Durchgriffshaftung im GmbH & Co. KG-Konzern bei Betriebsaufspaltung
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Deutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 824
letzte Aktualisierung: 21. Juli 1999
im Falle einer Unternehmeraufspaltung in einem GmbH § Co. KG-Konzern, w enn die
Betriebsgesellschaft von der Besitzgesellschaft umfassend gesteuert w ird, die
Betriebsgesellschaft nicht für ihre Liquidität vorsorgen kann und die
Besitzgesellschaft nicht darzulegen vermag, daß sich eine unabhängige
Gesellschaft auf eine derartige Verhaltensw eise hätte einlassen können.
w elche dieselbe Verw altungs-GmbH als Komplementärin haben, kann neben der
Verw altungs-GmbH auch die Vertriebsgesellschaft w egen Verbindlichkeiten der
Produktionsgesellschaft im Wege der Durchgriffshaftung in Anspruch genommen
w erden, w enn sich die Verw altungs-GmbH bei ihrer beherrschenden, auf die
Interessen der Produktionsgesellschaft unzureichend Rücksicht nehmenden
Leitung der Vertriebsgesellschaft bedient und bei ihr ihre unternehmerischen und
ihre Vermögensinteressen konzentriert hat.
T a t b e s t a n d :
Der klagende Pensions-Sicherungs-Verein hat die auf ihn übergegangenen, bei der Wohnmöbel H GmbH & Co. KG
erworbenen Versorgungsrechte im Konkurs über das Vermögen der H Möbelwerke GmbH & Co. KG als nicht
bevorrechtigte Ausfallforderungen zur Konkurstabelle angemeldet. Die Parteien streiten darüber, ob die
Voraussetzungen einer Durchgriffshaftung erfüllt sind.
Beide Gesellschaften gingen aus der im Jahre 1971 ins Handelsregister eingetragenen H KG Wohnmöbelwerke hervor.
Ihr Gegenstand war die Herstellung von Möbeln und Einrichtungsgegenständen sowie der Handel hiermit. Seit 1975
gibt es die H Verwaltungsgesellschaft mbH. Sie übernahm die Geschäftsführung und die Verwaltung der H
Unternehmensgruppe. Im Jahre 1980 trat an die Stelle der H KG Wohnmöbelwerke die H Wohnmöbelwerke GmbH &
Co. KG. Sie wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 27. Dezember 1983 in die H Möbelwerke GmbH & Co. KG
umbenannt. Zum selben Zeitpunkt fand eine Unternehmensaufspaltung statt: Die Möbelproduktion wurde auf die neu
gegründete Wohnmöbel H GmbH & Co. KG (im folgenden: Produktionsgesellschaft) übertragen, während der Vertrieb
der produzierten Möbel sowie alle zentralen Verwaltungsaufgaben bei der H Möbelwerke GmbH & Co. KG (im
folgenden: Vertriebsgesellschaft) verblieben.
Komplementärin beider Kommanditgesellschaften ist die H Verwaltungsgesellschaft mbH, die auch deren
alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin ist. Die Verwaltungsgesellschaft ist mit einem Stammkapital von
50.000,00 DM gegründet worden, wovon Herr P. H. 49.000,00 DM und Herr B. H. 1.000,00 DM halten. Beide sind
daneben Kommanditisten der Vertriebs- wie auch der Produktionsgesellschaft. Bei der Vertriebsgesellschaft beläuft
sich die Einlage des Herrn P. H. auf 3.800,00 DM und die Einlage des Herrn B. H. auf 200.000,00 DM. Bei der
Produktionsgesellschaft lauten die Einlagen für P. und B. H. auf 47.500,00 DM und 2.500, 00 DM.
Bei der Unternehmensaufspaltung verblieb der Produktionsgesellschaft das Eigentum am Betriebsgrundstück und an
den Produktionsanlagen. Die Produktionsgesellschaft zahlte für deren Nutzung keine Miete oder Pacht. Dieser
Umstand wurde bei der Bemessung der Kaufpreise berücksichtigt, welche die Produktionsgesellschaft von der
Vertriebsgesellschaft für die produzierten Möbel erhielt. Die Preise waren so kalkuliert, daß die
Produktionsgesellschaft mit einem - am Umsatz gemessen - geringen Gewinn arbeitete. Lediglich im Jahr 1991 kam es
zu einem geringfügigen Verlust. Die Vertriebsgesellschaft war die einzige Auftraggeberin. Sie beschaffte die
erforderlichen Rohstoffe und verkaufte sie an die Produktionsgesellschaft zur auftragsbezogenen Produktion der
Möbel.
