OLG Karlsruhe 15. Dezember 2020
10 W 6/20
ZPO § 727

Nachweis der Rechtsnachfolge durch Handelsregisterauszug; Anforderungen

letzte Aktualisierung: 18.5.2022
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.12.2020 – 10 W 6/20

ZPO § 727
Nachweis der Rechtsnachfolge durch Handelsregisterauszug; Anforderungen

Im Rahmen des § 727 ZPO sind grundsätzlich keine gesteigerten Anforderungen an die Aktualität
eines zum Nachweis der Rechtsnachfolge vorgelegten Handelsregisterauszugs zu stellen.

Gründe

I.
Im Ausgangsverfahren ist der Antragsgegner im Jahr 2006 durch Versäumnisurteil zu einer
Zahlung verurteilt worden. Im Jahr 2009 ist zunächst der … als Rechtsnachfolgerin der
ursprünglichen Gläubigerin eine Vollstreckungsklausel erteilt worden. Im Juli 2019 hat die
Antragstellerin die Erteilung einer neuerlichen Rechtsnachfolgeklausel beantragt. Hierzu hat sie
geltend gemacht, sie sei durch Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der … geworden. Zum
Nachweis hat sie sich zunächst auf die Offenkundigkeit des Handelsregisters berufen und später
ergänzend einen beglaubigten Handelsregisterauszug vom 25.06.2015 vorgelegt.

Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die Rechtsnachfolge sei nicht nachgewiesen.
Der vorgelegte Handelsregisterauszug sei nicht hinreichend aktuell. Der Inhalt des
Handelsregisters sei auch nicht offenkundig. Hiergegen richtet sich die Antragstellerin mit ihrer
Beschwerde.

Mit Beschluss vom 31.07.2020 ist das Beschwerdeverfahren vom Einzelrichter auf den Senat
übertragen worden.

II.
Die nach §§ 567 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Nach
Auffassung des Senats sind grundsätzlich keine gesteigerten Anforderungen an die Aktualität
eines zum Nachweis der Rechtsnachfolge vorgelegten Handelsregisterauszugs zu stellen.
Nach § 727 Abs. 1 ZPO kann dem Rechtsnachfolger des Gläubigers eine
Rechtsnachfolgeklausel erteilt werden, sofern die Rechtsnachfolge bei dem Gericht offenkundig
ist oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird.
1. Zu Recht hat das Landgericht die Rechtsnachfolge nicht als offenkundig i.S.v. §§ 727, 291
ZPO angesehen. Dafür reicht eine etwaige Veröffentlichung im Internet unter
„www.handelsregister.de“ nicht aus, weil der Zugang zu Informationen auf dieser Seite eine
umfangreiche Registrierung voraussetzt und kostenpflichtig ist (OLG Naumburg NJW-RR 2012,
638; ausführlich LG Karlsruhe, Beschl. v. 13.07.2020 – 20 T 26/20 –, BeckRS 2020, 16586
m.w.N. zum Streitstand; vgl. auch BGH, Beschl. v. 26.08.2020 – VII ZB 39/19 –, WM 2020, 1880
Rn. 20 ff.).

2. Letztlich kann das aber hier dahinstehen. Denn die Antragstellerin hat ergänzend einen
beglaubigten Handelsregisterauszug über die Verschmelzung vorgelegt. Dieser Registerauszug
ist grundsätzlich als Nachweis der Rechtsnachfolge geeignet. Dem steht nicht entgegen, dass
der Auszug bereits längere Zeit vor der Antragstellung eingeholt wurde. Nach Auffassung des
Senats kommt es vielmehr im Rahmen des Nachweises der Rechtsnachfolge für die
Klauselerteilung nach § 727 ZPO grundsätzlich nicht auf den Ausstellungszeitpunkt des
vorgelegten Handelsregisterauszugs an.

a) Die Frage ist allerdings umstritten. Der BGH hat in einer früheren Entscheidung zum
Zustellungserfordernis gemäß § 750 Abs. 2 ZPO die Bedeutung der Aktualität des Nachweises
betont und zur Begründung darauf abgestellt, dass „anderenfalls nicht auszuschließen ist, dass
zwischen der Einsichtnahme in das Register und der Klauselerteilung Eintragungen in das
Register erfolgten, welche der bescheinigten Rechtsnachfolge entgegenstehen“ (BGH, Beschl.
v. 08.11.2012 – V ZB 124/12 –, BGHZ 195, 292 Rn. 9 zum Genossenschaftsregister; zust.
MüKo-ZPO/Wolfsteiner, 6. Aufl., § 726 Rn. 47, der allerdings von der Offenkundigkeit des
Handelsregisters ausgeht, a.a.O. Rn. 62). Die in dieser Entscheidung aufgestellten Grundsätze
hat der BGH zwar in Teilen später wieder aufgegeben (BGH, Beschl. v. 13.10.2016 – V ZB
174/15 –, JR 2018, 32); das bezog sich jedoch nicht auf das Aktualitätserfordernis (a.a.O. Rn.
17). Zum Teil werden Anforderungen an die Aktualität des Nachweises auch mit einer Parallele
zur Einholung eines Grundbuchauszugs durch den Notar nach § 21 BeurkG begründet (Ahrens
NJW 2017, 413, 414, unter Verweis auf OLG Frankfurt DNotZ 1985, 244).

