation nach deutschem Recht durch den Notar zu erfolgen hat, vgl. § 16c
S. 1 BeurkG. Nach österreichischem Recht können hingegen nach § 2 Abs. NEIV für das
elektronisch unterstützte Identifikationsverfahren auch geschulte und zuverlässige Mitarbeiter
eingesetzt werden. Der dritte Unterschied liegt darin, dass das deutsche Recht in § 78p BNotO
vorschreibt, dass das für die Urkundstätigkeit nach § 16c BeurkG eingesetzte
Videokommunikationssystem von der Bundesnotarkammer betrieben wird, während
österreichische Notare sich gemäß § 5 NEIV hierzu externer Dienstleister bedienen können.
Mit den nach den
aufgestellten Anforderungen sind tragende Grundsätze des deutschen Beurkundungsrechts
geschaffen worden. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Willen des Gesetzesentwurfes zur
Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie und zur Änderung
weiterer Vorschriften, mit dem u.a. § 12 Abs. 1 S. 2 HGB eingeführt wurde. So heißt es dort in
der Begründung auf S. 7f (BR-Drs. 171/22):
„Nach § 78p der Bundesnotarordnung in der Fassung des DiRUG (BNotO n. F.) erfolgt die Beurkundung
mittels Videokommunikation ausschließlich über das
Videokommunikationssystem der Bundesnotarkammer, welches diese in Erfüllung ihrer Aufgaben als
Körperschaft des öffentlichen Rechts im Wege der mittelbaren Staatsverwaltung betreibt. Eine Beurkundung im
Online-Verfahren über andere, von privaten Dritten zur Verfügung gestellten Videokommunikationssysteme ist
aufgrund des hoheitlichen Charakters des Beurkundungsverfahrens nicht zulässig (vergleiche
Bundestagsdrucksache 19/28177, S. 115 f.). Durch die Beschränkung des OnlineVerfahrens auf das von der
Bundesnotarkammer betriebene Videokommunikationssystem wird zugleich sichergestellt, dass die gesetzlichen
Vorgaben der §§ 16a ff. des Beurkundungsgesetzes in der Fassung des DiRUG (BeurkG n. F.) eingehalten
werden, denn nur diese machen das Online-Verfahren einem Präsenzverfahren gleichwertig. Hierzu zählen
insbesondere die persönliche Identifizierung durch die Notarin oder den Notar mittels Lichtbildauslesung, das
Sicherheitsniveau „hoch“ im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische
Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (ABl. L 257 vom
28.8.2014, S. 73; L 23 vom 29.1.2015, S. 19; L 155 vom 14.6.2016, S. 44) (eIDAS-Verordnung) und
der Unterschriftenersatz durch eine dauerhaft prüfbare qualifizierte elektronische Signatur.
Diese Erwägungen sind auch bei Beantwortung der Frage zu berücksichtigen, ob eine im Ausland mittels
Videokommunikation vorgenommene Beurkundung einer Beurkundung durch eine deutsche Notarin oder einen
deutschen Notar gleichwertig und deshalb im Inland wirksam ist. Eine Gleichwertigkeit ist nur gegeben, wenn die
ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit der deutschen
Notarin oder des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt und für die Errichtung der Urkunde ein
Verfahrensrecht zu beachten hat, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht
(vergleiche BGH, Beschluss vom 16. Februar 1981 - II ZB 8/80; Beschluss vom 17.12.2013 – II ZB 6/13).
