Voraussetzungen des vertraglichen Rücktritts wegen Nichtzahlung der Grunderwerbsteuer
letzte Aktualisierung: 2.8.2019
OLG Brandenburg, Urt. v. 28.3.2019 – 5 U 55/18
BGB §§ 133, 157, 242, 323 Abs. 1, 324
Voraussetzungen des vertraglichen Rücktritts wegen Nichtzahlung der Grunderwerbsteuer
Die Vereinbarung eines Rücktrittsrecht des Verkäufers für den Fall, dass dieser für gesetzliche
Verbindlichkeiten des Käufers, insbesondere für die Grunderwerbsteuer, in Anspruch genommen
wird, ist dahingehend auszulegen, dass der Verkäufer erst zum Rücktritt berechtigt sein soll,
nachdem er eine billigem Ermessen entsprechende Frist zur Erstattung des entsprechenden Betrags
gesetzt hat und diese fruchtlos verstrichen ist. (Leitsatz der DNotI-Redaktion)
G r ü n d e
I.
Nachdem sie den Rücktritt von dem am 3. August 2016 mit der Beklagten geschlossenen
Kaufvertrag erklärt hat, verlangt die Klägerin Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises
die Herausgabe der verkauften Grundstücke A …1 und A … 2 in B…/OT … . Wegen
der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen in der angefochtenen
Entscheidung Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Rücktrittserklärung
vom 17. Februar 2017 habe den zuvor geschlossenen notariellen Grundstückskaufvertrag
wirksam beseitigt. Dem stehe nicht entgegen, dass in den Schreiben eine falsche
Urkundenrollennummer angegeben worden sei. Es sei auch nicht gemäß § 323 Abs. 1
BGB geboten gewesen, vor Erklärung des Rücktritts erfolglos eine angemessene Frist zur
Leistung, nämlich zur Zahlung der Grunderwerbssteuer, zu bestimmen. Seien, wie hier, im
Vertrag ausdrücklich die Voraussetzungen geregelt, die zum Rücktritt berechtigten, könne
nicht unterstellt werden, dass auch noch die Voraussetzungen nach
sein sollen. Voraussetzung für den Rücktritt sei allein, dass der Verkäufer für die gesetzlichen
Verbindlichkeiten, insbesondere die Grunderwerbssteuer, in Anspruch genommen werde.
Dies sei hier der Fall. Besondere Umstände für eine erforderliche Fristsetzung seien
nicht ersichtlich (BGH V ZR 141/80). Eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten
sei nicht erkennbar. Die Klägerin sei an einer unproblematischen Vertragsabwicklung interessiert
gewesen, insbesondere habe sie bei Zweifeln an der Solvenz des Geschäftspartners
die Möglichkeit haben sollen, den Vertrag schnell rückabzuwickeln. Die Rücktrittserklärung
sei auch nicht nach §§ 53, 57 Abs. 4 BbgKVerf unwirksam. Die Rücktrittserklärung vom 17.
Februar 2017 sei nicht deswegen unwirksam gewesen, weil sie nur vom Bereichsleiter Liegenschaftsmanagement
abgegeben worden sei. Gemäß § 57 Abs. 4 BbgKVerf bedürfe ein
Geschäft, das ein für ein bestimmtes Geschäft oder einen Kreis von Geschäften ausdrücklich
Bevollmächtigter abschließe, nicht der Form des § 57 Abs. 2 BbgKVerf. Diesen Anforderungen
genüge die von der Oberbürgermeisterin und dem Bürgermeister unterzeichnete schriftliche
Vollmacht vom … Mai 2012. Danach sei Herr L…, der Leiter des Liegenschaftsamtes,
bevollmächtigt gewesen, bei An- und Verkäufen von Liegenschaften für das Zustandekommen
des schuldrechtlichen Vertrages und den Eigentumsübergang an die Stadt alle erforderlichen
Willenserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen. Diese Vollmacht umfasse
als actus contrarius auch den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Gegen das ihr am 6. Juli 2018 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 27. Juli
2018 bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Berufung, die sie, nach
entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist, mit am 8. August 2018 eingegangenem
Schriftsatz begründet hat. Das Landgericht übersehe bei seiner Entscheidung,
dass eine Vollmacht nach § 57 Abs. 4 BbgKVerf nur bestehe, wenn sie „ausdrücklich“ zu
einem Geschäft berechtige. Es sei gerade nicht festgestellt worden, dass die vorliegende
Vollmacht die Erklärung eines Rücktritts in diesem Sinn ausdrücklich erfasse. Der Vertrag
enthalte zudem keine Frist, innerhalb derer das Rücktrittsrecht ausgeübt werden müsse. Im
Übrigen müsse auch eine interessengerechte Auslegung zu dem Ergebnis kommen, dass
der Rücktritt nicht ohne eine vorherige Fristsetzung habe erfolgen dürfen. Das Landgericht
berücksichtige auch nicht, dass die Grunderwerbssteuer durch sie bezahlt worden sei, bevor
die Frist, innerhalb der die Klägerin vom Finanzamt zur Zahlung aufgefordert worden sei,
abgelaufen gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 4. Juli 2018 verkündeten Urteils des Landgerichts
Potsdam, Az. 11 O 352/17, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Bezugnahme auf diese und Wiederholung
ihres Vorbringens.
