BGH 05. Dezember 1989
IV a ZR 59/88
BGB §§ 2048, 2306, 2305

Zum Verhältnis von "wertverschiebender" Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis

hat, daß er bereit ist, hieraus die Folgerungen zu ziehen (vgl.
Bericht des Rechtsausschusses BTDrucks. 7/4361 5. 52).
Der nach dem früheren Verfahrensrecht maßgebenden
Klageerhebung entspricht jetzt gemäß § 622 Abs. 2 Satz 2,
§ 261 Abs. 1 ZPO die Zustellung der Antragsschrift (vgl. die
Begründung des Regierungsentwurfs zu § 622 ZPO BT
Drucks. 7/650 S. 208). Durch die Verknüpfung des Erbrechtsausschlusses mit der Antragstellung im Scheidungsverfahren statt bisher mit der Klageerhebung ist der Zeitpunkt des
Eintritts der Ausschlußverwirkung nicht vorverlegt worden.
Maßgebend ist vielmehr weiterhin, daß der Antrag auf Scheidung der Ehe bereits rechtshängig ist, wenn der Erbfall eintritt (Bürgle FamRZ 1973, 508/517).
(3) Eine Rückbeziehung der Zustellung gemäß § 270 Abs. 3
ZPO auf den Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrags beim Familiengericht kommt für den Ausschluß des
Ehegattenerbrechts nicht in Betracht. Die unmittelbare
Anwendung dieser Vorschrift scheidet aus, weil durch die
Zustellung weder eine Frist gewahrt noch die Verjährung
unterbrochen werden soll (OLG Saarbrücken FamRZ 1983,
1274/1275; Palandt/Edenhofer § 1933 Anm. 2 a). Für sonstige
Folgen der Zustellung, insbesondere den Eintritt der Rechtshängigkeit, gilt § 270 Abs. 3 ZPO nicht (Thomas/Putzo ZPO
15. Aufl. § 270 Anm. 3 a).
(4) Auch eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift
scheidet aus. Eine solche kommt nur in Betracht, wenn der
zur Beurteilung stehende Sachverhalt mit dem vergleichbar
ist, den der Gesetzgeber geregelt hat (BGHZ 105, 140/143).
Dies trifft hier nicht zu. Beim Ausschluß des Ehegattenerbrechts infolge der Einleitung des Scheidungsverfahrens
handelt es sich um die materiellrechtliche Wirkung einer
Prozeßhandlung, die gemäß § 262 ZPO grundsätzlich nicht
vor dem prozessual maßgebenden Ereignis eintritt (Pa/andt/
Edenhofer § 1933 Anm. 2 a). Zu den in § 270 Abs. 3 ZPO geregelten Fällen der Wahrung einer Frist und der Unterbrechung der Verjährung besteht ein grundlegender Unterschied. Während hier durch die in § 270 Abs. 3 ZPO geregelte
Rückbeziehung der Zustellung das Recht erhalten bleibt, hat
nach § 1933 BGB die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags (oder der Aufhebungsklage) bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen den Verlust des Ehegattenerbrechts
zur Folge.
(5) Es besteht auch kein Bedürfnis für eine entsprechende
Anwendung (Palandt/Heinrich Einl. VI 4 a, b). Die Heranziehung eines aus §§ 207, 270 Abs. 3 ZPO abgeleiteten allgemeinen Rechtsgedankens, wonach derjenige, der einen Antrag oder ein Gesuch bei Gericht eingereicht hat, unabhängig von den Zufälligkeiten der von Amts wegen vorzunehmenden Zustellung die Rechtswirkungen der Rechtshängigkeit sollte herbeiführen können, sofern die Zustellung demnächst erfolgt, hat der Bundesgerichtshof für die Vererblichkeit des Schmerzensgeldanspruchs (§ 847 BGB) abgelehnt,
weil dies weder durch die Billigkeit noch durch unabweisbare praktische Bedürfnisse geboten sei (BGH LM Nr. 57 zu
§ 847 BGB). Für den Ausschluß des Ehegattenerbrechts gemäß § 1933 BGB erscheint es ebenfalls nicht geboten, in An-wendung dieses Grundgedankens den Eintritt der formellen