In der Literatur ist das Aktualitätserfordernis im Rahmen des § 727 ZPO hingegen überwiegend
auf Ablehnung gestoßen (Alff, RPfleger 2013, 183, 185; Ulrici MittBayNot 2017, 417, 418;
Volmer ZfIR 2017, 206, 207; Kindl JR 2018, 36, 38; Böttcher ZfIR 2018, 121; vgl. im Ergebnis
auch OLG Hamm, Beschl. v. 25.04.2005 – 31 W 27/05 –, juris, für eine 1 Jahr alte notarielle
Registerbescheinigung nach § 21 BNotO).

b) Dieser Gegenauffassung schließt sich der Senat an. Aus § 727 ZPO ergeben sich
grundsätzlich keine besonderen Anforderungen an die Aktualität des Nachweises über die
Rechtsnachfolge.

aa) Nach dem Wortlaut des § 727 Abs. 1 ZPO beschränkt sich der erforderliche Nachweis auf
den Eintritt der Rechtsnachfolge. Die Vorschrift stellt weder darauf ab, wie lange die
Rechtsnachfolge zum Zeitpunkt des Klauselantrags zurückliegt, noch darauf, von welchem
Zeitpunkt der Nachweis stammt. Dass hingegen auch der Fortbestand der Rechtsnachfolge
durch weitere Nachweise zu belegen wäre, ergibt sich aus dem Gesetzestext nicht (vgl. dazu
auch Alff, RPfleger 2013, 183, 185 Ulrici MittBayNot 2017, 417, 418).

bb) Systematische Erwägungen sprechen ebenfalls gegen besondere Aktualitätserfordernisse.
Denn in anderen Fällen der Rechtsnachfolge bestehen keine derartigen Anforderungen.
Im Fall der Einzelrechtsnachfolge durch Abtretung steht außer Frage, dass zum Nachweis die
Vorlage der (öffentlich beglaubigten) Abtretungserklärung genügt (Zöller/Seibel, ZPO, 33. Aufl.,
§ 727 Rn. 20 m.w.N.), unabhängig von deren Ausstellungsdatum. Dass der Zessionar im
Folgenden Forderungsinhaber geblieben ist, muss er nicht nachweisen.
Nichts anderes gilt für die Gesamtrechtsnachfolge im Erbwege, § 1922 BGB. Der Erbe hat nur
die Erbfolge als solche zu beweisen, nicht den Fortbestand seiner Rechtsinhaberschaft. Dieser
Nachweis muss nicht mit aktuellen Urkunden geführt werden. Zwar wird regelmäßig ein
Erbschein vorgelegt werden, dessen bleibende Aktualität grundsätzlich dadurch gewährleistet
wird, dass er bei späterer Unrichtigkeit einzuziehen wäre, § 2361 BGB. Zwingend ist das jedoch
nicht. Vielmehr kann der Nachweis stattdessen auch mithilfe eines eröffneten öffentlichen
Testaments erfolgen (Zöller/Seibel a.a.O. unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 07.06.2005 – XI ZR
311/04 –, NJW 2005, 2779; vgl. auch § 35 Abs. 1 S. 2 GBO), und zwar unabhängig davon, wie
lange die Testamentseröffnung zurückliegt.

Dasselbe gilt allgemein, wenn die Rechtsnachfolge anders als durch einen Auszug aus dem
Handelsregister nachgewiesen wird, etwa durch Verweis auf eine Veröffentlichung im amtlichen
Gesetzblatt (vgl. dazu DNotI-Report 2014, 105, 107). Auch im Fall einer gesellschaftsrechtlichen
Verschmelzung – wie hier – wäre es zumindest theoretisch zulässig, den Nachweis durch
andere Urkunden als einen Handelsregisterauszug zu führen. Dabei kann selbst ein indirekter
Nachweis ausreichen: Denn nach allgemeinen Grundsätzen genügt es, wenn aufgrund der
Beweiskraft der öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde mit dem Eintritt der
nachzuweisenden Tatsache dem gewöhnlichen Geschehensablauf nach gerechnet werden
kann (vgl. BGH, Beschl. v. 30.08.2017 – VII ZB 23/14 –, MDR 2017, 1206 m.w.N.). Dem
Rechtsnachfolger ausschließlich dann besondere Aktualitätserfordernisse abzuverlangen, wenn
er als Nachweis das Handelsregister wählt, erscheint nicht gerechtfertigt.