II.
Die zulässige (
angefochtenen Entscheidung zur Abweisung der Klage.
Eine hinreichende Vollmacht des Bereichsleiters Liegenschaftsmanagement der Klägerin zur
Erklärung des Rücktritts am 17. Februar 2017 unterstellt, ist dieser entgegen der Auffassung
des Landgerichts gleichwohl unwirksam, weil es an einer vorangegangenen erfolglosen angemessenen
Fristsetzung zur Leistung (Zahlung der Grunderwerbssteuer) fehlte.
Die Vertragsparteien hatten unter Ziffer 9 S. 1 des Kaufvertrags vom 3. August 2016 – deklaratorisch
– bestimmt, dass ihnen die gesetzlichen Rücktrittsrechte zustehen. In S. 2 vereinbarten
sie zusätzlich ein Rücktrittsrecht des Verkäufers für den Fall, dass er für gesetzliche
Verbindlichkeiten des Käufers, insbesondere die Grunderwerbssteuer, in Anspruch genommen
wird.
Es ist bereits zweifelhaft, Ziffer 9 S. 2 des Kaufvertrages in der Weise auszulegen, dass bereits
die bloße Geltendmachung eines Dritten wegen gesetzlicher Verbindlichkeiten gegenüber
dem Verkäufer – nach dem Wortlaut des Vertrages sogar ohne Prüfung, ob der Anspruch
berechtigt geltend gemacht wird – als Rücktrittsgrund ausreichen soll. Vom Wortlaut
ebenfalls noch erfasst und näherliegend wäre eine Auslegung dahingehend, dass der Rücktrittsgrund
erst dann eingreifen soll, wenn die Verkäuferin tatsächlich wegen solcher Verbindlichkeiten
in Anspruch genommen worden ist. Bei einem solchen Verständnis der Vereinbarung
läge ein Rücktrittsgrund nicht vor, weil die Beklagte die ausstehenden Grundsteuern an
das Finanzamt gezahlt hat.
Versteht man die Regelung im Sinne der Klägerin dahingehend, dass bereits die bloße Geltendmachung
des Anspruchs genügt, lagen im Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts dessen
Voraussetzungen ebenfalls nicht vor, weil in diesem Fall jedenfalls eine vorherige Fristsetzung
zur Zahlung erforderlich gewesen wäre. Beide Regelungen innerhalb eines Absatzes
des Kaufvertrags, nämlich der Hinweis auf die Geltung der gesetzlichen Rücktrittsrechte und
das Bestehen eines Rücktrittsrechts der Verkäuferin für den Fall, dass sie für gesetzliche
Verbindlichkeiten des Käufers in Anspruch genommen wird, führen bei einer an Sinn und
Zweck sowie Treu und Glauben orientierten Auslegung zu dem Ergebnis, dass durch Ziffer 9
S. 2 des Vertrages das gesetzliche Rücktrittsrecht klarstellend um einen weiteren Rücktrittsgrund
erweitert werden sollte, für dessen Ausübung die Regelungen für das gesetzliche
Rücktrittsrecht entsprechend gelten sollen.
Für eine Auslegung der vereinbarten Regelungen zum Rücktritt ist zunächst die gesetzliche
Ausgangslage zu beachten. Die Vorschrift des
gesetzliches Rücktrittsrecht für den Fall, dass bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner
eine fällige Haupt- oder Nebenleistung nicht oder nicht vertragsgemäß erfüllt und regelt
weiter in Absatz 1 (angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung) und den weiteren
Absätzen 2 bis 6 unter welchen Voraussetzungen das Rücktrittsrecht ausgeübt werden kann
oder ausnahmsweise nicht ausgeübt werden darf.
