Verleihung einer Adelsbezeichnung durch Namensänderung
letzte Aktualisierung: 05.03.2020
BGH, Beschl. v. 9.1.2019 – XII ZB 188/17
WRV Art. 109 Abs. 3; GG Art. 123; AEUV Art. 21; EGBGB Art. 48 S. 1
Verleihung einer Adelsbezeichnung durch Namensänderung
Zur Annahme einer deutschsprachigen Adelsbezeichnung im Wege einer unter englischem Recht
("deed poll") erfolgten privatautonomen Namensänderung (im Anschluss an Senatsbeschluss vom
14. November 2018 – XII ZB 292/15 – juris).
Gründe:
I.
Der Antragsteller wurde am 9. Januar 1963 geboren. Im Geburtenregister
des Standesamts K. wurde seine Geburt mit dem Vornamen "Nabiel" und
dem Familiennamen "El-Bagdadi" beurkundet. Seit 1983 führt er die Vornamen
"Nabiel Peter". Sein Familienname wurde im Wege öffentlich-rechtlicher Namensänderung
1987 zunächst in "Bagdadi" und 1993 dann in "Bogendorff" geändert.
Im Rahmen einer Erwachsenenadoption erlangte er 1996 den Familiennamen
"Bogendorff von Wolffersdorff". Im Jahr 2004 erwarb der Antragsteller
während eines Aufenthalts im Vereinigten Königreich zusätzlich zu seiner deutschen
Staatsangehörigkeit auch die britische Staatsangehörigkeit. Im gleichen
Jahr gab er eine - in "The London Gazette" veröffentlichte - Erklärung zur privatautonomen
Namensänderung ab ("deed poll"), wonach er künftig den Namen
"Peter Mark Emanuel Graf von Wolffersdorff Freiherr von Bogendorff" füh-
ren wolle. Unter diesem Namen wurde dem Antragsteller unter anderem ein
britischer Reisepass ausgestellt.
Der Antragsteller hat im Mai 2013 unter Bezugnahme auf Art. 48 EGBGB
gegenüber dem Standesamt K. in öffentlich beglaubigter Form erklärt, dass der
nach englischem Recht gebildete Name in das deutsche Geburtenregister einzutragen
sei. Dem ist das Standesamt (Beteiligte zu 1) nicht nachgekommen.
Im gerichtlichen Verfahren hat der Antragsteller beantragt, das Standesamt zu
dem begehrten Eintrag anzuweisen. Das Amtsgericht hat das Verfahren ausgesetzt
und es im Vorabentscheidungsverfahren dem Europäischen Gerichtshof
vorgelegt (AG Karlsruhe
über die Vorlage entschieden (EuGH Urteil vom 2. Juni 2016 - Rs. C-438/14 -
Amtsgericht das Verfahren wieder aufgenommen und den Antrag abgelehnt.
Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in
ist, hat die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers,
der weiterhin das Ziel verfolgt, das Standesamt zur erstrebten Eintragung
in das Geburtenregister anzuweisen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht sie in
dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat. Daran ist der Senat gebunden
(§ 70 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 FamFG iVm § 51 Abs. 1 PStG). Sie ist auch im
Übrigen zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Mit Recht und mit zutref-
fender Begründung hat es das Beschwerdegericht abgelehnt, die den Antragsteller
betreffende Eintragung im deutschen Geburtenregister mit dem nach
englischem Recht gewählten Namen "Peter Mark Emanuel Graf von Wolffersdorff
Freiherr von Bogendorff" fortzuschreiben.
1. Unterliegt der Name einer Person deutschem Recht, so kann sie gemäß
Art. 48 Satz 1 Halbs. 1 EGBGB durch Erklärung gegenüber dem Standesamt
den während eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat
der Europäischen Union erworbenen und dort in ein Personenstandsregister
eingetragenen Namen wählen. Dieses Namenswahlrecht steht auch demjenigen
Namensträger zu, dessen Namenserwerb im EU-Ausland aufgrund einer
isolierten (d.h. nicht mit einem familienrechtlichen Statusereignis wie Geburt,
Adoption oder Eheschließung zusammenhängenden) Namensänderung erfolgt
ist, und zwar selbst dann, wenn die Namensänderung - wie beim "deed poll" im
Vereinigten Königreich - einseitig auf einer privaten Willenserklärung beruht
(vgl. Senatsbeschluss vom 14. November 2018 - XII ZB 292/15 - juris
Rn. 12 ff.). Mit Recht ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die
tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Namenswahl nach dieser Vorschrift
- vorbehaltlich der gemäß Art. 48 Satz 1 Halbs. 2 EGBGB vorzunehmenden
Prüfung des ordre public - bei dem Antragsteller vorliegen. Gegen diese für den
Antragsteller günstige Beurteilung erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.
