§ 878 BGB bei Wegfall der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers
letzte Aktualisierung: 09.04.2020
OLG Köln, Beschl. v. 18.11.2019 – 2 Wx 337/19
BGB §§ 873, 878, 2205;
Fällt die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers im Nachhinein weg, findet der
insoweit keine analoge Anwendung. (Leitsatz der DNotI-Redaktion)
Gründe:
I.
Im Grundbuch des im Rubrum bezeichneten Grundbesitzes sind als Eigentümer die Erben
der am 22.10.2017 verstorbenen A (Erblasserin) eingetragen, u.a. auch der Beteiligte zu
3). Der Beteiligte zu 1) ist – ehemaliger - Testamentsvollstrecker über den Nachlass der
Erblasserin.
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 05.03.2018 – UR.Nr. 5xx/2018 des Notars B in
C (Bl. 211 ff. d.A.) - verkaufte der Beteiligte zu 1) in seiner Eigenschaft als
Testamentsvollstrecker über den Nachlass der Erblasserin den im Rubrum bezeichneten
Grundbesitz zu einem Kaufpreis von 225.000,00 € an die Beteiligte zu 2). Zugleich wurde
die Auflassung erklärt. Mit Schriftsatz vom 13.07.2018 haben die Beteiligten zu 1) und 2)
u.a. die Eintragung des Eigentumswechsels beantragt (Bl. 262 d.A.).
Durch am 10.08.2018 erlassenen Beschluss hat das Grundbuchamt eine
Zwischenverfügung erlassen (Bl. 266 ff. d.A.). Zur Begründung wird ausgeführt, es seien
Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass es sich nicht um eine (voll) entgeltliche Verfügung
handele. Die Beteiligten zu 1) und 2) seien geschäftlich miteinander bekannt. Zudem
würden die Angaben zum Verkehrswert des Nachlassgrundstücks nicht überzeugen.
Schon im Jahre 1995 sei von der Erblasserin ein Kaufpreis von 465.000,00 DM gezahlt
worden. Seit 1995 seien die Preise für Wohnungseigentum allgemein, aber auch im C
Süden deutlich gestiegen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum dies für den im Rubrum
bezeichneten Grundbesitz nicht gelten solle. Zum Vollzug des Antrags vom 13.07.2018 sei
daher die Zustimmung aller Erben und Vermächtnisnehmer erforderlich. Zur Behebung der
Eintragungshindernisse hat das Grundbuchamt eine Frist bis zum 08.12.2018 gesetzt.
Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat der Senat
durch Beschluss vom 14.11.2018, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird,
zurückgewiesen (Bl. 305 ff. d.A.).
Mit Schriftsatz vom 21.11.2018 ist der Eintragungsantrag vom 13.07.2011
zurückgenommen worden (Bl. 344 d.A.).
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 06.06.2019 – UR.Nr. xxx0/2019 des Notars B in
C (Bl. 367 ff. d.A.) – haben der Beteiligte zu 1) in seiner Eigenschaft als
Testamentsvollstrecker über den Nachlass der Erblasserin und die Beteiligte zu 2) als
Erwerberin den notariellen Vertrag vom 05.03.2018 geändert und den Kaufpreis um
101.500,00 € auf 326.500,00 € erhöht. Zugleich wurde erneut die Auflassung erklärt.
Mit Schriftsatz vom 18.07.2019 hat der beurkundende Notar B erneut beantragt, das
Eigentum an dem im Rubrum bezeichneten Grundbesitz auf die Beteiligte zu 2)
umzuschreiben (Bl. 366 d.A.). Dem Schriftsatz sind eine beglaubigte Abschrift der
notariellen Urkunde vom 06.06.2019 und eine Kopie eines Gutachtens des
Sachverständigen D vom 08.05.2019 betreffend den Verkehrswert des im Rubrum
bezeichneten Grundbesitzes zu den Stichtagen 22.10.2017 und 05.03.2018 (Bl. 371 ff.
d.A.) beigefügt worden.
