Zeitlich unbegrenzte Untervollmacht trotz zeitlich begrenzter Vollmacht
18. Zeitlich unbegrenzte Untervollmacht trotz zeitlich begrenzter Vollmacht KG, Beschluss vom 14.2.2017, 1 W 20-32/17
GBO § 13 Abs. 1 Satz 1, § 19 BGB § 158 Abs. 2, §§ 163, 164 Abs. 1, § 167 Abs. 1
Leitsatz:
Eine zeitlich begrenzt erteilte Vollmacht schließt die Erteilung einer zeitlich unbeschränkten Untervollmacht grundsätzlich nicht aus. Ob der Hauptbevollmächtigte hierzu ermächtigt ist, hängt vom Willen des Geschäftsherrn bei Erteilung der Hauptvollmacht an. Dient die Untervollmacht lediglich der Abwicklung eines von dem Hauptbevollmächtigten im Rahmen der ihm erteilten Vollmacht geschlossenen Grundstückskaufvertrags, ist von der Befugnis zur zeitlich unbeschränkten Unterbevollmächtigung auszugehen, wenn auch ein im eigenen Namen handelnder Verkäufer im Regelfall hierzu Vollmacht erteilen würde. Das ist im Hinblick auf eine dem Käufer erteilte Finanzierungsvollmacht der Fall (Fortführung von Senat, Beschluss vom 21.12.1908, 1 Wx 412/08, KGJ 37, A 239).
Sachverhalt:
1 I. Am 8.8.2016 erteilte die Geschäftsführerin der A Herrn P zu notarieller Urkunde Vollmacht, für sie mit Wirkung vom 8.8. bis zum 9.10.2016 betreffend die im Beschlusseingang näher bezeichneten Grundstücke unter anderem „alle Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte, welche die Veräußerung der benannten Grundstücke betreffen, vorzunehmen und entgegenzunehmen (…) über die Grundstücke zu verfügen, diese zu verkaufen (…), Eintragungen jeder Art zu bewilligen und zu beantragen; Untervollmachten und Belastungsvollmachten zu erteilen (…)“.
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2 Unter Bezugnahme auf diese Vollmacht veräußerte P am 8.8.2016 zu notarieller Urkunde im Namen der A die Grundstücke an B. In § 11 der Urkunde wurde B eine Belastungsvollmacht erteilt, die keine zeitlichen Beschränkungen enthält.
3 Am 29.11.2016 bewilligte und beantragte der Geschäftsführer der B in deren und im Namen der A unter Berufung auf diese Belastungsvollmacht die Eintragung einer Gesamtbuchgrundschuld über 4,8 Mio. € in den Grundbüchern.
4 Der Urkundsnotar hat seine Urkunde mit Schriftsatz vom 30.11.2016 bei dem Grundbuchamt eingereicht und die Eintragung der Gesamtbuchgrundschuld beantragt. Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung darauf hingewiesen, A habe wegen der P nur befristet erteilten Vollmacht die in ihrem Namen erteilten Erklärungen zu genehmigen. (…)
Aus den Gründen:
(…)
6 2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. (…)
7 a) Die Eintragung einer Grundschuld im Grundbuch erfolgt auf Antrag, § 13 Abs. 1 Satz 1 GBO, wenn sie derjenige bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen wird, § 19 GBO. Die Bewilligung muss nicht persönlich abgegeben werden. Sie kann auch von einem Vertreter erklärt werden. In diesem Fall ist dem Grundbuchamt dessen Vertretungsmacht in der Form des § 29 Abs. 1 GBO nachzuweisen. Bei Handlungen eines Unterbevollmächtigten ist die gesamte Vertretungskette nachzuweisen (Senat, Beschluss vom 14.7.2015, 1 W 688-689/15,
8 Die Bevollmächtigung der B, im Namen der A zu handeln, folgt aus der in Ausfertigung bei den Grundakten befindlichen notariellen Kaufurkunde. Die P in notariell beurkundeter Vollmacht von A erteilte Vollmacht liegt ebenfalls vor.
