Vorkaufsrecht und Belange des Naturschutzes nach Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG
letzte Aktualisierung: 6.8.2021
VG Bayreuth, Urt. v. 10.9.2020 – B 2 K 18.1161
BayNatSchG Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 3, Abs. 2;
Vorkaufsrecht und Belange des Naturschutzes nach
1. Der Ausübung des Vorkaufsrechts gem. Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayNatSchG fehlt nach Art. 39
Abs. 2 BayNatSchG die Rechtfertigung, wenn das bebaute Grundstück nicht rückgebaut und in
einen naturnahen Zustand versetzt werden soll, sondern das Grundstück den Naturgenuss und die
Erholung in der freien Natur in der umliegenden Region nur mittelbar – hier: durch Einrichtung
eines Naturparkzentrums – fördern soll.
2. Gleiches gilt, wenn über das Grundstück Wanderwege verlaufen, sofern ein innerer Bezug zum
konkreten angrenzenden Gewässerabschnitt fehlt.
(Leitsatz der DNotI-Redaktion)
Entscheidungsgründe
Da alle Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben, konnte das Gericht
ohne selbige entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der Bescheid vom 22.10.2018 ist rechtswidrig und verletzt die
Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO, weil der Vorkaufsrechtsausübung die Rechtfertigung i.S.d.
Art. 39 Abs. 2 des Bayerischen Naturschutzgesetzes (BayNatSchG) fehlt (1.) und sie im Übrigen auch
ermessensfehlerhaft erfolgt ist (2.). Die übrigen von den Parteien thematisierten Punkte begründen hingegen
nicht die Stattgabe der Klage; so ist der Bescheid auf eine verfassungskonforme Rechtsgrundlage gestützt
(3.), formell rechtmäßig (4.) und das Gros der formellen und materiellen Voraussetzungen für die
Vorkaufsrechtsausübung nach
1. Der Ausübung des Vorkaufsrechts für das streitgegenständliche Grundstück fehlt die gemäß Art. 39 Abs. 2
BayNatSchG erforderliche Rechtfertigung.
Nach
zukünftig die Belange des Naturschutzes oder der Landschaftspflege oder das Bedürfnis der Allgemeinheit
nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur rechtfertigen. Das tatbestandliche Vorliegen der
Rechtfertigungsgründe für die Ausübung des Vorkaufsrechts unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung.
Anders als eine Enteignung, die nur zulässig ist, wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert und der
Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreichbar ist, kann die Ausübung des Vorkaufsrechts
schon dann gerechtfertigt sein, wenn der Erwerb eines Grundstücks vorteilhafte Auswirkungen auf die in Art.
39 Abs. 2 BayNatSchG genannten Belange hat. Als Rechtfertigungsgründe sind nicht nur die von der
Behörde innerhalb der Frist von zwei Monaten benannten, sondern auch die im weiteren Verfahren
vorgetragenen bzw. sich herausstellenden Gründe heranzuziehen. Da maßgebend für die Rechtswirksamkeit
und Rechtmäßigkeit der Ausübung der Zeitpunkt des Entstehens des Vorkaufsrechts mit Abschluss eines
wirksamen Kaufvertrags ist, ist allerdings Voraussetzung, dass diese Rechtfertigungsgründe nicht erst nach
diesem Zeitpunkt entstanden sind. Bei Aufwertungskonstellationen muss das objektive Aufwertungspotential
zum Zeitpunkt des Entstehens des Vorkaufsrechts gegeben sein, zugehörige Aufwertungsvorstellungen
spätestens im Zeitpunkt des Bescheiderlasses. Diese Unterscheidung ist gerechtfertigt, weil das objektive
Aufwertungspotential grundstücksbezogene Umstände betrifft, die auch für die Kaufvertragsparteien zum
Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses feststellbar sind. Dagegen ist es gerechtfertigt, für die zugehörigen
Aufwertungsvorstellungen auf den Zeitpunkt der Vorkaufsrechtsausübung abzustellen, weil sich diese
Vorstellungen, die erst zu einem konkreten Belang im Sinne des
Regel erst nach Kenntnis des Vorkaufsrechts innerhalb der Zweimonatsfrist nach Art. 39 Abs. 7
BayNatSchG, § 469 Abs. 2 S. 1 BGB bilden können, was das Gesetz gestattet, auch wenn dies für die
Kaufvertragsparteien nicht schon von vorneherein erkennbar ist (zum Ganzen: BayVGH, Urt.v. 01.10.2019 -
14 BV 17.419 - juris Rn. 35 m.w.N.). Die zur Rechtfertigung der Vorkaufsrechtsausübung von der Behörde
angeführten Aufwertungs- bzw. Nutzungsvorstellungen müssen dabei noch nicht in einer entsprechenden
Planung konkretisiert sein (vgl. ebd. Rn. 34).
Gemessen an diesen Maßstäben rechtfertigen die vom Beklagten angeführten Gründe nicht die Ausübung
des Vorkaufsrechts.