Seit der Betriebsaufspaltung wurden alle Arbeitnehmer von der Produktionsgesellschaft beschäftigt. Sie erledigten im
Rahmen ihrer Arbeitsverhältnisse auch die für die Vertriebsgesellschaft anfallenden Aufgaben. Die
Vertriebsgesellschaft beschäftigte lediglich Putzfrauen. Die Löhne und Gehälter wurden von der
Produktionsgesellschaft ausgezahlt. Streitig ist, welche Gesellschaft die Steuern und Sozialabgaben abführte.
Am 31. März 1993 wurde der Konkurs über die Vermögen der Vertriebsgesellschaft, der Produktionsgesellschaft und
der H Verwaltungsgesellschaft mbH eröffnet. In allen drei Konkursverfahren ist der Beklagte Konkursverwalter.
Der klagende Pensions-Sicherungs-Verein erfüllt die Versorgungsansprüche von rund 300 Arbeitnehmern, die bei der
Produktionsgesellschaft bis zur Konkurseröffnung beschäftigt waren. Die auf ihn übergegangenen Ansprüche belaufen
sich auf insgesamt 8.549.040,00 DM. Der Beklagte hat der Eintragung einer entsprechenden Forderung in die
Konkurstabelle im Konkursverfahren der Vertriebsgesellschaft widersprochen. Diesen Widerspruch will der Kläger mit
seiner Feststellungsklage überwinden.
Der Kläger ist der Auffassung, die Vertriebsgesellschaft müsse für die Versorgungsverbindlichkeiten der
Produktionsgesellschaft wegen ihres beherrschenden Einflusses auf dieses Unternehmen nach den Grundsätzen der
Durchgriffshaftung im Konzern, wegen Rechtsformmißbrauchs und wegen der verbliebenen arbeitsrechtlichen
Restbeziehung einstehen. Die Verantwortung für die Buchführung und die Finanzierung beider
Kommanditgesellschaften habe bei der Vertriebsgesellschaft gelegen. Sie habe über die Verwaltungsgesellschaft als
Komplementärin die Produktionsgesellschaft wie eine bloße Betriebsabteilung eines einheitlichen Unternehmens
geleitet. Die beiden Unternehmen hätten sogar einen gemeinsamen Betrieb gebildet.
Es sei vielfach nicht klar gewesen, wer eigentlich in diesem Betrieb die Arbeitgeberstellung innegehabt habe. Auch die
wirtschaftlichen Trennlinien zwischen der Vertriebs- und der Produktionsgesellschaft seien häufig nicht klar gewesen.
Beispielsweise habe die Vertriebsgesellschaft die auf die Arbeitsentgelte entfallenden Steuern und Sozialabgaben in
eigenem Namen gezahlt. Im übrigen sei die Produktionsgesellschaft von Anfang an unterkapitalisiert gewesen. Sie habe
nicht die Möglichkeit gehabt, am Markt eigene wirtschaftliche Erfolge zu erzielen.
Der Kläger hat beantragt,
seine Forderung gegen die Wohnmöbel H GmbH & Co. KG in Höhe von 8.549.040,00 DM zur Konkurstabelle der H
Möbelwerke GmbH & Co. KG als nicht bevorrechtigte Ausfallforderung festzustellen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach seiner Auffassung liegen die Voraussetzungen für eine
Anwendung der Grundsätze über die Durchgriffshaftung im qualifiziert faktischen Konzern nicht vor. Dies beruhe
bereits darauf, daß es vorliegend nicht um Kapital-, sondern um Personengesellschaften gehe. Die Vertriebsgesellschaft
habe zudem wegen fehlender Beteiligung an der Produktionsgesellschaft gar keine Möglichkeiten gehabt, über die
Gesellschafterversammlung Einfluß auf die Willensbildung bei der Produktionsgesellschaft zu nehmen. Es habe auch
keine Vermengung oder Vermischung der Vermögensmassen beider Gesellschaften stattgefunden.
