Begriff der Hecke i. S. d. Landesnachbarrechte; keine immanente Höhenbegrenzung
letzte Aktualisierung: 2.5.2025
BGH, Beschl. v. 28.3.2025 – V ZR 185/23
Begriff der Hecke i. S. d. Landesnachbarrechte; keine immanente Höhenbegrenzung
a) Dem Begriff der Hecke im Sinne der Landesnachbargesetze (hier: § 39 Abs. 1 NachbG HE) ist
eine Höhenbegrenzung nicht immanent. Entscheidend für die Einordnung als Hecke ist vielmehr,
ob die Anpflanzungen im Einzelfall nach dem äußeren Erscheinungsbild bei einer natürlichen
Betrachtungsweise einen geschlossenen Eindruck als Einheit mit einem Dichtschluss sowie einer
Höhen- und Seitenbegrenzung vermitteln.
b) Wird eine Hecke auf einem Grundstück gepflanzt, das höher liegt als das Nachbargrundstück, ist
die nach den Landesnachbargesetzen zulässige Heckenhöhe grundsätzlich von der Stelle aus zu
messen, an der die Anpflanzungen aus dem Boden austreten. Erfolgt hingegen im zeitlichen
Zusammenhang mit der Anpflanzung eine (künstliche) Erhöhung des Grundstücksniveaus im
Bereich der Grundstücksgrenze, ist davon abweichend das ursprüngliche Geländeniveau maßgeblich
(Abgrenzung von Senat, Urteil vom 2. Juni 2017 – V ZR 230/16,
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, die Voraussetzungen für den geltend gemachten
Rückschnitts- und Unterlassungsanspruch aus
i.V.m. § 38 Abs. 1, § 39 Abs. 1 Nr. 1 des hessischen Nachbarrechtsgesetzes
(NachbG HE) lägen nicht vor. Bei der Bambusanpflanzung handele es sich um
eine Hecke. Dem Begriff der Hecke sei entgegen der Ansicht des Landgerichts
eine Höhenbegrenzung nicht immanent, sodass die mittlerweile erreichte Wuchshöhe
des Bambus seiner Einordnung als Hecke nicht entgegenstehe. Der somit
gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1 NachbG HE vorgeschriebene Grenzabstand von
0,75 Metern werde eingehalten, denn es sei als zugestanden anzusehen, dass
die Beklagte die Rhizomsperre in einem Abstand von 0,75 Metern zum klägerischen
Grundstück verlegt habe. Ein Rückschnitts- und Unterlassungsanspruch
ergebe sich auch nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis. Die von
dem Kläger dargelegten Auswirkungen der Bambusanpflanzung reichten nicht
aus, um die für einen solchen Anspruch erforderlichen ungewöhnlich schweren
und nicht mehr hinzunehmenden Beeinträchtigungen zu begründen.
II.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt
nicht stand.
1. Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass ein
Anspruch aus
bestehen kann, wenn gesetzliche Vorgaben über Grenzabstände nicht eingehalten
sind.
a) Auszugehen ist zunächst von dem in
Grundsatz, dass der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder
Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere
von jeder Einwirkung ausschließen kann. Dem Eigentümer eines Grundstücks
ist es daher im Zweifel erlaubt, sein Grundstück auf, unter und oberhalb
der Erdoberfläche (
innerhalb der räumlichen Grenzen des Grundstücks bewegt (vgl. Senat, Urteil
vom 10. Juli 2015 - V ZR 229/14,
1965 - V ZR 169/64,
die sich auf die eigene Fläche beschränkt und dem Nachbargrundstück nur
mittelbar Vorteile - wie etwa Licht und Luft - entzieht (sog. negative Einwirkungen),
im Grundsatz keine abwehrfähige Eigentumsbeeinträchtigung dar (st. Rspr.
vgl. Senat, Urteil vom 21. Oktober 1983 - V ZR 166/82,
Urteil vom 22. Februar 1991 - V ZR 308/89,
b) Nach der Rechtsprechung des Senats können allerdings negative Einwirkungen
dann als Eigentumsbeeinträchtigung anzusehen sein, wenn die betreffende
Grundstücksbenutzung gegen eine Rechtsnorm verstößt, die den Inhalt
des Eigentumsrechts im Interesse des Nachbarn beschränkt und damit zugleich
dessen Eigentumssphäre entsprechend erweitert. Eben solche Rechtsnormen
enthalten die Regelungen der auf Grundlage von
geltenden Landesnachbargesetze über den bei Anpflanzungen einzuhaltenden
Abstand (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 229/14,
Rn. 11).
