BGH 11. Juli 2022
NotZ(Brfg) 11/21
BNotO § 39

Bestellung eines Notarvertreters; Vorschlagsrecht des Notars

letzte Aktualisierung: 21.12.2022
BGH, Beschl. v. 11.7.2022 – NotZ(Brfg) 11/21

BNotO § 39
Bestellung eines Notarvertreters; Vorschlagsrecht des Notars

Im Bereich des hauptberuflichen Notariats ist es nicht zu beanstanden, auch die Bestellung
„einfacher“ (nicht ständiger) Notarvertreter – gegebenenfalls im Wege der Selbstbindung der
Verwaltung durch ermessenssteuernde Verwaltungsvorschrift – am Leitbild des § 39 Abs 3 Satz 2
Halbsatz 1 BNotO a. F. beziehungsweise § 39 Abs. 3 Satz 2 BNotO n. F. auszurichten. Daran hat
sich auch das Vorschlagsrecht des Notars aus § 39 Abs. 3 Satz 3 BNotO a. F. beziehungsweise § 39
Abs. 3 Satz 4 BNotO n. F. zu orientieren.

Gründe:

I.
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger für
die Zeit seiner urlaubsbedingten Abwesenheit einen anwaltlichen Notarvertreter
zu bestellen.

Der Kläger ist hauptberuflicher Notar mit Amtssitz in W.

. Mit Schreiben vom 15. Februar 2021 ersuchte er den Beklagten als zuständige
untere Aufsichtsbehörde, ihm während der Dauer eines geplanten Urlaubs
vom 25. bis zum 29. Oktober 2021 Rechtsanwalt P. , der bis 2019
als Notarassessor im Land Brandenburg tätig war und dort an insgesamt 89 Tagen
Notarvertretungen wahrgenommen hatte, als Notarvertreter zu bestellen.

Mit Bescheid vom 11. Juni 2021 wies der Beklagte den Antrag auf Bestellung
von Rechtsanwalt P. als Notarvertreter nach Anhörung der Notarkammer
zurück und bestellte auf den Hilfsantrag des Klägers den Notar a.D.
K. zum Vertreter in den Notargeschäften für den gewünschten Zeitraum.
Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, sein Auswahlermessen sei gemäß
Nummer 14 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der
Justiz zur Ausführung der Bundesnotarordnung und der Dienstordnung für Notarinnen
und Notare vom 3. Dezember 1998 (JMBl. LSA S. 499; im Folgenden:
AV Not) dahingehend eingeschränkt, dass zum Notarvertreter in der Regel nur
ein Notar, ein Notarassessor aus dem Vorbereitungsdienst des Landes Sachsen-
Anhalt oder ein Notar a.D. bestellt werden solle. Den dagegen eingelegten Widerspruch
des Klägers wies der Präsident des Oberlandesgerichts Naumburg mit
Bescheid vom 26. August 2021 zurück.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger unter Aufhebung des Bescheids vom
11. Juni 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. August 2021, den
Beklagten zur Bestellung von Rechtsanwalt P. als Notarvertreter für den
Zeitraum vom 25. bis zum 29. Oktober 2021 zu verpflichten beziehungsweise
hilfsweise die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids festzustellen. Der
Senat für Notarsachen des Oberlandesgerichts hat die Klage durch Gerichtsbescheid
abgewiesen. Die Berufung hat er nicht zugelassen. Hiergegen wendet
sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.