Voraussetzung auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit des
Scheidungsantrags vorzuverlegen. Hiergegen spricht schon
der Umstand, daß § 1933 BGB eine Ausnahmevorschrift darstellt und als solche eng auszulegen ist (BayObLG FamRZ
1975, 514/515).
bb) Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen,
daß der Scheidungsantrag der Erblasserin erst nach ihrem
Tod an den Beteiligten zu 1 zugestellt worden ist. Gemäß
§ 170 Abs. 1 ZPO wird die Zustellung durch die unmittelbare
Aushändigung des zuzustellenden Schriftstücks an den Zustellungsempfänger bewirkt (Thomas/Putzo § 170 Anm. 3).
Die bei den Akten des Familiengerichts liegende Postzustel.
lungsurkunde (§ 195 Abs. 2 ZPO) trägt den Vermerk, daß die
Antragsschrift am 9.11.1988 einem zur Familie gehörenden
erwachsenen Hausgenossen des Beteiligten zu 1 übergeben
worden ist, enthält jedoch keine Angabe der Uhrzeit. Das
Landgericht hat daraus entnommen, daß die Antragsschrift
zu einer für die Zustellung von Postsendungen üblichen
Tageszeit zugestellt worden sei, jedenfalls nach 8.00 Uhr
morgens und damit nach dem Tod der Erblasserin, der um
5.33 Uhr eingetreten ist. Diese Tatsachenwürdigung des
Landgerichts ist im Verfahren der weiteren Beschwerde
nur beschränkt, nämlich auf Rechtsfehler nachprüfbar
(BayObLGZ 1976, 67/73 f. m.w.N.). Solche liegen nicht vor.
b) Ob die Erblasserin und ihr Ehemann bei der Unterzeichnung des mit Schreibmaschine geschriebenen Vertrags vom
12.10.1988 beabsichtigt haben, auch erbrechtliche Ansprüche zu regeln, kann dahingestellt bleiben. Wegen Fehlens
der jeweils erforderlichen Form kann dieses Schriftstück
weder als Erbverzichtsvertrag (§ 2348 BGB), noch als letztwillige Verfügung der Erblasserin (§ 2247 BGB, vgl. Pa/andt/
Edenhofer § 2348 Anm. 1) erbrechtliche Wirkungen entfalten.
17. BGB §§ 2048, 2306, 2305 (Zum Verhältnis von „wertverschiebender" Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis)
1. In der sogenannten „wertverschiebenden" Teilungsanordnung kann in Wirklichkeit ein Vorausvermächtnis
liegen.
2. Enthält die gemäß § 2306 Abs.1 Satz 1 BGB als nicht
angeordnet geltende Teilungsanordnung zugleich die
Erbeinsetzung nach Vermögensgruppen, dann bleibt sie
als solche Erbeinsetzung bestehen.
BGH, Urteil vom 6.12.1989 — IV a ZR 59/88 — mitgeteilt von
D. Bundschuh, Vorsitzender Richter am BGH
Aus dem Tatbestand.
Die Beklagte ist die zweite Ehefrau des am 23.7.1980 verstorbenen
Erblassers. Die Kläger sind die minderjährigen Kinder der Tochter
des Erblassers aus dessen erster Ehe. Sie sind während des Rechtsstreits geboren und anstelle ihrer Mutter in den Rechtsstreit eingetreten. Diese hatte die vorliegende Feststellungsklage erhoben. Damit
sollte die Auslegung des notariellen Testaments des Erblassers vom
7.12.1979 geklärt werden.
In diesem Testament lauten die Ziffern I. bis IV.:
J. Zu meinen Erben setze ich ein
1)meine Ehefrau H. R....
2) meine Tochter aus erster Ehe G.
Meine Tochter G. setze ich nur zur Vorerbin ein, und zwar als nicht befreite Vorerbin. Nacherben meiner Tochter G. sollen sein ihre leiblichen Nachkommen. Der Nacherbfall soll eintreten mit der Geburt
der Nachkommen.
II. Hinsichtlich meines Vermögens treffe ich folgende Teilungsanordnung:
1.Meine Tochter G. erhält die bebauten Grundstücke in K., St. 5, und
K., Kn. 177,
2. das gesamte übrige Vermögen erhält meine Ehefrau H. als Vollerbin.
184 MittBayNot 1990 Heft 3


