OLG Frankfurt a. Main 16. November 2020
20 W 252/19
BGB § 883 Abs. 2 S. 1

Keine Einzelfreigabe von Wohnungen aus einer Vormerkung nach Teilung eines Grundstücks in Wohnungseigentum

letzte Aktualisierung: 28.7.2021
OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.11.2020 – 20 W 252/19

BGB § 883 Abs. 2 S. 1
Keine Einzelfreigabe von Wohnungen aus einer Vormerkung nach Teilung eines
Grundstücks in Wohnungseigentum

Wird bei Teilung eines Grundstücks in Wohnungseigentum eine zuvor bestehende
Auflassungsvormerkung in den einzelnen Wohnungsgrundbuchblättern vermerkt, können später
nicht einzelne Wohnungen aus der Vormerkung „freigegeben“ werden. Die Vormerkung kann nur
insgesamt gelöscht werden.

Gründe

I.
Die Beteiligte zu 3, die Mutter des Beteiligten zu 1, war im Grundbuch eingetragene Alleineigentümerin
des Grundstücks Straße1 in Stadt1 (Grundbuch von Stadt1, Bl. …). Als
Belastung des Grundstücks eingetragen war eine Grundschuld für die Sparkasse Oberhessen.
Mit notariellem Vertrag vom 04.09.2009 (UR-Nr. …/2009 des jetzigen Bevollmächtigten
der Beteiligten) schenkte die Beteiligte zu 3 dem Beteiligten zu 1 das Grundstück. Dabei
behielt sie sich den unbefristeten Nießbrauch an dem Grundstück vor. Gemäß § 6 des
Vertrages („Rücktritt“) behielt sie sich weiter vor, unter gewissen, im Vertrag näher bezeichneten
Voraussetzungen die Rückübereignung des Grundstücks zu verlangen. Der
Beteiligte zu 1 und die Beteiligte zu 3 bewilligten und beantragten, zur Sicherung dieses
Rückübereignungsanspruchs eine Vormerkung für die Beteiligte zu 3 in das Grundbuch
einzutragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf diesen verwiesen
(Aktendeckel).

Der Vertrag wurde vollzogen und die Vormerkung eingetragen.

Mit notarieller Teilungserklärung vom 07.09.2018 (UR-Nr. …/2018 des jetzigen Bevollmächtigten
der Beteiligten) teilte der Beteiligte zu 1 das Grundstück gemäß § 8 WEG in
drei Miteigentumsanteile mit Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung. Mit weiterem
notariellem Vertrag vom selben Tag (UR-Nr. …1 des jetzigen Bevollmächtigten der
Beteiligten) verkaufte der Beteiligte zu 1 eine der Wohnungen an den Beteiligten zu 2.
Urkundsbeteiligte war auch die Beteiligte zu 3. In § 2 (2) Abs. 2 des Vertrages heißt es:
Die [Beteiligte zu 3] als Berechtigte [der Vormerkung und des Nießbrauchs] bewilligt
die Pfandentlassung des Miteigentumsanteils […], verbunden mit dem
Sondereigentum an der Wohnung […] und der [Beteiligte zu 1] beantragt die Löschung
dieser Rechte auf dem verkauften Miteigentumsanteil […] auf seine Kosten
im Grundbuch.

In der Urkunde erklärten die Beteiligten zu 1 und 2 die Auflassung und bevollmächtigten
den Notar, deren Eintragung im Grundbuch zu bewilligen und zu beantragen. Der Notar
wurde mit der Abwicklung des Vertrages betraut und bevollmächtigt, die Beteiligten im
Grundbuchverfahren uneingeschränkt zu vertreten. Wegen der weiteren Einzelheiten der
Urkunde wird auf diese verwiesen (Bl. 2/4 ff. d.A.).

Auf die Teilungserklärung wurden die Wohnungsgrundbücher Bl. … bis … angelegt,
für die verkaufte Wohnung das Wohnungsgrundbuch Bl. …. Die Vormerkung, der Nießbrauch
und die Grundschuld wurden in allen Wohnungsgrundbüchern eingetragen. Wegen
der Einzelheiten des Inhalts des Wohnungsgrundbuchs Bl. … wird auf dieses verwiesen
(Aktendeckel).

Mit Schriftsatz des Notars vom 21.03.2019 hat dieser unter Bezug auf den Kaufvertrag
und unter Vorlage einer Löschungsbewilligung der Grundschuldgläubigerin die Löschung
der Grundschuld sowie der Vormerkung und des Nießbrauchs für die Beteiligte zu 3 bewilligt
und beantragt, zunächst noch nach den Bezeichnungen in dem ursprünglichen
Grundbuchblatt, außerdem die Eigentumsumschreibung auf den Beteiligten zu 2. Wegen
der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz verwiesen (Bl. 3/1 ff. d.A.). Mit ergänzendem
Schriftsatz vom 22.05.2019 hat der Notar die Löschung der Grundschuld in allen
drei Wohnungsgrundbüchern beantragt und die Rechte nach dem Wohnungsgrundbuch
bezeichnet. Auch insoweit wird wegen der Einzelheiten auf den Schriftsatz verwiesen (Bl.
3/6 ff. d.A.).

