Wertsicherungsklausel und gesetzliche Erhöhungsgrenze für Erbbauzins
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Dokumentnummer: 10684
letzte Aktualisierung: 06.10.2006
BGH, 06.10.2006 - V ZR 20/06
BGB § 157; ErbbauVO § 9a Abs. 1
Wertsicherungsklausel und gesetzliche Erhöhungsgrenze für Erbbauzins
Ist in einem vor dem Inkrafttreten des
dass in bestimmten Zeitabständen die Änderung des Erbbauzinses verlangt werden kann,
wenn sich der Grundstückswert um einen bestimmten Prozentsatz geändert hat, kann die ergänzende Vertragsauslegung ergeben, dass eine Erhöhung des Erbbauzinses auch dann möglich ist, wenn seit der letzten Erhöhung der Grundstückswert nicht oder nicht in dem vereinbarten Maß gestiegen ist, die vorhergehende Erhöhung jedoch wegen der Kappungsgrenze in
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkündet am:
6. Oktober 2006
Langendörfer-Kunz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
V ZR 20/06
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
BGB § 157 D; ErbbauVO § 9a Abs. 1
Ist in einem vor dem Inkrafttreten des
Grundstückswert gekoppelt, dass in bestimmten Zeitabständen die Änderung des
Erbbauzinses verlangt werden kann, wenn sich der Grundstückswert um einen bestimmten Prozentsatz geändert hat, kann die ergänzende Vertragsauslegung ergeben, dass eine Erhöhung des Erbbauzinses auch dann möglich ist, wenn seit
der letzten Erhöhung der Grundstückswert nicht oder nicht in dem vereinbarten
Maß gestiegen ist, die vorhergehende Erhöhung jedoch wegen der Kappungsgrenze in
BGH, Urt. v. 6. Oktober 2006 - V ZR 20/06 - LG Stade
AG Langen
vom 6. Oktober 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und
den Richter Dr. Czub
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 8. Dezember 2005 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 22. Juni 1967 bestellte die Klägerin den Beklagten ein bis Ende des Jahres 2066 befristetes Erbbaurecht.
Das belastete Grundstück ist mit einem Wohnhaus bebaut. In § 5 des Vertrags
heißt es u.a.:
"Der Erbbauzins beträgt jährlich 6 % des jeweiligen Grundstückswertes, der für heute mit 12,00 DM je qm angesetzt wird.
Das sind jetzt jährlich 484,56 DM. Die Zahlung erfolgt monatlich
im Voraus ab 1.8.1967 mit je 40,38 DM.
Soweit sich der Grundstückswert ändert, kann jede Seite Änderung des Erbbauzinses fordern und zwar ab dem nächstigen Monatsersten von dem Tage an, an dem diese Änderung begehrt
wird.
...
sind sie auch nur in Zeitabständen von 5 Jahren ab 1.8.1972 jeweils möglich."
Die Beklagten akzeptierten letztmalig eine von der Klägerin - unter
Zugrundelegung
eines
Anstiegs
der
wirtschaftlichen
Verhältnisse
von
281,91 % seit dem Vertragsschluss - verlangte Erhöhung des Erbbauzinses
auf monatlich 61,96 € ab dem 1. April 1998. Damals betrug der Wert des
Grundstücks der Klägerin im unerschlossenen Zustand 80 DM pro qm; er hat
sich seitdem nicht verändert.
Nunmehr verlangt die Klägerin die Erhöhung des Erbbauzinses auf
88,79 € monatlich seit dem 1. Mai 2004. In diesem Zeitpunkt war der für die
Berechnung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse maßgebende Index
gegenüber dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses um 330,20 % gestiegen. Ihre
auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 295,13 € für die Monate
Mai 2004 bis März 2005 gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolgreich
gewesen.
Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, wollen die Beklagten die Abweisung der
Klage erreichen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hält die Erbbauzinserhöhungsklausel für nach § 3
WährG genehmigungspflichtig, weil die Erhöhung an die Steigerung des
Grundstückswerts gekoppelt sei. Da eine Genehmigung fehle, sei im Wege
der ergänzenden Vertragsauslegung eine genehmigungsfreie Klausel zu
wahre. Dieses Ziel könne durch die Vereinbarung eines genehmigungsfreien
Leistungsvorbehalts erreicht werden. Eine solche Klausel gelte als von Anfang
an vereinbart.