Im Einzelnen:
a) Soweit der Beklagte vorbringt, dass der ökologische Zustand der Wilden … nach dem vorläufigen, auf der
EU-Wasserrahmenrichtlinie beruhenden Zustandsbericht mit „mäßig“ eingestuft sei, weshalb sich in
Zusammenhang mit dem Naturparkzentrum die Möglichkeit biete, ökologische Aufwertungsmaßnahmen am
Gewässer durchzuführen, rechtfertigen diese die Vorkaufsrechtsausübung nicht. Die ökologische Aufwertung
eines Gewässers kann zwar ein Rechtfertigungsgrund i.S.d.
künftigen Belangen des Naturschutzes dienen (vgl. BayVGH, B.v. 15.11.2001 - 9 ZB 01.1937 - juris Rn. 6).
Aber dieser kann vorliegend keine Berücksichtigung finden, weil weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass
die Aufwertungsvorstellungen bereits bei der Vorkaufsrechtsausübung bestanden haben, wie es nach der
Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs erforderlich ist (s.o.). Vielmehr hat der Beklagte
die ökologische Aufwertung ausschließlich im Schriftsatz vom 09.09.2020 erwähnt. Auch in den
Behördenakten finden sich keine Hinweise darauf. Im Übrigen würde die ökologische Aufwertung des
Gewässers auch nicht die Vorkaufsrechtsausübung bezüglich der gesamten Vorkaufsfläche, sondern
allenfalls eines kleinen Uferbereichs rechtfertigen können. Dies ergibt sich u.a. daraus, dass sich das ca.
6.420 qm große streitgegenständliche Grundstück bis zu ca. 120 m von der Wilden … weg erstreckt, dabei
teils steil ansteigt und die auf dem Grundstück vorhandene Bebauung weitgehend erhalten bleiben soll, um
dort ein Naturparkzentrum zu betreiben.
b) Soweit der Beklagte die Vorkaufsrechtsausübung damit begründet, dass auf dem streitgegenständlichen
Grundstück ein Naturparkzentrum errichtet werden soll und dieses vorteilhafte Auswirkungen auf das
Bedürfnis der Allgemeinheit nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur habe, rechtfertigt dies die
Vorkaufsrechtsausübung ebenfalls nicht. Zwar kann ein Vorkaufsrecht nach Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BayNatSchG nicht nur mit Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege gerechtfertigt werden, wie
es typischerweise bei ökologischen Aufwertungskonstellationen vorliegt (s.o. Buchst. a)), sondern auch mit
einem Bedürfnis der Allgemeinheit nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur (vgl. BayVGH, B.v.
24.01.2001 - 9 ZB 99.241 - juris Rn. 6). Auch liegt ein überzeugendes, attraktives Nutzungskonzept für das
Naturparkzentrum vor. Dieses rechtfertigt aber dennoch nicht die Vorkaufsrechtsausübung:
aa) Nach Auffassung des Gerichts bedarf die Rechtfertigung eines klaren inneren Zusammenhangs zum
konkreten Gewässerabschnitt, der die Vorkaufsrechtsausübung gemäß Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayNatSchG
ermöglicht, d.h. hier, dass das Bedürfnis der Allgemeinheit nach Naturgenuss und Erholung in der freien
Natur einen klaren inneren Bezug zum angrenzenden Gewässerabschnitt haben muss. Dies ist vorliegend
jedoch nicht der Fall.
Das Erfordernis eines solchen inneren Zusammenhangs in Fällen des Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayNatSchG
ergibt sich zwar weder aus dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialen, die insoweit neutral sind,
aber vor allem aus folgenden teleologischen, systematischen und verfassungsrechtlichen Gründen: Erstens
sind Grundstücke, auf denen sich Gewässer befinden oder die daran angrenzen, einerseits wegen der
ökologischen Funktion der Gewässer und deren Wechselbeziehung zu den angrenzenden Landflächen,
andererseits in dem Bestreben, freien Zugang zu diesen Teilen der Natur zu gewährleisten, vom
Vorkaufsrecht erfasst (vgl. Fischer-Hüftle/Egner, BayNatSchG, Stand März 2019, Art. 39 Rn. 6). Ausgehend
von diesem Normzweck muss das Gewässer mit dem angrenzenden Grundstück in enger Beziehung stehen.
Zweitens wird dies auch an Art. 39 Abs. 1 S. 3 BayNatSchG deutlich. Er bestimmt nämlich für den Fall, dass
die Merkmale des Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 bis 3 BayNatSchG - hier also das Angrenzen an ein Gewässer -
nur bei einem Teil des Grundstücks vorliegen, dass sich das Vorkaufsrecht nur auf diese Teilfläche erstreckt.
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist bei an oberirdischen Gewässern
angrenzenden Grundstücken das Vorkaufsrecht zwar grundsätzlich nicht auf einen auf den Uferstreifen
entfallenden Teil des Grundstücks beschränkt, sondern kann sich trotz Art. 39 Abs. 1 S. 3 BayNatSchG auf
das gesamte Grundstück erstrecken. Bis zu welcher Größe bzw. Tiefe die an das Gewässer angrenzenden
Landbereiche dem Vorkaufsrecht unterliegen, beurteilt sich aber im Einzelfall nach Art. 39 Abs. 2
BayNatSchG, also nach der ökologischen Verflechtung von Gewässer- und Uferbereich mit den weiteren
Landflächen, und damit letztlich nach den Belangen, mit denen das Vorkaufsrecht gerechtfertigt wird
(BayVGH, B.v. 24.07.2018 - 14 ZB 17.2275 - juris Rn. 6; U.v. 01.10.2019 - 14 BV 17.419 - juris Rn. 31).