c) Die sich aus dem Verstoß gegen die entsprechenden nachbarrechtlichen
Vorschriften ergebenden Ansprüche aus
zwar nicht unmittelbar auf den Rückschnitt von Anpflanzungen, sondern auf die
Beseitigung einer bestehenden Beeinträchtigung gerichtet. Es bleibt daher
grundsätzlich dem in Anspruch Genommenen überlassen, auf welchem Weg er
die Beeinträchtigung abwendet. Lässt sich dies im Einzelfall nur durch ein bestimmtes
positives Tun erreichen, kann der Nachbar auf der Grundlage von
wie etwa den Rückschnitt einer Anpflanzung, verlangen (vgl. Senat, Urteil vom
20. September 2019 - V ZR 218/18
2005 - V ZR 251/04, NJOZ 2005, 3210, 3211; Urteil vom 12. Dezember 2003
- V ZR 98/03,
des Verstoßes gegen den vorgeschriebenen Grenzabstand bei Bäumen und
Sträuchern einen Beseitigungsanspruch des Nachbarn (Abs. 1) sowie bei Hecken
einen Anspruch auf Rückschnitt auf die zur Einhaltung des Grenzabstandes
erforderliche Höhe (Abs. 2) vor.
2. Rechtsfehlerfrei ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass es
sich bei dem angepflanzten Bambus um eine Hecke im Sinne des hessischen
Nachbarrechtsgesetzes handelt, sodass bei einem Wuchs von mehr als zwei Metern
Höhe ein Grenzabstand von 0,75 Metern einzuhalten ist.
a) Das hessische Nachbarrechtsgesetz enthält in den §§ 38 ff. Vorschriften
über die einzuhaltenden Grenzabstände. Nach § 38 NachbG HE hat der Eigentümer
eines Grundstücks - von Ausnahmen abgesehen - bei dem Anpflanzen
von Bäumen je nach Art Abstände zwischen 1,5 und vier Metern von der Grenze
einzuhalten, bei dem Anpflanzen von Sträuchern entweder 0,5 Meter oder einen
Meter. Demgegenüber ist nach § 39 Abs. 1 NachbG HE bei dem Anpflanzen lebender
Hecken mit bis zu 1,2 Meter Höhe ein Abstand von 0,25 Metern, mit bis
zu zwei Metern Höhe ein Abstand von 0,5 Metern und mit über zwei Metern Höhe
ein Abstand von 0,75 Metern von dem Nachbargrundstück einzuhalten.
b) Der Begriff der Hecke ist im hessischen Nachbarrechtsgesetz nicht definiert.
Im Wesentlichen besteht jedoch Einigkeit, dass unter einer Hecke eine
Gruppe gleichartig wachsender Gehölze, die in langer und schmaler Erstreckung
aneinandergereiht sind und nach ihrem äußeren Erscheinungsbild einen geschlossenen
Eindruck als Einheit vermitteln, zu verstehen ist. Erforderlich ist,
dass mit den Anpflanzungen eine Höhen- und Seitenbegrenzung sowie ein Dichtschluss
erreicht wird, wobei es ausreicht, dass Letzterer erst durch das Pflanzenwachstum
entsteht. Es kommt nicht darauf an, aus welchen Gehölzen eine Hecke
besteht (in diese Richtung bereits Senat, Urteil vom 18. November 1977
- V ZR 151/75,
den Gehölzen entscheidend, weshalb auch der botanisch zu den Süßgräsern
zählende Bambus eine Hecke bilden kann (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 2015,
148 Rn. 23, 25; LG Bielefeld,
Limburg,
§ 39 Rn. 3 f.; Reich, Hessisches Nachbarrechtsgesetz, 2007, § 38 Rn. 10, § 39
Rn. 1; Hodes/Dehner, Hessisches Nachbarrecht, 5. Aufl., § 39 Rn. 1; Hinkel/Stollenwerk,
Nachbarrecht Hessen, 9. Aufl., § 39; Netz, Das Hessische Nachbarrecht,
2. Aufl., S. 96 ff.; Dehner, Nachbarrecht [Mai 2013], B § 22 II 5; Lüke in
Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 3. Aufl., Kapitel 2 Rn. 346;
s-Handbuch, 12. Aufl., § 21 Rn. 133; Bruns,
c) Uneinigkeit besteht hingegen in Rechtsprechung und Literatur darüber,
ob dem Begriff der Hecke eine Höhenbegrenzung immanent ist.
aa) Dies wird teilweise bejaht. Nach dieser - im hiesigen Verfahren auch
von dem Landgericht vertretenen - Ansicht verliert eine Anpflanzung ihre Eigenschaft
als Hecke, wenn sie eine Wuchshöhe von etwa drei Metern übersteigt (vgl.
