Erfordernis eines Erbscheins, wenn die Grundbuchberichtigung durch Eintragung der Ersatzerben infolge Ausschlagung des berufenen Erben beantragt wird
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Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 31.8.2016
OLG München, Beschl. v. 24.8.2016 - 34 Wx 216/16
GBO §§ 22, 29 Abs. 1 S. 2, 35 Abs. 1
Erfordernis eines Erbscheins, wenn die Grundbuchberichtigung durch Eintragung der
Ersatzerben infolge Ausschlagung des berufenen Erben beantragt wird
Zum Nachweis der Erbfolge durch öffentliche Urkunde, wenn Grundbuchberichtigung durch Eintragung der Ersatzerben nach
Ausschlagung der berufenen Erbin beantragt wird.
Gründe
I. Im Grundbuch sind Dieter B. und dessen Ehefrau Helga je zur Hälfte als Eigentümer eines Grundstücks
eingetragen. Der Beteiligte, Sohn des am 8.7.2015 verstorbenen Hans Dieter B., hat am 4.5.2016
Grundbuchberichtigung beantragt und dazu jeweils in notariell beglaubigter Kopie vorgelegt:
a) Anschreiben des auswärtigen Nachlassgerichts A. vom 24.8.2015 über die Eröffnung zweier für die
Erbfolge nach Aktenlage maßgeblicher Verfügungen von Todes wegen mit dem Zusatz, dass „nach
Ausschlagung von B. Helga“ zu Miterben der Beteiligte und Sabine B. (dessen Schwester) berufen seien;
b) Niederschrift des Amtsgerichts A. vom 24.8.2015 über die Eröffnung zweier Erbverträge vom 3.6.1976
und vom 16.6.2015;
c) Erbvertrag unter den Eheleuten vom 3.6.1976;
d) Erbvertrag unter den Eheleuten vom 16.6.2015, mit dem alle früheren Verfügungen widerrufen werden,
beide Eheleute sich gegenseitig zum alleinigen und unbeschränkten Erben einsetzen sowie als
Schlusserben und Ersatzerben nach jedem von ihnen sämtliche Abkömmlinge von ihnen beiden zu unter
sich gleichen Teilen, nämlich die Kinder Sabine B. und Oliver B. (= der Beteiligte), bestimmt werden.
Das Amtsgericht - Grundbuchamt - hat am 11.5.2016 folgende fristsetzende Zwischenverfügung getroffen:
Zum Nachweis der Erbfolge sei vorliegend ein Erbschein vorzulegen. In der Verfügung vom 16.6.2015 sei
die Ehefrau des Erblassers als Erbin, als Schluss- und Ersatzerben seien die gemeinsamen Kinder
eingesetzt. Nach der formlosen Feststellung des zuständigen Nachlassgerichts solle die eingesetzte Erbin
die Erbschaft ausgeschlagen haben. Nach ebenfalls formlos mitgeteilter Ansicht des Nachlassgerichts solle
Ersatzerbfolge eingetreten und der Erblasser von seiner Tochter und seinem Sohn, dem Antragsteller, beerbt
worden sein.
Die Erbfolge beruhe nicht nur auf Tatsachen, die in der öffentlichen Verfügung von Todes wegen enthalten
oder durch Auslegung zu ermitteln seien, sondern auf weiteren noch zu ermittelnden Tatsachen, so der
OLG München, Beschluss v. 24.08.2016 – 34 Wx 216/16
Klärung, inwieweit die zunächst berufene Erbin wirksam ausgeschlagen habe und im Anschluss daran
Ersatzerbfolge eingetreten sei. Diese Prüfung könne das Grundbuchamt nicht vornehmen.
Beim Grundbuchamt liegt mittlerweile in am 1.6.2016 beglaubigter Kopie des Nachlassgerichts die notariell
beglaubigte, alle Berufungsgründe umfassende Ausschlagungserklärung der Witwe Helga B., datiert auf den
4.8.2015, vor.
Gegen die Zwischenverfügung richtet sich die Beschwerde des Beteiligten vom 1.6.2016, der das
Grundbuchamt am 7.6.2016 nicht abgeholfen hat.