Durch am 03.09.2019 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts- Nachlassgerichts – Bonn,
35 VI 922/17, ist der Beteiligte zu 1) aus seinem Amt als Testamentsvollstrecker entlassen
worden (Bl. 446 ff. d.A.).
Durch am 10.09.2019 erlassenen Beschluss hat das Grundbuchamt eine
Zwischenverfügung erlassen und ausgeführt, dass eine neue Auflassung durch einen noch
zu bestellenden Einzeltestamentsvollstrecker und die Zustimmung aller im Grundbuch als
Rechtsnachfolger der Erblasserin eingetragenen Miterben sowie aller Vermächtnisnehmer
gemäß dem Feststellungsbeschluss des Nachlassgerichts vom 13.04.2018 (35 VI 245/18)
erforderlich seien (Bl. 432 ff. d.A.). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die
Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers mit seiner Entlassung vor der Eintragung
der Eigentumsumschreibung fortgefallen sei.
Finanzamt habe einen Wert des Grundbesitzes in Höhe von 419.040,00 € festgestellt.
Gegen diesen den Beteiligten zu 1) und 2) am 11.09.2019 zugestellten Beschluss hat die
Beteiligte zu 2) mit am 28.10.2019 beim Amtsgericht Bonn eingegangenen Schriftsatz vom
25.10.2019 Beschwerde eingelegt (Bl. 451 ff. d.A.). Zur Begründung hat sie ausgeführt,
dass der nun angepasste Kaufpreis dem Verkehrswert entsprechen würde. Dies sei durch
das Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen D
nachgewiesen. Auf die Einschätzung des Finanzamtes komme es nicht an, weil sie auf
rein statistischen Werten beruhe. Der Sachverständige habe dagegen auf den konkreten
Einzelfall abgestellt. Der Zustimmung der Erben bedürfe es nicht, weil ein voll entgeltliches
Rechtsgeschäft vorliege. Es sei gem.
nach Stellung des Eintragungsantrags aus seinem Amt als Testamentsvollstrecker
entlassen worden sei.
und Rechtsprechung auf Fälle der Amtsenthebung eines Testamentsvollstreckers
entsprechend anzuwenden. Die Beschwerdeführerin sei auch schutzwürdig. Sie habe auf
die Angaben des Testamentsvollstreckers und der Sachverständigen vertraut.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde der Beteiligten zu 2) durch Beschluss vom
06.11.2019 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung
vorgelegt (Bl. 673 ff. d.A.).
II.
Die Beschwerde ist nach
und Weise gem. § 73 GBO eingelegt worden.
In der Sache hat die Beschwerde einen – vorläufigen – Erfolg, weil das Grundbuchamt
eine Zwischenverfügung mit einem nach § 18 GBO unzulässigen Inhalt erlassen hat.
Durch den Erlass einer Zwischenverfügung nach § 18 GBO sollen dem Antragsteller der
Rang und die sonstigen Rechtswirkungen erhalten bleiben, die sich nach dem Eingang
des Antrags richten und die durch die sofortige Zurückweisung verloren gingen. § 18 GBO
bezieht sich daher nur auf die Beseitigung eines der Eintragung entgegenstehenden
Hindernisses und ist nicht anwendbar, wenn der Mangel des Antrags nicht mit
rückwirkender Kraft geheilt werden kann. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zulässig, mit
einer Zwischenverfügung auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts hinzuwirken, das
Grundlage der einzutragenden Rechtsänderung sein soll, weil sonst die beantragte
Eintragung einen ihr nicht gebührenden Rang erhielte (BGH, Beschluss vom 26.09.2013 –
V ZB 152/12,
Gemessen daran ist die Zwischenverfügung unzulässig. Denn hier hat das Grundbuchamt