Die begehrte Folgeeintragung in das Geburtenregister kommt gleichwohl
nicht in Betracht. Die Wahl des Namens "Peter Mark Emanuel Graf von Wolffersdorff
Freiherr von Bogendorff" ist jedenfalls wegen der darin enthaltenen
deutschsprachigen Adelsbezeichnungen mit wesentlichen Grundsätzen des
deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar (Art. 48 Satz 1 Halbs. 2 EGBGB),
und auch eine unionsrechtliche Verpflichtung zur Anerkennung dieses Namens
besteht nicht.
2. Eine von familienrechtlichen Statusvorgängen vollständig losgelöste
Annahme einer frei gewählten deutschsprachigen Adelsbezeichnung verstößt
gegen den Rechtsgedanken des - gemäß Art. 123 GG als einfaches Bundesrecht
fortgeltenden (vgl. BGBl. III Gliederungsnummer 401-2) - Art. 109 Abs. 3
Satz 2 WRV (vgl. Senatsbeschluss vom 14. November 2018 - XII ZB 292/15 -
juris Rn. 22 ff.).
a) Der noch heute geltende Rechtszustand bezüglich der namensrechtlichen
Behandlung von Adelsbezeichnungen beruht auf Art. 109 Abs. 3 WRV,
der den folgenden Wortlaut hat:
"Öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder
des Standes sind aufzuheben. Adelsbezeichnungen gelten nur als
Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden."
Während Art. 109 Abs. 3 Satz 1 WRV einen bloßen Programmsatz enthielt,
der an die Gesetzgebung des Reichs und der Länder gerichtet war,
schaffte Art. 109 Abs. 3 Satz 2 WRV bezüglich der namensrechtlichen Behandlung
von Adelsbezeichnungen unmittelbar geltendes Recht. Dem ersten Halbsatz
des Art. 109 Abs. 3 Satz 2 WRV konnte entnommen werden, dass vormals
adelige Namen nicht mehr nach den Hausgesetzen der ehemaligen Adelsgeschlechter
oder einem allgemeinen Adelsrecht übertragen werden, sondern
dem namensrechtlichen Regime des allgemeinen bürgerlichen Rechts unterworfen
sind (vgl.
Art. 109 Abs. 3 Satz 2 WRV ausgesprochene Verbot der Neuverleihung von
Adelsbezeichnungen wurde unmittelbar eine Regelungsaufgabe aus dem - auf
die Aufhebung von Standesvorrechten gerichteten - Programm des Art. 109
Abs. 3 Satz 1 WRV umgesetzt (vgl. Rensch Der adelige Name nach deutschem
Recht [1931] S. 129; Dumoulin Die Adelsbezeichnung im deutschen und ausländischen
Recht [1997] S. 77).
Entstehungsgeschichtlich stellt Art. 109 Abs. 3 Satz 2 WRV dabei einen
Kompromiss zwischen adelsfeindlichen und konservativen Strömungen im Verfassungsgebungsverfahren
dar. Ein Antrag, die Führung von Adelsbezeichnungen
im Namen - wie nach dem Ersten Weltkrieg beispielsweise in Österreich
oder in der Tschechoslowakei geschehen - generell zu verbieten, fand weder im
Verfassungsausschuss noch in der verfassunggebenden Nationalversammlung
eine Mehrheit, weil hierin ein Eingriff in wohlerworbene Namensrechte der Träger
ehemaliger Adelsprädikate gesehen wurde (vgl.
