Familiengerichtliche Genehmigung bei Ausschlagung der Erbschaft durch Eltern für nur eines von mehreren minderjährigen Kindern stets erforderlich
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Deutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 15w374_13
letzte Aktualisierung: 28.4.2014
OLG Hamm, 13.12.2013 - 15 W 374/13
BGB §§ 1643 Abs. 2, 1829 Abs. 3
Familiengerichtliche Genehmigung bei Ausschlagung der Erbschaft durch Eltern für nur
eines von mehreren minderjähriges Kindern stets erforderlich
1. Die Erklärung eines Elternteils, durch die dieser im Anschluss an die eigene Ausschlagung als
gesetzlicher Vertreter nur für eines von mehreren minderjährigen Kindern die Erbschaft
ausschlägt, bedarf der familiengerichtlichen Genehmigung, ohne dass es darauf ankommt, ob
Hinweise auf eine gezielte Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Kinder bestehen.
2. Wird ein Kind während des Laufs der Ausschlagungsfrist volljährig, geht die Befugnis zur
Genehmigung der unwirksamen Ausschlagungserklärung von dem Familiengericht auf den
nunmehr Volljährigen über.
Tenor:
Oberlandesgericht Hamm, 15 W 374/13
13.12.2013
Oberlandesgericht Hamm
15. Zivilsenat
Beschluss
15 W 374/13
Amtsgericht Lennestadt, 2 VI 282/13
selective Ausschlagung
Zu den Voraussetzungen, unter denen die von Eltern als
gesetzliche Vertreter ihrer minderjährigen Kinder erklärte
Ausschlagung einer Erbschaft der familiengerichtlichen
Genehmigung gemäß
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Das Nachlassgericht wird angewiesen, den Erbschein vom
08.03.2012 einzuziehen.
Die zur Erteilung eines Erbscheins entsprechend dem Antrag des
Beteiligten zu 4) vom 29.07.2013 erforderlichen Tatsachen
werden für festgestellt erachtet.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens findet
nicht statt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.)
Die am 18.11.2011 verstorbene Erblasserin war mit dem Beteiligten zu 4)
verheiratet. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, nämlich die Beteiligten
zu 2) und 5) sowie Frau Q. Die Beteiligten zu 1) und 3) sind die (einzigen) Kinder
der Q. Sie sind am 10.02.1994 geborene Zwillinge.
Auf Antrag des Beteiligten zu 4) hat das Nachlassgericht zunächst am 06.12.2011
einen Erbschein erteilt, der die gesetzliche Erbfolge ausweist. Am 17.01.2012 hat
Frau Q zu Protokoll des Nachlassgerichts die Annahme der Erbschaft durch
Fristablauf angefochten und die Ausschlagung erklärt. Hierzu hat sie ausgeführt,
dass, was keiner der anderen Beteiligten bestreitet, stets die Errichtung eines
Testaments durch ihre Mutter im Gespräch gewesen sei. Sie habe daher auf eine
Nachricht über das Auffinden bzw. den Inhalt dieses Testaments gewartet. Weiter
erklärte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Vater der Beteiligten zu 1) und 3)
für den Beteiligten zu 1) ebenfalls die Ausschlagung der Erbschaft. Hinsichtlich des
Beteiligten zu 3) gaben sie zu Protokoll, dass dieser die Erbschaft annehmen wolle,
weshalb sie im Hinblick auf die kurzfristig eintretende Volljährigkeit von einer
Ausschlagung absähen.
Der Beteiligte zu 4) hat daraufhin zunächst einen neuen Erbschein beantragt, der
die gesetzliche Erbfolge mit der Maßgabe ausweist, dass anstelle der Q nunmehr
der Beteiligte zu 3) Miterbe zu 1/6 ist. Nach Einziehung des zuerst erteilten
Erbscheins hat das Amtsgericht am 08.03.2012 diesem Antrag entsprochen.