Somit fordert Art. 39 Abs. 1 S. 3 BayNatSchG zwar nicht im Rahmen der Prüfung des Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr.
1 BayNatSchG einen klaren inneren Bezug zum Gewässer, aber im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung
nach
zwangsläufig eine restriktive Auslegung des
inneren Zusammenhangs auch, um das Vorkaufsrecht nicht ausufern zu lassen. Andernfalls würden nahezu
alle auf oder an Gewässern gelegenen Grundstücke vom Vorkaufsrecht erfasst. Zwar handelt es sich beim
Vorkaufsrecht nicht um eine Enteignung, sondern um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des
Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 GG, weshalb seine Eingriffsintensität geringer ist. Die
Vorkaufsrechtsausübung greift aber in die von
und der Käufer ein (vgl. BayVGH, U.v. 09.07.2020 - 14 B 19.96 - juris Rn. 30). Deshalb würde es - bedenkt
man die große Zahl an Gewässern in Bayern und der daran angrenzenden Grundstücke - zu weit gehen,
nahezu alle diese Grundstücke mit einem Vorkaufsrecht zu belasten. Die vom Gesetzgeber mit dem
Vorkaufsrecht verfolgten Ziele würden diesen zumindest quantitativ weitreichenden Eingriff schwerlich
rechtfertigen. Aufgrund der Vielzahl an potentiellen Vorkaufsfällen würde die häufige Unsicherheit über die
Vorkaufsrechtsausübung im Einzelfall, die damit verbundene „Einpreisung“ im Verkaufsfall und mithin der
potentielle Eingriff in die Privatautonomie der Kaufvertragsparteien außer Verhältnis zum Gesetzeszweck
stehen.
Dies zu Grunde legend besteht vorliegend kein derartiger innerer Zusammenhang zwischen dem
streitgegenständlichen Grundstück und dem daran angrenzenden Flussabschnitt der Wilden …
Insbesondere mit Blick auf die Lage des streitgegenständlichen Grundstücks im Herzen des …, dessen gute
Anbindung durch die B … und die vielen vorbeiführenden Wanderwege ist gut nachvollziehbar, dass es sich
für den Beklagten und den Beigeladenen zu 2 um einen „idealen Standort“ für ein Naturparkzentrum handelt.
Alle in diesem Kontext vorgebrachten Aspekte haben aber nicht den erforderlichen inneren Bezug zum
angrenzenden Gewässerabschnitt. Dies gilt namentlich auch für den Umstand, dass die Flößerei einen
thematischen Schwerpunkt des Naturparkzentrums bilden soll. Die Wilde … ist nämlich im Bereich des
streitgegenständlichen Grundstücks offensichtlich weder flößbar noch zum Transport von Holz als typischem
Flößergut geeignet. Insbesondere Breite und Tiefe des Gewässers reichen im Bereich des
streitgegenständlichen Grundstücks hierfür nicht aus, wovon sich das Gericht im Augenscheinstermin am
07.09.2020 zweifelsfrei überzeugen konnte. Vor einigen Jahren wurde die Wilde … nämlich in diesem
Bereich renaturiert (vgl. Bl. 22 BA im Verfahren B 10 K 18.1160). Floßfahrten sind erst ab der Floßlände …
mehr als zwei Kilometer flussabwärts möglich. Auch der Vortrag, dass ökologische Aufwertungsmaßnahmen
im Rahmen des Naturparkzentrums erlebbar gemacht werden sollen, vermittelt nicht den erforderlichen
inneren Bezug, da er für das Naturparkzentrum nur von untergeordneter Bedeutung ist und im Konzept des
Beigeladenen zu 2 bisher keinen Niederschlag gefunden hat (vgl. Bl. 38 ff. BA). Dieser Vortrag erfolgte
zudem erst mit Schriftsatz vom 09.09.2020 und damit nach Bescheiderlass (s.o. Buchst. a)).
bb) Im Übrigen muss nach Ansicht des Gerichts der Rechtfertigungsgrund zumindest in Fällen des Art. 39
Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayNatSchG unmittelbar auf der Vorkaufsfläche (z.B. zwecks ökologischer Aufwertung)
oder allenfalls in engem räumlichen Zusammenhang damit (z.B. zwecks Schaffung eines Seezugangs)
verwirklicht werden. Eine bloße lockere mittelbare Förderung des Bedürfnisses nach Naturgenuss und
Erholung in der freien Natur durch die Vorkaufsfläche, wie es vorliegend geplant ist, genügt aus den unter
Buchstabe aa) genannten Gründen nicht. Dafür, dass der Naturgenuss und die Erholung in der freien Natur
auf der Vorkaufsfläche selbst oder allenfalls in unmittelbarer Nachbarschaft beabsichtigt sein müssen, spricht
zudem die Gesetzesbegründung, wonach beispielhaft der Ankauf von Grundstücken zur späteren Anlegung
eines Erholungsgebiets genannt ist (LT-Drs. 7/3007, S. 33), und auch der Gesetzeswortlaut „Bedürfnis der
Allgemeinheit nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur“. Selbst wenn man nicht der in der
Rechtsprechung vertretenen Ansicht folgen wollte, dass die Vorkaufsfläche zur „freien Natur“ i.S.d. Art. 26 ff.