Mit Beschluss vom 11.09.2019 (Bl. 3/12 f. d.A.) hat das Grundbuchamt den Antrag insgesamt
zurückgewiesen. Durch die Löschung der Vormerkung lediglich an einer Einheit
würden die übrigen Grundbücher unrichtig, da der Gegenstand der möglichen Rechts-
änderung dann nicht mehr mit dem Belastungsgegenstand übereinstimme. Der bisherige
Anspruch sei gerichtet auf die Rückübertragung des gesamten Grundstücks. Nach
der Freigabe einer einzelnen Wohnung könne sich der Anspruch lediglich noch auf die
Rückübertragung der übrigen Einheiten beziehen. Dies stelle ein echtes Aliud zu dem
ursprünglich gesicherten Anspruch dar, so dass keine Auslegung dahingehend erfolgen
könne, dass gleichzeitig eine Wiederaufladung der eingetragenen Vormerkungen stattgefunden
habe. Die erforderliche Kongruenz für eine Wiederaufladung der eingetragenen
Vormerkung liege in diesem Fall nicht vor. Aufgrund des rechtlichen und wirtschaftlichen
Zusammenhangs werde von einem stillschweigenden Vorbehalt gemäß § 16 Abs. 2
GBO ausgegangen, so dass auch die übrigen Anträge zurückzuweisen gewesen seien.
Dagegen wendet sich die durch den Notar eingelegte Beschwerde, mit der begehrt wird,
das Grundbuchamt anzuweisen, die mit Schriftsatz vom 21.03.2019 gestellten Anträge
zu vollziehen. Die Beteiligte zu 3 habe durch die Mitwirkung in der Kaufvertragsurkunde
und durch die Erklärung der „Pfandhaftentlassung“ ihre Rechte an dem verkauften Wohnungseigentum
unwiderruflich aufgegeben. Dies sei als Zustimmung zur Teilung gemäß
§§ 876, 877 BGB zu werten. Die Berechtigte der Vormerkung könne einzelne Belastungsgegenstände
unter Aufhebung ihrer Ansprüche aus dem einzelnen Gegenstand freigeben.
Es sei nicht nachvollziehbar, warum dies nicht möglich sein solle.

II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nachdem der Notar nicht ausdrücklich mitgeteilt hat, in wessen Namen er im Rahmen
der Vollmacht nach § 15 GBO die Beschwerde eingelegt hat, ist davon auszugehen, dass
Beschwerdeführer sämtliche Antragsberechtigte im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 2 GBO
sind, also hier die Beteiligten (vgl. OLG Frankfurt v. 17.04.2018 - 20 W 12/18, Juris-Rn. 7;
KG NJW-RR 2019, 1413; OLG Köln FGPrax 2019, 253).

Die Beschwerde ist zwar gemäß §§ 71 Abs. 1, 73 GBO zulässig, aber unbegründet. Im Ergebnis
zu Recht hat das Grundbuchamt den Eintragungsantrag zurückgewiesen. Eine Löschung
der Vormerkung nur in dem Wohnungsgrundbuch der verkauften Wohnung, nicht
aber in denen der weiteren Wohnungen wäre inhaltlich unzulässig (vgl. für Grunddienstbarkeit
BGH NJW-RR 2019, 914 Rn. 9). Anders als das Grundbuchamt meint, kann nicht
auf die Unrichtigkeit der übrigen Wohnungsgrundbücher abgestellt werden, denn diese
werden nicht durch die Löschung der Vormerkung in nur einem der anderen Grundbücher
unrichtig, sondern durch die der Vormerkung den Boden entziehenden Vereinbarung
der Beteiligten.

Wird Wohnungseigentum gebildet, so sind die im bisherigen Grundstücksgrundbuch eingetragenen
Rechte, wenn sie am gesamten Grundstück lasten, in sämtliche neu gebildeten
Wohnungsgrundbuchblätter zu übertragen (Kral, in: BeckOK WEG, 42. Edit., Std.
01.08.2020, § 7 Rn. 30; Rapp, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2018, § 7 WEG Rn. 10;
Zimmer, in: Jennißen, WEG, 6. Aufl. 2019, § 3 Rn. 11). Ist eine Auflassungsvormerkung
am Grundstück eingetragen, so ist auch diese entsprechend auf alle gebildeten Wohnungseigentumseinheiten
zu übertragen (Müller, in: BeckOGK, Std. 01.03.2020, § 2 WEG
Rn. 46; Rapp aaO., § 3 WEG Rn. 26a). So geschah es auch vorliegend.

Die Vormerkungswirkung geht dabei auf die Aufhebung des Wohnungseigentums und
Verschaffung des ungeteilten Grundstückseigentums. Die Begründung von Wohnungsei-
gentum stellt eine vormerkungswidrige Verfügung dar - oder ist zumindest als solche zu
behandeln -, die gemäß § 883 Abs. 2 Satz 1 BGB dem Vormerkungsberechtigten gegenüber
unwirksam ist (vgl. Müller aaO.; Rapp aaO.). Entgegen dem äußeren Anschein handelt
es sich trotz der Verteilung auf alle Wohnungsgrundbuchblätter nicht um jeweils einzelne
die jeweilige Wohnung betreffende Vormerkungen, sondern weiterhin um eine einzige
Vormerkung, die sich über das gesamte Grundstück und damit über alle Wohnungen
erstreckt (vgl. für Grunddienstbarkeit als weiterhin „einheitliches Recht“ BayObLG
Rpfleger 1983, 434).