AG Idstein,
LG Zweibrücken,
Rammert, Nachbarrecht Hessen, 2. Aufl., S. 33 [2,8 m]; Hinkel/Stollenwerk,
Nachbarrecht Hessen, 9. Aufl., § 39 [3 m]; Dehner, Nachbarrecht [Mai 2013],
B § 22 II 5 [etwa 3 m]; Netz, Das Hessische Nachbarrecht, 2. Aufl., S. 97 f.
[4-6 m]; wohl auch Füglein/Perpelitz, Das Nachbarrecht in Hessen, 22. Aufl., Anmerkungen
zu §§ 38 und 39). Für die diese Wuchshöhe übersteigenden Anpflanzungen
sollen sodann die Abstandsregelungen für Solitärgewächse gelten.
bb) Die Gegenauffassung verneint eine solche begriffsimmanente Höhenbegrenzung.
Die Eigenschaft als Hecke entfalle nicht allein auf Grund des Erreichens
einer bestimmten Wuchshöhe (so OLG Karlsruhe,
Rn. 27; LG Bielefeld,
auch LG Saarbrücken,
27. August 1996 - 36 C 201/96, juris Rn. 20; wohl auch Hodes/Dehner, Hessisches
Nachbarrecht, 5. Aufl., § 39 Rn. 2; widersprüchlich Reich, Hessisches
Nachbarrechtsgesetz, 2007, § 39 Rn. 1 und 2).
d) Der Senat - der schon bislang wesentlich höhere Anpflanzungen als
Hecken angesehen hat (vgl. etwa Senat, Urteil vom 2. Juni 2017 - V ZR 230/16,
Sinne der zuletzt genannten Ansicht. Dem Begriff der Hecke im Sinne der Landesnachbargesetze
ist eine Höhenbegrenzung nicht immanent. Entscheidend für
die Einordnung als Hecke ist vielmehr, ob die Anpflanzungen im Einzelfall nach
dem äußeren Erscheinungsbild bei einer natürlichen Betrachtungsweise einen
geschlossenen Eindruck als Einheit mit einem Dichtschluss sowie einer Höhenund
Seitenbegrenzung vermitteln.
aa) Gegen die Annahme einer Höhenbegrenzung für Hecken spricht bereits
der allgemeine Sprachgebrauch. Nach diesem werden Hecken eher funktionell
durch die von ihnen erzielte Abgrenzungs- und Schutzfunktion definiert,
ohne diese Funktionen zugleich mit einer Höhenbegrenzung in Verbindung zu
bringen (vgl. etwa in Brockhaus - Die Enzyklopädie, 20. Aufl., Bd. 9 S. 594;
Meyers enzyklopädisches Lexikon, 9. Aufl., Bd. 11 S. 583).
bb) Dass der hessische Landesgesetzgeber vom allgemeinen Sprachgebrauch
abweichen wollte, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen.
Vielmehr war es seine Intention, mit den §§ 38 ff. NachbG HE möglichst einfache
und übersichtliche Abstandsvorschriften zu schaffen (vgl. LT-Drucks. 4/1092
S. 3323). Während er aber bei der Bestimmung der Abstandsgrößen für solitär
stehende Pflanzen gemäß § 38 NachbG HE maßgeblich auf Wuchs und mögliche
Ausdehnung der Pflanzen abgestellt hat, ist dies bei der Festlegung der privilegierten
Abstandsregelungen für Hecken nicht erfolgt, obgleich Hecken aus
den unterschiedlichsten Gehölzen mit unterschiedlich ausgeprägtem Wachstum
bestehen können (so auch Bruns,
hat sich damit begnügt, das etablierte Gestaltungselement der Hecke nur
in einem Grenzbereich von 0,75 Metern zum Nachbargrundstück einer absoluten
Höhenbegrenzung zu unterwerfen. Mithin hat er auf eine darüberhinausgehende
Regelung verzichtet, obwohl ihm die Regelungsbedürftigkeit für hochwachsende
Hecken nicht hat verborgen bleiben können.
cc) Dass dem Begriff der Hecke keine Höhenbegrenzung immanent ist,
zeigt auch ein vergleichender Blick auf Nachbarrechtsgesetze anderer Bundesländer.