Unternehmensaufspaltungen in der hier gewählten Form zum Zwecke der Haftungsbegrenzung seien allgemein
anerkannt und zulässig. Den Arbeitnehmern sei ebenso wie allen anderen Gläubigern klar gewesen, zu welcher der
beiden Gesellschaften Rechtsbeziehungen bestanden hätten. Die Arbeitnehmer seien sich bewußt gewesen, bei der
Produktionsgesellschaft angestellt gewesen zu sein, von der auch die Lohnabrechnungen herrührten. Gelegentliche
Irrtümer bei einzelnen Schreiben oder bei Überweisungen von Steuern oder Sozialabgaben könnten hieran nichts
ändern. Die Vertriebsgesellschaft habe sich gegenüber den Arbeitnehmern nie wie ein Arbeitgeber verhalten. Deshalb
gebe es keine arbeitsrechtliche Restbeziehung zu ihr. Auch ein Rechtsformmißbrauch komme als Rechtsgrundlage für
das Begehren des Klägers nicht in Betracht. Wenn die Rechtsordnung Gesellschaften mit beschränkter Haftung
ermögliche, billige sie die sich hieraus ergebende Haftungsbeschränkung.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben dem Klageantrag entsprochen. Mit seiner Revision strebt der Beklagte
weiterhin die Abweisung der Klage an.
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung
stattgegeben. Die Vertriebsgesellschaft als Gemeinschuldnerin muß nach den Grundsätzen über die konzernrechtliche
Durchgriffshaftung für die gegenüber der Produktionsgesellschaft nicht durchsetzbaren Versorgungsverbindlichkeiten
einstehen. Die sich hieraus ergebenden Ansprüche sind mit der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der
Produktionsgesellschaft nach
Konkursforderungen nach
Feststellung zur Konkurstabelle nach dem Bestreiten des Beklagten gemäß
I. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs kommt ein
Haftungsdurchgriff durch die unmittelbar schuldende Gesellschaft in Betracht, wenn sich die Wahl der
haftungsbeschränkenden Rechtsform objektiv als mißbräuchlich darstellt. Folgende Fallgestaltungen können einzeln
oder jedenfalls bei einer Gesamtschau eine solche mißbräuchliche Ausnutzung haftungsbegrenzender
Gesellschaftsformen darstellen: eine Vermögensverschiebung aus dem haftenden Unternehmen heraus (BAG Urteil
vom 19. Januar 1988 - 3 AZR 263/86 - BAGE 57,198, 204 f. = AP Nr. 70 zu
umfassende, eigennützige und für das Unternehmen nachteilige Fremdsteuerung (BAG Urteil vom 8. März 1994 - 9
AZR 197/92 - AP Nr. 6 zu
16 BetrAVG; Urteil vom 1. August 1995 - 9 AZR 378/94 - AP Nr. 8 zu
offenkundige Unterkapitalisierung, bei der die Ausstattung mit Stammkapital in einem groben Mißverhältnis zum
angestrebten Geschäftsziel steht (BGH Urteil vom 4. Mai 1977 - VIII ZR 298/75 -
76, 83 ff.).
Hiervon ausgehend sind die Regeln über die konzernrechtliche Durchgriffshaftung auch im Falle einer
Unternehmensaufspaltung anwendbar. Eine Durchgriffshaftung auf das Vermögen der Besitzgesellschaft ist dann
gerechtfertigt, wenn die Betriebsgesellschaft von der Besitzgesellschaft gesteuert wird, die Betriebsgesellschaft nicht
für ihre Liquidität vorsorgen kann und die Besitzgesellschaft nicht darzulegen vermag, daß sich eine unabhängige
Gesellschaft auf eine derartige Verhaltensweise hätte einlassen können (Schaub,
1579, 1586; Wiedemann,
II. Nach diesen Grundsätzen haftet die Gemeinschuldnerin (Vertriebsgesellschaft) mit ihrem Vermögen für die
Versorgungsverbindlichkeiten der Produktionsgesellschaft.
1. Die Produktionsgesellschaft wurde von der Vertriebsgesellschaft in der Art einer unselbständigen Betriebsabteilung
beherrscht und umfassend gesteuert.
Die Produktionsgesellschaft hatte weder Anlagevermögen noch unternehmerische Außenkontakte. Ihr Wohl und Wehe
hing allein davon ab, daß die Vertriebsgesellschaft ihr die erforderlichen Räumlichkeiten und Produktionsmittel zur
Verfügung stellte. Für deren Überlassung wurde nicht einmal ein förmlicher, Besitzrechte begründender Vertrag
abgeschlossen. Die Produktionsgesellschaft war von Aufträgen, Kaufverträgen und Rohstofflieferungen der
Vertriebsgesellschaft abhängig. Eigenständige unternehmerische Aktivitäten der Produktionsgesellschaft waren
ausgeschlossen. Sie lagen allein in den Händen der Vertriebsgesellschaft, die über die herzustellenden Möbel, die
einzusetzenden Rohstoffe und den Umfang der Produktion entschied.