Auch ein Gläubiger, der aus einem älteren Vollstreckungstitel vorgeht oder aufgrund einer vor
längerer Zeit erteilten Rechtsnachfolgeklausel vollstreckt, muss nicht von sich aus den
Fortbestand der Rechtsinhaberschaft nachweisen (Alff, RPfleger 2013, 183, 185; Ulrici
MittBayNot 2017, 417, 418; Kindl JR 2018, 36, 38; Böttcher ZfIR 2018, 121). Umstände, die eine
einmal eingetretene Rechtsnachfolge nachträglich wieder vernichten, sind vielmehr
grundsätzlich vom Schuldner im Rahmen der Klage nach §§ 768, 767 ZPO geltend zu machen
(BeckOK-ZPO/Ulrici, Stand: 01.09.2020, § 727 Rn. 23). Dasselbe gilt für den Eintritt auflösender
Bedingungen (vgl. Zöller/Seibel, ZPO, 33. Aufl., § 726 Rn. 14).

cc) Auch Sinn und Zweck des Klauselerteilungsverfahrens begründen nicht zwingend ein
Aktualitätserfordernis. Zwar erscheint es zweifellos erstrebenswert, dass die nach § 727 ZPO
erteilte Vollstreckungsklausel möglichst den aktuellen Rechtszustand im Zeitpunkt der
Klauselerteilung wiedergibt. Jedoch prüft die klauselerteilende Stelle dies – wie ausgeführt –
auch in anderen Fällen der Rechtsnachfolge nicht von Amts wegen. Zumindest im Fall der
gesellschaftsrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge erscheint die Missbrauchsgefahr ohnehin
gering: Falls die sich aus dem vorgelegten Handelsregisterauszug ergebende Rechtsnachfolge
nicht mehr aktuell ist, weil etwa in der Zwischenzeit eine weitere Gesamtrechtsnachfolge
eingetreten ist, wird der ursprüngliche Rechtsnachfolger in der Regel nicht mehr existieren, so
dass ein Klauselantrag von seiner Seite eher fernliegt (vgl. Alff, RPfleger 2013, 183, 185).
Hingegen lässt sich der Nachweis der Rechtsnachfolge nicht ohne Weiteres anderen Vorgängen
gleichstellen, die stärker vom Gesichtspunkt der Aktualität geprägt sind. Vielmehr hängt der
Beweiswert einer Urkunde im Allgemeinen umso stärker von ihrer Aktualität ab, je volatiler die
Umstände sind, auf die sie sich bezieht (vgl. zur notariellen Registerbescheinigung Diehn/Kilian,
BNotO, § 21 Rn. 35). Deshalb erscheint es etwa sinnvoll, für die – veränderliche –
Vertretungsbefugnis aktuelle Nachweise zu fordern; die Gesamtrechtsnachfolge unterliegt
demgegenüber keinen so schnellen und häufigen Wechseln (Volmer ZfIR 2017, 206, 207).
Ähnliches gilt für die Grundbucheinsicht des Notars nach § 21 BeurkG, deren Ziel es gerade ist
zu gewährleisten, dass die Urkundsparteien ihre Verfügungen auf der Grundlage des aktuellen
Rechtsstands treffen und nicht durch ihnen unbekannte Zwischenverfügungen geschädigt
werden; das ist der Klauselerteilung nicht ohne Weiteres gleichzustellen.

Auch darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass strengere Anforderungen an den Nachweis nicht
nur zu vermehrtem Aufwand, sondern auch zu höheren Kosten beim Gläubiger führen, die
letztlich vom Schuldner zu tragen sind, § 788 ZPO. Das zeigt sich beispielhaft am vorliegenden
Fall eines Inkassounternehmens als Rechtsvorgänger, das über eine Vielzahl von
Vollstreckungstiteln verfügt. Hier wird der Rechtsnachfolger nicht aus allen Titeln sofort
vollstrecken, sondern – abhängig von den individuellen Vollstreckungsaussichten – über längere
Zeiträume gestaffelt vorgehen. Müsste er dann in jedem Einzelfall erneut einen jeweils aktuellen
Registerauszug beibringen, fielen die Kosten hierfür den jeweiligen Schuldnern zur Last.
3. Die Kostenentscheidung folgt § 91 ZPO.

4. Die Rechtsbeschwerde war nach § 574 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 ZPO zuzulassen, weil die
Beschwerdeentscheidung des Senats von der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
abweicht.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diese Entscheidung kann Rechtsbeschwerde eingelegt werden, soweit sie mit dieser
Entscheidung zugelassen worden ist.

Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat
oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem
Bundesgerichtshof
Herrenstr. 45 A
76133 Karlsruhe
einzulegen.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung.

Die Rechtsbeschwerde wird durch Einreichen einer Rechtsbeschwerdeschrift eingelegt.
Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung
enthalten, dass Rechtsbeschwerde eingelegt werde.

Die Beteiligten müssen sich durch eine bei dem Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwältin oder
einen dort zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

Die Rechtsbeschwerde ist zudem binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt
ebenfalls mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung.

Rechtsbehelfe können auch als elektronisches Dokument eingelegt werden. Eine Einlegung per E-Mail ist
nicht zulässig. Wie Sie bei Gericht elektronisch einreichen können, wird auf www.ejustice-bw.de
beschrieben.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Karlsruhe

Erscheinungsdatum:

15.12.2020

Aktenzeichen:

10 W 6/20

Rechtsgebiete:

Beurkundungsverfahren
Grundbuchrecht
Gesetzliche Erbfolge
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

ZPO § 727