Weiter meint das Berufungsgericht, dass die Klägerin einen Anspruch
auf die verlangte Erhöhung des Erbbauzinses habe, obwohl der Grundstückswert seit dem letzten Erhöhungsverlangen gleich geblieben sei. Denn die zum
1. April 1998 eingetretene Erhöhung habe nicht entsprechend der Steigerung
des Grundstückswerts vorgenommen werden können, sondern sei nach § 9a
ErbbauVO auf die seit dem Abschluss des Erbbaurechtsbestellungsvertrags
eingetretene Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse beschränkt gewesen. Die Anwendung dieser erst nach Vertragsschluss in Kraft
getretenen Vorschrift dürfe nicht dazu führen, dass eine nach der Anpassungsklausel mögliche Erhöhung des Erbbauzinses ausgeschlossen sei, weil die
Entwicklung der Grundstückspreise und die der allgemeinen wirtschaftlichen
Verhältnisse unterschiedlich verlaufen seien. Wenn zunächst die Grundstückspreise wesentlich stärker gestiegen seien als der Index für die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse, dann aber stagnierten oder nur unwesentlich
stiegen, während der Index für die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse
weiter ansteige, könne der Grundstückseigentümer nicht an dem nach § 9a
ErbbauVO gekappten Erbbauzins mit der Begründung festgehalten werden,
dass sich zwischenzeitlich zwar die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse,
nicht aber die Grundstückswerte verändert hätten. Insoweit enthalte die Erhöhungsklausel eine Regelungslücke, welche im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen sei. Das führe unter Zugrundelegung des hypothetischen Parteiwillens dazu, dass Erhöhungen der Grundstückspreise, die
zunächst wegen der Schranke des
wirtschaftlichen Verhältnisse gestiegen sei, damals der gestiegene Grundstückswert nicht vollständig habe berücksichtigt werden dürfen und der für eine
neue Erhöhung vereinbarte Zeitraum von fünf Jahren abgelaufen sei, dürfe jetzt
der ursprünglich vereinbarte Erbbauzins um 330,20 % - entsprechend der Steigerung des Indexes für die allgemeinen Lebenshaltungskosten - auf 88,82 €
monatlich erhöht werden.
Das hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.
II.
1. Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht an, die vereinbarte Erbbauzinserhöhungsklausel bedürfe der Genehmigung nach § 3 WährG. Denn die
Vorschrift wurde durch Art. 9 § 1 des Euro-Einführungsgesetzes vom 9. Juni
1998 (BGBl. I S. 1242) aufgehoben; seit dem 1. Januar 1999 gelten für die Genehmigung von Preisklauseln die Vorschriften in § 2 des Preisangaben- und
Preisklauselgesetzes. Zudem sind seit dem 1. Januar 1999 Zinserhöhungsklauseln jeder Art in Erbbaurechtsbestellungsverträgen mit einer Laufzeit von
mindestens 30 Jahren nach § 1 Nr. 4 der Preisklauselverordnung vom
23. September 1998 (BGBl. I S. 3043) genehmigungsfrei; das gilt auch, wenn
(Schmidt-Räntsch,
Preisklauselverordnung am 1. Januar 1999 eine bis dahin erforderliche Genehmigung nach § 3 WährG nicht versagt worden, wurde eine bis dahin
muss, ob die Klausel überhaupt genehmigungsbedürftig war.
2. Zu Recht meint das Berufungsgericht, die von den Parteien getroffene
Vereinbarung über die Erhöhung des Erbbauzinses müsse im Hinblick auf die
nach Vertragsschluss in Kraft getretene Regelung zur Begrenzung der Erbbauzinserhöhung in
selbst ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
a) Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass die
Vereinbarung der Parteien eine Regelungslücke - eine planwidrige Unvollständigkeit - aufweist (siehe nur BGH, Urt. v. 17. April 2002, VIII ZR 297/01,
924). Das ist hier mit dem Inkrafttreten von
1974 geschehen.
b) Bei der ergänzenden Vertragsauslegung ist darauf abzustellen, was
die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu
und Glauben vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall
bedacht hätten (siehe nur BGH, Urt. v. 25. November 2004, I ZR 49/02,
beanstanden; denn diese verstößt nicht gegen anerkannte Auslegungs- und
Ergänzungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze und lässt auch nicht
wesentliche Umstände unbeachtet (vgl. BGH, Urt. v. 17. April 2002, VIII ZR
297/01,
es nicht an den für das Auslegungsergebnis notwendigen Tatsachenfeststellungen. Das Berufungsgericht hat den Wert des Grundstücks der Klägerin am
1. April 1998 (letzte Erhöhung des Erbbauzinses) und am 1. Mai 2004 (Beginn
Verhältnisse zu diesen beiden Zeitpunkten seit dem Vertragsschluss und weiter festgestellt, dass die letzte Erbbauzinserhöhung die Kappungsgrenze nach
erreicht hat.