9 b) Die zur Grundschuldbestellungsurkunde erklärte Bewilligung des Geschäftsführers der B wirkt für und gegen A, § 164 Abs. 1, § 167 Abs. 1 BGB. Daran ändert es nichts, dass B nicht unmittelbar von A zu deren Vertretung bevollmächtigt worden war, sondern durch den seinerseits im Namen der A bevollmächtigten P. Hierzu war P hingegen berechtigt. Die Vollmacht vom 8.8.2016 umfasste ausdrücklich das Recht zur Erteilung von Untervollmacht sowie Belastungsvollmacht. Diese (Haupt-)Vollmacht war im Zeitpunkt der Beurkundung des Kaufvertrags auch (noch) wirksam. Das war rechtlich erforderlich, aber auch ausreichend.
10 aa) Die Wirksamkeit der einmal erteilten Untervollmacht zur unmittelbaren Vertretung des Geschäftsherrn ist grundsätzlich nicht vom weiteren Fortbestand der Hauptvollmacht abhängig (OLG Frankfurt,
11 Hieran ändert es vorliegend nichts, dass die P erteilte (Haupt-)Vollmacht befristet erteilt und im Zeitpunkt der Bewilligung vom 29.11.2016 bereits nicht mehr bestand, §§ 163, 158 Abs. 2 BGB. Allerdings kann die Untervollmacht nicht weiter gehen als die Hauptvollmacht (BGH,
12 Demgegenüber hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 21.12.1908 (a. a. O., 244) ausgeführt, dass die zeitliche Begrenzung der Hauptvollmacht die Möglichkeit zur Erteilung einer zeitlich unbeschränkten Untervollmacht im Namen des Geschäftsherrn grundsätzlich nicht ausschließe. Hieran ist festzuhalten, weil es maßgeblich auf den Willen des Geschäftsherrn bei Erteilung der Hauptvollmacht ankommt (Senat, a. a. O.; OLG München, a. a. O.; OLG Frankfurt, a. a. O., 911; Bous, a. a. O., 487; Reetz, a. a. O.; MünchKomm-BGB/Schubert, 7. Aufl., § 167 Rdnr. 84; Staudinger/ Schilken, BGB, 2014, § 167 Rdnr. 67).
13 bb) Allerdings enthält die Hauptvollmacht keine Ausführungen zur Gestattung einer über ihre Befristung hinausgehenden Befugnis zur Erteilung von Untervollmacht. Sie ergibt sich aber durch Auslegung der zur Vollmachtsurkunde erfolgten Erklärung der A.
14 Eine Auslegung kann im Grundbuchverfahren wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes und des Erfordernisses urkundlich belegter Eintragungsgrundlagen nur erfolgen, wenn sie zu einem zweifelsfreien und eindeutigen Ergebnis führt. Dabei ist auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürfen nur insoweit herangezogen werden, als sie für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind (BGH,
15 Gemessen hieran sind die Beanstandungen des Grundbuchamts nicht gerechtfertigt. Im Zweifelsfall bedeutet die zeitliche Beschränkung einer Hauptvollmacht, dass der Geschäftsherr nach Fristablauf seine Angelegenheiten wieder selbst wahrnehmen will (Senat, KGJ, a. a. O., 244).