III. im Falle des Eintritts des Nacherbfalles sind die leiblichen Nachkommen meiner Tochter verpflichtet, dieser ein lebenslängliches
Nießbrauchsrecht an den Grundstücken St. 5 und Kn. 177 zu bestellen. Dieses Recht soll im Grundbuch eingetragen werden.
Dieses Nießbrauchsrecht wird eingeschränkt durch ein lebenslängliches Wohnrecht an der Wohnung K., St. 5, Erdgeschoß rechts,
zugunsten meiner Ehefrau H. R.
Meine Tochter kann von meiner Ehefrau die Löschung dieses Wohnrechts verlangen, wenn meine Frau nach meinem Ableben sich
wieder verheiratet.
IV.Meine Tochter ist nach Eintritt des Erbfalles verpflichtet, aus den
ihr zufließenden Mieteinnahmen monatlich 500,— DM auf ein einzurichtendes Konto bei der K. Kasse einzuzahlen, bis ein Betrag von
18.000,— DM erreicht ist. Dieses Geld darf ausschließlich für Reparaturarbeiten an den beiden Häusern verwendet werden. Diese Auflage
entfällt, sobald meine Tochter das 50. Lebensjahr vollendet hat.
Meine Tochter ist verpflichtet, die Zins- und Tilgungsleistungen für
das Grundpfandrecht zu erbringen, das auf dem Grundstück St. 5
eingetragen ist:`
Unter V. setzte der Erblasser seinen früheren Notar, den Vater des
beurkundenden Notars, zum Testamentsvollstrecker ein. Dessen Aufgabe sollte sich beschränken auf die Erfüllung der Auflagen, Wahrung der Interessen der Nacherben sowie die Mithilfe bei der Abwicklung des Nachlasses.
Dieses Testament ersetzte ein früheres, das der Erblasser 1969 von
dem späteren Testamentsvollstrecker hatte beurkunden lassen.
Damals war er nur Eigentümer des Hausgrundstücks St. 5 gewesen.
1979 hatte er das Nachbargrundstück St. 3 hinzuerworben. Der
Kaufpreis und die Kosten der bis zum Erbfall nur teilweise durchgeführten Modernisierung dieses Mietshauses waren fremdfinanziert. 50.000 DM dafür wurden in Form einer Grundschuld auf dem
Grundstück St. 5 gesichert. Schuldner der Darlehen im Umfange von
circa 240.000 DM war auch der Erblasser. Eingetragene Eigentümerin
des Grundstücks St. 3 war im Zeitpunkt des Erbfalls die Beklagte.
Übereinstimmend gehen die Parteien weiter davon aus, daß — wirtschaftlich gesehen — ein Anteil von 77,5229% des Grundstücks
Kn. 177 in den Nachlaß gefallen ist. Der Erblasser ist jedoch nicht als
Eigentümer dieses Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Vielmehr sind die Mutter des Erblassers zusammen mit einem schon
1943 verstorbenen Dritten in ungeteilter Erbengemeinschaft eingetragen. Durch notariellen Erbteilsübertragungsvertrag hatte die
Mutter dem Erblasser die zuvor von Erben und Erbeserben erworbenen 81711080 Erbanteile an dem Gesamtnachlaß übertragen, zu dem
dieses Grundstück gehörte. Durch weitere Verträge hatte der Erblasser für. seine Mutter insgesamt weitere 3180 Erbteile erworben.
Der Testamentsvollstrecker hat den Wert des Nettonachlasses zum
Todeszeitpunkt mit 509.768 DM ermittelt. Nach Abzug des Wertes der
beiden bebauten Grundstücke verbleibt deshalb nur ein geringfügiger Betrag vom Aktivnachlaß zugunsten der Beklagten.
Die Kläger begehren die Feststellung, daß die Teilungsanordnung in
Ziffer II. des Testaments ohne Leistung eines Wertausgleiches an die
Beklagte zu erfüllen ist, und daß ihr ein Zusatzpflichtteil gemäß
§ 2305 BGB nicht zusteht, hilfsweise die Feststellung, daß sie über
die ihr bereits aus dem Nachlaß und vom Erblasser überlassenen
Werte hinaus keine weiteren Ansprüche aus Anlaß des Erbfalles hat.
Das Landgericht hat der Beklagten einen Zusatzpflichtteil zugesprochen. Demgegenüber hat das Oberlandesgericht voll nach dem
Hauptantrag erkannt. Die Revision des Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückweisung.
daß das Fehlen einer Angabe für die 'Erbquote jedenfalls