So enthalten etwa die inhaltsgleichen § 50 Abs. 1 und 2 des niedersächsischen
Nachbarrechtsgesetzes und § 34 Abs. 1 und 2 des Nachbarschaftsgesetzes
für Sachsen-Anhalt gestaffelte Abstandsregelungen für Hecken mit einer
Wuchshöhe von bis zu und über 15 Metern. Solcher Vorschriften bedürfte es
nicht, wenn Anpflanzungen ihre Heckeneigenschaft nach dem Erreichen einer
Wuchshöhe von etwa drei Metern verlören. Abstandsregelungen wie etwa in § 12
Abs. 1 des Nachbarrechtsgesetzes Baden-Württemberg, wonach Hecken ab einer
Höhe von 1,8 Metern über den Abstand von 0,5 Metern hinaus einen entsprechend
ihrer Mehrhöhe größeren Abstand einzuhalten haben, hätten nur einen
sehr begrenzten Anwendungsbereich, wenn ab einer Wuchshöhe von drei Metern
eine Hecke nicht (mehr) vorläge (vgl. für eine Übersicht der Abstandsregelungen
der einzelnen Bundesländer Fadi Al- in Jeromin/
Klose/Ring/Schulte Beerbühl, StichwortKommentar Nachbarrecht, 1. Aufl., Stichwort
Hecke" Rn. 5).
dd) Einen Wertungswiderspruch mit den für Solitärpflanzen geltenden Abstandsregelungen,
der zwingend dahingehend aufzulösen wäre, dass eine Hecke
nicht über drei Meter wachsen darf, vermag der Senat nicht zu erkennen (so
aber LG Limburg, SchAZtg 2006, 151, 152). Die unterschiedlichen Abstandsregelungen
resultieren vielmehr aus der gesetzgeberischen Intention, dichtschlüssige
Anpflanzungen auf Grund ihrer schützenden und gestaltenden Funktion anders
als solitär stehende Pflanzen zu behandeln. Es wäre auch systematisch wenig
überzeugend, wenn eine Hecke, die über eine bestimmte Höhe hinauswächst,
nicht mehr als Hecke, sondern als Solitärgewächs zu behandeln wäre
und den insoweit geltenden Abstandsvorschriften unterworfen würde. Zirkulär
und mit den in § 43 NachbG HE getroffenen Regelungen nicht in Einklang zu
bringen wäre die Annahme, es bestehe dann ein Anspruch darauf, die nunmehr
aufgrund ihrer Höhe als Solitärgewächs anzusehende Anpflanzung auf eine
Höhe zurückzuschneiden, bei der sie wieder als Hecke anzusehen ist.
ee) Nach alledem widerspräche es der klaren landesrechtlichen Regelung,
wenn die Gerichte in den Begriff der Hecke eine Höhenbegrenzung - etwa auf
drei Meter - hineinlesen würden. Aufgrund der Gewaltenteilung ist es vielmehr
Aufgabe des Gesetzgebers, eine Höhenbegrenzung oder weitergehende Abstandsvorschriften
für hochwachsende Hecken im Rahmen der ihm zustehenden
Einschätzungsprärogative festzulegen. Davon haben einige Landesgesetzgeber
auch Gebrauch gemacht; dass der hessische Landesgesetzgeber eine andere
Regelung getroffen hat, haben die Gerichte zu respektieren. Etwaigen Härten
infolge von besonderen Umständen des Einzelfalls kann unter Rückgriff auf das
nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis Rechnung getragen werden. Mit Hilfe dieser
Rechtsfigur können allerdings nur ungewöhnlich schwere und nicht mehr hinzunehmende
Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks, die von einer hohen
Hecke ausgehen, abgewehrt werden.
e) An diesen Grundsätzen gemessen ist es nicht zu beanstanden, dass
das Berufungsgericht die Bambusanpflanzung der Beklagten als Hecke im Sinne
von § 39 Abs. 1 NachbG HE einstuft. Fehler im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung
werden von der Revision nicht aufgezeigt und sind auch nicht ersichtlich.