II.
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
1. Das Oberlandesgericht hat den Bescheid des Präsidenten des Landgerichts
Dessau-Roßlau vom 11. Juni 2021 als ermessensfehlerfrei und damit
rechtmäßig bewertet. Der Beklagte habe von seinem Auswahlermessen in einer
dem Zweck des § 39 BNotO entsprechenden Weise unter Einhaltung der gesetzlichen
Grenzen des Ermessens Gebrauch gemacht. Ein Fall der Ermessensreduzierung
auf Null habe nicht vorgelegen. Der Beklagte habe sich zu Recht durch
Nummer 14 Abs. 3 AV Not daran gehindert gesehen, Rechtsanwalt P.
in dem hier in Rede stehenden Zeitraum mit der Notarvertretung zu betrauen. Als
Rechtsanwalt gehöre dieser nicht zu dem in Nummer 14 Abs. 3 AV Not aufgeführten
Personenkreis von Berufsträgern (Notar, Notarassessor aus Vorbereitungsdienst
oder Notar a.D.). Dass die Justizverwaltung sich durch eine ermessenssteuernde
Verwaltungsvorschrift allgemein dahin gebunden habe, im Regelfall
solle auch der nicht ständige Notarvertreter vorrangig aus dem genannten
engen (unmittelbar berufsbezogenen) Personenkreis genommen werden, entspreche
dem gesetzlichen Leitbild des § 39 Abs. 3 Satz 2 BNotO für den Fall der
ständigen Vertretung eines Notars und sei daher nicht zu beanstanden. Nummer
14 Abs. 3 AV Not kollidiere insbesondere nicht mit dem Vorschlagsrecht des zu
vertretenden Notars aus § 39 Abs. 3 Satz 3 BNotO in der bis zum 31. Juli 2021
geltenden Fassung (aF) bzw. § 39 Abs. 3 Satz 4 BNotO in der Fassung ab 1. August
2021 (nF). Aus dieser Sollvorschrift ergebe sich nicht, dass der Vorschlag
des antragstellenden Notars für die Aufsichtsbehörde bindend sei. Vielmehr verbleibe
nach ihrem Sinn und Zweck die Verantwortung für die Vertreterbestellung
in den Händen des Staates. Besondere die Bestellung von Rechtsanwalt P.
ausnahmsweise rechtfertigende Umstände lägen nicht vor. Schon aus
dem Antrag des Klägers vom 15. Februar 2021 gehe hervor, dass mit Notar a.D.
K. eine nach Nummer 14 Abs. 3 AV Not vorrangig zu bestellende Person
aus dem Kreis der Berufsträger, die ebenfalls das Vertrauen des Klägers genieße,
in dem Abwesenheitszeitraum zur Verfügung stehe.

2. Ein Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 2 Nr. 2,
Abs. 3 VwGO, § 111b Abs. 1 Satz 1, § 111d BNotO liegt nicht vor. Insbesondere
bestehen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheids
(§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) noch hat die Sache
grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 111d
Satz 2 BNotO.

a) Die Zulassung der Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der
Richtigkeit des Gerichtsbescheids, der gemäß § 84 Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO als
Urteil wirkt, geboten.

aa) Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des
angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) ist
gegeben, wenn der Antragsteller im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden
Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit
schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat und sich dies auf die Richtigkeit
des Ergebnisses auswirken kann (st. Senatsrechtsprechung, z.B. Senat,
Beschlüsse vom 20. Juli 2015 - NotZ(Brfg) 12/14, DNotZ 2015, 872 Rn. 19 [insoweit
nicht in BGHZ 206, 248 abgedruckt]; vom 23. November 2015 - NotSt(Brfg)
5/15, DNotZ 2016, 311 Rn. 5; vom 20. Juli 2020 - NotZ(Brfg) 5/19, ZNotP 2020,
48 Rn. 2; vom 15. November 2021 - NotZ(Brfg) 3/21, ZNotP 2022, 206 Rn. 8 und
vom 14. März 2022 - Notz(Brfg) 10/21, juris Rn. 9; jeweils mwN; siehe auch
BeckOK BNotO/Herrmann, § 111d BNotO Rn. 3 [5. Edition, Stand: 31. Juli 2021];
Kopp/R.-W. Schenke, VwGO, 27. Aufl., § 124 Rn. 7).

bb) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Oberlandesgericht hat
die Klage zu Recht abgewiesen. Die dagegen von dem Kläger vorgebrachten
Einwände greifen nicht durch.