dann eine gewichtige Bedeutung hat, wenn der Erblasser
sein Vermögen gegenständlich verteilen wollte. Dann nämlich hat er verschieden hohe Erbquoten in Kauf genommen.
Demgegenüber haben die vom Berufungsgericht herangezogenen Auslegungsvorschriften nicht das ihnen beigemessene Gewicht. § 2091 BGB kann erst maßgeblich sein, wenn
andere Auslegungswege nicht zu einem klaren Ergebnis führen. Die Voraussetzungen des § 2066 BGB liegen schon deshalb nicht vor, weil der Erblasser seine Erben namentlich
und nicht als „gesetzliche Erben" bezeichnet hat (h. M.
MünchKomm /Frank, 2. Aufl. § 2066 Rdnr. 3 m. w. N. in Fn. 4).
b) Allerdings hat das Berufungsgericht die Möglichkeit einer
Erbeinsetzung nach Vermögensgruppen, bei der durch die
gegenständliche Verteilung der zum Nachlaß gehörenden
Gegenstände die Erbquote bestimmt wird, und die hier ausnahmsweise in Betracht kommen kann (vgl. BGH Urteil vom
17.2.1960 — V ZR 144/58 — BGH LM BGB § 2084 Nr. 12), nicht
völlig außer Acht gelassen. Es hat sie vielmehr bei seiner
Auslegung verneint, aber den dafür maßgeblichen Prozeßstoff nicht ausgeschöpft. Neben der unten zu 4. ausgeführten Überlegung zum Erblasserwillen sind übersehen:
Der Erblasser hat durch die Ziffer II. seinen gesamten Nachlaß verteilt. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts
gehören wegen der Erbteilsübertragungen die Anteile am
Grundstück Kn. 177 wirtschaftlich in den Nachlaß. Die Erwägung, der Erblasser habe mit der Formulierung, „das gesamte übrige Vermögen" solle die Beklagte erhalten, nur
sein Aktivvermögen, nicht auch die im Zusammenhang mit
dem Erwerb und der Modernisierung des Hausgrundstücks
St. 3 entstandenen Darlehensverbindlichkeiten gemeint,
wird nicht begründet. Ihr steht jedenfalls entgegen, daß der
Erblasser unter IV. Abs. 2 des Testaments die der Beklagten
zugute kommende Abtragung dieser Verbindlichkeit ausdrücklich geregelt hat.
c) Bei der Auslegung ist der wirkliche Erblasserwillen zu
erforschen. Die Möglichkeit, daß der Erblasser eine wertmäßige Gleichbehandlung der Klägerseite einerseits und
der Beklagten andererseits höher stellte als die Erhaltung
der Häuser für seinen Erbstamm, ist mit seinem Willen
schwerlich vereinbar. Im Testament kommt mehrfach zum
Ausdruck, daß der Erblasser die Hausgrundstücke für die
Nachkommen seiner Tochter erhalten wollte. Dann aber
wollte er keinesfalls die Veräußerung der Hausgrundstücke
in Kauf nehmen, damit beide Erbparteien gleichmäßig bedacht werden könnten. Diesen Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht zwar erkannt, jedoch nicht als entscheidend
für die Frage herangezogen, ob der Erblasser ungleiche
Erbquoten festlegen wollte.
2. Schon der Ausgangspunkt für die Auslegung des Berufungsgerichts, die Klägerseite und die Beklagte seien je zur
Hälfte als Erben eingesetzt, ist rechtsfehlerhaft begründet.
Das Auslegungsergebnis kann mit dem Erblasserwillen
schwerlich in Einklang gebracht werden.
3. Das Berufungsgericht hat bei seiner Auslegung offengelassen, ob der Klägerstamm durch ein Vorausvermächtnis
begünstigt worden ist. Seine Begründung dafür ist widersprüchlich. Sie läuft darauf hinaus, daß die von ihm unterstellte „bloße Teilungsanordnung" wegen der gleichzeitigen
Verneinung einer Ausgleichspflicht den Klägerstamm begünstigt. Die Beklagte erhält dann nämlich von einem Gesamtnachlaß von über 500.000 DM nach dem Hilfsantrag der
Kläger ohne das schon zu Lebzeiten des Erblassers ihr eingeräumte Wohnrecht nur etwa 70.000 DM. Also würde es
sich nicht um eine „bloße Teilungsanordnung", sondern um
eine „begünstigende Teilungsanordnung" handeln.