3. Von einem Verfahrensfehler beeinflusst ist jedoch - wie die Revision
zutreffend rügt - die Feststellung des Berufungsgerichts, die mindestens sechs
bis sieben Meter hoch gewachsene Bambushecke wahre den nach § 39 Abs. 1
Nr. 1 NachbG HE einzuhaltenden Grenzabstand von 0,75 Metern.
a) Das Berufungsgericht hat keine eigenen Feststellungen dazu getroffen,
dass die Bambushecke (durchgehend) den vorgegebenen Abstand einhält. In
dem Tatbestand des Berufungsurteils wird zwar als unstreitig dargestellt, dass
die Beklagte im Abstand von 0,75 m zur Grundstücksgrenze eine Rhizomsperre
verbaute". Hierbei handelt es sich aber nicht um eine tatbestandliche Feststellung,
die der Senat seiner Entscheidung gemäß
zu legen hätte (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 15. Juli 2011 - V ZR 277/10,
dass die Tatsache im unstreitigen Tatbestand dargestellt wird, in den Urteilsgründen
damit, dass bereits das Landgericht ausgeführt habe, es sei als zugestanden
anzusehen", dass eine Rhizomsperre im Abstand von 0,75 Metern zur
klägerischen Grundstücksgrenze verbaut worden sei. Hiermit wird ersichtlich auf
die in den Gründen des landgerichtlichen Urteils ausgeführte Annahme Bezug
genommen, der Kläger sei dem Vorbringen der Beklagten, im Abstand von
0,75 Metern zur Grundstücksgrenze sei eine Rhizomsperre verbaut worden, die
verhindere, dass der Bambus in diesem Bereich wachse
e Würdigung,
ob eine Partei ihrer prozessualen Erklärungspflicht hinreichend nachgekommen
ist, muss aber ohne Einfluss auf die Wiedergabe des Parteivortrages
(als streitig) in den tatbestandlichen Feststellungen bleiben. Es handelt sich hierbei
um eine rechtliche Frage, die im Rahmen der Tatsachenwürdigung zu klären
ist (vgl. BGH, Beschluss vom 25. März 2014 - VI ZR 271/13,
Rn. 6; MüKoZPO/Musielak/Hüntemann, 7. Aufl., § 314 Rn. 5).
b) Die Annahme, der Kläger habe das Vorhandensein einer Rhizomsperre
im (durchgängigen) Abstand von 0,75 Metern von der Grundstücksgrenze nicht
ausdrücklich bestritten i.S.v.
hat, wie sich aus den im Berufungsurteil nach
Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts ergibt, bereits in erster In-
-0,75
angepflanzt worden. Weiterer Ausführungen hierzu bedurfte es weder für die Darlegung
der tatbestandlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Rückschnitts-
und Unterlassungsanspruchs noch, um die gegenteilige Behauptung
der Beklagten zu bestreiten, es sei im Abstand von 0,75 Metern von der Grenze
eine Rhizomsperre verbaut. Es ist auch nicht ersichtlich, was der Kläger hierzu
weiter hätte vortragen können und sollen. Während der von ihm behauptete Abstand
des Bambus von der Grundstücksgrenze seiner eigenen Wahrnehmung
unterliegt, kann dies hinsichtlich der Rhizomsperre nicht ohne weiteres angenommen
werden, da solche Sperren regelmäßig im Boden verlegt werden. Es wäre
nunmehr Sache des Tatrichters - etwa durch Augenschein - zu klären, welche
Behauptung zutrifft.
c) Im Übrigen hätte das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht geltend
macht, das Vorhandensein einer Rhizomsperre im Abstand von 0,75 Metern
von der Grundstücksgrenze auch deshalb nicht als unstreitig ansehen dürfen,
weil der Kläger ausweislich der Darstellung im Berufungsurteil in zweiter Instanz
vorgetragen hat, der Bambus wachse - offenbar aufgrund von Wurzelausläufern -
inzwischen auch auf seinem Grundstück. Dieser Vortrag war zu berücksichtigen,
da das Berufungsgericht ihn nicht nach
Trifft dieser Vortrag - wovon für das Revisionsverfahren auszugehen ist - zu, folgt
daraus zwingend, dass die Rhizomsperre, gleich in welchem Abstand zur Grenze
sie verbaut ist, das Weiterwachsen des Bambus nicht (durchgängig) zu verhindern
geeignet ist. Dann kann der Vortrag des Klägers, die Hecke weise (nur)
einen Abstand von 0,5-0,75 Metern von der Grenze auf, nicht mit der Begründung
als unzureichend angesehen werden, es sei im Abstand von 0,75 Metern eine
Rhizomsperre verbaut.
d) Der verfahrensfehlerhaft übergangene Vortrag ist auch entscheidungserheblich.