BayNatSchG bzw. Art. 141 Abs. 3 S. 1 der Bayerischen Verfassung (BV) gehören muss (so VG München,
U.v. 23.10.2019 - M 19 K 18.343 - juris Rn. 55 f.; a.A. Fischer-Hüftle/Egner, BayNatSchG, Stand März 2019,
Art. 39 Rn. 5), so ist wenigstens zu fordern, dass die Vorkaufsfläche im Wesentlichen unbebaut ist oder nach
dem Erwerb durch Rückbau in einen naturnahen Zustand versetzt wird, damit darauf oder in unmittelbarer
Nähe der Naturgenuss und die Erholung in der freien Natur erfolgen können.
Im hier zu entscheidenden Fall soll das bebaute Grundstück jedoch nicht rückgebaut, mithin nicht in einen
naturnahen Zustand versetzt werden. Der Naturgenuss und die Erholung in der freien Natur sollen vielmehr
erst in der umliegenden Region erfolgen. Das streitgegenständliche Grundstück selbst soll diese
Rechtfertigungsgründe nur mittelbar fördern - u.a. indem das dort geplante Naturparkzentrum Verköstigung
bietet, über Naturthemen informiert und den Park-Rangern als Ausgangspunkt für Touren dient. Dieser
lockere mittelbare Bezug genügt nach den obigen Ausführungen nicht.
c) Soweit der Beklagte die Ausübung des Vorkaufsrechts darauf stützt, dass mehrere Wanderwege über das
streitgegenständliche Grundstück verlaufen würden und die Gefahr bestünde, dass die Kläger die Nutzung
unterbinden würden, rechtfertigt auch dies nicht die Ausübung des Vorkaufsrechts für das
streitgegenständliche Grundstück.
Wie bereits oben unter Buchstabe b) ausgeführt, ist zwar auch in Fällen des Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BayNatSchG das Bedürfnis nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur ein tauglicher
Rechtfertigungsgrund. Wanderwege dienen auch der Befriedigung dieses Bedürfnisses. Die Rechtfertigung
erfordert aber einen klaren inneren Bezug der Vorkaufsfläche zum angrenzenden Gewässerabschnitt, der
vorliegend fehlt. Auch der „…“ mit seinem thematischen Bezug zur Flößerei vermag diesen erforderlichen
Bezug nicht herzustellen, weil der dortige Flussabschnitt der Wilden … nicht flößbar ist (s.o.).
Im Übrigen würden die Wanderwege, selbst wenn man von einem ausreichenden inneren Bezug ausgehen
würde, nicht die Ausübung des Vorkaufsrechts für das gesamte streitgegenständliche Grundstück
rechtfertigen. Wenngleich die rechtmäßige Ausübung des Vorkaufsrechts nicht davon abhängig ist, dass der
verfolgte Zweck nicht auf andere Weise erreicht werden kann, mithin nicht, wie die Kläger meinen, eine
dingliche Sicherung der Wanderwege o.ä. als weniger einschneidendes Mittel einer Vorkaufsrechtsausübung
vorgehen würde (vgl. Fischer-Hüftle/Egner, BayNatSchG, Stand März 2019, Art. 39 Rn. 18, 21 m.w.N.). So
verlaufen die Wanderwege doch, wie sich das Gericht anhand der Aktenlage und im Rahmen des
Augenscheintermins überzeugen konnte, nur über eine kleine Teilfläche des 6.420 qm großen
streitgegenständlichen Grundstücks. Der das Grundstück von Südwest nach Nordost durschneidende
Fahrweg, auf dem das Gros der Wanderwege liegt, ist nicht Teil des Grundstücks, sondern ein eigenes, im
Eigentum des Markt … stehendes Buchgrundstück (Fl.-Nr. ccc, Gemarkung …; Bl. 270 ff., 283 f. GA). Auch
liegt das südliche Widerlager des dortigen über die Wilde … führenden Brückchens mit einer so breiten
Teilfläche auf dem Fahrweggrundstück, dass Fußgänger unproblematisch passieren können; zudem ist die
danebengelegene Furt unmittelbar an das Fahrweggrundstück angebunden, sodass eine alternative
Wegführung für Wanderer möglich wäre. Einzig die unmittelbar südwestlich des ehemaligen Gasthofs vom
Fahrweg Richtung … abzweigenden Wanderwege „…“, „…“ und „…“ verlaufen auf einer Länge von ca. 30 m
über die Vorkaufsfläche, sodass eine Vorkaufsrechtsausübung für diesen schätzungsweise 50 qm großen
Grundstücksteil zur Sicherung des Wanderwegenetzes genügt hätte.
