Anwendbares Erbstatut; Rechtswahl; Anforderungen an eine stillschweigende Rechtswahl; Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments in getrennten Urkunden
letzte Aktualisierung: 20.1.2025
OLG Saarbrücken, Urt. v. 24.1.2024 – 5 U 8/23
EuErbVO Art. 22 Abs. 1 u. 3, 25 Abs. 3, 83; BGB §§ 2265, 2270
Anwendbares Erbstatut; Rechtswahl; Anforderungen an eine stillschweigende Rechtswahl;
Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments in getrennten Urkunden
1. Zur stillschweigenden Wahl deutschen Rechts durch im Inland ansässige Ehegatten, die im
Nachgang zu einer erbvertraglichen Verfügung in weiteren privatschriftlichen Testamenten
ergänzende Anordnungen zum Schicksal ihres in Frankreich belegenen Grundbesitzes treffen.
2. Ein gemeinschaftliches Testament kann ungeachtet der Formerleichterung des
in getrennten Urkunden enthalten sein, wenn daraus der Wille der Ehegatten erhellt, eine
gemeinschaftliche Erklärung abzugeben. Davon kann auszugehen sein, wenn beide Urkunden
nahezu zeitgleich am selben Ort errichtet wurden, erkennbar aufeinander bezogen sind und
inhaltlich darauf abzielen, dem in früheren Verfügungen zum Ausdruck gebrachten Willen, die
gemeinsamen Kinder vermögensrechtlich gleich zu behandeln, zum Erfolg zu verhelfen.
Gründe
I.
Der Kläger hat nach dem Tode des gemeinsamen Vaters der Parteien, F. N. (im Folgenden:
Erblasser), mit seiner am 6. Mai 2022 zum Landgericht Saarbrücken eingereichten Klage in
erster Linie die Erfüllung eines testamentarischen Vermächtnisses durch den Beklagten, seinen
Bruder, begehrt und hilfsweise außerdem, im Wege einer Stufenklage, Pflichtteilsansprüche und
dies vorbereitende Ansprüche auf Erteilung von Auskünften und ggf. Versicherung deren
Richtigkeit an Eides statt geltend gemacht. Die Mutter der Parteien, M. N., starb am
8. November 2013, der Vater am 24. Januar 2021. Der Beklagte erwirkte nach dessen Tode beim
Amtsgericht – Nachlassgericht – Saarlouis ein Europäisches Nachlasszeugnis (Az.: 3 VI
651/21), das ihn – unter Bezugnahme auf ein notarielles Testament des Erblassers vom 5. Mai
2015 – als alleinigen Erben nach seinem Vater ausweist (BI. 63 ff. GA).
Die Eltern der Parteien hatten wiederholt letztwillige Verfügungen errichtet. Am 13. April 1989
schlossen sie einen Erbvertrag (UR Nr. 971/1989 des Notars O. T., Bl. 8 ff. GA), in dem sie
sich gegenseitig, der Erstversterbende den Überlebenden, zum alleinigen unbeschränkten Erben
einsetzten; ergänzend bestimmten sie jeweils einseitig und ohne erbvertragliche Bindung, dass
der Beklagte Erbe des Längerlebenden sein solle. Am selben Tage wurde zwischen den
Eheleuten und dem Kläger außerdem ein Erbverzichts- und Pflichtteilsverzichtsvertrag
beurkundet (UR Nr. 970/1989 desselben Notars, Bl. 79 f. GA), wonach der Kläger für sich und
seine Abkömmlinge gegenüber seinen Eltern auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht an
deren künftigem Nachlass verzichtete. In einer handschriftlichen, mit „Testament“
überschriebenen und von beiden Eheleuten unterschriebenen Urkunde vom 20. Juni 2008 (Bl.
11 GA) heißt es sodann:
„Im Vollbesitz unserer geistigen Kräfte und ohne Zwang, verfügen wir, dass über unser
Vermögen, wie folgt wie folgt verfügt wird.
Unser Sohn D. N., geb. am 09. September 1957 in H., und wohnhaft in H., rue P. 102, erhält als
alleiniger Erbe, das Wohnhaus mit Grundstück, in Frankreich, in H., rue P. 102, das Wohnhaus
in Frankreich, in T., rue J. 15, und die Eigentumswohnung Nr. 4 in Ü., H.straße Nr. 5.
Unter dem 2. bzw. 4. Januar 2009 unterzeichneten die Eheleute jeweils im Wesentlichen
identisch formulierte Urkunden, die jeweils mit „Mein Testament“ überschrieben sind und die
jeweils wie folgt lauteten (BI. 12, 13 GA):
„Ich (...) vermache hiermit an meinen Sohn, D. N. in H., rue P. 102 wohnhaft, das
Nackteigentum aller Güter auf französischem Boden, wovon (...) [= der jeweils andere Ehegatte]
den lebenslänglichen und freien Nutznießungsrecht haben soll.
Das Pflichtteil meines Sohnes H. N. ist ihm auf deutschem Boden durch ein Testament
gesichert, wodurch ihm das Familienhaus in Ü. A. vermacht ist, auch in Nackteigentum, weil
mein (...) [= der jeweils andere Ehegatte] den Genuß lebenslänglich und unentgeltlich haben soll.
So sind meine beiden Kinder gleichgestellt damit keiner eine Forderung gegen den andere
geltend zu machen hat.
Das ist mein letzter Wille.“
Schließlich existiert ein weiteres gemeinschaftliches Testament vom 20. September 2010 (Bl. 55
GA), in dem die Eheleute zugunsten des Klägers bestimmten, dass dieser
„das Grundstück und Haus, F.straße 8, Ü. A., zu jeder Zeit betreten und sich darin aufhalten
darf. Über eine Veränderung oder den Verkauf des Anwesens, hat er das Recht zu entscheiden.“
Nach dem Tode der Ehefrau erklärte der Vater der Parteien mit notarieller Urkunde vom
3. November 2014 (UR Nr. 0998/2014 der Notarin E. W. Bl. 81 ff. GA) – vorsorglich – die
Anfechtung der Testamente vom 20. Juni 2008 und vom 20. September 2010. In einem
privatschriftlichen Testament vom 20. November 2014 widerrief er, soweit rechtlich zulässig,
alle seine bisherigen Verfügungen von Todes wegen und setzte den Beklagten zu seinem
alleinigen Erben ein (Bl. 78 GA). Mit notarieller Urkunde vom 5. Mai 2015 (UR Nr. 0394/2015
derselben Notarin, Bl. 56 ff. GA), errichtete er ein weiteres Testament, in dem er den Beklagten
zu seinem Alleinerben einsetzte, feststellte, dass der Kläger enterbt sein solle und alle vorherigen
einseitig getroffenen Verfügungen von Todes wegen mit Ausnahme der im Erbvertrag 1989
erfolgten Schlussebeneinsetzung des Beklagten widerrief. In der Folgezeit nahm der Kläger
seinen Vater vor dem Landgericht Saarbrücken auf Erfüllung der ihm in den vorgenannten
Testamenten zugewandten Vermächtnisse und auf Schadensersatz in Anspruch; diese Klage
wurde wegen seinerzeit fehlender Fälligkeit des Vermächtnisanspruchs abgewiesen, die dagegen
eingelegte Berufung des Klägers zum Senat blieb erfolglos (Urteil vom 13. Februar 2019 – 5 U
57/18, veröff. u.a. in
Der Kläger hat vorrangig die am 20. Juni 2008 verfasste letztwillige Verfügung als wirksames
gemeinschaftliches Testament seiner Eltern angesehen, durch das ihm die darin genannten
Grundstücke jedenfalls als Vermächtnis zugewandt worden seien, deren Erfüllung er nunmehr –
nach dem Tode des letztverstorbenen Ehegatten – verlangen könne. Die von seinem Vater
erklärte Anfechtung dieses Testaments im Jahre 2014 sei unwirksam, da ein zur Anfechtung
berechtigender Irrtum nicht vorgelegen habe, was sich im Übrigen auch aus dem Urteil im
Vorprozess zwischen ihm und seinem Vater ergebe. Auch das notarielle Testament seines Vaters
aus dem Jahre 2015 beinhalte keine wirksame Aufhebung der früheren letztwilligen
Verfügungen, nachdem darin eine für ihn bindende Vermächtnisanordnung getroffen worden
sei. Ein entsprechender Bindungswille der Eltern ergebe sich insbesondere auch aus den
nachfolgenden „Einzeltestamenten“ vom 2. bzw. 4. Januar 2009 sowie daraus, dass in dem
Testament vom 20. Juni 2008 nur eine Verfügung zu Gunsten des Klägers getroffen worden sei,
die Erblasser aber den übereinstimmenden Willen gehabt hätten, den Kläger trotz Erbverzichts
gleichermaßen am Nachlass teilhaben zu lassen und dadurch ihre beiden Kinder gleichzustellen.
Der mit seinen Eltern vereinbarte Erb- und Pflichtteilsverzicht sei mit einer Gegenleistung,
nämlich der späteren Vermächtnisanordnung, einhergegangen; er könne nicht isoliert als solcher,
sondern nur im Zusammenhang mit den nachfolgenden Verfügungen betrachtet werden. Sollte
die Vermächtnisanordnung dennoch als unwirksam anzusehen sein, müsse dies aber zumindest
im Wege der Auslegung zu einer Korrektur des Pflichtteilsverzichtsvertrages aufgrund einer
Störung der Geschäftsgrundlage führen, was hilfsweise geltend gemacht werde.