II. Das gegen die nach
Rechtsmittel ist als Grundbuchbeschwerde nach
Grundbuchamt eingelegt (vgl.
bilden keine Zulässigkeitsvoraussetzungen (vgl. Demharter GBO 30. Aufl. § 74 Rn. 5 und 9). Gegenstand
des Rechtsmittelverfahrens ist nur das mit der Zwischenverfügung bezeichnete und mit der Beschwerde
beanstandete Hindernis, also der fehlende Erbschein zum Nachweis der Erbfolge, nicht aber der
Eintragungsantrag selbst (Demharter § 77 Rn. 15).
In der Sache bleibt die Beschwerde erfolglos. Das Grundbuchamt besteht zu Recht auf der Vorlage eines
Erbscheins, um die Grundbuchunrichtigkeit nach dem Ableben von Dieter B. nachzuweisen.
1. Das Grundbuch kann gemäß
Richtigkeit der begehrten neuen Eintragung jeweils in der Form des
Nachweis der Erbfolge ist
sich die Unrichtigkeit des Grundbuchs schon aus einer Verfügung von Todes wegen in formgültiger
öffentlicher Urkunde sowie der Niederschrift über ihre Eröffnung ergibt (Senat vom 29.1.2016, 34 Wx 50/15,
vom 4.8.2016, 34 Wx 139/16, beide juris; vgl. Demharter § 35 Rn. 31; Hügel/Wilsch GBO 3. Aufl. § 35 Rn.
111; Böhringer
2. Eine Besonderheit besteht hier insofern, als die Erbfolge sich nicht ausschließlich aus dem am 16.6.2015
geschlossenen Erbvertrag selbst ergeben soll, durch den der frühere Erbvertrag aufgehoben wurde (vgl.
auch
die Eintragung einer anderen Erbfolge. Nach der letztwilligen Verfügung ist der Längstlebende der Vollerbe
und wäre bei entsprechendem Antrag (
während sich nach dem aktuellen Eintragungsantrag die Erbfolge erst im Zusammenhang mit der
Ausschlagung durch den alleinigen Erben ergeben soll, weil infolgedessen die bezeichneten Ersatzerben
berufen wären (§ 2 Nr. 2 des Erbvertrags).
a) Allerdings entspricht es der herrschenden Meinung, dass zum Nachweis der Erbfolge im Fall des § 35
Abs. 1 Satz 2 GBO außer der öffentlichen Verfügung von Todes wegen auch andere öffentliche Urkunden
herangezogen werden können und müssen (
194/197 f.; 20, 217; Demharter § 35 Rn. 40). Das Grundbuchamt darf die Vorlage eines Erbscheins dann
nicht verlangen, wenn zur Ergänzung der in
Unterlagen in Frage kommen, die das Grundbuchamt auch sonst berücksichtigen muss, nämlich Urkunden
im Sinn von
Die Auslegung der berücksichtigungsfähigen Eintragungsunterlagen hat das Grundbuchamt auch bei
schwierigen Fragestellungen eigenverantwortlich vorzunehmen. Die Grenze ist aber dort zu ziehen, wo bei
der Prüfung hinsichtlich des behaupteten Erbrechts Zweifel tatsächlicher Art verbleiben, die nur durch
weitere Ermittlungen - etwa über die tatsächlichen Verhältnisse - geklärt werden können; zu solchen
Ermittlungen ist das Grundbuchamt weder verpflichtet noch berechtigt (Egerland in Burandt/Rojahn Erbrecht
2. Aufl.
Eintragungsunterlagen nicht zu einer abschließenden Würdigung in der Lage ist (OLG Zweibrücken Rpfleger
2001, 173; Demharter § 35 Rn. 42) oder Ermittlungen zu tatsächlichen Umständen außerhalb der Urkunde
erforderlich sind (Meikel/Krause § 35 Rn. 117; L. Böttcher
b) Die Eintragungsunterlagen sind hier ungenügend. Dabei bezieht der Senat auch die offensichtlich auf
Veranlassung des Antragstellers vom auswärtigen Nachlassgericht an das Grundbuchamt nachgereichten
Urkunden in der Form des
aa) Es wird vertreten, dass das Grundbuchamt die Wirksamkeit der Ausschlagung einer Erbschaft
grundsätzlich in eigener Verantwortung zu prüfen habe (LG Aschaffenburg
das Grundbuchamt anhand der vorgelegten Urkunden insbesondere prüfen können, ob die Ausschlagung
form- und fristgerecht (vgl.
urkundlich (
beglaubigten Ausschlagungserklärung lässt einen Eingangsstempel des Nachlassgerichts nicht erkennen.