2. Im Übrigen erfolgte die Vorkaufsrechtsausübung auch ermessensfehlerhaft, § 114 S. 1 VwGO.
Die Ausübung des Vorkaufsrechts, zu der der Beklagte hier allein gem. Art. 39 Abs. 3 S. 1 BayNatSchG
berufen ist, ist eine Ermessensentscheidung, was
zum Ausdruck bringt. Daran ändert auch Art. 39 Abs. 3 S. 4 BayNatSchG nichts, wonach der Freistaat
Bayern das Vorkaufsrecht auszuüben „hat“, wenn ein anderer Vorkaufsberechtigter dies „verlangt“. Die
Ermessensausübung besteht darin, dass die Behörde sämtliche Bestandteile des zu entscheidenden
Sachverhalts für sich bewertet und sodann ebenfalls alle entscheidungserheblichen
Sachverhaltsbestandteile im Verhältnis zueinander gewichtet und schließlich entscheidet, ob sie trotz
gegebenenfalls im Raum stehender (grund) rechtlich relevanter privater Belange das naturschutzrechtliche
Vorkaufsrecht ausübt. Bei der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung derartiger Ermessensentscheidungen
kommt dem Gericht kein eigenes Ermessen zu; vielmehr ist es insoweit auf die von § 114 VwGO
vorgegebenen Kontrollgrenzen beschränkt. Für die Frage, ob im Einzelfall die gebotene
Ermessensausübung pflichtgemäß oder fehlerhaft erfolgte, ist die nach Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG
erforderliche Begründung des Bescheids über die Vorkaufsrechtsausübung in den Blick zu nehmen - anders
als dies etwa bei der rein objektiven Prüfung der Rechtfertigung nach
Diese Begründung des Bescheids hat den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermessensausübung zu
entsprechen. Weil bei der von
„Rechtfertigungsprüfung“ die privaten Belange noch nicht inmitten stehen, ist das Ermessen bei der
Vorkaufsrechtsausübung auch dann nicht „intendiert“, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art.
39 Abs. 2 BayNatSchG vorliegen. Deshalb ist jedenfalls dann, wenn private Belange von (grund) rechtlichem
Gewicht im Raum stehen, bei der Ermessensausübung von der Verwaltung wertend zu begründen, weshalb
trotz dieser privaten Belange angesichts des Gewichts der Rechtfertigungsgründe gleichwohl das
Vorkaufsrecht ausgeübt wird. Dabei hängen Umfang und Tiefe der erforderlichen Begründung vom (grund)
rechtlichen Gewicht der jeweils im Raum stehenden privaten Belange ab (vgl. zum Ganzen BayVGH, U.v.
09.07.2020 - 14 B 19.96 - juris Rn. 27 ff. m.w.N.).
Diesen Anforderungen an die behördliche Ermessensausübung wird der streitgegenständliche Bescheid
nicht gerecht, wobei keinerlei Anhaltspunkte für eine Reduzierung des Ausübungsermessens ersichtlich sind.
a) Der Beklagte ging im Bescheid vom 22.10.2018 von den richtigen Grundsätzen für die
Ermessenausübung aus und hat auch ausführlich zu einer Vielzahl von Ermessensgesichtspunkten Stellung
genommen. Die im Einzelfall bestehenden privaten Belange der Kläger am Kauf des streitgegenständlichen
Grundstücks hat er aber nicht ausreichend einbezogen.
Der Beklagte legt im Bescheid vom 22.10.2018 korrekt dar, dass bei Vorliegen der in Art. 39 Abs. 1 und 2
BayNatSchG vorgesehenen Tatbestandsvoraussetzungen das jeweils betroffene Grundstück von vornherein
mit dem naturschutzrechtlichen Vorkaufsrecht „belastet“ ist und mit der Ausübung des Vorkaufsrechts
gerechnet werden muss, weshalb das Gewicht des Eingriffs in die Privatautonomie der Käufer (Art. 2 Abs. 1
GG), der mit der Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts stets verbunden ist, gemindert ist.
Diese regelmäßig angezeigte Minderung des Gewichts des Eingriffs in die Privatautonomie als einen privaten
Belang entbindet jedoch die Behörde nicht pauschal davon, sich damit sowie mit weiteren gegebenenfalls im
jeweiligen Einzelfall im Raum stehenden (grund) rechtlich geschützten privaten Belangen im Rahmen ihrer
Ermessensausübung selbst zu befassen und im Rahmen ihres Ermessens eine eigene Abwägung mit den
im Raum stehenden, die Vorkaufsrechtsausübung rechtfertigenden Belangen vorzunehmen, wenn auch die
besagte Minderung des Gewichts des Eingriffs in die Privatautonomie regelmäßig die Intensität der insoweit
gebotenen behördlichen Argumentationstiefe verringern wird (vgl. BayVGH, U.v. 09.07.2020 - 14 B 19.96 -
juris Rn. 31 f.).