Der Beklagte hat gemeint, schon aus den verschiedenen Urkunden und testamentarischen
Verfügungen ergebe sich, dass ihre Eltern sich im Rahmen ihrer Erbfolge dafür entschieden
hätten, dem Kläger keine Zuwendungen im Erbfall zu gewähren. Die seitens des Vaters erklärte
Anfechtung aus dem Jahre 2014 sei wirksam gewesen und vor dem Hintergrund erfolgt, dass er
unter allen Umständen alles seinerseits Mögliche und Erforderliche habe umsetzen wollen, um
zu verhindern, dass der Kläger Zugriff auf das Vermögen der Familie erhalte. Ausweislich der
notariellen Urkunde habe ein Anfechtungsgrund für seinen Vater vorgelegen; der Kläger habe
seine Eltern mehrfach dazu gedrängt, von ihm verfasste Schriftstücke abzuschreiben und zu
unterzeichnen, und das Vertrauen der Eltern sei wiederholt enttäuscht worden. Sämtliche
Verfügungen der Eltern, mit Ausnahme der gegenseitigen Erbeinsetzungen, seien nicht als
wechselbezügliche gewollt gewesen. Für den Schlusserbfall folge dies schon aus der Auslegung
des Erbvertrages vom 13. April 1989. Auch bei dem späteren Schriftstück vom 20. Juni 2008
handele es sich nicht um ein gemeinschaftliches Testament mit wechselseitigen Verfügungen.
Die beiden Einzeltestamente vom 2. und 4. Januar 2009 würden im Eröffnungsprotokoll des
Nachlassgerichts vom 26. Februar 2021 nicht einmal aufgeführt. Angesichts des im Jahre 1989
vereinbarten Pflichtteilsverzichts seien auch die mit der Stufenklage hilfsweise geltend
gemachten Ansprüche ohne weiteres unbegründet.
Das Landgericht hat die Akten des Vorprozesses – 16 O 112/17 LG Saarbrücken = Senat, 5 U
57/18 – und die Nachlassakten des Amtsgerichts Saarlouis – 3 VI 651/21 – beigezogen und
zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Mit dem angefochtenen Urteil (Bl.
192 ff. GA), auf dessen Inhalt auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die deutschen Gerichte seien nach Artikel 4 der
Verordnung (EU) 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über
die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von
Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen
sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (EuErbVO) zuständig, weil der
Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt habe. In der Sache stehe dem
Kläger kein Anspruch auf Erfüllung eines Vermächtnisses (
solches nicht wirksam zugewandt worden sei. Schon aus dem im Ausgangspunkt in Betracht zu
nehmenden Erbvertrag aus dem Jahre 1989 folge der offenkundige Wille beider Eheleute, den
Überlebenden nicht zu binden, und daran habe auch das gemeinschaftliche Testament vom 20.
Juni 2008 nichts geändert. Diesem Willen entsprechend, sei die darin enthaltene
Vermächtnisanordnung nicht wechselbezüglich erfolgt und von dem Erblasser in seinem
Testament 5. Mai 2015 wirksam widerrufen worden, ohne dass es auf die von ihm zuvor erklärte
Anfechtung dieses Testaments noch ankomme. Die zulässige hilfsweise erhobene Stufenklage
sei insgesamt unbegründet, weil der Kläger aufgrund des von ihm im Jahre 1989 erklärten
Verzichts, zu dessen nachträglicher Korrektur kein Anlass bestehe, nicht pflichtteilsberechtigt
sei.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter. Unter
Wiederholung und Vertiefung seiner früheren Argumente wendet er sich vornehmlich gegen die
Verneinung der Wechselbezüglichkeit der Vermächtnisanordnung durch das Landgericht, die
einem wirksamen Widerruf durch den Erblasser entgegenstehe und der in seiner notariellen
Urkunde vom 3. November 2014 auch keine wirksame Anfechtung erklärt habe. Anderenfalls
müsse jedenfalls der Pflichtteilsverzicht aus dem Jahre 1989 als unwirksam erachtet werden.
Der Kläger beantragt zuletzt (Bl. 239, 293 GA):
Unter Abänderung des am 5. Januar 2023 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken,
Az. 16 O 75/22, wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger der Übertragung der Grundstücke
102 Rue P., H., Frankreich, Section 12 n 43 - 19 a 82 ca, prés, sol und 14 Rue J., T., Frankreich,
Section 2 n 241 – 07 a 45 ca, sol, an den Kläger zuzustimmen und die Eintragung des Klägers
als Eigentümer im Grundbuch zu bewilligen,
hilfsweise,
1. Der Beklagte wird – in der ersten Stufe – verurteilt,
a) Auskunft über den Bestand des Nachlasses des am 23. Januar 2021 verstorbenen F. N., geb.
am 7. Juni 1932, zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses,
welches in Aktiva und Passiva unterteilt ist und das im Einzelnen zum Stichtag 23. Januar 2021
umfasst:
(1) alle beim Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen (Aktiva), so insbesondere
bewegliche und unbewegliche Vermögensgegenstände, wie zum Beispiel Hausrat, Immobilien,
Kontokorrent- und Sparkonten, Bargeldbestände, Bankdepots, Wertpapiere, Kunstgegenstände
und Schmuck, Gesellschaftsbeteiligungen, national und international;
(2) alle beim Erbfall vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten, also Erblasserschulden und
Erbfallschulden (Passiva),
(3) alle pflichtteilsergänzungspflichtigen Zuwendungen, die der Erblasser zu seinen Lebzeiten an
die Beklagte und/oder Dritte getätigt hat, wie zum Beispiel Schenkungen (einschließlich
Pflichteil- und Anstandsschenkungen), Erlass von Forderungen, gemischte Schenkungen,
unentgeltliche oder teilunentgeltliche Nutzungs- oder Mitbenutzungsrechte, Zuwendungen im
Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge; auch unabhängig von einer Frist, wenn die
Schenkung/Zuwendung unter einem Vorbehalt erfolgte, wie zum Beispiel unter Nießbrauchs-,
Wohnrechts-, Rückforderungs-, Rücktritts-, Widerrufs- oder Nutzungsvorbehalt; jeweils unter
Benennung des Datums des Schenkungs/ Zuwendungsvollzuges;
(4) alle Lebensversicherungen und sonstigen Verträge zugunsten Dritter;
(5) Auskünfte darüber, ob und gegebenenfalls wem der Erblasser Vollmacht erteilt hat, über sein
Vermögen, insbesondere über seine Bankkonten zu verfügen und ob in diesem Zusammenhang
Forderungen des Nachlasses gegen Bevollmächtigte bestehen,
b) den Wert der nach Erteilung der Auskünfte gemäß Klageantrag Ziffer 1 a) noch zu
benennenden Gegenstände des realen und fiktiven Nachlasses durch Erstellung von
Sachverständigengutachten zu ermitteln und das/die Gutachten an den Kläger zu überlassen.
2. Der Beklagte wird – in der zweiten Stufe – für den Fall, dass das Verzeichnis nicht mit der
erforderlichen Sorgfalt errichtet worden sein sollte, dazu verurteilt, zu Protokoll des Gerichts an
Eides statt zu versichern, dass er die Auskunft nach bestem Wissen so vollständig und richtig
erteilt hat, wie er dazu in der Lage ist; hilfsweise hierzu: Der Beklagte wird - in der zweiten Stufe
- verurteilt, zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass die im erstellten notariellen
Bestandsverzeichnis niedergelegten Auskünfte nach bestem Wissen vollständig und richtig sind.
3. Der Beklagte wird – in der dritten Stufe – verurteilt, an den Kläger nach Auskunftserteilung
und Wertermittlung einen noch zu beziffernden Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsbetrag
gemäß Pflichtteilsquote nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. September 2022 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt (Bl. 253a GA),
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und verweist ergänzend darauf, dass seines Erachtens auch
den beiden Testamenten vom 2. und 4. Januar 2009 keine Bindungswirkung zukomme. Aus der
notariellen Erklärung des Erblassers vom 3. November 2014 ergebe sich, dass der Kläger
sowohl dem Erblasser als auch seiner Ehefrau in regelmäßigen Abständen Schriftstücke zum
Abschreiben und Unterzeichnen vorgelegt habe; aus diesem Grunde sei beispielsweise bereits
die Anfechtung des Testaments vom 20. September 2010 erfolgt (Bl. 253e GA).
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 25. November
2022 (Bl. 162 ff. GA) sowie des Senats vom 29. November 2023 (BI. 293 ff. GA) verwiesen.
Der Senat hat die Akten des Landgerichts Saarbrücken – 16 O 112/17 – und des Amtsgerichts
Saarlouis – 3 VI 651/21 – zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Außerdem
hat er die Parteien darauf hingewiesen, dass er – anders als sie und das Landgericht – auch die
beiden „Einzeltestamente“ vom 2. und 4. Januar 2009 als gemeinschaftliches
Ehegattentestament ansieht, für das diese stillschweigend deutsches Recht gewählt haben; hierzu
hat der Beklagte antragsgemäß Stellung genommen (Schriftsatz vom 20. Dezember 2023, Bl.
296 ff. GA).
II.
Die gemäß
Erfolg. Der Beklagte ist nach dem Tode seines am 24. Januar 2021 verstorbenen Vaters als
dessen alleiniger Erbe zur Erfüllung des dem Kläger – zuletzt erneut – durch gemeinschaftliches
Testament vom 2./4. Januar 2009 zugewandten Grundstücksvermächtnisses verpflichtet; er war
deshalb, auch ohne Rücksicht auf etwaige Erschwernisse bei der im Ausland vorzunehmenden
Erfüllung dieser Verpflichtung (vgl. zur fortbestehenden Verbindlichkeit eines testamentarisch
geäußerten letzten Willens im Inland auch BGH, Urteil vom 7. Juli 2004 – IV ZR 135/03, NJW
2004, 3558, 3561) nach Maßgabe des Hauptantrages zu verurteilen.