Aus dem Datum der gerichtlichen Beglaubigung (1.6.2016) kann auf die Einhaltung der sechswöchigen
Ausschlagungsfrist (
Anschreiben des Nachlassgerichts vom 24.8.2015 führt zwar dessen Miterbenberufung - „nach
Ausschlagung von B. Helga“ - an, was darauf hindeutet, dass die Ausschlagungserklärung vom 4.8.2015
dem Nachlassgericht zu diesem Zeitpunkt bereits vorgelegen hat. Ein Beweismittel im Sinne des § 29 Abs. 1
Satz 2 GBO bildet diese formlose Feststellung jedoch nicht (vgl.
Bezug auf den zeitgerechten Zugang gegenüber dem Nachlassgericht noch in Bezug auf die Wirksamkeit
der Erklärung im Übrigen.
bb) Ob Offenkundigkeit nach
GBO erübrigt (so
Grundbuchamt amtlich oder außeramtlich zweifelsfrei bekannt sind (Demharter § 29 Rn. 60). Aktenkundige
Tatsachen wie etwa der Eingang einer Ausschlagungserklärung beim Nachlassgericht können dadurch zu
offenkundigen Tatsachen werden, indem der Antragsteller auf sie hinreichend deutlich verweist (Hügel/Otto §
29 Rn. 212 f.; Heinze
Amtsgerichts, nicht für Verweise auf Akten anderer Gerichte (OLG Bremen
Heinze; Knothe in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 29 Rn. 162; Meikel/Hertel § 29 Rn. 622). Es besteht
auch keine Pflicht des Grundbuchamts, sich Kenntnisse aus Akten anderer Gerichte als desjenigen zu
verschaffen, zu dem das Grundbuchamt gehört (OLG Bremen
621/622; a. A. Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 789). Dies wäre nicht mit dem
Beibringungsgrundsatz im Eintragungsantragsverfahren in Einklang zu bringen (vgl. Meikel/Böttcher Einl C
Rn. 95).
cc) Schließlich kann es auf sich beruhen, ob bei einem formgerechten Nachweis des rechtzeitigen Eingangs
der Ausschlagungserklärung das Grundbuchamt die Erbscheinsvorlage nicht verlangen dürfte (so im
Ergebnis LG Aschaffenburg
Erbvertrag aus dem Jahr 2015 die Ersatzerbfolge des Beteiligten und seiner Schwester zu gleichen Teilen
nach Helga B. (vgl.
und Frist der Ausschlagung nicht weitere tatsächliche Fragen zur Wirksamkeit der Ausschlagung ab, zu
denen etwa diejenige gehört, ob wegen vorheriger Annahme (
ausgeschlagen werden konnte (
1400). Die Annahme der Erbschaft kann ausdrücklich, aber auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen
(Palandt/Weidlich § 1943 Rn. 1 f.). Ob sie als bloß abstrakte Möglichkeit (vgl. Hügel/Wilsch § 35 Rn. 121 a.
E.), namentlich im Hinblick auf die engen zeitlichen Verhältnisse zwischen dem Erbfall (8.7.2015) und dem
Datum der Ausschlagungserklärung (4.8.2015) noch vor der nachlassgerichtlichen Eröffnung der
Erbverträge, außer Betracht bleiben könnte, bedarf an dieser Stelle keiner Erörterung.
3. Eine Kostenentscheidung erübrigt sich, weil sich die Pflicht des Beteiligten, die gerichtlichen Gebühren
des von ihm veranlassten Beschwerdeverfahrens zu tragen, bereits aus dem Gesetz ergibt (§ 22 Abs. 1
GNotKG).
Der zu bestimmende (
angegriffenen Zwischenverfügungen in der Regel nach Mühe und Aufwand für die Beseitigung des
Hindernisses (Demharter § 77 Rn. 45). Im Allgemeinen dürfte es in Fällen des
auf die Kosten eines notwendigen Erbscheinsverfahrens abzustellen, für deren Prognostizierung jedoch
meist nicht genügende Anhaltspunkte bestehen. Das gilt auch hier, weshalb auf den Wert des § 36 Abs. 3
GNotKG zurückgegriffen wird.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG München
Erscheinungsdatum:24.08.2016
Aktenzeichen:34 Wx 216/16
Rechtsgebiete:Grundbuchrecht
Erschienen in: Normen in Titel:GBO §§ 22, 29 Abs. 1 S. 2, 35 Abs. 1