Die Abhängigkeit der Produktionsgesellschaft wird dadurch unterstrichen, daß sie auch für die Aufgaben, die nicht ihr,
sondern der Vertriebsgesellschaft oblagen, die benötigten Arbeitnehmer einzustellen und zu beschäftigen hatte. Die
dadurch verursachten Zuständigkeitsüberschreitungen und -verwechslungen, die der Kläger im einzelnen dargelegt hat
und die insbesondere den Bereich der Arbeitsorganisation und der Arbeitsverträge betreffen, mögen zwar nichts daran
ändern, daß zur Vertriebsgesellschaft keine arbeitsrechtlichen Beziehungen bestanden. Die Vorgänge beleuchten aber
die umfassende Einbindung der Produktionsgesellschaft in die unternehmerischen Ziele und Vorgaben der
Vertriebsgesellschaft.
2. Die ohne eigenes Anlagevermögen und unterkapitalisiert gegründete Produktionsgesellschaft war wegen der
umfassenden Beherrschung und Leitung außerstande, Rücklagen zu bilden und für etwaige wirtschaftliche
Problemsituationen Vorsorge zu treffen. Die Vertriebsgesellschaft hat verhindert, daß sich die Produktionsgesellschaft
so verhielt, wie sich ein konzernunabhängiges Unternehmen im wirtschaftlichen Eigeninteresse notwendigerweise hätte
verhalten müssen.
man einmal von den an einem Umsatz von 40 Mio. DM gemessen äußerst geringfügigen Gewinnen ab. Dies war, wie
das Landesarbeitsgericht unwidersprochen festgestellt hat, von vornherein mit der Preiskalkulation für die produzierten
Möbel angestrebt worden. Unter diesen Umständen mußte jede Störung oder jedes Absatzproblem der
Vertriebsgesellschaft sich unmittelbar bei der Produktionsgesellschaft auswirken. Eine Möglichkeit, schwierige
Zeiträume zu überbrücken, bestand für die Produktionsgesellschaft unter diesen Umständen nicht. Bei
Kommanditeinlagen von 50.000,00 DM und einem Gesellschaftskapital der Komplementärin von 50.000,00 DM fehlte
jede Reaktionsmöglichkeit für ein Unternehmen, dessen monatliche Lohnkosten bereits ein Vielfaches der genannten
Beträge ausmachten, ohne daß hierfür irgendwelche anderweitigen Sicherheiten zur Verfügung standen.
Das Landesarbeitsgericht hat überzeugend begründet, warum durch diese Fremdsteuerung die Rechte der Arbeitnehmer
der Produktionsgesellschaft wesentlich verschlechtert worden sind. Rücklagen zur Sicherung der Ansprüche auf
betriebliche Altersversorgung konnten von der Produktionsgesellschaft nicht gebildet werden. Die
Versorgungsansprüche wurden außergewöhnlichen Risiken ausgesetzt. Der Personengruppe, die nach allgemeiner
Auffassung besonderen sozialen Schutzes bedarf, stand ein Arbeitgeber gegenüber, der keinerlei Sicherheiten geben
konnte. Alle sonstigen Personen, die mit der H -Gruppe in Rechtsbeziehungen traten, wurden Geschäftspartner der
Vertriebsgesellschaft, deren Anlagevermögen als Haftungsmasse zur Verfügung stand.
Eine Beeinträchtigung der Arbeitnehmerinteressen kann nicht unter Hinweis auf die gesetzliche Insolvenzsicherung
durch den Kläger verneint werden. Die Insolvenzsicherung dient dem Schutz der Arbeitnehmer. Sie soll nicht die
konzernrechtliche Durchgriffshaftung zu Lasten der Solidargemeinschaft der Arbeitgeber einschränken. Der
Pensions-Sicherungs-Verein ist so zu stellen, wie die Arbeitnehmer ohne die Insolvenzsicherung stünden. Entscheidend
ist, ob ein objektiver Mißbrauch der Haftungsbegrenzung vorliegt. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die an der
konzernrechtlichen Konstruktion Beteiligten eine Schädigung der Arbeitnehmer oder Dritter bezweckt haben. Die
objektive Gefährdung durch die konzernverursachte Verschlechterung der objektiven Lage des Unternehmens oder
zumindest Verhinderung einer außerhalb eines Konzerns möglichen und notwendigen Verbesserung der
wirtschaftlichen Lage reicht als Grundlage der Durchgriffshaftung im Interesse der zu schützenden Gläubiger aus.