1.
Das Landgericht hat die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die in jeder Lage des
Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2002 – III ZR
102/02,
Artikel 4 EuErbVO abgestellt, wonach für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten
Nachlass die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser
im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Diese Verordnung findet – in
zeitlicher Hinsicht – Anwendung auf die Rechtsnachfolge von Personen, die am 17. August
2015 oder – wie der Erblasser – danach verstorben sind (Artikel 83 Abs. 1 EuErbVO).
Zuständigkeitsbegründendes Anknüpfungsmoment ist danach der letzte gewöhnliche Aufenthalt
des Erblassers, was nach den Erwägungsgründen des Verordnungsgebers auf den tatsächlichen
Lebensmittelpunkt einer natürlichen Person abstellt, der mittels einer Gesamtbeurteilung der
Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes
festzustellen ist (Erwägungsgrund 23 Satz 2 und 24 Satz 3; vgl. Köhler, in:
Kroiß/Horn/Solomon, Nachfolgerecht 2. Aufl.,
gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers befand sich vorliegend – unstreitig – im Hoheitsgebiet
der Bundesrepublik Deutschland, wie das Landgericht in dem angegriffenen Urteil festgestellt
hat und wogegen im Berufungsverfahren nichts erinnert wird.
2.
Die vorrangig auf Erfüllung eines Vermächtnisses gerichtete, lediglich für den Fall des
Unterliegens zulässigerweise mit einem auf Erlangung des Pflichtteils gerichteten Stufenantrag
verbundene (
Ansicht des Landgerichts steht dem Kläger gegen den Beklagten als Rechtsnachfolger des
Erblassers gemäß
Übertragung des im Tenor genannten Grundbesitzes auf den Kläger zu, wobei dies, weil sich die
betroffenen Grundstücke im Gebiet Elsass-Lothringens befinden, nach dem dort fortgeltenden
lokalen Recht auch die – nicht konstitutive – Eintragung in das Grundbuch einschließt
(Artikel 36 ff. des Gesetzes vom 1. Juni 1924 – Loi du 1er juin 1924 mettant en vigueur la législation
civile française dans les départements du Bas-Rhin, du Haut-Rhin et de la Moselle, www.legifrance.fr; vgl.
Döbereiner, in: Ring/Grziwotz/Schmidt-Räntsch, NK-BGB Sachenrecht 5. Aufl.,
Länderbericht Frankreich, Rn. 43). Dieser Vermächtnisanspruch folgt, worauf der Senat die
Parteien in der mündlichen Verhandlung aufmerksam gemacht hat, ungeachtet der
inhaltsgleichen – früheren – Verpflichtung in dem von ihnen vorrangig ins Auge gefassten
gemeinschaftlichen Testament vom 20. Juni 2008, jedenfalls aus einer entsprechenden
Anordnung des Erblassers, die dieser, ebenso wie seine Ehefrau, in zwei gleichlautenden
Urkunden vom 2. und 4. Januar 2009 (Bl. 12, 13 GA) getroffen hat, die ebenfalls ein
gemeinschaftliches Testament beinhalten, das von dem Erblasser nicht wirksam angefochten
wurde und das er wegen der Bindungswirkung dieser wechselseitigen Verfügungen nach dem
Tode seiner Ehefrau auch nicht mehr einseitig widerrufen konnte.
a)
Das für die Beurteilung der Rechtsnachfolge maßgebliche Recht richtet sich für den nach dem
17. August 2015 eingetretenen Erbfall, auch soweit der Erblasser über Grundeigentum in
Frankreich verfügte, nicht nach den zum Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrags geltenden
mitgliedstaatlichen Kollisionsnormen, sondern nach den Regelungen der EuErbVO. Denn
gemäß Artikel 83 Abs. 1 EuErbVO findet diese Verordnung auf die Rechtsnachfolge von
Personen Anwendung, die am 17. August 2015 oder – wie vorliegend der Erblasser – danach
verstorben sind. Damit sind für Erbfälle ab dem 17. August 2015 die bisherigen IPRRegelungen,
die unter Umständen eine Nachlassspaltung zur Folge hatten, einheitlich durch die
EuErbVO ersetzt worden (zum Ganzen: BGH, Beschluss vom 10. Juli 2019 – IV ZB 22/18,
Teil 6 – Länderbericht Frankreich Rn. 1). Weiterhin sieht Artikel 83 Abs. 3 EuErbVO vor, dass
eine vor dem 17. August 2015 errichtete Verfügung von Todes wegen zulässig sowie materiell
und formell wirksam ist, wenn sie die Voraussetzungen des Kapitels III der Verordnung
(Artikel 20 bis 38 EuErbVO) erfüllt oder wenn sie nach den zum Zeitpunkt der Errichtung der
Verfügung geltenden Vorschriften des Internationalen Privatrechts in dem Staat, in dem der
Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit
er besaß, oder in dem Mitgliedstaat, dessen Behörde mit der Erbsache befasst ist, zulässig sowie
materiell und formell wirksam ist. Nach dem Konzept dieser Übergangsregelung genügt es
somit, wenn das Testament nach nur einem der von den unterschiedlichen Kollisionsrechten
(EuErbVO, ehemaliges IPR des Aufenthaltsstaates, ehemaliges IPR des Staates der
Staatsangehörigkeit, ehemaliges IPR des angerufenen Gerichts) berufenen Rechte zulässig und
wirksam ist (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2021 – IV ZB 33/20,
München,
b)
Bei den beiden am 2. und 4. Januar 2009 von dem Erblasser und seiner Ehefrau jeweils
handschriftlich verfassten und unterzeichneten Erklärungen handelt es sich um ein
gemeinschaftliches Ehegattentestament, das nach Maßgabe des – hier jedenfalls aufgrund einer
konkludenten Rechtswahl gemäß Artikel 25 Abs. 3 EuErbVO anwendbaren – deutschen Rechts
zulässig sowie formal und materiell wirksam ist und das hinsichtlich des darin enthaltenen
Vermächtnisses zugunsten des Klägers nach dem Tode der Ehefrau des Erblassers für diesen
Bindungswirkung entfaltete:
aa)
Die Fragen der Zulässigkeit, der materiellen Wirksamkeit und der Bindungswirkungen des in
zwei getrennten Urkunden errichteten gemeinschaftlichen Testaments vom 2./4. Januar 2009
beurteilen sich vorliegend nach dem von den Eheleuten bei der Errichtung ihrer letztwilligen
Verfügung stillschweigend gewählten deutschen Recht (Artikel 25 Abs. 3, 22 Abs. 1 und 3
EuErbVO, jeweils i.V.m. Artikel 83 Abs. 2 EuErbVO).
(1)
Artikel 25 Abs. 3 EuErbVO sieht vor, dass – ungeachtet der in Artikel 25 Abs. 1 und 2
EuErbVO vorgesehenen objektiven Anknüpfungen – die Parteien eines Erbvertrages für die
Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen, einschließlich der
Voraussetzungen für seine Auflösung, das Recht wählen können, das die Person oder eine der
Personen, deren Nachlass betroffen ist, nach Artikel 22 unter den darin genannten Bedingungen
hätte wählen können. Diese Vorschrift findet auch auf das hier in Rede stehende
gemeinschaftliche Testament vom 2./4. Januar 2009 Anwendung. Denn gemäß Artikel 3 Abs. 1
Buchst. b EuErbVO ist ein Erbvertrag im Sinne dieser Verordnung eine Vereinbarung,
einschließlich einer Vereinbarung aufgrund gegenseitiger Testamente, die mit oder ohne
Gegenleistung Rechte am künftigen Nachlass oder künftigen Nachlässen einer oder mehrerer an
dieser Vereinbarung beteiligter Personen begründet, ändert oder entzieht. Hierunter fällt auch
das gemeinschaftliche Testament nach deutschem Recht, das wechselbezügliche Verfügungen
im Sinne von
2021, 1159; vgl. Dutta, in: MünchKomm-BGB 8. Aufl.,
Übergangsvorschrift des Artikels 83 Abs. 2, 1. Alt. EuErbVO ergibt sich zudem, dass auch eine
vor dem 17. August 2015 erfolgte Rechtswahl wirksam ist, wenn sie – u.a. – die
Voraussetzungen des Kapitels III – d.h. hier: des Artikels 25 Abs. 3 EuErbVO – erfüllt (vgl.
BGH, Beschluss vom 24. Februar 2021 – IV ZB 33/20,
(2)
Nach Artikel 22 Abs. 1 und 3 EuErbVO kann eine Person für die Rechtsnachfolge von Todes
wegen das Recht des Staates wählen, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt
ihres Todes angehört; die Rechtswahl muss ausdrücklich in einer Erklärung in Form einer
Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer solchen
Verfügung ergeben. Eine ausdrückliche Rechtswahl haben der Erblasser und seine Ehefrau hier
nicht getroffen; jedoch bestehen bei sachgerechter Auslegung keine vernünftigen Zweifel daran,
dass diese bei der Errichtung der Testamente vom 2. und 4. Januar 2009 stillschweigend die
Geltung deutschen Rechts für die Fragen der Zulässigkeit, der Wirksamkeit und der
Bindungswirkung ihrer letztwilligen Verfügung bestimmt haben.
(a)
Die Frage, ob eine konkludente Rechtswahl (Artikel 22 Abs. 3 EuErbVO) vorliegt, ist – wie
zwischenzeitlich vom Bundesgerichtshof entschieden wurde – unionsautonom unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 24.