Nachdem es zu innerfamiliären Auseinandersetzungen gekommen war, regte der
Beteiligte zu 4) am 17.06.2013 die Einziehung des zuletzt erteilten Erbscheins mit
der Begründung an, dass die für den Beteiligten zu 1) erklärte Ausschlagung
mangels familiengerichtlicher Genehmigung unwirksam sei. Die Beteiligten zu 1)
und 3) sind dem Antrag entgegengetreten, wobei der Beteiligte zu 1) in
privatschriftlicher Form erklärt hat, dass es bei seiner Ausschlagung verbleibe. Am
29.07.2013 hat der Beteiligte zu 4) ergänzend die Erteilung eines
gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der Erbteile für die Beteiligten zu 1) und
3) zu je 1/12 ausweisen soll.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht eine Einziehung des
Erbscheins abgelehnt und den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 4) vom
29.07.2013 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 4) mit der
Beschwerde.
II.)
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Der Erbschein vom 08.03.2012 ist einzuziehen, weil er die gesetzliche Erbfolge
nicht zutreffend bekundet. Gesetzliche Erben nach der Erblasserin waren zunächst
ihr Ehemann und ihre drei Kinder. Die Tochter der Erblasserin, also die Mutter der
Beteiligten zu 1) und 3) ist infolge ihrer Ausschlagung, an deren Wirksamkeit zu
zweifeln kein Anlass besteht, als Erbin weggefallen (§ 1953 Abs.1 BGB). An ihre
Stelle treten als gesetzliche Erben die Beteiligten zu 1) und 3) als ihre Abkömmlinge
(§§ 1953 Abs.2, 1924 Abs.3 und 4 BGB). Diese gesetzliche Erbfolge ist entgegen
der Einschätzung des Nachlassgerichts durch die am 17.01.2012 namens des
Beteiligten zu 1) erklärte Ausschlagung nicht nochmals verändert worden. Denn die
durch die gesetzlichen Vertreter des Beteiligten zu 1) erklärte Ausschlagung
bedurfte der familiengerichtlichen Genehmigung gem. § 1643 Abs.2 Satz 1 BGB, die
nicht vorliegt.
Der Senat schließt sich insoweit der ganz h.A. an, nach welcher der
Ausnahmetatbestand des § 1643 Abs.2 S.2 BGB nicht eingreift, wenn Eltern bei
mehreren Abkömmlingen nur für einen Teil derselben die Ausschlagung erklären
(vgl. KG Berlin, Beschluss vom 13. März 2012 – 1 W 747/11 – =
= RPfleger 2012, 533 m.w.N.). Das KG hat hierzu in der genannten Entscheidung
Folgendes ausgeführt:
„Zwar betrifft
die Eltern die Erbschaft für drei ihrer Kinder ausschlagen und für ein Kind
annehmen; mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist dies aber nicht in Einklang zu
bringen. Hinter
Lebenserfahrung anzunehmen ist, dass für den Fall, dass die Eltern eine Erbschaft
ausschlagen, der Anfall dann auch für das Kind nachteilig ist oder sonst ein guter
Grund für die Ausschlagung vorliegt (…). Diese Vermutung ist widerlegt, wenn das
Verhalten der Eltern zeigt, dass sie die Erbschaft für sich selbst nicht
ausgeschlagen haben, weil ihre Annahme nachteilig wäre, sondern weil sie den
Nachlass in eine bestimmte Bahn lenken wollten (Ivo, Die Erbschaftsausschlagung
für das minderjährige Kind,
Interesse, das die Eltern bei der Ausschlagung für sich selbst verfolgen, nicht auf
der gleichen Linie wie das Interesse der Kinder, für die sie die Erbschaft gleichfalls
ausschlagen; die Eltern wollen die Erbschaft nicht - aus welchen Gründen auch
immer - von den als Ersatzerben berufenen Kindern schlechthin fernhalten, sondern
in eine bestimmte Richtung lenken. Eine solche gezielte Maßnahme, die einen Teil
der Kinder benachteiligt, aber andere oder ein anderes begünstigt, soll nicht der
Kontrolle des Familiengerichts entzogen sein (Staudinger/Engler, BGB,
Neubearb.2009, Rd. 38c zu § 1643 mit umfangr.Nachw.; zur „selektiven
Ausschlagung“ vgl. auch Sagmeister,
Der Senat hält diese Überlegungen für überzeugend, wobei aus seiner Sicht
allerdings nicht entscheidend ist, ob Hinweise auf eine gezielte
Bevorzugung/Benachteiligung bestehen. Maßgebend ist vielmehr, dass bereits die
objektive Selektion die gesetzliche Vermutung eines Interessengleichklangs
zwischen den Eltern und ihren Kindern in Frage stellt, und die familiengerichtliche
Kontrolle damit nicht mehr als entbehrlich gelten kann.