c) Die nach allem rechtsfehlerfreie ergänzende Vertragsauslegung ergibt, dass eine Erhöhung des Erbbauzinses auch dann möglich ist, wenn seit
der letzten Erhöhung zwar der Wert des Erbbaugrundstücks nicht oder weniger
als 5 % gestiegen ist, aber die letzte Erhöhung nach
die seit dem Vertragsschluss eingetretene Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse begrenzt und deshalb die nach der vertraglichen Vereinbarung an sich mögliche Erhöhung des Erbbauzinses auf 6 % des Grundstückswerts nicht zulässig war, sofern der tatsächliche Grundstückswert bei
Beginn der jetzt verlangten Erhöhung den anhand des letztmalig erhöhten Erbbauzinses zu errechnenden fiktiven Grundstückswert um wenigstens 5 % übersteigt. Das bestätigen die folgenden Überlegungen.
aa) Der Erbbauzins soll hier jährlich 6 % des jeweiligen Grundstückswerts betragen. Bereits aus der Verwendung des Worts "jeweiligen" ergibt
sich, dass die Parteien während der gesamten Vertragslaufzeit die Höhe des
Erbbauzinses an den Verkehrswert des Erbbaugrundstücks koppeln wollten.
Zur Klarstellung dieses Willens wurde weiter vereinbart, dass jede Seite die
Änderung des Erbbauzinses verlangen kann, soweit sich der Grundstückswert
um wenigstens 5 % verändert. Steigt oder fällt der Grundstückswert um wenigstens diesen Prozentsatz, soll auch der Erbbauzins steigen oder fallen. Dieses Ziel wird ohne die Regelung in
dem hier gegebenen Fall des Anstiegs des Grundstückswerts kommt die Klägerin alle fünf Jahre in den Genuss einer der Wertsteigerung entsprechenden
Erhöhung des Erbbauzinses.
bb) Dieser Vorteil wird ihr durch die Regelung in
genommen, wenn - wie hier - der Anstieg der allgemeinen wirtschaftlichen
Verhältnisse hinter dem des Grundstückswerts zurückbleibt. Das muss sie hinnehmen. Sie kann jedoch nach dem Sinn und Zweck der vertraglichen Vereinbarung über die Höhe des Erbbauzinses bei einem ausbleibenden Anstieg des
Grundstückswerts nicht an dem Betrag festgehalten werden, den die Beklagten seit der letzten Erhöhung schulden. Vielmehr ist zu berechnen, welchem
Grundstückswert der derzeitige Erbbauzins entspricht; sodann ist zu prüfen, ob
der Grundstückswert bei Beginn der jetzt geltend gemachten Erhöhung den
fiktiven Wert im Zeitpunkt der letzten Erbbauzinserhöhung um wenigstens 5 %
übersteigt. Ist das der Fall, kann die Klägerin die vertraglich vereinbarte Erhöhung des Erbbauzinses verlangen.
cc) So liegt es hier. Der Erbbauzins beträgt derzeit jährlich 743,52 €
(61,96 € pro Monat). Das entspricht bei einer Zinshöhe von 6 % einem Grundstückswert von 12.392 €. Tatsächlich hatte das Grundstück der Klägerin bei
Beginn der jetzt verlangten Erhöhung einen Verkehrswert von 27.527,95 €.
Dieser übersteigt den fiktiven Verkehrswert somit um weit mehr als 5 %.
3. Ebenfalls zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass nach § 9a
Abs. 1 ErbbauVO auch jetzt die Erhöhung des Erbauzinses nicht über die seit
dem Vertragsschluss eingetretene Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen
Verhältnisse hinausgehen darf; ebenso ist seine - auf den unbestrittenen Vortrag der Klägerin gestützte - Berechnung dieser Änderung anhand der Entwicknur
651).
4. Da der vertraglich vereinbarte Zeitabstand von fünf Jahren seit der
letzten Erhöhung verstrichen ist, schulden die Beklagten somit seit dem 1. Mai
2004 einen Erbbauzins von 88,82 € pro Monat statt der bisher gezahlten
61,96 €; sie müssen für den mit der Klage geltend gemachten Zeitraum bis
zum 31. März 2005 einen Betrag von 295,46 € zahlen. Die Vorinstanzen haben
der Klägerin - antragsgemäß - 295,13 € zugesprochen. Deshalb ist die Revision der Beklagten erfolglos.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus
Krüger
Lemke
Stresemann
Schmidt-Räntsch
Czub
Vorinstanzen:
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:06.10.2006
Aktenzeichen:V ZR 20/06
Rechtsgebiete:Erbbaurecht
Erschienen in:
DNotI-Report 2007, 39
MittBayNot 2007, 211-213
BGHZ 169, 215-221
NJW 2007, 509-510
NotBZ 2007, 20-21
Rpfleger 2007, 68-69
ZNotP 2007, 96-98
ErbbauVO § 9a Abs. 1; BGB § 157