Februar 2021 – IV ZB 33/20,
239; OLG Köln,
Art. 22 Rn. 14; Looschelders, in: NK-BGB 2. Aufl., Art. 22 Rn. 28; Thorn, in: Grüneberg, BGB
82. Aufl.,
Rechtsordnung kann es insbesondere sprechen, wenn der Erblasser Begriffe oder
Rechtsinstitute verwendet, die gerade in dieser Rechtsordnung spezifisch sind (BGH, Beschluss
vom 24. Februar 2021 – IV ZB 33/20,
EuErbVO), oder wenn er das Recht dieses Staates in anderer Weise erwähnt hat (OLG
München,
auch aus den Umständen der Errichtung der Verfügung, wie etwa der Verwendung einer
bestimmten Sprache oder die Wahl eines bestimmten Ortes ergeben (OLG Köln, NJW-RR
2019, 1353; Bauer/Fornasier, in: Dutta/Weber, a.a.O.,
Grüneberg a.a.O.,
EuErbVO, wonach sich die Rechtswahl „aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung“
ergeben muss, wird geschlossen, dass nur solche Umstände für die Annahme einer
konkludenten Rechtswahl herangezogen werden dürfen, die in der Urkunde der letztwilligen
Verfügung zum Ausdruck kommen (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2020 – C-80/19, NJW 2020,
2947; Bauer/Fornasier, in: Dutta/Weber, a.a.O.,
Anwendung des Rechtsgedankens des
gewählten Recht) kann schließlich eine konkludente Rechtswahl zugunsten der Rechtsordnung
gesehen werden, nach der die materiellen Verfügungen wirksam sind (OLG München, FGPrax
2020, 239, Rn. 36; Dutta, in: MünchKomm-BGB a.a.O.,
Bauer/Fornasier, in: Dutta/Weber, a.a.O.,
(b)
Danach haben der Erblasser und seine Ehefrau bei der Errichtung der Testamente vom 2. und
4. Januar 2009 für die Frage von deren Zulässigkeit, Wirksamkeit und Bindungswirkung
stillschweigend deutsches Recht gewählt. Beide Eheleute waren deutsche Staatsbürger, ebenso
wie die von ihnen bedachten Abkömmlinge, und sie lebten in Deutschland. Die in deutscher
Sprache an ihrem Wohnsitz verfassten Urkunden verwenden Begriffe, die augenscheinlich der
deutschen erbrechtlichen Terminologie entnommen sind und hier eine spezifische Bedeutung
haben, auf die die Verfasser ohne Rücksicht auf die örtliche Belegenheit der vermachten
Gegenstände ganz offenkundig abstellen wollten. So wird dem Kläger das nackte Eigentum aller
Güter auf französischem Boden „vermacht“, auch finden sich ausdrückliche Hinweise auf die
Sicherung des „Pflichtteils“ des Beklagten, der ihm auf deutschem Boden durch ein
„Testament“ gesichert ist, sowie auf die beabsichtigte „Gleichstellung“ der beiden Kinder. Dass
beide Eheleute dabei die Geltung deutschen Erbrechts beabsichtigten, folgt zudem aus ihrem in
diesen Urkunden jeweils erkennbar zum Ausdruck gebrachten Willen, an die früheren
letztwilligen Verfügungen insbesondere in dem notariellen Erbvertrag aus dem Jahre 1989 und
die darin getroffenen Anordnungen anzuknüpfen. Sowohl der ausdrückliche Vorbehalt eines
„lebenslänglichen Nutznießungsrechts“ zugunsten des überlebenden Ehegatten, als auch der
Verweis auf den durch „ein Testament“ gesicherten „Pflichtteil“ des Beklagten und den
übereinstimmend betonten „letzten Willen“, beide Kinder vermögensrechtlich gleichzustellen,
zielte – erkennbar – darauf ab, die in diesem Erbvertrag getroffenen Anordnungen unter
Berücksichtigung des dem Kläger zugewandten Vermächtnisses fortzuschreiben. Dass auch
schon dieser Erbvertrag – stillschweigend – deutschem Recht unterstellt worden ist, kann nicht
zweifelhaft sein, nachdem sich die Beteiligten damals, ohne eine ausdrückliche Rechtswahl zu
treffen, vor einem deutschen Notar unter Zuhilfenahme eines dem deutschen Erbrecht eigenen
Rechtsinstituts unter Verwendung der entsprechenden Terminologie des BGB wechselseitig zu
Erben des Erstversterbenden eingesetzt und darüber hinaus, ohne Bindungswirkung, den
Beklagten zum Schlusserben des Letztversterbenden eingesetzt hatten. Deshalb bestehen keine
Zweifel daran, dass die Eheleute auch bei der Abfassung der Testamentsurkunden vom 2. und 4.
Januar 2009 den Willen hatten, die bestehende Rechtslage fortzuschreiben, ohne den Boden der
deutschen Rechtsordnung zu verlassen, und sie deshalb auch diese späteren Verfügungen
weiterhin insgesamt dem deutschen Recht unterstellen wollten. Dies gilt im Übrigen – erst recht
– auch vor dem Hintergrund der weiteren Ausführungen des Beklagten aus dessen
Stellungnahme vom 20. Dezember 2023, wonach die Erstellung dieser beiden Urkunden nach
eingehender Befassung der Eheleute mit der Rechtslage auf Anraten eines französischen Notars
erfolgt sei, weil das – nach damaligem internationalen Privatrecht beachtliche, vgl. Artikel 3a
Abs. 2 EGBGB a.F. – französische Erbrecht ein gemeinschaftliches Testament möglicherweise
nicht anerkannt hätte (Bl. 299 f. GA; vgl. Frank, in: Kroiß/Horn, BGB Erbrecht 6. Aufl.,
Länderbericht Frankreich Rn. 9 und 21); denn gerade in diesem Wissen handelnde Ehegatten
machen dadurch für jedermann erkennbar deutlich, dass sie auf diese Weise ihrem auch schon
zuvor geäußerten gemeinsamen Willen unter Fortgeltung des von ihnen (stillschweigend)
gewählten Heimatrechts auch mit Blick auf die möglicherweise fremdem Recht unterliegenden
unbeweglichen Besitzgüter Geltung verhelfen wollen.
(bb)
Anders als die Parteien und auch das Landgericht gemeint haben, handelt es sich bei den am 2.
und 4. Januar 2009 verfassten – so bezeichneten – „Einzeltestamenten“, entsprechend dem in
der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweis des Senats und unbeschadet der abweichenden
Argumentation des Beklagten aus dessen nachgelassener Stellungnahme, um ein von den
Eheleuten als solches gewolltes, nach deutschem Recht unzweifelhaft zulässiges und auch
formal wirksames gemeinschaftliches Testament im Sinne der
(1)
Die Annahme, es handele sich bei einer letztwilligen Verfügung von Ehegatten (
um ein gemeinschaftliches Testament, erfordert nicht zwingend, dass diese die in
vorgesehene Form beachten, wonach es „genügt…, wenn einer der Ehegatten das Testament in
der dort vorgeschriebenen Form errichtet und der andere Ehegatte die gemeinschaftliche
Erklärung eigenhändig mitunterzeichnet“. Denn diese Vorschrift begründet lediglich eine
Formerleichterung. Vielmehr ist allgemein anerkannt, dass ein gemeinschaftliches Testament
schon dann vorliegt, wenn sich aus der Testamentsurkunde selbst eine „gemeinschaftliche
Erklärung“ ersehen lässt (BGH, Urteil vom 12. März 1953 – IV ZR 131/52,
699; OLG München,
nämlich der Wille der Eheleute, eine gemeinschaftliche Erklärung abzugeben; (nur) dieser Wille
muss aus der Urkunde selbst erkennbar sein (OLG Zweibrücken,
Streitfall bestehen an diesem gemeinsamen Willen keine Zweifel. Zwar haben die Eheleute ihre
jeweilige (verkörperte) Erklärung eigenständig verfasst und unterzeichnet; doch weisen beide
einen erkennbar aufeinander bezogenen Inhalt auf, der darauf gerichtet ist, im Nachgang zu den
vorangegangenen gemeinschaftlichen Verfügungen, insbesondere dem Erbvertrag aus dem Jahre
1989, ihrem gemeinsamen Willen, beide Kinder vermögensmäßig gleich zu behandeln, zum
Erfolg zu verhelfen, worin der Errichtungszusammenhang, also die Gemeinschaftlichkeit der
von den Testierenden abgegebenen Erklärung, deutlich zum Ausdruck kommt. Aus dem, mit
Ausnahme des Namens, wörtlich übereinstimmenden Text der Verfügungen wird deutlich, dass
den Eheleuten der Inhalt der Verfügung des jeweils anderen bekannt war. Auch die Tatsache,
dass die Verfügungen nahezu zeitgleich und am selben Ort verfasst wurden, stellt ein weiteres
Indiz für den gemeinsamen Willen der Eheleute dar (vgl. OLG München,
OLG Zweibrücken,
Grüneberg, a.a.O., Vor § 2265 Rn. 7; Musielak, in: MünchKomm-BGB 9. Aufl., Vor § 2265 Rn.