a) Zwar übersieht das Berufungsgericht nicht, daß der Erblasser selbst keine Quoten bestimmt hat. Es übersieht aber,
a) Die Beklagte meint, mit der Wortwahl ,Teilungsanordnung" in Ziffer II. des Testaments sei eine AusgleichsAus den Gründen:
Das Oberlandesgericht hat das Testament fehlerhaft ausgelegt.
1....
MittBayNot 1990 Heft 3
ausdrücklichen oder konkludenten Bestimmung bedarf, daß
vielmehr bei einer Teilungsanordnung immer die Pflicht zum
Wertausgleich besteht. Dann würde das Schweigen des
Testamentes für einen Wertausgleich sprechen. Der Senat
hat diese Auffassung zum Verhältnis Vorausvermächtnis/Teilungsanordnung mehrfach gebilligt (BGHZ 82, 274, 279 [=
MittBayNot 1984, 198]; Urteile vom 14.3.1984 — IVa.ZR 87/82
NJW 1985, 51 = WM 1984, 778 = LM BGB § 2048 Nr. 8
unter 2 und vom 28.1.1987 — IVa ZR 191/85 — FamRZ 1987,
475 unter 1 4). Er hat insbesondere die Ansicht aus dem
Urteil vom 29.12.1961 (V ZR 129/60 — LM BGB § 2048 Nr. 5 =
JZ 1962, 542) ausdrücklich abgelehnt, auch bei einer Teilungsanordnung sei eine Verschiedenbehandlung der Miterben ohne Ausgleichspflicht möglich. Die sogenannte
„wertverschiebende" Teilungsanordnung wäre danach hier
in Wirklichkeit ein Vorausvermächtnis. Der Senat hat aber
damit nicht dem Tatrichter die Aufgabe abgenommen, durch
Auslegung zu entscheiden, ob eine Teilungsanordnung oder
ein Vorausvermächtnis oder etwas Drittes gewollt ist. Er hat
vielmehr mehrfach betont, daß der Tatrichter sich dieser Aufgabe nicht entziehen darf (z. B. Urteile vom 8.7.1981 und
4.2.1987 — IVa ZR 188/80 und 229/85 — NJW 1981, 2749 =
WM 1981, 1137 und DNotZ 1987, 768 = WM 1987, 564 [= MittBayNot 1987, 154]).
b) Eine Auslegung des Testaments dahin, daß die frühere
Klägerin und Mutter der jetzigen Kläger durch die Ziffer II. 1.
des Testaments entgegen dessen Wortlaut „Teilungsanordnung" ein sie begünstigendes, weil nicht auszugleichendes
Vorausvermächtnis erhalten sollte, liegt angesichts des Erblasserwillens eher fern, § 2084 BGB. Die Wortwahl ,Teilungsanordnung" und nicht „Vorausvermächtnis" hat Gewicht, da
das Testament von einem Notar beurkundet wurde. Die Mutter der Kläger sollte nicht fast die gesamte Erbschaft als
Vorausvermächtnis zu ihrer freien Verfügung erhalten. Die
leiblichen Enkel des Erblassers, also die jetzigen Kläger,
sollten vielmehr im Wege der Nacherbschaft die Hausgrundstücke erhalten.
4. Damit ist jedoch noch nicht gesagt, daß hier eine Teilungsanordnung mit der Folge der Ausgleichspflicht vorliegt. Die Überlegung oben unter 2. c) zum Erblasserwillen
erschöpft nämlich die dafür vorgetragenen Gesichtspunkte
nicht.
a) Vieles spricht dafür, daß der Erblasser die Beklagte
anders als durch nominelle Gleichstellung mit seinen Nachkommen absichern wollte. Gleichzeitig mit der Errichtung
des Testamentes hatte er selbst schon der Beklagten das
Wohnrecht am Familienhaus Nr. 5 eingeräumt. Er hat sich
hier also ähnlich verhalten wie schon bei dem Testament
1969 zugunsten seiner Mutter. Zum anderen wollte er anscheinend seine Ehefrau durch das gerade erworbene Nachbarmietshaus Nr. 3 absichern. Das belegt schon die Zinstilgungsverpflichtung unter IV. Abs. 2 des Testaments. Der Erblasser ist unstreitig unerwartet und jung gestorben. Er rechnete erst in ferner Zukunft mit seinem Tod, jedenfalls für
einen Zeitpunkt lange nach dem Ableben seiner im Jahre
1899 geborenen Mutter. Anderenfalls wären seine Anordnungen unter Ziffer II. bis V. des Testaments wenig verständlich,
da der Mutter der Nießbrauch an beiden Hausgrundstücken
eingeräumt war. Anscheinend hoffte der Erblasser, vor seinem Ableben die restlichen Erbanteile des Mietshauses
Kn. 177 noch zu erwerben. Er rechnete vielleicht deshalb in