3. Eine unabhängige Gesellschaft hätte sich auf die Verfahrensweise, wie sie im Verhältnis zwischen der
Vertriebsgesellschaft und der Produktionsgesellschaft praktiziert worden ist, nicht eingelassen. Ohne Konzernbindung
hätte ein Unternehmen mit dem Aufgabenbereich der Produktionsgesellschaft Anlagevermögen gebildet, seine Preise
nach Eigeninteresse kalkuliert und eine derartige Absperrung vom allgemeinen Markt, wie sie durch die
Vertriebsgesellschaft vorgenommen worden ist, nicht hingenommen.
4. Die schädlichen Einwirkungen der Vertriebsgesellschaft auf die Produktionsgesellschaft fanden in einer
konzernmäßigen Verknüpfung statt, die eine rechtsähnliche Anwendung der
Die Grundsätze für eine Durchgriffshaftung und die Übertragung der Vorschriften des Aktienrechts sind zwar anhand
von GmbH-Konzernen entwickelt worden. Das Landesarbeitsgericht hat aber überzeugend begründet, daß jedenfalls in
einem GmbH & Co.-Konzern wie dem der H -Gruppe nichts anderes gelten kann. Entscheidend ist, daß die
Produktionsgesellschaft in ihrer gesellschaftsrechtlichen und haftungsrechtlichen Struktur keine wesentlichen
Unterschiede zu einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung aufweist. Sie verfügt im Ergebnis nur über ein geringes
haftendes Kapital ohne eine umfassende persönliche Haftung. Ihre Entscheidungsprozesse sind nach dem
Gesellschaftsvertrag entsprechend den Regeln bei einer Kapitalgesellschaft gestaltet, indem das Mehrheitsprinzip statt
des Prinzips der Einstimmigkeit gilt. Die personelle Identität der Gesellschafter aller beteiligten Gesellschaften
gewährleistet, daß ein einheitlicher unternehmerischer Wille durchgesetzt werden kann, der die Interessen der
Einzelunternehmen in ein Gesamtkonzept einbindet, ohne dabei auf deren Einzelinteressen so Rücksicht zu nehmen,
wie dies bei einem konzernunabhängigen Unternehmen geboten wäre. Der Produktionsgesellschaft standen keine
rechtlichen Möglichkeiten zur Verfügung, eigenständige unternehmerische Ziele unabhängig von der Willensbildung
bei der Vertriebsgesellschaft oder der Verwaltungsgesellschaft zu verfolgen. Wenn es unter diesen Bedingungen im
Interesse der Unternehmensgruppe zu einer unzureichenden und die wirtschaftliche Lage des beherrschten
Unternehmens beeinträchtigenden Entwicklung kommt, besteht für die Gläubiger der Schutzbedarf, um dessenwillen
die aktienrechtlichen Vorschriften geschaffen wurden, die nach den Grundsätzen über die Durchgriffshaftung einen
unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen das letztlich haftende Unternehmen geben (BAG Urteil vom 8. März 1994 - 9
AZR 197/92 -
5. Das Landesarbeitsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, daß die Regeln über die Durchgriffshaftung im
Verhältnis zwischen der Produktionsgesellschaft und der Vertriebsgesellschaft gelten. Zwar handelt es sich bei der
Vertriebsgesellschaft nicht um das rechtlich herrschende Mutterunternehmen der Produktionsgesellschaft. Dies war die
Verwaltungs-GmbH. Sie hat sich jedoch der Vertriebsgesellschaft bei ihrer beherrschenden, auf die Interessen der
Produktionsgesellschaft unzureichend Rücksicht nehmenden Leitung bedient. Sie hat bei ihr ihre unternehmerischen
und ihre Vermögensinteressen konzentriert. Die Vorteile, die sich aus der unzureichenden Berücksichtigung der
Vertriebsgesellschaft gelangt. Deren Vermögen muß dann auch im Wege der Durchgriffshaftung für die
Verbindlichkeiten der Produktionsgesellschaft einstehen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BAG
Erscheinungsdatum:09.09.1999
Aktenzeichen:3 AZR 185 /97
Erschienen in:
DNotI-Report 1999, 122-123
NJW 1999, 2612-2614
AktG §§ 303, 322