Danach scheidet eine Substitution des Beurkundungsverfahrens durch ein Online-Verfahren von vornherein
(unabhängig von dessen konkreter Ausgestaltung) aus, soweit das deutsche Recht ein Präsenzverfahren
vorschreibt. In diesen Fällen schließt die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers für ein Präsenzerfordernis die
Gleichwertigkeit jedweden OnlineVerfahrens vor in- oder ausländischen Notarinnen und Notaren aus. Auch
dort, wo das deutsche Recht notarielle Online-Verfahren zulässt, können nur solche ausländischen Online-
Verfahren als gleichwertig anerkannt werden, die den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts
entsprechen. Dies kann allenfalls für solche ausländischen Online-Verfahren gelten, die eine vergleichbar sichere
persönliche Identifizierung der Beteiligten durch die Notarin oder den Notar anhand von elektronischen
Identifizierungsmitteln und elektronisch übermittelten Lichtbildern ermöglichen und dem hoheitlichen Charakter
des Beurkundungsverfahrens in vergleichbarer Weise Rechnung tragen. (Hervorhebungen durch Verfasser)
Daraus geht hervor, dass es dem deutschen Gesetzgeber – weil das notarielle Online-Verfahren
im Vergleich zum Präsenzverfahren potentiell anfälliger für betrügerisch erlangte
Beurkundungen ist – gerade darauf ankam, dass das zur notariellen Online-Beurkundung
eingesetzte Videokommunikationssystem zumindest unter mittelbar staatlicher Verwaltung steht
und das Verfahren eine sichere Identifizierung der beteiligten Personen gewährleisten muss.
Ebenfalls deutlich wird, dass eine im Ausland vorgenommene Online-Beurkundung mit dem in
§ 16a BeurkG Verfahren vergleichbar sein muss, um als gleichwertig anerkannt werden zu
können, was jedenfalls voraussetzt, dass eine persönliche Identifizierung mittels elektronischer
Identifizierungsmittel und elektronisch übermittelter (und nicht nur optisch abgeglichener)
Lichtbilder stattfindet, was in Österreich im dort zulässigen Video-Identifikationsverfahren eben
nicht der Fall ist.
Dementsprechend lehnt die überwiegende Meinung im Ergebnis auch die Gleichwertigkeit einer
Online-Beglaubigung nach österreichischem Recht und damit die Substitution der deutschen
Beurkundungsvorschriften ausdrücklich ab (vgl. Lieder, BeckOK, GmbHG, 2014 § 1 Rn. 672
ff.; Berthold, RPFlG 2023, 551 ff.; Bormann,
OLG Celle, s.u.; Lieder,
Lieder,
cc)
Der im deutschen Beurkundungsrecht zum Ausdruck kommende Wille des deutschen
Gesetzgebers zu den zwingenden Anforderungen einer notariellen Online-Beurkundung bzw.
Beglaubigung ist auch nicht deswegen unbeachtlich, weil er von höherrangigem Recht verdrängt
würde.
Insbesondere verletzt die Versagung der Substitution der Beglaubigung der qeS des
Geschäftsführers der Beteiligten nach österreichischem Recht nicht die Dienstleistungsfreiheit
des handelnden Notars Mag. H.
Zwar dürften notarielle Dienstleistungen von der Dienstleistungsfreiheit gemäß
umfasst sein. So hat der EuGH bereits entschieden, dass es sich bei Maßnahmen eines Notars
nicht um die Ausübung öffentlicher Gewalt handelt, die von vornherein von der Anwendung
der Grundfreiheiten nach
10. September 2015 – C-151/14 –, juris Rn. 59; MHLS/Hoffmann/Bartlitz, 4. Aufl. 2023,
GmbHG § 53 Rn. 99; Classen/Nettesheim, in: Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht,
9. Auflage 2021, § 25. Freier Dienstleistungsverkehr, Rn. 30). Auch liegt ein
grenzüberschreitender Sachverhalt vor, weil es sich um die Leistung eines österreichischen
Notars an den Gebietsansässigen eines anderen Mitgliedstaats handelt, der ihn zum Zwecke der
Entgegennahme der Dienstleistung aufgesucht hat (sog. passive Dienstleistungsfreiheit).