Unterschreitet die Bambushecke den Grenzabstand von 0,75 Metern,
darf sie nach § 39 Abs. 1 Nr. 2 NachbG HE eine Höhe von zwei Metern nicht
überschreiten. Dies hätte zur Folge, dass eine Eigentumsbeeinträchtigung vorläge,
die den geltend gemachten Rückschnitts- und Unterlassungsanspruch begründen
könnte.
III.
1. Das Berufungsurteil kann daher im Umfang der Revisionszulassung keinen
Bestand haben und ist insoweit aufzuheben (
ist im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen, da sie nicht zur Endentscheidung reif ist
(
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Zunächst wird das Berufungsgericht die notwendigen Feststellungen zu
dem streitigen Grenzabstand der Bambushecke zu treffen haben, da dieser sowohl
für den Rückschnitts- und Unterlassungsanspruch aus
i.V.m. § 39 NachbG HE als auch für den bisher unberücksichtigt gebliebenen
Rückschnittsanspruch aus § 43 Abs. 2 Satz 1 NachbG HE von Relevanz ist.
b) Sollte das Berufungsgericht feststellen, dass die Bambushecke - wie
vom Kläger behauptet - den nach § 39 Abs. 1 Nr. 1, § 41 NachbG HE einzuhaltenden
Grenzabstand von 0,75 Metern unterschreitet und (teilweise) in einem
Abstand von 0,5 Metern zum klägerischen Grundstück wächst, wird es ggf. darauf
ankommen, ob - wie der Kläger meint - die dann zulässige Wuchshöhe der
Bambushecke von zwei Metern von seinem tiefer gelegenen Grundstück aus zu
messen ist.
aa) Für den Fall, dass die Hecke auf dem tiefer gelegenen Grundstück
wächst, hat der Senat bereits entschieden, dass die zulässige Pflanzenwuchshöhe
von dem höheren Geländeniveau des Nachbargrundstücks aus zu messen
ist (vgl. Senat, Urteil vom 2. Juni 2017 - V ZR 230/16,
Rn. 16). Wie die Messung im umgekehrten Fall zu erfolgen hat, wenn also - wie
hier - die Grenzbepflanzung auf dem höher gelegenen Grundstück steht, hat der
Senat ausdrücklich offengelassen.
(1) Nach einer Ansicht soll in diesen Fällen das Geländeniveau des tiefer
liegenden Grundstücks maßgeblich sein (vgl. Hornmann, Hessisches Nachbarrechtsgesetz,
2021, § 41 Rn. 4; Bruns,
auch auf einen Mittelwert der Geländestufen abgestellt (so zu § 42 NachbG NRW
Schäfer/Fink-Jamann/Peter, Nachbarrechtsgesetz Nordrhein-Westfalen,
18. Aufl., § 42 Rn. 8).
(2) Nach der Gegenansicht ist die Höhe der Hecke von dort zu messen,
wo die Pflanzen aus dem Boden treten (vgl. LG Düsseldorf,
Lüke in Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 3. Aufl., Kapitel 2
Rn. 346; Füglein/Perpelitz, Das Nachbarrecht in Hessen, 22. Aufl., Anmerkungen
zu §§ 38 und 39; Dehner, Nachbarrecht [Mai 2013], B § 22 II 5; Hinkel/Stollenwerk,
Nachbarrecht Hessen, 9. Aufl., § 39; wohl auch Rammert, Nachbarrecht
Hessen, 2. Aufl., S. 31). Teilweise wird jedoch davon eine Ausnahme gemacht,
wenn der Niveauunterschied nicht auf einem natürlichen Geländeverlauf beruht,
sondern das Ergebnis einer (künstlichen) Bodenerhöhung ist (so Fadi Al-
Nachbarrecht, 1. Aufl., Stichwort Rn. 7).
(3) Der Senat entscheidet diese Rechtsfrage wie folgt: Wird eine Hecke
auf einem Grundstück gepflanzt, das - wie hier - höher liegt als das Nachbargrundstück,
ist die nach den Landesnachbargesetzen zulässige Heckenhöhe
grundsätzlich von der Stelle aus zu messen, an der die Anpflanzungen aus dem
Boden austreten. Erfolgt hingegen im zeitlichen Zusammenhang mit der Anpflanzung
eine (künstliche) Erhöhung des Grundstücksniveaus im Bereich der Grundstücksgrenze,
ist davon abweichend das ursprüngliche Geländeniveau maßgeblich.