9 f. und § 2267 Rn. 22). All diesen Merkmalen der Urkunde lässt sich in der Zusammenschau
mit ausreichender Gewissheit der gemeinsame Wille der beiden Eheleute zur Errichtung eines –
weiteren – gemeinschaftlichen Testaments entnehmen, der auch durch die weitere
Argumentation des Beklagten (Schriftsatz vom 20. Dezember 2023, Bl. 291 ff. GA) nicht in
Zweifel gezogen wird. Die darin gegebene – für den Senat nachvollziehbare – Erklärung, die
beiden „Einzeltestamente“ seien auf Anraten eines französischen Notars erstellt worden, um
etwaigen Bedenken aus der fehlenden Anerkennung gemeinschaftlicher Testamente im
französischen Erbrecht Rechnung zu tragen, unterstreicht – ganz im Gegenteil – sehr deutlich
den gemeinsamen und nach Darstellung des Beklagten auch sorgfältig gebildeten Willen der
Eheleute, den Kläger wechselseitig mit einem Grundstücksvermächtnis zu bedenken. Dass
hierzu zwei getrennte Urkunden verwendet und diese nicht unmittelbar auf denselben Tag
datiert wurden und der Erblasser selbst – möglicherweise – später erneut aus diesem Grunde
eine weitere Testamentsurkunde (datierend auf den 25. Oktober 2009) errichtet haben mag,
spricht daher nicht gegen einen gemeinsamen Willen der beiden Eheleute, sondern war gerade
vor diesem Hintergrund notwendig, um diesen aus ihrer damaligen Sicht auch für das in
Frankreich belegene Grundeigentum rechtssicher zu verwirklichen.
(2)
An der Zulässigkeit und der formellen Wirksamkeit des in den beiden Urkunden vom 2. Und
4. Januar 2009 verkörperten gemeinschaftlichen Testaments, deren Errichtung durch die beiden
Eheleute im Übrigen unstreitig ist, bestehen keine Zweifel.
(a)
Nach dem gemäß Artikel 25 Abs. 3 EuErbVO (i.V.m. Artikel 83 Abs. 2, 1. Alt. EuErbVO)
aufgrund wirksamer konkludenter Rechtswahl anwendbaren deutschen Erbrecht ist eine
Vereinbarung über Rechte am eigenen künftigen Nachlass zulässig. Mit wechselbezüglichen
Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten (
Verfügungen im Erbvertrag (
bindende Verfügungen von Todes wegen zu treffen (OLG München,
(b)
Die formelle Wirksamkeit des Testaments ist nach Artikel 27 i.V.m. Artikel 83 Abs. 3, 1. Alt.
EuErbVO zu bestimmen. Das – nach Artikel 75 Abs. 1 UAbs. 2 EuErbVO vorrangig zu
berücksichtigende – Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen
anzuwendende Recht (sog. Haager Testamentsformübereinkommen) findet keine Anwendung,
weil das gemeinschaftliche Testament in zwei Testamentsurkunden errichtet wurde, sodass im
unionsrechtlichen Sinne zwar ein Erbvertrag (Artikel 3 Abs. 1 Buchst. b EuErbVO), jedoch kein
gemeinschaftliches Testament (Artikel 3 Abs. 1 Buchst. c EuErbVO) vorliegt (BGH, Beschluss
vom 24. Februar 2021 – IV ZB 33/20,
m.w.N.). Nach Artikel 4 des Haager Testamentsformübereinkommens ist auch dieses nur auf
gemeinschaftliche Testamente im formalen Sinne, also auf durch mehrere Personen in einer
Urkunde errichtete Testamente, anwendbar. Artikel 27 Abs. 1 EuErbVO lässt es für die formelle
Wirksamkeit des Testamentes ausreichen, wenn das Testament den Anforderungen eines der
dort genannten, alternativ anzuknüpfenden Rechte genügt, darunter das Recht des Staates, in
dem die Verfügung errichtet oder der Erbvertrag geschlossen wurde (Artikel 27 Abs. 1 Buchst. a
EuErbVO). Nach dem danach berufenen deutschen Recht ist die hier gegenständliche
Verfügung, ungeachtet ihrer Errichtung in zwei getrennten Urkunden, als gemeinschaftliches
Testament zweifelsfrei formell wirksam; auf die obigen Ausführungen wird ergänzend
verwiesen.
(cc)
Durchgreifende Bedenken gegen die materielle Wirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments
(Artikel 26 EuErbVO) bestehen ebenfalls nicht. Soweit zur materiellen Wirksamkeit gemäß
Artikel 26 Abs. 1 Buchst. e EuErbVO insbesondere auch „Täuschung, Nötigung, Irrtum und
alle sonstigen Fragen in Bezug auf Willensmängel oder Testierwillen der Person, die die
Verfügung errichtet“ gehören, hat die von dem Erblasser mit notarieller Urkunde vom 3.
November 2014 (UR 0998/2014, Bl. 81 ff. GA) erklärte Anfechtung (
einzelner Verfügungen in den beiden Testamenten vom 20. Juni 2008 und vom 20. September
2010 nicht – auch – zur Unwirksamkeit (
gemeinschaftlichen Testament vom 2./4. Januar 2009 geführt. Es fehlt schon an einer auf diese
Verfügung bezogenen Anfechtungserklärung, darüber hinaus aber auch an der Darlegung eines
beachtlichen Anfechtungsgrundes.
(1)
Gemäß
Erblasser über den Inhalt seiner Erklärung im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts
überhaupt nicht abgeben wollte und anzunehmen ist, dass er die Erklärung bei Kenntnis der
Sachlage nicht abgegeben haben würde. Das Gleiche gilt gemäß
Erblasser zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder
Nichteintritts eines Umstands oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist. Diese
Rechte bestehen auch im Falle eines – wie hier – gemeinschaftlichen Testaments nach dem
Tode des verstorbenen Ehegatten zugunsten des Überlebenden in Ansehung der für ihn
bindenden wechselbezüglichen Verfügungen (BGH, Urteil vom 4. Juli 1962 – V ZR 206/60,
offensichtlich gewahrten – besonderen Formvorschriften der
Gegenstand der Anfechtung ist immer nur die einzelne Verfügung von Todes wegen, nicht das
Testament oder der Erbvertrag als solcher; dabei geht die Anfechtbarkeit im Hinblick auf den
ausdrücklichen Wortlaut des
Inhalt der Erklärung eingewirkt hat (BGH, Urteil vom 8. Mai 1985 – IV a ZR 230/83, NJW
1985, 2025, 2026; RG, Urteil vom 11. März 1909 – IV 304/08,
MünchKomm-BGB a.a.O., § 2078 Rn. 17 und 61). Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich
der Tatsachen, die die Anfechtung begründen sollen, obliegt demjenigen, der sich auf die
Wirksamkeit der Anfechtung beruft (M. Schmidt/Nobis, in: Erman, BGB 17. Aufl., § 2078 Rn.
14), hier also dem Beklagten, der aus der Unwirksamkeit des Vermächtnisses Rechte für sich
herleiten will.
(2)
Im Streitfall bestehen – zu Lasten des Beklagten wirkende – durchgreifende Zweifel daran, dass
sich die mit notarieller Urkunde vom 3. November 2014 erklärte Anfechtung nach ihrem Inhalt
und ihrer Begründung auch auf das darin nicht erwähnte, in dem gemeinschaftlichen Testament
vom 2./4. Januar 2009 zugunsten des Klägers enthaltene Vermächtnis beziehen sollte.
(a)
Eine Anfechtungserklärung (
haben; sie muss jedoch mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, welche Verfügung
angefochten wird, und dass die Anfechtung auf einen Willensmangel gestützt wird
(Litzenburger, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB 67. Ed. 1.8.2023, BGB § 2081 Rn. 3;
Staudinger/Otte (2019) BGB § 2081, Rn. 11; Leipold, in: MünchKomm-BGB a.a.O., § 2081 Rn.
17; vgl. BayObLG,
„eindeutige Kundgabe eines Anfechtungswillens“ setzt – wie bei der Anfechtung unter
Lebenden – voraus, dass sich aus der Erklärung der unzweideutige Wille ergibt, das (jeweilige)
Rechtsgeschäft gerade wegen eines Willensmangels nicht bestehen zu lassen (BayObLG,
Urteil vom 22. Februar 1995 – IV ZR 58/94,
a.a.O., § 143 Rn. 3). Für die Feststellung des in der Anfechtungserklärung erklärten
Erblasserwillens gelten die allgemeinen Auslegungsregeln der
der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des
Ausdrucks zu haften; dabei müssen nicht nur der gesamte Text der Verfügung, sondern auch
alle dem Richter zugänglichen Umstände außerhalb der Urkunde ausgewertet werden, die zur
Aufdeckung des Erblasserwillens möglicherweise dienlich sind (BGH, Beschluss vom 17. Juli
2012 – IV ZB 23/11,
(b)
Danach verbleiben hier durchgreifende Zweifel daran, dass der Erblasser mit seiner am
3. November 2014 erklärten Anfechtung auch das in dem gemeinschaftlichen Testament vom
2./4. Januar 2009 enthaltene Vermächtnis gemeint hat. Dagegen spricht zunächst schon der
Wortlaut der – notariell beurkundeten und damit eine größere Gewähr für richtigen
Sprachgebrauch bietenden, vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1998 – V ZR 25/97, NJW 1998,
2136 – Erklärung, die dieses Vermächtnis nicht erwähnt, sondern sich ausdrücklich nur auf
konkrete Verfügungen aus anderen, der Urkunde beigefügten Testamenten bezieht. Insoweit
wäre von dem Erblasser, dem seine früheren privatschriftlichen Verfügungen unzweifelhaft
bekannt waren, zu erwarten gewesen, dass er diese nach notarieller Beratung ausdrücklich
benannt hätte, wenn er sie ebenfalls zum Gegenstand der Anfechtung hätte machen wollen.