Die Dienstleistungsfreiheit des
in dem Sinne, dass Beschränkungen (also das Unterbinden, Behindern und Weniger-
AttraktivMachen; vgl. EuGH Urt. v. 12.12.1996 – C-3/95,
gerechtfertigt werden könnten. Denn gleich ob man den Anwendungsbereich der
Dienstleistungsfreiheit – abseits von (mittelbar oder unmittelbar) diskriminierenden Maßnahmen
- nur dann als eröffnet ansehen mag, wenn diese ein Hindernis für den Marktzugang errichten
(z.B. Grabitz/Hilf/Nettesheim/Randelzhofer/Forsthoff, 81. EL Januar 2024, AEUV Art. 56,
Art. 57 Rn. 69) oder auch bereits dann, wenn der Marktzugang nicht betroffen ist (z.B.
Holoubek, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, AEUV
Art. 57 Rn. 72), ist gleichwohl anerkannt, dass Beschränkungen durch (verhältnismäßig
angewandte) zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden können (s.
Calliess/Ruffert/Kluth, 6. Aufl. 2022, AEUV Art. 57 Rn. 77; Geiger/Khan/Kotzur/
Kirchmair/Kotzur/van de Loo, 7. Aufl. 2023, AEUV Art. 57 Rn. 16; Holoubek aaO Rn. 112).
Der EuGH hat jedoch bereits (zur Niederlassungsfreiheit) entschieden, dass mit einer
notariellen Tätigkeit im Allgemeininteresse liegende Ziele verfolgt werden, die insbesondere
dazu dienen, die Rechtmäßigkeit und die Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen
zu gewährleisten mit der Folge, dass Beschränkungen (in dem Fall von Art. 49 AEUV)
gerechtfertigt werden können, welche sich aus den Besonderheiten der notariellen Tätigkeit
ergeben (s. EuGH, Urteil vom 9. März 2017 – C342/15, juris Rn. 60; s. auch BGH, Beschluss
vom 20.7.2015 – NotZ (Brfg) 13/14, juris Rn. 21 ff.; BeckOK BNotO/Eschwey, 9. Ed.
1.2.2024, BNotO § 1 Rn. 16).
So liegt es hier, denn die Anforderungen des deutschen Online-Beurkundungsrechts und
insbesondere die Voraussetzungen an die erforderliche Identifizierung der beteiligten Personen
dienen den im Allgemeininteresse liegenden Gründen der Sicherstellung der
Vertrauenswürdigkeit des Urkundsvorgangs sowie der Verhinderung von Straftaten. Sie sind
auch nicht unverhältnismäßig, selbst wenn sie wie hier hohe Anforderungen stellen, weil es sich
bei den genannten Zielen um bedeutende Rechtsgüter handelt, zumal die Online-Beurkundung
im Vergleich zur Präsenzbeurkundung ein deutlich erhöhtes Potential für Missbrauch bietet.
3.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 84 FamFG.
4.
Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zuzulassen, weil die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat.
Eine grundsätzliche Bedeutung ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn eine Sache eine
entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in
einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage
insbesondere dann, wenn sie vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden worden ist und
von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn dazu in der
Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (BGH, Beschluss vom 26. September
2018 – XII ZA 10/18 –, juris Rn. 3).
Dies ist hier der Fall, denn es ist absehbar, dass - vor allem vor dem Hintergrund weiter
zunehmender grenzüberschreitender Sachverhalte im europäischen Binnenmarkt und ebenfalls
zunehmender Inanspruchnahme notarieller Online-Verfahren - sich in einer unbestimmten
Vielzahl von Fällen die Rechtsfrage stellen wird, ob eine von einem österreichischen Notar
vorgenommene Beglaubigung im Online-Verfahren von einem deutschen Registergericht
anzuerkennen ist. Wie sich aus der oben (insb. unter 2. b) bb)) zitierten Rechtsprechung und
Literatur ergibt, wird diese Frage auch unterschiedlich beantwortet, so dass es einer Klärung
durch den Bundesgerichtshof bedarf.
Entscheidung, Urteil
Erscheinungsdatum:17.07.2024
Aktenzeichen:22 W 25/24
Rechtsgebiete:
Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
HGB § 12 Abs. 1; BeurkG §§ 16a Abs. 1, 40a; BNotO § 78p