Die konkreten (grund) rechtlich geschützten privaten Belange der Kläger werden im Bescheid im
Wesentlichen nur mit folgenden Sätzen gewürdigt (S. 10, Bl. 46 BA): „Weiterhin ist zu sehen, dass der
Betrieb des zwischenzeitlich angemeldeten Gewerbebetriebs an anderer Stelle unbenommen bleibt. Die
Standortverlagerung des Betriebes vor Ablauf der Zwei-Monats-Frist fällt - wie auch die übereilte
Vertragsdurchführung - in die Risikosphäre der ursprünglichen Kaufinteressenten.“ Insbesondere auf die Art
und Weise des Gewerbebetriebs sowie die daraus resultierenden Anforderungen an geeignete
Alternativgrundstücke nebst deren prognostischer Verfügbarkeit geht der Bescheid nicht ein. Auch mit
anderen persönlichen Belangen der Kläger, die Bezug zum naturnahen streitgegenständlichen Grundstück
haben, beispielsweise die Anzahl ihrer minderjährigen Kinder (Klagebegründung vom 14.01.2019, Bl. 57 GA)
und der Umstand, dass die Kläger auch eine Katzenhaltung und -zucht betreiben (Protokoll vom 07.09.2020,
Bl. 298 GA), setzt sich der Bescheid nicht auseinander. Da der Beklagte bei Bescheiderlass befürchtete,
dass der Ablauf der Ausübungsfrist unmittelbar bevorstehe, ist verständlich, dass er nähere, u.U.
zeitaufwändige Ermittlungen der privaten Belange unterlassen hat. Jedoch bestand erstens tatsächlich nicht
die Gefahr des Ablaufs der Ausübungsfrist, weil sie nicht in Lauf gesetzt worden ist (dazu sogleich). Zweitens
hat der Beklagte seine Ermessenserwägungen auch später diesbezüglich nicht ergänzt, mithin die
Möglichkeit einer Heilung nicht genutzt (zur Heilungsmöglichkeit: BayVGH, U.v. 09.07.2020 - 14 B 19.96 -
juris Rn. 33, 41 ff.; U.v. 01.10.2019 - 14 BV 17.419 - juris Rn. 59).
Die zweimonatige Frist des Art. 39 Abs. 7 BayNatSchG i.V.m. § 469 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 des Bürgerlichen
Gesetzbuches (BGB) zur Ausübung des Vorkaufsrechts hat vorliegend nicht zu laufen begonnen. Das
Schreiben des Notars … vom 21.08.2018, mit dem er einen Abdruck des Kaufvertrags übersandt hat, war
nämlich nicht an das Landratsamt …, sondern an das „Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung“,
mithin an eine andere Behörde unter einer anderen Adresse, gerichtet. Dass das Schreiben an das
Landratsamt … weitergeleitet worden ist und es so - zufällig - Kenntnis vom Kaufvertrag erlangte, setzt die
Ausübungsfrist nicht in Lauf (vgl. Fischer-Hüftle/Egner, BayNatSchG, Stand März 2019, Art. 39 Rn. 25).
Ebenfalls bewirkt der Umstand, dass das Schreiben vom 21.08.2018 den Adresszusatz
„Gutachterausschuss“ trug, nicht das Anlaufen der Ausübungsfrist, da es bereits nicht dessen korrekte
Adresse enthielt. Zudem sitzt der Gutachterausschuss zwar beim Landratsamt, die Kaufpreissammlung
einschließlich übersandter Unterlagen darf aber grundsätzlich nur von den Mitgliedern des
Gutachterausschusses und von den Bediensteten dessen Geschäftsstelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben
eingesehen werden (§ 11 Abs. 1 BayGaV). Darüber hinaus gewährt der Gutachterausschuss nur in engen
Grenzen Auskunft aus bzw. Einblick in die Kaufpreissammlung (vgl. § 195 Abs. 2, 3 BauGB, § 11 Abs. 2-4
BayGaV). Nach dem Sinn und Zweck der Mitteilungspflicht des
Vorkaufsberechtigten der Inhalt des Kaufvertrags mitzuteilen ist, damit dieser erwägen kann, sein
Vorkaufsrecht auszuüben, genügt eine Übersendung an den Gutachterausschuss folglich nicht, weil das
Landratsamt, namentlich die untere Naturschutzbehörde, bei einer Übersendung an den
Gutachterausschuss nicht zuverlässig Kenntnis vom Kaufvertrag erhält.
b) Darüber hinaus hat sich der Beklagte auch nicht ausreichend damit auseinandergesetzt, das
Vorkaufsrecht nur für eine Teilfläche auszuüben.
Zwar betont der Beklagte im Bescheid mehrfach, dass das gesamte streitgegenständliche Grundstück
benötigt wird. Weshalb nach Ansicht des Beklagten im zu entscheidenden Einzelfall keine Teilausübung
genügt, wird im Bescheid aber zu rudimentär und pauschal dargelegt. Weshalb für eine Sicherung der
Wanderwege nicht der Kauf der Teilfläche genügt, über die diese Wege verlaufen, erschließt sich nicht.
Ebenso setzt sich der Bescheid nicht näher damit auseinander, wieso auch die unbebauten bzw. mit
Nebengebäuden bebauten Grundstücksteile für das Naturparkzentrum zwingend erforderlich oder zumindest
förderlich sind. Auch ist nicht erkennbar, weshalb für die erstmalig im Schreiben vom 09.09.2020
vorgebrachte ökologische Aufwertung der Wilden … das gesamte streitgegenständliche Grundstück benötigt
wird. Eine Heilung durch hinreichende Ergänzung der Ermessenserwägungen erfolgte nicht.