Rensch Der adelige Name nach deutschem Recht [1931] S. 129 Fn. 6). Die
endgültige Fassung des Art. 109 Abs. 3 Satz 2 WRV brachte die unterschiedlichen
Interessen in der Weise zum Ausgleich, dass die Neuverleihung von
Adelsbezeichnungen verboten wurde, jedoch demjenigen Personenkreis, der im
Zeitpunkt des Inkrafttretens der Weimarer Reichsverfassung am 14. August
1919 berechtigterweise eines der früheren Adelsprädikate erworben hatte, die
Weiterführung der zu einer bloßen Silbe des bürgerlichen Familiennamens herabgestuften
Adelsbezeichnung gestattet wurde.
b) Bereits kurz nach dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung
entwickelte sich in Schrifttum, Rechtsprechung und Verwaltungspraxis eine
Kontroverse über die Reichweite des in Art. 109 Abs. 3 Satz 2 WRV statuierten
Verbots der Neuverleihung von Adelsbezeichnungen. Diese entzündete sich
insbesondere an der Streitfrage, ob die Änderung eines Namens ohne Adelsbezeichnungen
in einen Namen mit Adelsbezeichnungen nach den - seinerzeit
landesrechtlich geregelten - Vorschriften über die öffentlich-rechtliche Namensänderung
rechtlich überhaupt noch zulässig war. Teilweise wurde die Annahme
von Namen mit Adelsbezeichnungen im Wege der öffentlich-rechtlichen Namensänderung
als Durchbrechung des reichsrechtlichen Verbots der Neuverleihung
von Adelsbezeichnungen nach Art. 109 Abs. 3 Satz 2 WRV angesehen
und deshalb für unzulässig erachtet (vgl. KG OLGRspr. 42 [1922], 93 Fn. 1;
Baring LZ 1922, Sp. 89, 93 f. unter Hinweis auf einen Erlass des Reichsministeriums
des Innern vom 10. Oktober 1921; Rensch Der adelige Name nach deutschem
Recht [1931] S. 245 ff. mit zahlreichen Nachweisen aus dem zeitgenössischen
Schrifttum; ähnlich Rademacher Das Recht des Artikels 109 Absatz 3
der Reichsverfassung vom 11. August 1919 [1927] S. 88: Umgehung des Verleihungsverbots).
Die Gegenansicht begründete ihre abweichende Auffassung
insbesondere mit der Gleichstellung von "bürgerlichen" und "adeligen" Namen
im öffentlich-rechtlichen Namensrecht und damit, dass die Weimarer Reichsverfassung
den Begriff der "Verleihung" ohne Sinnänderung dem früheren Adelsrecht
entnommen habe und sich das Verbot des Art. 109 Abs. 3 Satz 2 WRV
daher lediglich auf den Neuerwerb von Adelsbezeichnungen durch einen vom
Willen des Beliehenen unabhängigen landesherrlichen Gnadenakt beziehe (vgl.
323, 328 f.; Opet JW 1925, 2115, 2117). Doch auch Vertreter der Auffassung,
die eine öffentlich-rechtliche Namensänderung nicht vom unmittelbaren Anwendungsbereich
des Art. 109 Abs. 3 Satz 2 WRV erfasst sahen, maßen dem verfassungsmäßigen
Verbot der Neuverleihung von Adelsbezeichnungen auf dem
Gebiet der öffentlich-rechtlichen Namensänderung Bedeutung bei; es müsse
jedenfalls der Anschein vermieden werden, dass die erstrebte Annahme des
geänderten Namens nach Gründen und Wirkung der Verleihung einer Adelsbezeichnung
gleichkomme (vgl. Anz DJZ 1920, Sp. 899, 901). Eine vollständig
einheitliche Verwaltungspraxis in den Ländern bildete sich bis zum Ende der
Weimarer Republik nicht heraus. Überwiegend waren die zuständigen Behörden
zurückhaltend bei der Vergabe von Adelsbezeichnungen im Rahmen von
Namensänderungen; in mehreren Ländern wurden Ersuchen auf Namensänderung
sogar prinzipiell abgelehnt, wenn der gewünschte Name eine Adelsbezeichnung
enthalten sollte (vgl. Nachweise bei Wagner-Kern Staat und Namensänderung
[2002], S. 147 ff.).
c) In der Bundesrepublik Deutschland knüpfte die Handhabung des
- nunmehr bundeseinheitlich geregelten - Rechts der öffentlich-rechtlichen Namensänderung
in Bezug auf die Gewährung von Namen mit Adelsbezeichnungen
an die eher restriktive Praxis aus der Zeit der Weimarer Republik an. Nach
der derzeit geltenden und für die Verwaltungsbehörden bindenden Allgemeinen
Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und
Vornamen (NamÄndVwV) vom 11. August 1980 in der Fassung vom 18. April
1986 soll ein Familienname mit einer früheren Adelsbezeichnung nur "ausnahmsweise"
gewährt werden, was sich "aus dem Normzweck des fortgeltenden
Artikels 109 Abs. 3 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August
1919" ergebe (Nr. 53 Abs. 4 Satz 1 und 2 NamÄndVwV; vgl. davor etwa Nr. VII
Ziff. 2 der Anlage zu den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung
über die Änderung und Feststellung von Familiennamen und über die
Änderung von Vornamen vom 18. Dezember 1951, GMBl 1951, 267, 272).