Ebenso wenig lassen auch die weiteren Umstände, namentlich der Inhalt der betroffenen
Verfügungen, die angegebenen Gründe für die Anfechtung und die erkennbare Interessenlage
des Erblassers, mit hinreichender Gewähr auf einen solchen Willen schließen. Anders als das
Testament vom 20. Juni 2008, über dessen inhaltliche Bedeutung als Vermächtnis oder
Erbeinsetzung Uneinigkeit bestand, bot das spätere Testament vom 2./4. Januar 2009 schon
nach seinem Wortlaut keinen Anlass für derartige Zweifel, so dass aus Sicht des Erblassers keine
Notwendigkeit bestand, dieses wegen eines Inhaltsirrtums anzufechten. Entscheidend ist vor
allem aber auch, dass die Verfügungen inhaltlich nicht deckungsgleich sind, das Vermächtnis
vom 2./4. Januar 2009 nämlich in mehrfacher Hinsicht hinter der Verfügung vom 20. Juni 2008
zurückblieb, indem es einerseits dem Kläger aus Gründen der Gleichbehandlung beider Kinder
nur die in Frankreich belegenen Grundstücke, nicht auch die Eigentumswohnung in Überherrn,
zuwandte und andererseits durch die ausdrückliche Erwähnung eines „Nutzungsrechts“ des
überlebenden Ehegatten erkennbar an die Regelungen aus dem notariellen Erbvertrag von 1989
anschloss, die damit ersichtlich fortgeschrieben werden sollten. Es liegt nicht fern, anzunehmen,
dass es dem Erblasser mit seiner Anfechtung lediglich darum ging, die weiterreichende
Verfügung vom 20. Juni 2008 zu beseitigen, nicht dagegen auch das dem damaligen Willen der
Eheleute unzweifelhaft entsprechende Vermächtnis aus dem späteren Testament vom 2./4.
Januar 2009; jedenfalls bestehen bei dieser Sachlage keine ausreichenden Anhaltspunkte, das
Gegenteil als erwiesen anzusehen. Letztlich hat auch der Beklagte in seinem an das
Nachlassgericht gerichteten Antrag auf Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses vom
14. Juni 2021 (Bl. 1 ff. d.A. 3 VI 651/21) zum Auslandsvermögen – lediglich – „Forderungen
des Nachlasses in Frankreich“, nicht jedoch auch dort belegenes Immobiliarvermögen,
angegeben, wobei er die Richtigkeit dieser Angaben an Eides statt versicherte; auch das zeigt,
dass er selbst damals ganz offensichtlich von der Geltung des gemeinschaftlichen Testaments
vom 2./4. Januar 2009 und der darin zugunsten des Klägers getroffenen Vermächtnisanordnung
bezüglich des dortigen Grundbesitzes ausgegangen ist.
(3)
Dessen unbeschadet, fehlt es in Ansehung des Vermächtnisses aus dem gemeinschaftlichen
Testament vom 2./4. Januar 2009 auch an der schlüssigen Darlegung eines Anfechtungsgrundes
durch den Beklagten. Die von ihm in Bezug genommenen, freilich auf die anderen, ausdrücklich
angefochtenen Verfügungen bezogenen Anfechtungsgründe aus der notariellen Urkunde des
Erblassers vom 3. November 2014 bestehen – auch übertragen auf dieses Testament – nicht.
(a)
Eine Anfechtung wegen eines Irrtums über den Inhalt der Erklärung (vgl. Ziff. 3 der notariellen
Urkunde) kommt vorliegend nicht in Betracht. Sie wird darauf gestützt, dass das Testament vom
20. Juni 2008 nach Ansicht des Klägers eine Schlusserbeneinsetzung enthalte, die von dem
Erblasser und seiner Ehefrau nicht gewollt gewesen sei. Vielmehr hätten damals die darin
genannten Immobilien dem Kläger – nur – vermacht werden sollen (Bl. 82 GA). Das begründet
jedoch keinen Irrtum über den Inhalt der Erklärung. Ein solcher (vgl.
vor, wenn die Erklärung, ggf. nach Auslegung, in ihrer Bedeutung von dem tatsächlich
Gewollten abweicht. Das ist jedoch nicht der Fall, weil die Zuwendungen aus diesem früheren
Testament, ebenso wie die hier maßgeblichen, teilweise auf dieselben Immobilien bezogenen
und mit weiteren Einschränkungen versehenen Verfügungen aus dem gemeinschaftlichen
Testament vom 2./4. Januar 2009, unzweifelhaft Vermächtnisse beinhalteten, wie der Senat in
seinem zwischen dem Kläger und dem Erblasser ergangenen Urteil vom 13. Februar 2019 – 5 U
57/18,
wovon auch die Parteien und das Landgericht ausgegangen sind, Erklärung und tatsächlich
Gewolltes mithin unzweifelhaft übereinstimmten.
(b)
Für die weiterhin geltend gemachte Anfechtung wegen eines Motivirrtums (
fehlt es ebenfalls an einem beachtlichen Anfechtungsgrund.
(aa)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein zur Anfechtung berechtigender
Motivirrtum in der enttäuschten Erwartung des Erblassers liegen, seine persönlichen
Beziehungen zum Bedachten würden sich harmonisch, jedenfalls frei von tiefgreifenden
Störungen entwickeln. Diese Erwartung muss dem Erblasser im Zeitpunkt der Zuwendung
nicht bewusst gewesen sein; es genügt, dass er sie als selbstverständlich vorausgesetzt hat (BGH,
Urteil vom 20. Februar 2008 – IV ZR 32/06,
rechtfertigen, muss ein Motivirrtum aber nicht nur ursächlich für den letzten Willen gewesen
sein, sondern für den Erblasser den letztlich entscheidenden, ihn bewegenden Grund darstellen.
Dafür kommen nur besonders schwerwiegende Umstände in Betracht, die gerade diesen
Erblasser mit Sicherheit dazu gebracht hätten, anders zu testieren (BGH, a.a.O.; vgl. BGH,
Urteil vom 27. Mai 1987 - IVa ZR 30/86,
Grüneberg, a.a.O., § 2078, Rn 5 f). Soweit es um enttäuschte Erwartungen geht, kann deren
Ursächlichkeit auch im Normalfall nicht aufgrund von Erfahrungssätzen festgestellt werden; das
wäre durch die Lebenserfahrung nicht gedeckt und würde die Bindungswirkung eines
Testaments praktisch weitgehend aufheben. Vielmehr muss der dem Anfechtenden obliegende
Beweis der Ursächlichkeit durch die besonderen Umstände des Einzelfalls geführt werden
(BGH, Urteil vom 20. Februar 2008 – IV ZR 32/06, a.a.O.; Urteil vom 31. Oktober 1962 - V
ZR 129/62,
stellen; der Motivirrtum muss zweifelsfrei feststellbar sein (BayObLG,
München,
Rn. 14). Dass möglicherweise Vertrauen bestand und enttäuscht wurde, reicht keinesfalls aus
(BGH, Urteil vom 27. Mai 1987 – IVa ZR 30/86,
1967 – III ZR 101/66,
(bb)
Dies zugrunde gelegt, lässt sich hier nicht mit der erforderlichen hinreichenden Gewissheit
feststellen, dass der Erblasser und seine Ehefrau hier bei Abfassung des gemeinschaftlichen
Testaments vom 2./4. Januar 2009 einem in diesem Sinne beachtlichen Motivirrtum unterlegen
wären. Die von dem Erblasser in der notariellen Urkunde aufgeführten, von dem insoweit
darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten in Bezug genommenen Umstände rechtfertigen
diese Annahme nicht. Sie beanstanden – zusammengefasst – ein nach dem Tode der
Ehefrau auf Hinweis des Beklagten erkanntes angebliches Verhalten des Klägers, der den
Erblasser und seine Ehefrau „belogen und betrogen“ habe, indem er nicht das von ihnen
erwartete „Wohlverhalten“ an den Tag gelegt, sondern vielmehr versucht habe, weitergehend
Einfluss auf das Vermögen zu erlangen. Selbst wenn damit ein von dem Erblasser und seiner
Ehefrau in den Kläger gesetztes Vertrauen enttäuscht worden sein sollte, steht jedoch nicht fest,
dass dieses Verhalten des Klägers auch einer Erwartung widersprach, die für deren Verfügung –
d.h.: insbesondere das Vermächtnis vom 2./4. Januar 2009 – im vorgenannten Sinne
bestimmend gewesen ist. Das Testament, das zu diesem Zwecke ausgelegt werden muss (vgl.
BGH, Urteil vom 14.Januar 1965 – III ZR 131/63,
auf einen solchen Beweggrund seiner Verfasser schließen lassen könnten; ganz im Gegenteil
wird darin ausdrücklich – nur – der Wunsch geäußert, mit dieser und den stillschweigend in
Bezug genommenen früheren Verfügungen aus dem notariellen Erbvertrag eine
„Gleichstellung“ der beiden Kinder herbeizuführen. Diese Äußerung legt es nahe, anzunehmen,
dass gerade dieses besonders erwähnte Ziel dem Erblasser und seiner Ehefrau damals als das
wesentliche Anliegen ihrer Verfügung erschien und andere, ebenso bedeutende Motive
gleichfalls erwähnt worden wären, wenn es sie gegeben hätte. Hingegen ist weder aus der
Testamentsurkunde selbst, noch aus den Umständen, insbesondere dem weiteren Verhalten des
Erblassers und seiner Ehefrau etwas dafür ersichtlich, dass diese jenseits allgemeiner, von Eltern
üblicherweise in ihre Kinder gesetzter Hoffnungen besondere Erwartungen an das spätere
Verhalten des Klägers gestellt hätten, die dabei auch zweifelsfrei so bestimmend waren, dass ihr
Fehlen sie mit Sicherheit dazu gebracht hätte, anders zu testieren. Dagegen spricht letztlich auch,
dass gerade durch das Testament einem etwaigen späteren, hier zur Begründung der Anfechtung
angeführten (vermeintlichen) Fehlverhalten des Klägers entgegengewirkt wurde, weil auf diese
Weise die sachliche Verteilung des Nachlasses geregelt und späteren Manipulationen vorgebeugt
wurde. Daher kann nicht angenommen werden, dass das spätere Verhalten des Klägers, wie es
von dem Erblasser in Ziff. 5 der notariellen Urkunde umschrieben wurde, einer Erwartung
widersprochen haben könnte, die für die hier in Rede stehende Verfügung, das dem Kläger
zugewandte Vermächtnis am französischen Grundbesitz, zweifelsfrei bestimmend gewesen
wäre.