Ziffer II. des Testaments schon das Haus und nicht die
Rechte aus den Erbteilsübertragungsverträgen zu seinem
Nachlaß. Das Nachbarmiethaus Nr. 3 war hinsichtlich Ankauf und Modernisierung vollständig fremdfinanziert. Wie
bereits mehrfach erwähnt, mußten 50.000 DM sogar auf dem
Familienstammhaus Nr. 5 abgesichert werden, worauf sich
die vorsorgliche Ziffer IV. Abs. 2 des Testaments bezieht. Dieses Haus wollte der Erblasser wahrscheinlich wie schon vorher unstreitig die Modernisierung von Nr. 5 und den Erwerb
der Erbanteile am Kn. 177 aus seinem (insbesondere Miet-)
Einkommen bezahlen. Auf diese Weise hätte nach der Erledigung der Finanzierung die Beklagte als Eigentümerin
von Nr. 3 dem Erblasser und damit ohne ihre Einsetzung als
Erbin für „das gesamte übrige Vermögen" seinen Erben ganz
erhebliche Summen geschuldet.
b) Demgemäß können nicht nur die fehlende Angabe der
Erbquote und die übrigen Überlegungen unter 2. und 3., den
schon nach der Erwägung unter 2. c) nicht fernliegenden
Erblasserwillen ergeben, daß er einmal die Klägerseite
zusammengenommen und zum anderen Teil die Beklagte für
sich allein ohne Rücksicht auf den Wert der Anteile so bedenken wollte, daß beide Seiten durch Miethäuser abgesichert waren. Dem steht nicht entgegen, daß die Parteien
die Auslegung des Testaments dahin, sie seien je zu '/2
Erben geworden, aus unterschiedlichen taktischen Gründen
für richtig gehalten haben.
Dann wäre folgerichtig, daß in Ziffer I. keine Quote genannt
worden ist, und daß in Ziffer II. trotz der als ,Teilungsanordnung" bezeichneten Regelung kein Ausgleich vorgesehen
wurde. Dann aber wäre die vom Landgericht schon gefundene Lösung richtig, daß der Erblasser die „beiden Seiten"
nicht zu gleichen Quoten, sondern zu jeweils der Quote eingesetzt hat, die sich aus dem Wert der zugewendeten
Gegenstände im Verhältnis zum Gesamtnachlaß ergibt. Der
vorliegende Fall wäre damit vergleichbar mit dem im Urteil
vom 17.2.1960 (V ZR 144/58 — LM BGB § 2084 Nr. 12) entschiedenen Fall. Damals waren der Sohn aus erster Ehe und
die zweite Ehefrau im notariellen Testament sogar ausdrücklich zu gleichen Teilen eingesetzt. Gleichwohl ist die seinerzeit näher begründete tatrichterliche Auslegung hingenommen worden, daß verschiedene Quoten gewollt waren.
5. Die Folgen einer solchen Auslegung sind den §§ 2306 und
2305 BGB zu entnehmen.
a) Dabei hat § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht die Bedeutung,
daß die Ziffer II. des Testaments im Verhältnis zur Beklagten
vollständig als nicht angeordnet gilt. Das ist allerdings umstritten (RG LZ 1932 Spalte 1050 und Staudinger/Ferid/Cies/ar, 12. Aufl. § 2306 Rdnr. 57, dagegen MünchKommlFrank,
2. Aufl. § 2306 Rdnr. 9 und Soergel/Dieckmann, 11. Aufl.
§ 2306 Rdnr. 6). Der Senat folgt jedoch dem Reichsgericht
(RG LZ 1932 Spalte 1050) dahin, daß in einem solchen Fall
die Teilungsanordnung insofern bestehen bleiben muß, als
sie die Erbquote bestimmt. Als Teilungsanordnung dagegen
gilt sie im Verhältnis zur Beklagten nicht (vgl. auch
RGRKIJohannsen, 12. Aufl. § 2306 Rdnr. 6).
b) Dann aber läge der in § 2305 BGB gemeinte Fall vor. Die
Beklagte wäre zu weniger als 1 /4 des Nachlasses eingesetzt,
weil der vom Erblasser bei der Testamentserrichtung wahrscheinlich verfolgte Plan infolge seines zu frühen Todes gescheitert ist. Sie könnte. entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts den Pflichtteilsrestanspruch geltend machen.
MittBayNot 1990 Heft 3

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

05.12.1989

Aktenzeichen:

IV a ZR 59/88

Erschienen in:

MittBayNot 1990, 184-186
MittRhNotK 1990, 221-223

Normen in Titel:

BGB §§ 2048, 2306, 2305