u.a. verlangt, dass ein noch zu bestellender Testamentsvollstrecker erneut die Auflassung
des im Rubrum bezeichneten Grundbesitzes erklärt. Bei der Auflassung handelt es sich
indes um die Grundlage der einzutragenden Rechtsänderung. Sie kann im Wege der
Zwischenverfügung nicht verlangt werden.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Es ist bereits zweifelhaft, ob im Hinblick auf den Ergänzungsvertrag vom 06.06.2019 und
die Erhöhung des Kaufpreises auf 326.500,00 € nunmehr von einer vollen Entgeltlichkeit
der Verfügung über den im Rubrum bezeichneten Grundbesitz auszugehen ist. Hiergegen
spricht, dass die maßgeblichen Rechtsgeschäfte, die Erhöhung des Kaufpreises und die
erneute Auflassung, Mitte des Jahres 2019 geschlossen wurden, während sich die im
Auftrag der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1) erstellte Begutachtung durch
den Sachverständigen D auf die Stichtage 22.10.2017 und 05.03.2018 bezieht. Schon in
diesem Zeitraum von nicht einmal ca. 4,5 Monaten zwischen den beiden Stichtagen soll
sich der Verkehrswert nach den Feststellungen des Sachverständigen um 11.500,00 €
erhöht haben. Im Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt ist
davon auszugehen, dass sich die Preise im Allgemeinen und auch der konkrete
Verkehrswert des streitgegenständlichen Objekts bis zum 06.06.2019 weiter nach oben
entwickelt haben. Weitere Zweifel an der Angemessenheit des Kaufpreises von
326.500,00 € ergeben sich aufgrund der Feststellungen des Finanzamtes, das einen Wert
von 419.040,00 € angenommen hat. Allein der Vortrag der Beschwerdeführerin, dass das
Finanzamt von statistischen Werten ausgehe und nicht den konkreten Einzelfall
berücksichtige, erklärt nicht die erhebliche Differenz von rund 100.000,00 € zwischen den
Feststellungen des Finanzamtes und des Sachverständigen. Letztlich kann die Frage, ob
eine unentgeltliche Verfügung im Sinne von
Denn der Beteiligte zu 1) hat seine Befugnis gem.
bezeichneten Grundbesitz zu verfügen, mit seiner Entlassung aus dem Amt des
Testamentsvollstreckers vor Vollendung der Übertragung des Eigentums auf die Beteiligte
zu 2) verloren. Grundsätzlich muss aber der gem.
Verfügende zum Zeitpunkt der (der Einigung nachfolgenden) Eintragung des
Eigentumsübergangs im Grundbuch noch verfügungsberechtigt sein (vgl. nur
Palandt/Herrler, BGB, 78. Aufl. 2019, § 878 Rn. 1). Etwas anderes ergibt sich hier auch
nicht gem.
Betracht, weil der Beteiligte zu 1) nicht als Berechtigter in seiner Verfügungsmacht
beschränkt worden ist. Auch eine analoge Anwendung scheidet hier aus.
Höchst - oder obergerichtliche Entscheidungen, die eine Analogie des
Handeln eines Testamentsvollstreckers bejahen, liegen - soweit ersichtlich - nicht vor. Die
von der Beteiligten zu 2) genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH,
Beschluss vom 11.10.2012 – V ZB 2/12,
eines Verwalters zu der Veräußerung von Wohnungseigentum und befasst sich mit der
Anwendbarkeit des
365-367) wendet zwar
Entscheidung betrifft indes nicht die Verfügungsbefugnis eines Testamentsvollstreckers.
Gegen eine entsprechende Anwendung von
Testamentsvollstreckers hat sich dagegen u.a. der Senat (
der Begründung gewandt, dass der Verlust der Verfügungsbefugnis über das Vermögen
eines Dritten aus einer Amtsstellung dem Verlust der Rechtsinhaberschaft, auf den § 878
BGB nicht anwendbar sei, gleichzusetzen sei.