Soll, wie vorliegend, eine einzelne Wohnung aus der Vormerkung „freigegeben“ werden,
so muss aufgrund der strengen Akzessorietät der Vormerkung (vgl. dazu BGHZ 221,
229 Rn. 12) der von der Vormerkung gesicherte Anspruch entsprechend geändert werden.
Der Rückübertragungsanspruch der Beteiligten zu 3 dürfte sich dann nicht mehr auf
das gesamte Grundstück, sondern nur noch auf die zwei verbliebenen Wohnungen erstrecken.
Dies scheint von den Beteiligten in der Tat auch so gewollt zu sein und mag
ihren Erklärungen in der notariellen Urkunde zu dem Kaufvertrag im Wege der Auslegung
zu entnehmen sein. Auch in diesem Fall ist es aber unzulässig, nur in einem Wohnungsgrundbuch
die Vormerkung zu löschen. Vielmehr muss dann die sich über alle
Wohnungsgrundbücher erstreckende Vormerkung zunächst insgesamt gelöscht werden,
weil der zugrundeliegende Anspruch erloschen ist. Sodann sind zur Sicherung des neu
begründeten Anspruchs neue einzelne Vormerkungen nur hinsichtlich der noch betroffenen
Wohnungen einzutragen.

Bei Anspruchsänderung bleibt eine Vormerkung ohne neue Eintragung aufgrund geänderter
Bewilligung wirksam, wenn der geänderte Anspruch deckungsgleich mit dem zuvor
bestehenden ist. Dies gilt auch im Falle verminderten Vormerkungsschutzes, insbesondere
im Fall einer Verminderung des Anspruchsziels, etwa des Bezugs nur noch auf
eine Teilfläche statt auf das gesamte Grundstück bei einer Auflassungsvormerkung (Assmann,
in: BeckOGK, Std. 01.11.2020, § 883 BGB Rn. 80.1, § 885 BGB Rn. 15; Herrler, in:
Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 885 Rn. 20; Kohler, DNotZ 2011, 808, 829; stillschweigend
vorausgesetzt von OLG München NJW-RR 2014, 976, 978).

So liegt der Fall hier aber nicht. Das Verhältnis zwischen dem Anspruch auf Rückforderung
nur noch eines Teils (hier zwei von drei) der durch Teilung entstandenen Wohnungseigentumseinheiten
und dem auf das gesamte ungeteilte Grundstück bezogenen
Rückforderungsanspruch stellt sich nicht als „Minus“, sondern, wie das Grundbuchamt
zutreffend ausgeführt hat, als „Aliud“ dar. Die bloße Reduzierung der betroffenen
Wohnungseigentumseinheiten wäre zwar ein „Minus“, aber zwischen dem Anspruch auf
Rückerstattung des nicht zerlegten Grundstücks und dem Anspruch auf die entsprechenden
Wohnungseigentumseinheiten besteht ein maßgeblicher qualitativer Unterschied.
Dies folgt schon daraus, dass, wie oben angegeben, die Umwandlung in Wohnungseigentum
als vormerkungswidrige Verfügung anzusehen ist.

Dem Grundbuchamt ist auch darin zuzustimmen, dass hier eine stillschweigende Bestimmung
nach § 16 Abs. 2 GBO vorliegt (vgl. Demharter, GBO, 31. Aufl. 2018, § 16 Rn. 11),
so dass sämtliche Anträge zurückzuweisen sind. Hiergegen wendet sich die Beschwerde
auch nicht.

Eine ausdrückliche Kostenentscheidung ist entbehrlich. Die Beteiligten haben als Beschwerdeführer
die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens schon nach § 22 Abs. 1
GNotKG zu tragen. Zu einer abweichenden Entscheidung besteht keine Veranlassung.

Auch einer Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit von notwendigen Aufwendungen
im Beschwerdeverfahren bedarf es mangels weiterer Beteiligter nicht.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 1.Alt. GBO
zur Fortbildung des Rechts. Die Frage, ob in der hier vorliegenden Konstellation eine Vormerkung
hinsichtlich nur einer von mehreren betroffenen Wohnungen gelöscht werden
kann, war bisher, soweit ersichtlich, nicht Gegenstand vertiefter Behandlung in Rechtsprechung
und Schrifttum, könnte aber nicht unerhebliche praktische Bedeutung haben.
Der Geschäftswert entspricht dem für die Wohnung vereinbarten Kaufpreis.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Frankfurt a. Main

Erscheinungsdatum:

16.11.2020

Aktenzeichen:

20 W 252/19

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Vormerkung
WEG

Erschienen in:

FGPrax 2021, 106-108
NotBZ 2021, 427-428

Normen in Titel:

BGB § 883 Abs. 2 S. 1