(a) Einer landesrechtlichen Vorschrift wie § 39 Abs. 1 NachbG HE liegt die
von dem jeweiligen Landesgesetzgeber getroffene Abwägung der Interessen von
Eigentümern benachbarter Grundstücke zu Grunde. Durch die Festlegung von
gestaffelten Grenzabständen für bestimmte Heckenhöhen wird ein Ausgleich
zwischen dem Interesse des Grundstückseigentümers, sein Grundstück durch
dichtwachsende Anpflanzungen zu begrünen und sämtliche (Schutz-)Funktionen
einer Hecke zu genießen, und dem Interesse des Grundstücksnachbarn, nicht
durch den Entzug von Wasser, Licht und Luft oder optisch-bedrängend beeinträchtigt
zu werden, vorgenommen. Demnach finden die aus den Grenzabstandsregelungen
folgenden Eigentumsbeschränkungen ihre Rechtfertigung in
dem auf gegenseitige Rücksichtnahme angelegten nachbarlichen Verhältnis. Vor
diesem Hintergrund ist in Fällen, in denen eine Hecke auf dem tiefer gelegenen
Grundstück gepflanzt wird, die zulässige Wuchshöhe nach dem höheren Geländeniveau
des Nachbargrundstücks zu bemessen, weil die das Eigentumsrecht
beschränkenden Nachteile des Nachbarn regelmäßig erst ab dem Erreichen der
Geländestufe seines Grundstücks auftreten (vgl. Senat, Urteil vom 2. Juni 2017
- V ZR 230/16,
(b) Soweit der genannten Entscheidung des Senats teilweise die Wertung
entnommen wird, dass es für den relevanten Messpunkt (allein) auf das Maß der
Beeinträchtigung des Nachbarn ankomme (vgl. OLG Naumburg,
Rn. 18; LG Wuppertal, Urteil vom 9. Januar 2018 - 1 O 215/14, juris Rn. 51; wohl
auch Bruns,
Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks sind auch die Rechte des anpflanzenden
Grundstückseigentümers aus
mit einzubeziehen. In diese Eigentumsrechte würde erheblich eingegriffen,
wenn die zulässige Höhe einer Hecke stets von dem tieferliegenden Grundstück
aus zu messen wäre, also auch in dem Fall, dass die Hecke auf dem höherliegenden
Grundstück angepflanzt wird. Zwar ist der Revision zuzugeben, dass
dem Interesse des Eigentümers des höhergelegenen Grundstücks an einem
Sichtschutz regelmäßig bereits durch die Lage seines Grundstücks Rechnung
getragen wird. Die Funktion einer Hecke erschöpft sich aber nicht in dem von ihr
vermittelten Sichtschutz, sondern dient darüber hinaus insbesondere auch dem
Windschutz, der Beschattung und als landschaftliches Gestaltungs- und Abgrenzungselement.
(c) Auch der Eigentümer eines höhergelegenen Grundstücks darf sich darauf
verlassen, dass er (nur) die landesrechtlichen Höhenvorgaben für Hecken
einhalten muss. Wäre hingegen der Messpunkt auf dem tiefer gelegenen Grundstück
maßgeblich, hätte das zur Folge, dass die Bepflanzung auf dem höher gelegenen
Grundstück stets niedriger sein müsste als es das Gesetz erlaubt. Bei
Geländestufen von über zwei Metern wäre eine Heckenbepflanzung auf dem höher
gelegenen Grundstück innerhalb eines Abstands von 0,75 Meter sogar gänzlich
ausgeschlossen (vgl. Schäfer/Fink-Jamann/Peter, Nachbarrechtsgesetz
Nordrhein-Westfalen, 18. Aufl., § 42 Rn. 7). Das wäre mit der klaren landesnachbarrechtlichen
Regelung unvereinbar.