Da der streitgegenständliche, belastende Verwaltungsakt nach alledem rechtswidrig ist und die Kläger durch
ihn auch in ihren Rechten verletzt werden, war der Klage durch Aufhebung dieses Bescheids stattzugeben.
3. Andere als die oben genannten Aspekte begründen hingegen nicht die Stattgabe der Klage. So ist
insbesondere die Rechtsgrundlage verfassungskonform. Nach ständiger Rechtsprechung bestehen gegen
die Gültigkeit der Regelungen über das Vorkaufsrecht in
Bedenken, weil sie als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 des
Grundgesetzes (GG) anzusehen sind (BayVGH, U.v. 01.10.2019 - 14 BV 17.419 - juris Rn. 25 m.w.N.).
4. Der Bescheid vom 22.10.2018 ist auch formell rechtmäßig. Insbesondere wurde der ursprünglich
bestehende Anhörungsmangel während des Laufs des gerichtlichen Verfahrens geheilt.
Eine Anhörung hätte vor Bescheiderlass erfolgen müssen, ist jedoch unterblieben. Nach Art. 28 Abs. 1 des
Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) ist der Adressat eines belastenden
Verwaltungsakts, um den es sich beim streitgegenständlichen Bescheid handelt, vor dessen Erlass
anzuhören. Von einer Anhörung kann zwar nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG abgesehen werden, wenn
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde.
Dies ist hier aber nicht der Fall. Die zweimonatige Ausübungsfrist, mit dessen drohendem Ablauf der
Beklagte die unterbliebene Anhörung begründet hat, hat vorliegend nämlich nicht zu laufen begonnen (s.o.
Nr. 2 Buchst. a)).
Der konstatierte Anhörungsmangel wurde jedoch gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG geheilt. Eine
Heilung setzt voraus, dass die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für
den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird. Selbst wenn man der Ansicht folgt,
dass Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren diese Voraussetzungen
nicht erfüllen (vgl. BVerwG, U.v. 22.03.2012 - 3 C 16/11 - juris Rn. 18), ist hier eine Heilung zumindest
dadurch eingetreten, dass der Beklagte die Anhörung auf einen entsprechenden richterlichen Hinweis hin
außerhalb des Gerichtsverfahrens ordnungsgemäß nachgeholt hat. So hat das Landratsamt … mit
Schreiben vom 09.03.2020 dem Beigeladenen zu 1 und den Klägern Gelegenheit zur Stellungnahme
gegeben und die daraufhin ausschließlich von den Klägern erfolgte Stellungnahme im Schreiben vom
02.04.2020 gewürdigt. Der Charakter der Vorkaufsrechtsausübung als fristgebundener Verwaltungsakt steht
einer solchen Heilung nicht entgegen (vgl. VG München, U.v. 23.10.2019 - M 19 K 18.343 - juris Rn. 40
m.w.N.).
Im Übrigen wäre der Anhörungsmangel nach
Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach Art. 44 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden,
weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit
zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht
beeinflusst hat. Vorliegend ist - obwohl es sich um eine Ermessensentscheidung handelt - ausnahmsweise
jeglicher Zweifel daran ausgeschlossen, dass das Landratsamt ohne den Verfahrensfehler anders
entschieden hätte (vgl. BayVGH, U.v. 09.07.2020 - 14 B 19.765 - juris Rn. 16 m.w.N.). Die auf das
Anhörungsschreiben des Landratsamts hin erfolgte alleinige Stellungnahme der Kläger vom 12.03.2020 hat
nämlich keine neuen, relevanten Gesichtspunkte ergeben. Daher kann mit Sicherheit davon ausgegangen
werden, dass das Landratsamt, hätte es diese Stellungnahme bereits vor Bescheiderlass gekannt, keine
andere Entscheidung als die Ausübung des Vorkaufsrechts zu Gunsten des Beigeladenen zu 2 getroffen
hätte.
5. Abgesehen von den unter Nrn. 1 und 2 genannten Punkten liegen die formellen und materiellen
Voraussetzungen für die Vorkaufsrechtsausübung vor bzw. können etwaige diesbezügliche Defizite keine
Rechtsverletzung der Kläger begründen, der Klage mithin nicht zum Erfolg verhelfen.
a) Die Ausübungsfrist des Art. 39 Abs. 7 BayNatSchG i.V.m. § 469 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB hat das
Landratsamt … gewahrt.
Danach kann das Vorkaufsrecht nur bis zum Ablauf von zwei Monaten nach dem Empfang der Mitteilung
über den Vorkaufsfall ausgeübt werden. Da es vorliegend an einer solchen ordnungsgemäßen Mitteilung
mangelt, ist die Ausübungsfrist nicht angelaufen (s.o. Nr. 2. Buchst. a)). Auch ist die Mitteilung vom Eintritt
des Vorkaufsfalles und vom Inhalt des Drittgeschäfts nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die Ausübung des
Vorkaufsrechts (vgl. BGH, U.v. 16.11.1970 - VIII ZR 121/69 - juris LS 4; Westermann in MüKo,
Aufl. 2019, Rn. 6).
b) Es ist ein Verkauf eines Grundstücks i.S.d. Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayNatSchG und damit ein
Vorkaufsfall gegeben.