Aus eben diesem Grund kann es aus Sicht des Senats im Rahmen des
nachlassgerichtlichen Verfahrens auch nicht auf die von den Eltern der Beteiligten
zu 1) und 3) gegebene Begründung für die Unterscheidung bei der Ausschlagung
ankommen. Die Tatbestände des
Erklärung der gesetzlichen Vertreter wirksam, sondern allein darüber, ob zu ihrer
Wirksamkeit die familiengerichtliche Genehmigung erforderlich ist. Dabei ist die
Antwort auf die Frage, ob eine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich ist, für
das weitere Verhalten der gesetzlichen Vertreter von ausschlaggebender
Bedeutung. Dies macht es aber erforderlich, bei der Auslegung und Anwendung
des
Verhaltensweisen abzustellen. Die Prüfung und Würdigung von Überlegungen und
Motiven im Einzelfall ist Gegenstand des familiengerichtlichen Verfahrens.
Das Fehlen der familiengerichtlichen Genehmigung machte die für den Beteiligten
zu 1) erklärte Ausschlagungserklärung zunächst schwebend unwirksam, da § 1831
BGB nach praktisch einhelliger Auffassung auf Ausschlagungserklärungen nicht
anwendbar ist (vgl. Staudinger/Engler, BGB, Stand 2004, § 1831 Rdn.12 m.w.N.).
Mit Ablauf der Ausschlagungsfrist wurde die Ausschlagungserklärung allerdings
endgültig unwirksam, da bis zum Ende der Ausschlagungsfrist alle zur Wirksamkeit
der Ausschlagung notwendigen Voraussetzungen erfüllt sein müssen.
An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand, dass der Beteiligte zu 1) während
des Laufes der Ausschlagungsfrist volljährig geworden ist, nichts. Wie sich aus §§
1643 Abs. 3, 1829 Abs. 3 BGB ergibt, führt der Eintritt der Volljährigkeit nicht
automatisch zur Wirksamkeit der Erklärung des/der gesetzlichen Vertreter, vielmehr
geht die Genehmigungsbefugnis von dem Familiengericht auf den nunmehr
Volljährigen über. Auch der Beteiligte zu 1) hat jedoch innerhalb der für ihn am
17.01.2012 in Lauf gesetzten Ausschlagungsfrist keine Genehmigung der
Ausschlagungserklärung gegenüber dem Nachlassgericht erklärt.
Für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten sieht der Senat keine
hinreichende Grundlage (
Eine Wertfestsetzung ist entbehrlich, da die Beschwerde Erfolg hat (§ 25 Abs. 1
GNotKG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs.2
FamFG) liegen nicht vor, auch da der Senat sich der bislang zu der Kernfrage
ergangenen Rechtsprechung angeschlossen hat.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Hamm
Erscheinungsdatum:13.12.2013
Aktenzeichen:15 W 374/13
Rechtsgebiete:
Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)
MittBayNot 2014, 350-353
RNotZ 2014, 238-240
BGB §§ 1643 Abs. 2, 1829 Abs. 3