Auch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 3
Abs. 1 NÄG gebietet Art. 109 Abs. 3 Satz 2 WRV iVm Art. 123 GG Zurückhaltung
bei der Vergabe von Namen mit Adelsbezeichnungen (vgl. BVerwG NJW
1997, 1594; BVerwG Beschluss vom 17. März 1993 - 6 B 13/93 - juris Rn. 2;
BVerwG VerwRspr 1979, 781; BVerwG Beschluss vom 8. März 1974
- VII B 86.73 - juris Rn. 4). Die Gewährung eines Namens mit Adelsbezeichnungen
im Wege öffentlich-rechtlicher Namensänderung ist nach dieser Rechtsprechung
in der Regel ausgeschlossen, wenn es an einer "besonders gewichtigen
sozialen Beziehung" zu einem Träger des gewünschten Namens fehlt
(BVerwG
d) Das dieser Verwaltungspraxis und Rechtsprechung zugrunde liegende
Verständnis vom Regelungsgehalt des Art. 109 Abs. 3 Satz 2 WRV ist nach
Ansicht des Senats zutreffend. Es mag zwar richtig sein, dass der im zweiten
Halbsatz des Art. 109 Abs. 3 Satz 2 WRV verwendete Begriff der "Verleihung"
dem bis 1918 für die Gewährung von Adelstiteln maßgeblich gewesenen Adelsrecht
entnommen war. Eine insoweit vollständig auf das überkommene Wortverständnis
beschränkte Auslegung würde die Verfassungsbestimmung indessen
nahezu bedeutungslos machen. Denn die Verleihung einer Adelsbezeichnung
durch einen - vom Willen des Geehrten unabhängigen und mit öffentlichrechtlichen
Vorteilen verbundenen - landesherrlichen Gnadenerweis war unter
der durch die Weimarer Reichsverfassung etablierten republikanischen Staatsform
allenfalls noch theoretisch möglich. Angesichts der grundlegend geänderten
staatsrechtlichen Verhältnisse dürfte die Gefahr, dass in der demokratischen
Republik nach der Beseitigung der Vorrechte des früheren Adels durch
"Verleihung" ein neuer mit Standesvorrechten ausgestatteter Adel entstehen
könnte, nicht als so schwerwiegend eingeschätzt worden sein, als dass allein
ihretwegen eine besondere Verfassungsvorschrift erforderlich erscheinen musste
(vgl. Rensch Der adelige Name nach deutschem Recht [1931] S. 246). Daher
spricht weitaus mehr für die Annahme, dass Art. 109 Abs. 3 Satz 2 WRV zumindest
in seiner Tendenz jedes staatliche Handeln - gerade auf dem Gebiet
der öffentlich-rechtlichen Namensänderung - missbilligt, welches zu einer
Schaffung von neuen Adelsbezeichnungen oder zum Wiederaufleben erloschener
Adelsbezeichnungen führt, auch wenn diese nur noch Bestandteile des
Namens sein können (vgl. Rensch Der adelige Name nach deutschem Recht
[1931] S. 246 f; vgl. zuletzt auch OVG Hamburg
3. Die frei gewählte Annahme einer deutschsprachigen Adelsbezeichnung
im Wege einer unter ausländischem Recht erfolgten isolierten Namensänderung
verstößt im vorliegenden Fall gegen den materiellen ordre public
(Art. 48 Satz 1 Halbs. 2 EGBGB).