16 Ein solcher Zweifelsfall liegt jedoch nicht vor in Angelegenheiten, bei denen sich der Geschäftsherr ohnehin regelmäßig eines Vertreters bedient. So ist es gängige notarielle Praxis, den Erwerber beim finanzierten Grundstückskauf zur Belastung des Grundstücks mit Grundpfandrechten zu bevollmächtigen (vgl. Würzburger Notarhandbuch/Hertel, 4. Aufl., II 2 Rdnr. 423 ff.; Bous, a. a. O., 487; Beck’sches Notarhandbuch/ Everts, 6. Aufl., Grundstückskauf Rdnr. 266 ff.). Eine entsprechende Finanzierungsvollmacht zugunsten der B ist in § 11 der Kaufurkunde erteilt worden. Es ist nicht erkennbar, dass A ohne Vertretung durch P im Rahmen der Beurkundung andere Regelungen angestrebt hätte. Letztlich handelt es sich bei der Bewilligung der Gesamtgrundschuld um ein an den Vertragsschluss vom 8.8.2008 anschließendes Rechtsgeschäft, das lediglich der Abwicklung der beiderseitigen Pflichten und Rechte aus dem Kaufvertrag zu dienen bestimmt ist. Während A durchaus ein Interesse daran haben kann, nach Ablauf der P befristet erteilten Vollmacht ein bis dahin ggf. noch nicht zu
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stande gekommenes Hauptgeschäft selbst abzuschließen, sodass insoweit eine darüber hinaus erteilte Untervollmacht ihre Wirkung mit der Hauptvollmacht verlöre (vgl. Senat, a. a. O., 244), ist eine solche Interessenlage bei lediglich der Abwicklung des Hauptgeschäfts dienenden Geschäften ersichtlich nicht gegeben. Die B erteilte Belastungsvollmacht dient wie regelmäßig in erster Linie dazu, die vertraglichen Ziele auch im Interesse der B zu erreichen und das hierzu erforderliche Verfahren zu vereinfachen (Bous, a. a. O., 487).
17 3. Vorsorglich und ohne Bindungswirkung weist der Senat darauf hin, dass die voranstehenden Ausführungen für die den Notariatsangestellten zur Kaufurkunde erteilten Durchführungsvollmachten entsprechend gelten dürften (vgl. OLG München, a. a. O.; Bous, a. a. O., 488). Das Grundbuchamt hat in der Zwischenverfügung insoweit lediglich auf ein mögliches künftiges Eintragungshindernis hingewiesen. Ein solcher Hinweis ist nicht anfechtbar, weil es sich nicht um eine Entscheidung im Sinne des § 71 Abs. 1 GBO handelt. Er ist damit nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden.
Anmerkung:
Von Notar Dr. Valentin Spernath, Bad Königshofen
1. Das Problem
Im zu entscheidenden Fall war die Vollmacht, die zum Abschluss des Kaufvertrages samt Auflassung verwendet wurde, befristet. Demgegenüber waren die im aufgrund dieser Vollmacht geschlossenen Kaufvertrag enthaltenen Untervollmachten, insbesondere Durchführungsvollmachten an Notariatsangestellte und die Finanzierungsvollmacht an den Käufer, unbefristet. Die Finanzierungsvollmacht kam erst nach Erlöschen der Hauptvollmacht aufgrund Fristablaufs zum Einsatz.
2. Grundsätze der Untervollmacht
Bei der Entscheidung musste das Gericht zwei bisher herausgearbeitete und anerkannte Grundsätze in Einklang bringen.
Zum einen ist der Bestand einer Untervollmacht grundsätzlich nicht vom Fortbestand der Hauptvollmacht im Zeitpunkt der Ausübung, sondern nur zum Zeitpunkt der Erteilung der Untervollmacht abhängig.1 Wäre also lediglich die Haupt-vollmacht in der Zwischenzeit widerrufen worden, hätten an der Wirksamkeit der aufgrund der inzwischen erteilten Untervollmacht (Finanzierungsvollmacht) abgegebenen Erklärungen keine Zweifel bestanden.
Zum anderen allerdings kann der Umfang einer Untervollmacht nicht über den Umfang der zugrundeliegenden Hauptvollmacht hinausgehen.2 So soll beispielsweise nach verbreiteter Ansicht ein nicht von § 181 BGB befreiter Hauptbevollmächtigter keine Untervollmacht unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilen können.3
Ob dagegen eine befristete Hauptvollmacht zur Erteilung unbefristeter Untervollmachten ermächtigt, ist in der Literatur umstritten.4
3. Die Entscheidung
Das Kammergericht lässt in der Entscheidung über die befristete Hauptvollmacht hinaus wirkende Untervollmachten zu. Entscheidend sei die Auslegung der Hauptvollmacht im Einzelfall anhand des Willens des Geschäftsherrn.5 Da im konkreten Fall die erteilten Untervollmachten nur der Abwicklung des vom Hauptbevollmächtigten fristgerecht abgeschlossenen Kaufvertrages dienten, liege es erkennbar im Interesse des Geschäftsherrn, der – wenn er selbst an der Beurkundung des Hauptgeschäfts mitgewirkt hätte – deckungsgleiche Vollzugs- und Finanzierungsvollmachten erteilt hätte, dass diese als Untervollmachten erteilte Vollmachten über die Hauptvollmacht zum Abschluss des Rechtsgeschäfts hinaus Bestand hätten. Anders wäre dies allenfalls dann zu beurteilen, wenn das Hauptgeschäft, nämlich der Kaufvertrag selbst, nicht innerhalb der Frist der Hauptvollmacht abgeschlossen worden wäre und nun durch einen Unterbevollmächtigten nach Fristablauf der Hauptvollmacht nachgeholt würde.