Eine analoge Erstreckung der Vorschrift auf jeglichen Verwalter kraft Amtes wird zwar
zunehmend im Schrifttum vertreten. Dieses begründet die Analogie im Wesentlichen mit
zwei Erwägungen: Zwar sei der Verlust der Verfügungsbefugnis über das Vermögen eines
Dritten dogmatisch dem Verlust der Rechtsinhaberschaft, auf den
anwendbar sei, gleichzustellen. Jedoch sei die Interessenlage im Falle der Endigung einer
Amtsstellung identisch mit derjenigen bei der Entziehung der Verfügungsbefugnis des
berechtigten Rechtsinhabers. Denn die Schutzbedürftigkeit des Begünstigten sei in beiden
Fällen die gleiche, weil es nur von der von den Beteiligten nicht zu beeinflussenden Dauer
des Grundbucheintragungsverfahrens abhänge, ob die Verfügung wirksam werde oder
nicht. Zudem bestehe ein unabweisbares Bedürfnis für einen Schutz nach
denn würde man die Analogie ablehnen, wäre der Grundstücksverkehr mit einem
amtlichen Verwalter praktisch lahmgelegt, da einem Erwerber vor seiner Eintragung die
Entrichtung seiner Gegenleistung, dem Verwalter hingegen vor Erhalt der Gegenleistung
die Erklärung der Einigung und die diesbezügliche Grundbuchbewilligung nicht zugemutet
werden könnten (Staudinger/Herrler, BGB, Neubearbeitung 2018, § 878 Rn. 58 m.w.N.;
BeckOK BGB/H.-W. Eckert, § 878 Rn. 15 m.w.N.; MüKo-BGB/Kohler, 7. Aufl. 2017, § 878
Rn. 11; Palandt/Herrler, BGB, 78. Aufl. 2019, § 878 Rn. 11; a.A.: Zimmermann, Die
Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2019, Rn. 412).
Ob dieser Literaturmeinung zu folgen und die bisherige Rechtsprechung des Senats
aufzugeben ist, kann hier indes offen bleiben. Denn im vorliegenden Fall besteht kein
Schutzbedürfnis des Testamentsvollstreckers oder der Erwerberin. Die Beteiligte zu 2) hat
den im Rubrum bezeichneten Grundbesitz vom Testamentsvollstrecker zunächst zu einem
Kaufpreis zu erwerben versucht, der (mindestens) 100.000,00 € unter dem Verkehrswert
von (mindestens) 326.500,00 € lag. Im Hinblick auf dieses erhebliche Missverhältnis
musste den Beteiligten zu 1) und 2) bewusst gewesen sein, dass der Kaufpreis von
225.000,00 € deutlich unter dem Verkehrswert des Grundstücks lag, der Beteiligte zu 1)
seine Befugnisse als Testamentsvollstrecker missbraucht hatte und deshalb auch seine
Entlassung aus dem Amt drohte. Eine analoge Anwendung des
des Testamentsvollstreckers oder des Erwerbers ist unter diesen Umständen abzulehnen.
Vielmehr ist der vorliegende Fall mit einer Entscheidung des OLG Düsseldorf (Beschluss
vom 04.02.2010 – 3 Wx 209/09, juris) vergleichbar, in der eine analoge Anwendung von §
878 BGB bei einem – gestatteten - Insichgeschäft (
Testamentsvollstreckers abgelehnt wurde, weil es bei einem solchen Rechtsgeschäft
keines Schutzes der Vertragsschließenden bedarf. Soweit sich die Beteiligte zu 2)
nunmehr darauf beruft, sich auf die eingeholten Gutachten und die Auskunft des
Beteiligten zu 1) verlassen zu haben, greift ihr Vorbringen nicht durch. Im Hinblick auf das
krasse Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung musste sich ihr die
Unwirksamkeit des Kaufvertrages vom 05.03.2018 geradezu aufdrängen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nicht vorliegen (§
78 Abs. 2 GBO).
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Köln
Erscheinungsdatum:18.11.2019
Aktenzeichen:2 Wx 337/19
Rechtsgebiete:
Testamentsvollstreckung
Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
In-sich-Geschäft
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BWNotZ 2020, 47-50
FGPrax 2020, 20-21
RNotZ 2020, 99-102
ZEV 2020, 35-38
BGB §§ 873, 878, 2205; GBO § 18