Erbbaurechtsvertrag öffentlich-rechtlicher Körperschaft mit Privatem: Verwendungsbeschränkung und Heimfallrecht für Zeitraum von mehr als 30 Jahren
Erbbaurechtsvertrag öffentlich-rechtlicher Körperschaft mit Privatem: Verwendungsbeschränkung und Heimfallrecht für Zeitraum von mehr als 30 Jahren
a) Das Gebot angemessener Vertragsgestaltung hindert eine öffentliche Körperschaft nicht daran, in einem Erbbaurechtsvertrag mit einem Privaten Verwendungs-beschränkungen und Heimfallrechte für die gesamte Dauer des Erbbaurechts und damit regelmäßig für einen Zeitraum von mehr als dreißig Jahren zu vereinbaren (Abgrenzung zu Senat, Urteil vom 21. Juli 2006 – V ZR 252/05,
b) Das Gebot verhältnismäßiger Ausübung vertraglicher Rechte verpflichtet eine öffentliche Körperschaft, die ein zu Wohnzwecken dienendes Erbbaurecht an einen Privaten ausgegeben hat, eine mit der Durchsetzung des Heimfallanspruchs verbundene Härte für den Erbbauberechtigten zu vermeiden, wenn das unter Wahrung des mit der Ausgabe des Erbbaurechts verfolgten Zwecks möglich ist.
BGH, Urt. v. 26.6.2015 – V ZR 144/14
Problem
Städte und Gemeinden veräußern Bauplätze häufig zur Verwirklichung städtebaulicher oder subventionsrechtlicher Zwecke, hinzu treten vielfach soziale Zwecke (Stichwort: Ansiedlung junger Familien). Die öffentliche Hand ist dabei bestrebt, die Zweckerreichung mit vertragsgestalterischen Mitteln abzusichern, vor allem dann, wenn die Veräußerung zu verbilligten Konditionen erfolgt. Ein solches Mittel liegt in der Vereinbarung von Veräußerungs- und Nutzungsbeschränkungen, z. B. dergestalt, dass das zu errichtende Gebäude für einen bestimmten Zeitraum ausschließlich vom Eigentümer und seiner Familie für eigene Wohnzwecke zu nutzen ist und dass eine Veräußerung innerhalb eines bestimmten Zeitraums der Zustimmung der Gemeinde bedarf.
Bereits 2006 lag dem BGH ein Fall zur Entscheidung vor, in dem sich die öffentliche Hand bei Verkauf eines Grundstücks ein Wiederkaufsrecht hatte einräumen lassen (BGH
Im vorliegenden Fall bestellte die Klägerin – Gemeinde einer nordfriesischen Insel – an einem ihr gehörenden Grundstück ein Erbbaurecht mit einer Laufzeit von 99 Jahren. Der Erbbaurechtsvertrag aus dem Jahr 2005 enthielt eine Verwendungsbeschränkung, wonach das Bauwerk ausschließlich als Wohngebäude für den Erbbauberechtigten und die in seinem Haushalt lebenden Familien-angehörigen zu Dauerwohnzwecken (melderechtlicher Hauptwohnsitz) genutzt werden darf. Hierdurch sollte die von der Gemeinde bezweckte Deckung des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung gesichert werden. Ein Verstoß gegen die Verwendungsbeschränkung löst nach dem Erbbaurechtsvertrag den Heimfall aus. Ferner ist vereinbart, dass die Nutzungsüberlassung an Dritte der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Eigentümers bedarf. Im Mietvertrag müssen demnach u. a. die Einhaltung der Verwendungsbeschränkung und eine ortsübliche Miete vereinbart sein, andernfalls ist der Eigentümer nicht zur Erteilung der Zustimmung verpflichtet.
Der Erbbauberechtigte vermietete das Gebäude an einen ortsansässigen Mieter und vereinbarte dabei einen Mietzins über der Vergleichsmiete. Eine schriftliche Zustimmung zur Vermietung wurde vorab nicht eingeholt. Als die Klägerin davon erfuhr, forderte sie den Erbbauberechtigten unter Fristsetzung auf, das Gebäude nach den Vorgaben des Erbbaurechtsvertrags zu nutzen. Nach erfolglosem Fristablauf machte die Klägerin den Heimfallanspruch geltend. Mit ihrer Klage verlangt sie die Rückübertragung des Erbbaurechts.
Entscheidung
Der BGH hebt das stattgebende Berufungsurteil (OLG Schleswig NJOZ 2014, 1299) auf und verweist die Sache zurück.
Zunächst untersucht der BGH die Wirksamkeit des Erbbaurechtsvertrags im Zeitpunkt des Vertrags-schlusses. Sowohl die Verwendungsbeschränkung (
Der BGH unterzieht die Gestaltung auch der AGB-Kontrolle nach den
Die in der Verwendungsbeschränkung für die gesamte Laufzeit des Erbbaurechts liegende Belastung des Erbbauberechtigten sei jedoch zu berücksichtigen, wenn die öffentliche Hand in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit über die Ausübung des Heimfallrechts entscheide. Neben die Wirksamkeitskontrolle (1. Stufe) tritt daher die Ausübungskontrolle (2. Stufe). Das Übermaßverbot ist demnach nicht nur bei der Vertragsgestaltung, sondern wegen der Bindung der öffentlichen Körperschaft an die Grundsätze des Verwaltungsprivatrechts auch bei der Ausübung vertraglicher Rechte zu beachten. Die öffentliche Hand habe im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu prüfen, ob die Durchsetzung des Heimfallanspruchs geboten sei, um den mit der Ausgabe des Erbbaurechts verfolgten Zweck zu sichern, oder ob sie eine unvermeidbare Härte für den Erbbauberechtigten darstelle. Im konkreten Fall fehlte es daran. Die Gemeinde hätte den Erbbauberechtigten insbesondere auf die Möglichkeit, die Zustimmung zur Vermietung einzuholen, und auf die Voraussetzungen der Zustimmungserteilung hinweisen müssen. Die Ausübung des Heimfallanspruchs stellte sich daher als unzulässig dar.
Hinweis
Zur zulässigen Bindungsdauer von Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen, wenn die Gemeinde Grundstücke verbilligt im Rahmen des sog. Einheimischenmodells verkauft, vgl. BGH
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:26.06.2015
Aktenzeichen:V ZR 144/14
Rechtsgebiete:
Öffentliches Baurecht
Erbbaurecht
DNotI-Report 2015, 125-126
MittBayNot 2016, 179-185
ZNotP 2015, 299-304
BauGB § 11 Abs. 2 S. 1; ErbbauRG § 2 Nr. 1 u. 4