Deshalb seien sowohl die Vollzugsvollmachten an die Notariatsangestellten als auch die Finanzierungsvollmacht an den Käufer weiterhin wirksam.
4. Fazit
Die Entscheidung verdient unumschränkte Zustimmung. Die Frage, wie weitgehend Untervollmachten erteilt werden können und wirken, ist eine Frage der Auslegung der Haupt-vollmacht. Auch der Unterbevollmächtigte handelt in aller Regel nicht für den Hauptbevollmächtigten, sondern für den Geschäftsherrn selbst.6 Allein dessen Wille ist für Umfang und Fortbestand von Untervollmachten maßgeblich. „Entscheidend für die Reichweite der Befugnis, Untervollmacht zu erteilen, ist nämlich nicht der Umfang der Rechtsmacht des Hauptbevollmächtigten, selbst Geschäfte für den Geschäftsherrn abzuschließen, sondern eben allein dessen Berechtigung, einem Untervertreter Rechtsmacht zum Handeln für den Geschäftsherrn einzuräumen. Beide Befugnisse sind nicht notwendig deckungsgleich.“7 Selbstverständlich ist der Geschäftsherr frei, die Hauptvollmacht zu
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befristen und dennoch dem Hauptbevollmächtigten die Befugnis zur Erteilung einer unbefristeten Untervollmacht einzuräumen.
Die Annahme eines Grundsatzes, wonach bei befristeten Vollmachten die Untervollmachten mit diesen erlöschen, verstieße gegen das Interesse des Geschäftsherrn und wäre nicht sachgerecht. Denn dann würde, wie der entschiedene Fall zeigt, der Vollzug wirksam aufgrund befristeter Vollmacht abgeschlossener Rechtsgeschäfte regelmäßig unnötig erschwert.
Trotz dieser erfreulichen Entscheidung empfiehlt es sich allerdings für die Praxis, insbesondere wegen der im Gegensatz zur Rechtsprechung uneinheitlichen Linie der einschlägigen Literatur und zur Vermeidung von Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Willens des Geschäftsherrn, in der Vollmachtsurkunde die Frage der Untervollmachten detaillierter zu regeln, zum Beispiel wie folgt:
Soweit Untervollmachten in üblichem Umfang in einem aufgrund dieser Vollmacht abgeschlossenen Grundstücksgeschäft oder sonst zu dessen Abwicklung erteilt werden, bestehen sie auch nach Erlöschen dieser Vollmacht fort.
1 OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.2.2014, 20 W 548/11,
2 BGH, Beschluss vom 25.10.2012, V ZB 5/12,
3 Palandt/Ellenberger, 76. Aufl. 2017, § 168 Rdnr. 12; kritisch Bous,
4 Dagegen u. a. Palandt/Ellenberger, § 168 Rdnr. 12; Schöner/ Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rdnr. 3565; dafür u. a. Bous,
5 Ähnlich bereits OLG München, Beschluss vom 29.5.2015, 34 Wx 152/15, juris; KG, Beschluss vom 21.12.1908, 1 X 412/08, KGJ 37, A 239, 242.
6 Bous,
7 Bous,
Entscheidung, Urteil
Gericht:Kammergericht
Erscheinungsdatum:14.02.2017
Aktenzeichen:1 W 20-32/17
Rechtsgebiete:
Zivilrecht allgemein
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Grundbuchrecht