Nach dieser Norm besteht ein Vorkaufsrecht für Grundstücke, die sich auf oberirdischen Gewässern
einschließlich Verlandungsflächen, ausgenommen Be- und Entwässerungsgräben, befinden oder die daran
angrenzen. Für ein „Angrenzen“ reicht es aus, dass das Grundstück an einer Stelle mehr als nur punktförmig
an das Gewässer angrenzt; es muss nicht mit einer ganzen Seitenlänge am Gewässer anliegen (vgl.
BayVGH, U.v. 01.10.2019 - 14 BV 17.419 - juris Rn. 30). Das streitgegenständliche Grundstück grenzt mit
seiner gesamten nördlichen Seite an die Wilde … und damit an ein oberirdisches Gewässer i.S.d. § 3 Nr. 1
des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) an, dessen Legaldefinition maßgeblich ist (ebd. Rn. 29).
c) Das Vorkaufsrecht konnte der Beklagte vorliegend auch zugunsten des Beigeladenen zu 2 ausüben.
Gem. Art. 39 Abs. 5 S. 1 BayNatSchG kann das Vorkaufsrecht auch zugunsten eines überörtlichen
gemeinnützigen Erholungsflächenvereins sowie zugunsten von gemeinnützigen Naturschutz-,
Fremdenverkehrs- und Wandervereinen ausgeübt werden, wenn diese einverstanden sind. Der Beigeladene
zu 2 ist ein solcher Naturschutz- und Erholungsflächenverein, wie § 2 seiner Satzung eindeutig entnommen
werden kann (Bl. 232 GA).
Auch lag das erforderliche Einverständnis des Beigeladenen zu 2 im Zeitpunkt der Bekanntgabe des
streitgegenständlichen Bescheids vor. Dieses bedarf keiner besonderen Form (vgl. Fischer-Hüftle/Eger,
BayNatSchG, Stand: März 2019, Art. 39 Rn. 4a). Somit stellt die hier mit E-Mail des Beigeladenen zu 2 vom
19.10.2018 an das Landratsamt … unter Beifügung eines entsprechenden Vorstandsbeschlusses vom
18.10.2018 übermittelte „Bitte“, das Vorkaufsrecht zu Gunsten des Beigeladenen zu 2 auszuüben, ein
formgültiges Einverständnis dar.
d) Ob das gemäß
Bayern deshalb nicht ausreicht, weil es unter dem Vorbehalt erklärt worden ist, dass der Beigeladene zu 2
den Erwerb aus eigenen Mitteln finanziert und die künftige Unterhaltung der Liegenschaft trägt, wie die
Kläger meinen, ist unerheblich. Die Kläger können sich nämlich zumindest nicht auf die Verletzung dieser
Vorschrift berufen, weil sie nicht ihrem Schutz, sondern dem des Staates dient (vgl. BayVGH, B.v.
26.07.2006 - 9 ZB 05.1233 - juris Rn. 36; Fischer-Hüftle/Egner, BayNatSchG, Stand März 2019, Art. 39 Rn.
4a).
e) Unerheblich ist auch die Befürchtung der Kläger, dass der Beigeladene zu 2 nicht in der Lage sei, den
Kaufpreis zu zahlen. Für den Kaufpreis haftet nämlich gemäß Art. 39 Abs. 6 S. 2 BayNatSchG der Freistaat
Bayern neben dem Begünstigten als Gesamtschuldner, sodass bereits allein deshalb keine Gefahr besteht,
dass der Kaufpreis nicht bezahlt wird (vgl. LT-Drs. 7/3007, S. 33).
6. Als unterlegener Beteiligter hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens nach
tragen. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, da
diese keinen Sachantrag gestellt haben und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben, §§ 154 Abs.
3, 162 Abs. 3 VwGO.
7. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 der
Zivilprozessordnung (ZPO).
8. Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache nach §§ 124a Abs. 1 S. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO zuzulassen. Insbesondere die Fragen, ob die Rechtfertigung einen klaren inneren Zusammenhang
zwischen Vorkaufsfläche und angrenzendem Gewässerabschnitt erfordert (s.o. Nr. 1. Buchst. b) aa)) sowie,
ob der Naturgenuss und die Erholung in der freien Natur in Fällen des Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayNatSchG
auf der Vorkaufsfläche selbst oder allenfalls in unmittelbarer Nachbarschaft erfolgen müssen (s.o. Nr. 1.
Buchst. b) bb)), war bislang nicht Gegenstand der obergerichtlichen bzw. höchstrichterlichen
Rechtsprechung und bedarf mit Blick auf die Rechtseinheit sowie Fortentwicklung des Rechts einer Klärung.
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Entscheidung, Urteil
Gericht:VG Bayreuth
Erscheinungsdatum:10.09.2020
Aktenzeichen:B 2 K 18.1161
Rechtsgebiete:
Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf
Öffentliches Baurecht
Sonstiges Öffentliches Recht
BayNatSchG Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 3, Abs. 2; BGB § 469 Abs. 2 S. 1