c)
Das mithin wirksame gemeinschaftliche Testament vom 2. und 4. Januar 2009 enthält bei
sachgerechter, alle Umstände berücksichtigender Auslegung die Anordnung eines
Vermächtnisses zugunsten des Klägers, das ihm mit dem Tode seines zuletzt verstorbenen
Vaters angefallen und von dem Beklagten als dessen Erben zu erfüllen ist (§§ 2174, 2176, 2147
BGB).
aa)
Wie der Senat u.a. bereits in seinem zwischen dem Kläger und dem Erblasser ergangenen Urteil
vom 13. Februar 2019 unter Verweis auf einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung
ausgeführt hat, liegt ein Vermächtnis vor, wenn der Erblasser durch Testament einem anderen,
ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Vermögensvorteil zuwendet (
Fall ist, hängt vom Inhalt der Verfügung ab und ist durch Auslegung zu ermitteln. Die
gesetzliche Auslegungsregel des
vorliegt, wenn dem Bedachten nur einzelne Gegenstände zugewendet wurden, kommt nur
mangels anderer Anhaltspunkte zum Zuge und greift nicht ein, wenn durch die – vorrangige –
Auslegung die Zweifel überwunden sind, die zur gegenteiligen Auslegung als Vermächtnis
durchgreifen müssten (BGH, Urteil vom 22. März 1972 – IV ZR 134/70,
Beschluss vom 12. Juli 2017 – IV ZB 15/16,
März 2022 – 5 W 15/22,
die Ermittlung eines von der Erklärung losgelösten Willens, sondern um die Klärung der Frage,
was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - IV ZR
160/91,
die Annahme einer Erbeinsetzung kann trotz Zuwendung nur einzelner Gegenstände sprechen,
wenn der Erblasser sein Vermögen vollständig den einzelnen Vermögensgegenständen nach
verteilt hat, wenn er dem Bedachten die Gegenstände zugewendet hat, die nach seiner
Vorstellung das Hauptvermögen bilden, oder nur Vermächtnisnehmer vorhanden wären und
nicht anzunehmen ist, dass der Erblasser überhaupt keine Erben berufen und seine Verwandten
oder seinen Ehegatten als gesetzliche Erben ausschließen wollte. Entsprechendes kann gelten,
wenn der Nachlass durch die Zuwendung des wertmäßigen Hauptnachlassgegenstands, etwa
eines Hausgrundstücks, im Wesentlichen erschöpft wird oder der objektive Wert das übrige
Vermögen an Wert so erheblich übertrifft, dass der Erblasser ihn als seinen wesentlichen
Nachlass angesehen hat (BGH, Beschluss vom 12. Juli 2017 - IV ZB 15/16, NJW-RR 2017,
1035; Weidlich, in: Grüneberg, a.a.O., § 2087 Rn. 5; Johannsen, in: BGB-RGRK 12. Aufl.,
§ 2087 Rn. 8). Mithin ist zu fragen, ob der Erblasser bei Errichtung des Testaments in den
zugewendeten Gegenständen im Wesentlichen seinen Nachlass erblickt hat, ihn also durch die
Zuwendung hat erschöpfen wollen (Senat, Urteil vom 13. Februar 2019 – 5 U 57/18, ErbR
2019, 510; Beschluss vom 30. März 2022 – 5 W 15/22,
Otte (2019) BGB § 2087, Rn. 26; Czubayko, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht 3. Aufl., § 2087
Rn. 6).
bb)
Danach bestehen vorliegend jedoch keine Zweifel daran, dass der Kläger in dem
gemeinschaftlichen Testament vom 2./4. Januar 2009 von den beiden Eheleuten jeweils für den
Fall ihres späteren Versterbens mit einem Vermächtnis bedacht worden ist, wovon im Übrigen
auch die Parteien und das Landgericht im Anschluss an die – freilich in erster Linie auf das
vorangegangene gemeinschaftliche Testament vom 20. Juni 2008 bezogene –
Senatsentscheidung vom 13. Februar 2019 richtigerweise ausgegangen sind. Schon der
übereinstimmende Wortlaut der beiden Urkunden deutet in gewissem Maße dahin, als darin –
anders als noch in der früheren Verfügung – der Begriff „vermachen“ und damit die
Terminologie der
betont hat – im allgemeinen Sprachgebrauch zwischen den Worten „erben“ und „vermachen“
häufig nicht im Sinne der Terminologie des Bürgerlichen Gesetzbuches unterschieden wird. Für
die Annahme, das Testament enthalte ein Vermächtnis und keine Erbeinsetzung, streitet jedoch
auch hier zunächst schon durchgreifend der sachliche Kontext, in dem diese Anordnung
getroffen wurde, konkret: der Umstand, dass die Eheleute zuvor einen Erbvertrag geschlossen
hatten, in dem sie sich gegenseitig zum alleinigen unbeschränkten Erben des Erstversterbenden
und den Bruder des Klägers zum Erben des Längstlebenden bestimmten, während der Kläger
gleichzeitig mit seinen Eltern einen Erb- und Pflichtteilsverzicht vereinbart hatte, und sich den
späteren Testamenten jeweils nicht der Wille entnehmen lässt, diese frühere Verfügung
(teilweise) aufzuheben oder einzuschränken (vgl. Senat, Urteil vom 13. Februar 2019 – 5 U
57/18,
2009, insoweit auch im Einklang mit der vorangegangenen, dadurch insoweit bestätigten
Verfügung vom 20. Juni 2008, ausdrücklich der Wille hervor, dem Kläger nach dem Tode – nur
– bestimmte Vermögenswerte zuzuwenden, nicht jedoch, diesen auch zum Erben des
Letztversterbenden einzusetzen. Schließlich hat der Senat bereits ausgeführt, dass auch der
Hinweis, beide Kinder sollten „gleichgestellt“ werden, damit keiner eine Forderung gegen den
anderen geltend zu machen habe, eine andere Annahme nicht rechtfertigt, weil eine solche
vermögensrechtliche Gleichstellung die Erbenstellung des Klägers gerade nicht voraussetzte,
ebenso wenig wie der Wert oder der Umfang der Zuwendung, nachdem weiteres wesentliches
Vermögen vorhanden war, darunter das in dem Testament ausdrücklich erwähnte
„Familienheim“, dass die Eheleute damals ersichtlich bewusst nicht dem Kläger zuwenden
wollten.
cc)
Das dem Kläger in dem gemeinschaftlichen Testament vom 2./4. Januar 2009 zugewandte
Vermächtnis ist diesem mit dem Tode des Erblassers angefallen. Gemäß
die Forderung des Vermächtnisnehmers, unbeschadet des Rechts, das Vermächtnis
auszuschlagen, mit dem Erbfall zur Entstehung. Ordnen Ehegatten in einem gemeinschaftlichen
Testament ein Vermächtnis an, kann fraglich – und durch Auslegung zu klären – sein, ob dieses
schon mit dem Tode des Erstversterbenden oder erst mit dem Tode des Überlebenden anfallen
soll; im Zweifel ist anzunehmen, dass das Vermächtnis dem Bedachten erst mit dem Tode des
Längstlebenden anfallen soll, und zwar im Zweifel als dessen Vermächtnis (BGH, Urteil vom
22. September 1982 - IVa ZR 26/81,
57/18,
mit dem Tode des Erblassers – als dem überlebenden Ehegatten – angefallen. Unstreitig
befindet sich der in Frankreich belegene Grundbesitz, der den Gegenstand des Vermächtnisses
bildet, im Nachlass. Der Kläger, der das Vermächtnis – zumindest stillschweigend –
angenommen hat (vgl.
2023, 1119), ist daher jetzt berechtigt, die Erfüllung von dem Beklagten zu verlangen, der –
mangels anderer Anordnungen – als alleiniger Erbe seines verstorbenen Vaters mit diesem
Vermächtnis beschwert ist (vgl.
d)
Der Erblasser hat das Vermächtnis zugunsten des Klägers auch nicht wirksam widerrufen,
insbesondere nicht mit seinen – jeweils nach dem Tode der Ehefrau verfassten – späteren
Testamenten vom 20. November 2014 (Bl. 78 GA) und vom 5. Mai 2015 (UR 0394/2015,
Bl. 56 ff. GA), und ebenso wenig auch mit einem – nach Schluss der mündlichen Verhandlung
vorgelegten – privatschriftlichen Testament, datierend auf den 17. September 2017, das auch in
einem Schreiben an den französischen Notar vom 10. September 2018 Erwähnung findet (Bl.