(d) Der Grundsatz, dass es für die Bestimmung der zulässigen Höhe einer
auf dem höhergelegenen Grundstück angepflanzten Hecke auf dessen Bodenniveau
ankommt, bedarf aber einer Einschränkung dahingehend, dass Aufschüttungen,
die sich als Umgehung der landesnachbarrechtlich einzuhaltenden Abstandsvorschriften
darstellen, nicht zu berücksichtigen sind. Insoweit ist der anpflanzende
Grundstückseigentümer nicht schutzbedürftig, sodass das vor der
Aufschüttung vorhandene Grundstücksniveau bei der Höhenmessung der Hecke
heranzuziehen ist. Eine solche Umgehung liegt allerdings nicht vor, wenn das
Grundstück aufgrund der natürlichen Gegebenheiten - etwa einer Hanglage - höher
liegt als das Nachbargrundstück, oder wenn das Grundstücksniveau vor der
Anpflanzung insgesamt erhöht wird, etwa durch eine Aufschüttung im Rahmen
der Bebauung des Grundstücks. Vielmehr kommt eine Umgehung abstandsrechtlicher
Regelungen nur in Betracht, wenn in zeitlichem Zusammenhang mit
der Anpflanzung der Hecke das Geländeniveau gerade im Bereich der Grundstücksgrenze
erhöht wird, etwa durch die Aufschüttung eines Erdwalls oder ähnliche
Maßnahmen. Denn ein solches Vorgehen rechtfertigt regelmäßig die Annahme,
dass die Erhöhung des Grundstücksniveaus dem Zweck diente, die Vorgaben
des Nachbarrechts für den Grenzabstand der Hecke zu umgehen. In einem
solchen Fall ist für die landesrechtlich zulässige Heckenhöhe ausnahmsweise
das Geländeniveau im Bereich der Anpflanzung vor der Aufschüttung maßgeblich.
bb) Im vorliegenden Fall scheidet eine Umgehung abstandsrechtlicher
Vorschriften schon deshalb aus, weil die Beklagte im Zusammenhang mit der
Anpflanzung keine Aufschüttung vorgenommen, sondern die Hecke auf einer bereits
seit Jahrzehnten vorhandenen Aufschüttung angepflanzt hat. Die Anpflanzung
einer Hecke im Bereich eines bereits seit langem vorhandenen höheren
Geländeniveaus stellt sich nicht als Umgehung der Abstandsvorschriften zulasten
des Nachbarn, sondern als zulässige Nutzung des eigenen Grundstücks im
Rahmen der Eigentümerbefugnisse dar. Der Eigentümer ist unter keinem rechtlichen
Gesichtspunkt gehalten, eine auf seinem Grundstück bereits seit längerem
vorhandene Aufschüttung vor der Anpflanzung zu beseitigen.
c) Sollte der Grenzabstand eingehalten sein, gibt die Zurückverweisung
dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich erneut mit dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis
zu befassen und hierzu gegebenenfalls weitere Feststellungen
zu treffen.
aa) Wie das Berufungsgericht im Einklang mit der Rechtsprechung des
Senats richtig sieht, kommt eine selbstständige Verpflichtung der Beklagten zum
Rückschnitt der Bambushecke und zur Unterlassung unter dem Gesichtspunkt
des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses nur in Betracht, wenn ein über
die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden
Interessen dringend geboten erscheint. Daher ist es erforderlich, dass der Kläger
wegen der Höhe der Bambushecke ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden
Beeinträchtigungen ausgesetzt ist (vgl. Senat, Urteil vom 20. September
2019 - V ZR 218/18,
- V ZR 229/14,
- V ZR 102/03,
bb) Die Beurteilung, ob solche Beeinträchtigungen gegeben sind, obliegt
dem erkennenden Tatgericht unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des
Einzelfalls, weshalb eine pauschale Höchstgrenze für Grenzbepflanzungen abzulehnen
ist (so aber für Hecken über 3 m LG Saarbrücken,
407 und AG Saarbrücken, Urteil vom 27. August 1996 - 36 C 201/96, juris
Rn. 18). Eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung kommt hier jedenfalls insoweit
in Betracht, als der Kläger - wie die Revision aufzeigt - vorgetragen hat, die Bambusanpflanzung
bilde zusammen mit der Grenzanlage eine zehn Meter hohe
Wand, die die freie Aussicht vom ersten und zweiten Obergeschoss und sogar
vom Dachgeschoss seines Wohnhauses in Richtung des Grundstücks der Beklagten
behindere; er blicke vielmehr auf eine grüne Wand" bzw. gegen einen
Bambuswald" und an diesem hinauf. Ob, wie die Revision geltend macht, die
Grenzbepflanzung damit einer Einmauerung" des klägerischen Grundstücks
gleicht (vgl. zu diesem - dem öffentlichen Baurecht entlehnten - Begriff etwa OVG
Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Juni 2021 - 7 B 757/21, juris Rn. 5 zu
einer baulichen Anlage sowie VG Aachen, Urteil vom 22. September 2022 - 3 K
1257/20, Rn. 35 ff. zu einer Hecke), und ob diese sich als ungewöhnlich schwere
und nicht mehr hinzunehmende Beeinträchtigung für den Kläger darstellt, ist in
tatrichterlicher Würdigung zu beurteilen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:28.03.2025
Aktenzeichen:V ZR 185/23
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BGB § 1004 Abs. 1