a) Hierfür reicht es allerdings noch nicht aus, dass der von dem Antragsteller
gewählte Name wegen zwingend entgegenstehender Vorschriften unter
deutschem Recht nicht hätte gebildet werden können. Vielmehr kommt es darauf
an, ob das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts im konkreten
Einzelfall zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in
ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht,
dass es nach inländischer Vorstellung untragbar erscheint (vgl. BGH Urteile
vom 8. Mai 2014 - III ZR 371/12 -
104, 240, 243 =
b) Ebenso wie das Beschwerdegericht kann es der Senat unentschieden
lassen, ob es bereits gegen den inländischen ordre public verstößt, wenn ein
ausländisches Recht dem Namensträger freie Hand lässt, seinen Namen durch
private Willenserklärung (bzw. im Wege einer gebundenen gerichtlichen oder
behördlichen Entscheidung) jederzeit nach Belieben zu ändern, weil die für das
deutsche Recht zentrale Ordnungsfunktion des Namens dessen Kontinuität und
Stabilität verlangt (OLG Jena
338, 340; Erman/Hohloch BGB 15. Aufl. Art. 10 EGBGB Rn. 13; Wall StAZ
2015, 41, 49; Rauscher
Hepting/Hausmann BGB [Stand: 2013] Art. 10 EGBGB Rn. 163; jurisPKBGB/
Janal [Stand: März 2017] Art. 10 EGBGB Rn. 39; BeckOK BGB/Mäsch
[Stand: August 2018] Art. 10 EGBGB Rn. 13). Ein Verstoß gegen die öffentliche
Ordnung ist aber jedenfalls dann zu bejahen, wenn die isolierte Namensänderung
- wie es bei dem Antragsteller erkennbar der Fall ist - allein von der Motivation
getragen wird, durch die Führung eines Namens mit Adelsbezeichnungen
den Eindruck der Zugehörigkeit zu einer (vermeintlich) herausgehobenen
sozialen Gruppe zu erwecken.
aa) Art. 109 Abs. 3 Satz 2 WRV dient - wie bereits seine systematische
Stellung bei den Gleichheitsgrundrechten der Weimarer Reichsverfassung verdeutlicht
- der Verwirklichung der staatsbürgerlichen Gleichheit (Art. 3 GG), mit-
hin einem wesentlichen materiellen Grundwert der inländischen Rechtsordnung.
Zwar haben die Adelsbezeichnungen mit der Aufhebung der Standesvorrechte
durch die Länder des damaligen Deutschen Reichs ihre ursprüngliche Funktion
verloren, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten öffentlich-rechtlich privilegierten
Bevölkerungsgruppe zu kennzeichnen. Wie das Beschwerdegericht zutreffend
ausführt, hat die bloße Abschaffung des Adels als rechtlicher Institution aber
auch mehrere Generationen nach dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung
unzweifelhaft noch nichts daran geändert, dass den funktionslos gewordenen
Adelsbezeichnungen im Namen in der Vorstellung breiter Bevölkerungskreise
weiterhin eine besondere soziale und gesellschaftliche Bedeutung
beigemessen wird (vgl. OLG Jena
1051, 1052; Otto
781). Es entspricht dem Gebot staatsbürgerlicher Gleichheit, wenn der Staat
dem Bestreben Einzelner, sich durch eine isolierte Änderung des Namens den
Anschein einer gegenüber anderen Bürgern herausgehobenen sozialen oder
gesellschaftlichen Stellung zu geben, seine Mitwirkung verweigert.
bb) Demgegenüber ist eingewendet worden, dass es der konsequenten
Verwirklichung des Gleichheitsgrundsatzes sogar besser diene, wenn der Erwerb
einer Adelsbezeichnung als Namensbestandteil im Wege der isolierten
Namensänderung für jedermann eröffnet werden würde, weil die abweichende
Handhabung die vermeintliche Exklusivität der Adelsbezeichnungen überhaupt
erst absichere (vgl. Dutta
vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet vom 14. Januar 2016 in
der Rechtssache C-438/14 - Bogendorff von Wolffersdorff, juris Rn. 107). Die
Adelsbezeichnung als Namensbestandteil verlöre im Sinne einer fortschreitenden
"Verwässerung" erst dann ihre besondere gesellschaftliche Wertigkeit,
wenn sie für jeden zugänglich werde und sich dadurch ihre frühere Bedeutung
verwische (vgl. Wall
werb, Namensführung und Namensänderung unter Berücksichtigung von Namensbestandteilen
[1997] S. 125 mwN).
Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Das Gesetz hat es als
unvermeidbare Folge der Abschaffung von Standesvorrechten bei der Namensführung
des früheren Adels zwar hingenommen, dass die zu Silben des Familiennamens
herabgestuften Adelsbezeichnungen durch familienrechtliche Statusvorgänge
verbreitet werden können und sich auf diese Weise eine Bevölkerungsgruppe
bildet, deren Namen bis zu einem vollständigen gesellschaftlichen
Bedeutungswandel mit einem vermeintlich höheren sozialen Ansehen in Verbindung
gebracht werden. Der Senat verkennt auch nicht, dass einzelne
Rechtsentwicklungen, namentlich die auf eine Entscheidung des Reichsgerichts
aus dem Jahr 1926 (
Namensrecht an sich fremde Befugnis zur Führung von Adelsbezeichnungen in
geschlechtsspezifischer und deklinierter Form (vgl. OLG Köln
1122; OLG Düsseldorf
1016 mwN; vgl. Nr. A 1.3.3 PStG-VwV; kritisch dagegen Staudinger/Voppel
BGB [Stand: 2018] § 1355 Rn. 35; Staudinger/Hilbig-Lugani BGB [Stand: August
2016] § 1616 Rn. 8; wohl auch Otto
einer Reminiszenz an früheres Adelsrecht entstehen lassen und deshalb dem
eigentlich erwünschten gesellschaftlichen Bedeutungswandel bezüglich der
Adelsbezeichnungen nicht förderlich sind. Daraus folgt aber nicht, dass der
Gleichheitsgrundsatz die unbeschränkte Freigabe von Adelsbezeichnungen bei
einer von familienrechtlichen Statusvorgängen unabhängigen Namensänderung
gebiete. Das Gegenteil ist der Fall. Denn schon nicht alle Staatsbürger haben
- sofern sie daran überhaupt interessiert sind - die Möglichkeit, über eine isolierte
Namensänderung einen Namen mit Adelsbezeichnungen zu wählen. Eine
solche Namenswahl wäre an tatsächliche und rechtliche Voraussetzungen
- etwa das Vorliegen eines wichtigen Grundes bei der öffentlich-rechtlichen
Namensänderung nach § 3 Abs. 1 NÄG oder an einen hinreichenden Auslandsbezug
bei der Namensangleichung nach Art. 48 EGBGB - geknüpft, die
nur wenige Personen überhaupt erfüllen können und die einer isolierten Namensänderung
deshalb einen ausgesprochenen Ausnahmecharakter verleihen.
Würde der Staat entgegen der aus dem zweiten Halbsatz des Art. 109 Abs. 3
Satz 2 WRV zu entnehmenden Grundentscheidung einzelnen Personen, denen
es bei der isolierten Namensänderung gerade um die Teilhabe an der vermeintlichen
Exklusivität von Adelsbezeichnungen geht, die von ihnen gewünschte
Namensführung ermöglichen, wäre schon wegen der Begrenztheit dieses Personenkreises
kein messbarer Einfluss auf den gesellschaftlichen Bedeutungswandel
in Bezug auf Adelsbezeichnungen zu erwarten (vgl. auch OVG Hamburg
4. Auch das Unionsrecht gebietet es nicht, den von dem Antragsteller unter
englischem Recht gewählten Namen im Wege einer Namensangleichung
anzuerkennen.
a) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs berührt es
die Ausübung des in Art. 21 AEUV verankerten Freizügigkeitsrechts, wenn die
Behörden eines Mitgliedstaats es ablehnen, den von einem seiner Staatsangehörigen
bei einem Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats
erworbenen Namen so anzuerkennen, wie er dort bestimmt wurde. Von einer
Beschränkung des Freizügigkeitsrechts aus Art. 21 AEUV ist dann auszugehen,
wenn dem Betroffenen als Folge der Nichtanerkennung schwerwiegende Nachteile
administrativer, beruflicher oder privater Art drohen; dies ist insbesondere
dann der Fall, wenn die unterschiedliche Namensführung Zweifel an der Identität
der Person, an der Echtheit der Dokumente oder an der Wahrheitsgemäßheit
der darin enthaltenen Angaben wecken kann (EuGH Urteile vom
2. Juni 2016 - Rs. C-438/14 -
fersdorff und Urteil vom 22. Dezember 2010 - Rs. C-208/09 - FamRZ 2011,
1486 Rn. 69, Sayn-Wittgenstein). Davon geht das Beschwerdegericht im vorliegenden
Fall offensichtlich aus.