304, 311 GA). Zwar erfolgte darin jeweils der „Widerruf“ aller bisher getroffenen Verfügungen
von Todes wegen (bzw. des Testaments vom 4. September 2009, Bl. 311 GA), wobei z.T. auch
klargestellt wurde, dass der Beklagte zum alleinigen Erben eingesetzt bleibe bzw. – so Ziff. II
des notariellen Testaments vom 5. Mai 2015 – der Widerruf sich nicht auf die in Ziff. IV des
notariellen Erbvertrages vom 13. April 1989 erfolgte Erbeinsetzung des Beklagten zum
alleinigen Erben erstrecken solle. Ein wirksamer Widerruf – auch – des in dem
gemeinschaftlichen Testament vom 2./4. Januar 2009 enthaltenen Vermächtnisses scheitert
jedoch jeweils daran, dass es sich dabei nicht um eine einseitig getroffene Verfügung handelte,
sondern um eine wechselbezügliche Verfügung im Sinne des
Bindungswirkung entfaltete und nach dem Tode der Ehefrau von dem Erblasser nicht mehr
einseitig widerrufen werden konnte:
aa)
Nach
– auch ein Vermächtnis,
überlebenden Ehegatten bindend, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen
Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wäre, wenn also
jede der beiden Verfügungen mit Rücksicht auf die andere getroffen worden ist und nach dem
Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine mit der anderen stehen oder fallen soll (RG,
Urteil vom 14. Februar 1927 – IV 766/26,
OLG München,
Testament – wie hier – keine ausdrückliche Bestimmung über die Wechselbezüglichkeit, ist diese
durch Auslegung zu bestimmen (
IV ZR 243/56,
Ehegatten im Zeitpunkt der Testamentserrichtung (BayObLG,
Grüneberg, a.a.O., § 2270 Rn. 4). Dabei ist vor allem zu erforschen, ob die Verfügungen nach
dem Willen der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung voneinander abhängig sein
sollten; hierfür können auch Umstände herangezogen werden, die außerhalb des Testaments
liegen, wie etwa frühere oder spätere Äußerungen der Erblasser oder ihre
Vermögensverhältnisse, auch die allgemeine Lebenserfahrung ist zu berücksichtigen (RG, Urteil
vom 13. November 1942 – VII 60/42,
766/26,
Staudinger/Kanzleiter (2019)
Für den Fall, dass die bei der Auslegung gebotene Willenserforschung der Testierenden weder
die Abhängigkeit noch die Unabhängigkeit der beiderseitigen Verfügungen ergibt, kann auf die
Auslegungsregel des
der Verfügungen zueinander im Zweifel dann anzunehmen ist, wenn die Ehegatten einander
gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung
gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person
getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht (Senat,
Beschluss vom 12. Dezember 2017 - 5 W 53/17,
5 W 95/90,
(2019)
der Wechselbezüglichkeit erfordert es allerdings nicht, dass die Ehegatten sich gegenseitig zu
Erben einsetzen oder sonst bedenken (SaarlOLG, Urteil vom 27. Oktober 2005 – 8 U 626/04,
OLGR 2006, 108 = NJOZ 2006, 3877;
OLG Hamm,
Ehegatten einander bedacht oder ob einer von ihnen dem anderen etwas zugewendet hat, ist
lediglich für die Heranziehung der in
Bedeutung; jenseits dessen ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls über die
Wechselbezüglichkeit einer Verfügung zu entscheiden (vgl.
bb)
Die danach vorrangige Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments führt hier bei
angemessener Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände, auch ungeachtet der
abweichenden Einschätzung des Beklagten, dazu, dass das darin von den beiden Ehegatten
jeweils für den Fall des Überlebens des anderen Ehegatten ausgesetzte Vermächtnis zugunsten
des Klägers wechselbezüglich sein, nämlich die Verfügung des einen Ehegatten mit derjenigen
des anderen stehen und fallen sollte. Dies wird in den beiden Urkunden zwar nicht ausdrücklich
gesagt, ist aber auch nicht erforderlich, weil eine Bindungswirkung auch stillschweigend
vereinbart werden kann. Dafür, dass das hier gewollt war, spricht zunächst schon, dass beide
Eltern der Parteien den Kläger jeweils durch gleichlautende Verfügungen mit einem
Vermächtnisanspruch gegen den schon damals zum alleinigen Erben des Überlebenden
eingesetzten Beklagten bedacht haben (vgl. SaarlOLG, Urteil vom 27. Oktober 2005 – 8 U
626/04, OLGR 2006, 108; OLG Hamm,
1040, 1041;
einem gemeinsamen Testament, mögen sie gegenseitige Zuwendungen der Erblasser enthalten
oder zugunsten desselben Dritten getroffen sein, für ihre Wechselbezüglichkeit sprechen (OLG
Hamm,
a.a.O., § 2270 Rn. 2; Musielak, in: MünchKomm-BGB a.a.O., § 2270 Rn. 14). Solche
gleichlautenden Verfügungen, wie sie auch hier vorliegen, lassen regelmäßig den Schluss darauf
zu, dass ihnen eine gemeinsame und damit gegenseitig voneinander abhängige Vorstellung der
testierenden Ehegatten zugrunde liegt. Dass dies hier so war, wird auch durch den Inhalt der
Verfügung bekräftigt, der nicht bloß dahin geht, eine auch sonst als selbstverständlich
anzusehende Rechtsfolge zu bewirken, sondern den gemeinsamen Wunsch beider Eltern nach
einer bestimmten Verteilung des Nachlasses unter ihren gemeinsamen Kindern zum Ausdruck
bringt (vgl. SaarlOLG, Urteil vom 27. Oktober 2005 – 8 U 626/04, OLGR 2006, 108;
BayObLG,
Grundstücke an den Kläger, verbunden mit dem Hinweis auf den „Pflichtteil“ des Beklagten,
was auf dessen zuvor erfolgte Erbeinsetzung und den damit verbundenen Erwerb des in
Deutschland belegenen Grundbesitzes abstellte, geht der übereinstimmende Wille beider Eltern
hervor, das gegenständliche Schicksal ihres Grundvermögens abschließend zu regeln. Dies und
der übereinstimmende Hinweis auf die dadurch erzielte Gleichstellung ihrer beiden Kinder, die
im Übrigen von dem Erblasser auch noch im Rahmen seiner späteren Anfechtungserklärung
(UR Nr. 0998/2014, Bl. 82 GA) ausdrücklich betont wurde, sprechen durchgreifend dafür, dass
beide Ehegatten damals insoweit auch eine wechselseitige Bindung des Überlebenden nach dem
Tode des zuerst Versterbenden beabsichtigt haben. Anders als bei schlichter Einsetzung des
gemeinsamen Kindes ohne weitere Verfügung, die im Zweifel nicht wechselbezüglich wäre, weil
es aus Sicht von Eheleuten selbstverständlich erscheint, dass jeder von ihnen vom Überlebenden
beerbt würde (vgl. OLG München,
§ 2270 Rn. 5), war dieses – weitergehende – Ziel aus Sicht beider Testierenden nämlich nur zu
erreichen, wenn nach dem Tode des Erstversterbenden der Überlebende weiter an seine
Verfügung gebunden blieb. Dass genau dies beabsichtigt war, räumt letztlich auch der Beklagte
mit seiner nachgelassenen Stellungnahme (Schriftsatz vom 20. Dezember 2023, Bl. 296 ff. GA)
ein, wenn er darauf hinweist, beide „Einzeltestamente“ seien nach rechtlicher Beratung zur
Vermeidung möglicher, aus einer Nichtanerkennung des gemeinschaftlichen Testaments in
Frankreich folgender Schwierigkeiten erstellt worden, weil gerade das den Willen der beiden
Eheleute, bindende Verfügungen zugunsten ihres dort lebenden Sohnes zu treffen,
nachvollziehbar erläutert. Gleiches gilt für den erneuten Verweis auf den Erb- und
Pflichtteilsverzichtsvertrag vom 13. April 1989, vor dessen Hintergrund sich das Ziel einer
„Gleichbehandlung“ der beiden Söhne nur noch durch die wechselbezügliche Anordnung
entsprechender Vermächtnisse erreichen ließ. Folge dessen ist, dass der Erblasser, entsprechend
diesen Vorstellungen, nach dem Tode seiner Ehefrau nicht (mehr) berechtigt war, das bindend
gewordene Vermächtnis zugunsten des Klägers zu widerrufen und dadurch die von beiden
Eheleuten beabsichtigte Gleichsetzung ihrer Abkömmlinge nachträglich aufzuheben.
e)
Andere Hinderungsgründe oder Einwendungen, die dem geltend gemachten
Vermächtnisanspruch des Klägers entgegenstehen könnten, hat der Beklagte nicht geltend
gemacht; dazu ist auch sonst nichts ersichtlich.
3.
Da der Beklagte hiernach mit einem wirksamen Vermächtnisanspruch zugunsten des Klägers
beschwert ist, dessen Erfüllung er schuldet, und die Klage damit schon im Hauptantrag
vollumfänglich begründet ist, kam es auf den vom Kläger hilfsweise mittels Stufenklage geltend
gemachten, vom Landgericht gleichfalls als unbegründet abgewiesenen Pflichtteilsanspruch nicht
mehr an.
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus
Vollstreckbarkeit aus den
Die Revision ist gemäß
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Die Wertfestsetzung beruht auf den
GKG. Der Senat schätzt das – maßgebliche – Interesse des Klägers an der Erfüllung des
Grundstücksvermächtnisses aufgrund der realistischen Angaben aus der Klageschrift, denen der
Beklagte nicht entgegengetreten ist, auf 200.000,- Euro. Der hilfsweise im Wege der Stufenklage
geltend gemachte Pflichtteilsanspruch bleibt außer Betracht, da keine der Rechtskraft fähige
Entscheidung über ihn ergangen ist.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Saarbrücken
Erscheinungsdatum:24.01.2024
Aktenzeichen:5 U 8/23
Rechtsgebiete:
Erbvertrag
Gemeinschaftliches Testament
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Vermächtnis, Auflage
Deutsches IPR (EGBGB)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
EuErbVO Art. 22 Abs. 1 u. 3, 25 Abs. 3, 83; BGB §§ 2265, 2270