Durch Ziffer 9 S. 1 des Vertrages wird zunächst klargestellt, dass die gesetzlichen Rücktrittsvorschriften
gelten sollen. Wenn S. 2 im unmittelbaren Anschluss daran als Rücktrittsgrund
die Inanspruchnahme des Verkäufers für gesetzliche Verbindlichkeiten vorsieht, ohne insoweit
die Geltung der gesetzlichen Regelungen zur Ausübung des Rücktritts auszuschließen
oder die Voraussetzungen der Ausübung hinsichtlich dieses Rücktrittsgrundes näher zu regeln,
so spricht dies dafür, dass auch insoweit die gesetzlichen Regelungen, die den Interessen
des Rücktrittsberechtigen in angemessener Weise Rechnung tragen, ebenfalls gelten
sollten.
Für ein solches Verständnis spricht weiter, dass bei einer anderen Auslegung nähere Bestimmungen
für die Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts völlig fehlen würden und es
widersprüchlich wäre, wenn bei nicht rechtzeitiger Zahlung des Kaufpreises vor der Erklärung
eines Rücktritts eine Fristsetzung erforderlich wäre, bei der bloßen Geltendmachung
eines Anspruchs eines Dritten wegen gesetzlicher Verbindlichkeiten, für die nach dem Vertrag
die Beklagten aufzukommen hatte, der Rücktritt möglich sein soll, ohne der Beklagten
zuvor die Gelegenheit gegeben zu haben, den Anspruch des Dritten zu erfüllen. Die Klägerin
wird durch eine solche Auslegung auch nicht in ihren schutzwürdigen Interessen beeinträchtigt,
da es ihr zuzumuten ist, vor einer eigenen Zahlung zunächst der Beklagten als Käuferin
eine kurze Frist zu setzen, um sodann nach Ablauf dieser Frist den Rücktritt zu erklären. Im
konkreten Fall der Grunderwerbssteuer bestand auch nicht die Gefahr, dass eine Erstattung
an den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beklagten scheitert, weil diese im Zuge der Rückabwicklung
des Vertrages nach erklärtem Rücktritt ohnehin durch das Finanzamt zurückerstattet
würde.
Einer Beweisaufnahme zu der Behauptung der Klägerin, in Ziffer 9 S. 2 sei ein weiteres
Rücktrittsrecht vereinbart worden, bedurfte es nicht, weil der Entscheidung des Senats die
Annahme zugrunde liegt, dass ein solches vereinbart wurde. Dass über die Modalitäten der
Ausübung des Rücktrittsrechts – sofortige Erklärung des Rücktritts nach einer ersten Zahlungsaufforderung
eines Dritten für eine gesetzliche Verbindlichkeit – durch den Notar außerhalb
der beurkundeten Hinweise ausdrücklich belehrt worden wäre, behauptet die Klägerin
schon nicht. Davon abgesehen wäre die Klägerin auch dann nicht berechtigt gewesen,
unmittelbar nach Erhalt der Zahlungsaufforderung durch das Finanzamt den Rücktritt vom
Vertrag zu erklären, nachdem zuvor bereits der Kaufpreis, wenn auch abweichend von den
vertraglichen Vereinbarungen, vollständig gezahlt worden war. Eine interessengerechte Vertragsauslegung
müsste dann unabhängig von der Frage, ob die gesetzlichen Rücktrittsvorschriften
auch insoweit gelten, zu dem Ergebnis kommen, dass die Klägerin erst zum Rücktritt
berechtigt sein sollte, nachdem sie eine billigem Ermessen entsprechende Frist zur Zahlung
gesetzt hatte (vgl. BGH
Etwas anderes gilt im Ergebnis auch dann nicht, wenn man, wie die Klägerin dies meint, in
der verspäteten Zahlung der Grunderwerbssteuer durch die Beklagte nicht die Verletzung
einer Nebenleistungspflicht, sondern die Verletzung einer Nebenpflicht sehen will. Ein Festhalten
am Vertrag wäre der Klägerin nur dann nicht mehr zuzumuten gewesen (§§ 241 Abs.
2, 324 BGB), wenn sie zuvor eine billigem Ermessen genügende Frist zum Ausgleich der
Steuerschulden gesetzt hätte.
Gründe für eine Zulassung der Revision (
Die Kostenentscheidung beruht auf
Vollstreckbarkeit auf den
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Brandenburg
Erscheinungsdatum:28.03.2019
Aktenzeichen:5 U 55/18
Rechtsgebiete:Allgemeines Schuldrecht
Normen in Titel:BGB §§ 133, 157, 242, 323 Abs. 1, 324