b) Es kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen weiteren
Voraussetzungen eine Namensänderung nach englischem Recht mit dem Ziel,
eine frei gewählte Adelsbezeichnung auch nach deutschem Recht führen zu
dürfen, einen Missbrauch des unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts darstellt
(vgl. MünchKommBGB/von Hein 7. Aufl. Art. 3 EGBGB Rn. 120; Janal GPR
2017, 67, 70). Denn das Beschwerdegericht ist mit Recht und mit überzeugender
Begründung davon ausgegangen, dass die Beschränkung des Freizügigkeitsrechts
nach Art. 21 AEUV durch die Versagung der Namensangleichung
unionsrechtlich jedenfalls unter Berufung auf den nationalen ordre public gerechtfertigt
ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs lässt
sich eine Beschränkung der Freizügigkeit von Personen innerhalb der Europäischen
Union nur rechtfertigen, wenn sie auf objektiven Erwägungen beruht und
in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit dem nationalen Recht berechtigterweise
verfolgten Zweck steht (vgl. EuGH Urteile vom 22. Dezember 2010
- Rs. C-208/09 -
14. Oktober 2008 - Rs. C-353/06 -
diesem Zusammenhang hat der Europäische Gerichtshof den Beurteilungsspielraum
der Mitgliedstaaten bei der Prüfung ihres namensrechtlichen ordre
public ausdrücklich betont (vgl. EuGH Urteile vom 2. Juni 2016 - Rs. C-438/14 -
22. Dezember 2010 - Rs. C-208/09 -
Wittgenstein). Das entspricht der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten
und der Union, die auf dem Gebiet des Namensrechts keine mate-
rielle Kompetenz besitzt. Den Mitgliedstaaten muss bei der Prüfung, welche
Grundsätze des Namensrechts unverzichtbarer Bestandteil ihrer öffentlichen
Ordnung sind, ein der inhaltlichen Kontrolle entzogener Kernbereich verbleiben,
innerhalb dessen sie auch eigene rechtspolitische Wertungen zur Geltung bringen
können (vgl. MünchKommBGB/von Hein 7. Aufl. Art. 3 EGBGB Rn. 120).
Insbesondere achtet die Union die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten,
zu der auch die republikanische Staatsform gehört. Die vom deutschen
Gesetzgeber in Art. 109 Abs. 3 WRV gesetzten Schranken der Benutzung von
Adelsbezeichnungen und das von ihm aufgestellte Verbot, den Anschein einer
adeligen Herkunft neu zu schaffen, sind Teil dieser nationalen Identität und
können unter dem Gesichtspunkt des unionsrechtlich legitimen Ziels der Umsetzung
der Gleichheit aller deutschen Staatsbürger vor dem Gesetz grundsätzlich
als Rechtfertigungsgrund für eine Beschränkung der Personenfreizügigkeit
Berücksichtigung finden. Weil in Deutschland die Führung von Adelsbezeichnungen
im Namen allerdings nicht generell verboten ist, sondern bestimmte
Personen in Deutschland in ihrem Namen zulässigerweise Bestandteile führen
können, die ehemaligen Adelsbezeichnungen entsprechen, darf einem im Ausland
frei gewählten Namen mit Adelsbezeichnungen die Anerkennung nur dann
verweigert werden, wenn dies zur Verwirklichung des Gleichheitsgrundsatzes
geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist (vgl. EuGH Urteil vom 2. Juni
2016 - Rs. C-438/14 -
Wolffersdorff). Dies zu beurteilen ist Sache der nationalen Gerichte, weil hierzu
eine Analyse und Abwägung verschiedener, dem Mitgliedstaat eigener rechtlicher
und tatsächlicher Aspekte erforderlich ist (vgl. EuGH Urteil vom 2. Juni
2016 - Rs. C-438/14 -
aa) Wie der Senat bereits ausgeführt hat, entspricht es einer bis in die
Zeiten der Weimarer Republik zurückreichenden deutschen Rechtstradition, zur
Durchsetzung des Grundsatzes staatsbürgerlicher Gleichheit dem Bestreben
einzelner Personen entgegenzutreten, durch eine isolierte Änderung des Namens
neue Adelsbezeichnungen zu schaffen oder erloschene Adelsbezeichnungen
wiederzubeleben, um sich dadurch den Anschein einer gegenüber anderen
Staatsbürgern herausgehobenen sozialen oder gesellschaftlichen Stellung
zu geben. Zur Verwirklichung dieses legitimen Zwecks ist es geeignet,
aber auch erforderlich, einem in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen
Union ohne jeglichen familiären Hintergrund frei gewählten Namen jedenfalls in
Bezug auf die dem Namen hinzugefügten Adelsbezeichnungen die Anerkennung
im Inland zu versagen.
bb) Die Abwägung zwischen den Belangen der deutschen öffentlichen
Ordnung, für die der Grundsatz der staatsbürgerlichen Gleichheit kennzeichnend
ist und dem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht ergibt, dass die Beschränkung
des Freizügigkeitsrechts der Antragstellerin unter den hier obwaltenden
Umständen auch verhältnismäßig ist. Dies ergibt sich unter besonderer
Berücksichtigung der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für die im
Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachtenden Gesichtspunkte (vgl.
EuGH Urteil vom 2. Juni 2016 - Rs. C-438/14 -
Bogendorff von Wolffersdorff) aus dem Folgenden:
(1) Der Antragsteller besitzt sowohl die deutsche als auch die britische
Staatsangehörigkeit, und er hat mit der freien Namenswahl durch "deed poll"
von einem Recht Gebrauch gemacht, das jedem britischen Staatsangehörigen
zukommt. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die von dem Antragsteller gewählten
Namensbestandteile "Graf" und "Freiherr von" formell weder nach
deutschem noch nach englischem Recht die Zugehörigkeit zu einem herausgehobenen
Stand bezeichnen.
(2) Andererseits hat es der Europäische Gerichtshof ausdrücklich gebilligt,
dass die Freiwilligkeit einer Namensänderung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung
Beachtung finden kann. Die unter englischem Recht erfolgte
Namensänderung beruht auf rein persönlichen Gründen des Antragstellers und
die daraus folgende Namensverschiedenheit unter deutschem und englischem
Recht geht weder auf ein familienrechtliches Ereignis noch auf den zusätzlichen
Erwerb der britischen Staatsangehörigkeit zurück. Der Europäische Gerichtshof
betont insoweit die Berücksichtigung der Motive für die freiwillig erfolgte Namensänderung
(vgl. EuGH Urteil vom 2. Juni 2016 - Rs. C-438/14 - FamRZ
2016, 1239 Rn. 56, 58, Bogendorff von Wolffersdorff). Ob hieraus gefolgert
werden kann, dass die Mitgliedstaaten schon beim Fehlen einer gewichtigen,
zumindest aber nachvollziehbaren Motivation für die Namensänderung deren
Anerkennung verweigern dürfen, braucht nicht entschieden zu werden. Jedenfalls
ist die Verweigerung der Namensangleichung nicht unverhältnismäßig,
wenn das erkennbar einzige Motiv für die isolierte Namensänderung unter einem
ausländischen Recht darin besteht, fortan einen Namen tragen zu können,
der aus Gründen der öffentlichen Ordnung in Deutschland auf diesem Wege
nicht erworben werden kann. Eine andere Motivation als die, über die Namensänderung
unter englischem Recht deutschsprachige Adelsbezeichnungen annehmen
und mit diesen anschließend (auch) im deutschen Rechtsraum auftreten
zu können, ist nicht erkennbar und wird auch von der Rechtsbeschwerde
nicht aufgezeigt.
(3) Die Versagung der Namensangleichung ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig,
weil etwa die Gefahr bestünde, die verwandtschaftlichen Beziehungen
des Antragstellers zu seiner Tochter nicht belegen zu können, deren
Name aufgrund einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden im deutschen
Geburtsregister mit dem Familiennamen "Gräfin von Wolffersdorff Freiin
von Bogendorff" eingetragen ist. Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt,
ist die Namensidentität in der Realität weder ein notwendiger noch ein
hinreichender Ausdruck verwandtschaftlicher Beziehungen (vgl. Janal GPR
2017, 67, 68). Im Übrigen trägt der Antragsteller nach englischem Recht gerade
nicht den gleichen Familiennamen wie seine Tochter. Das englische Recht sieht
eine geschlechtsspezifische Namensführung nur bei tatsächlich adeligen Namensträgern,
nicht aber bei solchen Personen vor, deren Name lediglich Bestandteile
enthält, die Adelsbezeichnungen nachgebildet sind (vgl. Rauscher
"Gräfin von Wolffersdorff Freiin von Bogendorff" ist deshalb nicht - obwohl dieser
Eindruck beabsichtigt sein dürfte - eine geschlechtsspezifische Abwandlung
des von dem Antragsteller unter dem englischen Namensrecht gewählten Namens
"Graf von Wolffersdorff Freiherr von Bogendorff".
5. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74
Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von
Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:09.01.2019
Aktenzeichen:XII ZB 188/17
Rechtsgebiete:Deutsches IPR (EGBGB)
Normen in Titel:WRV Art. 109 Abs. 3; GG Art. 123; AEUV Art. 21; EGBGB Art. 48 S. 1