(1) Der Kläger ist zunächst der Auffassung, aus § 39 Abs. 3 Satz 2 und 3
BNotO nF folge nicht, dass die nicht ständige Notarvertretung nur einem Notar,
Notarassessor und Notar a.D. übertragen werden solle. Hinsichtlich der Bestellung
eines nicht ständigen Notarvertreters komme allein die Regelung in § 39
Abs. 3 Satz 1 und 4 BNotO nF zur Anwendung. Danach könne die nicht ständige
Vertretung ohne Anhörung der Notarkammer auch einem Rechtsanwalt übertragen
werden, der als Notarvertreter fachlich und persönlich geeignet sei und von
dem Notar vorgeschlagen werde. Dem Vorschlag des Notars sei grundsätzlich
zu folgen. Im Bereich der nicht ständigen Vertretung verstoße die Verwaltungsvorschrift
der Nummer 14 Abs. 3 AV Not somit gegen höherrangiges Recht.

(2) Diese Ausführungen stellen die Argumentation des Oberlandesgerichts
nicht in Frage. Dieses ist auf der Grundlage der Senatsrechtsprechung zur Notarvertretung
zutreffend davon ausgegangen, dass es im Bereich des hauptberuflichen
Notariats nicht zu beanstanden ist, auch die Bestellung "einfacher" (nicht
ständiger) Notarvertreter - gegebenenfalls im Wege der Selbstbindung der Verwaltung
durch ermessenssteuernde Verwaltungsvorschrift - am Leitbild des § 39
Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 BNotO aF/§ 39 Abs. 3 Satz 2 BNotO nF auszurichten,
woran sich auch das Vorschlagsrecht des Notars aus § 39 Abs. 3 Satz 3 BNotO
aF beziehungsweise § 39 Abs. 3 Satz 4 BNotO nF zu orientieren hat.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats entscheidet die Aufsichtsbehörde
über den Antrag des Notars, ihm für die Zeit seiner Abwesenheit
oder Verhinderung einen Vertreter zu bestellen, nach pflichtgemäßem Ermessen
(§ 39 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BNotO). Der Notar hat keinen Rechtsanspruch
auf Bestellung eines (bestimmten) Vertreters. Vielmehr hat die Aufsichtsbehörde
ein Entschließungsermessen, ob sie bei Verhinderung des Notars überhaupt einen
Vertreter bestellt, und ein Auswahlermessen hinsichtlich der Person des Vertreters
(z.B. Senat, Beschlüsse vom 31. März 2003 - NotZ 31/02, DNotZ 2003,
785; vom 26. März 2007 - NotZ 42/06, DNotZ 2007, 872 und vom 24. November
2014 - NotZ (Brfg) 4/14, DNotZ 2015, 395 Rn. 13). Richtschnur für die Ausübung
des Ermessens sind die Erfordernisse einer geordneten vorsorgenden Rechtspflege
(Senat, Beschlüsse vom 10. März 1997 - NotZ 39/96, DNotZ 1997, 827,
828; vom 31. März 2003 aaO und vom 24. November 2014 aaO). Diesen gerecht
zu werden, macht den Hauptzweck der Vertretung aus, an dem sich die Ermessensausübung
zu orientieren hat (Senat, Beschluss vom 9. Januar 1995 - NotZ
6/93, DNotZ 1996, 186, 188; vgl. auch BeckOK BNotO/Frisch aaO § 39 BNotO
Rn. 6). In diesem Rahmen ist neben dem Interesse des Notars an der Bestellung
eines Vertreters, wie es unter anderem in dem Vorschlagsrecht nach § 39 Abs. 3
Satz 3 BNotO aF/§ 39 Abs. 3 Satz 4 BNotO nF zum Ausdruck kommt, vor allem
zu beachten, dass das hauptberufliche Notariat durch seine klare Trennung der
grundlegend unterschiedlichen Tätigkeiten des Notars und des Rechtsanwalts in
besonderem Maße die Unabhängigkeit des Notars sichert und der Qualitätsgewähr
dient. Die weitgehende Orientierung an diesem Leitbild auch bei der Auswahl
der zur Notarvertretung heranzuziehenden Personen wahrt wesentliche Belange
einer geordneten Rechtspflege (Senat, Beschluss vom 9. Januar 1995 aaO
S. 189; siehe auch BeckOK BNotO/Frisch aaO Rn. 15 f; Szalai/Jung, NJW 2020,
1475, 1477 f).

Eine Selbstbindung der Verwaltung bei der Auswahl von Notarvertretern
ist grundsätzlich möglich. Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, wenn das
(Auswahl-)Ermessen der Justizverwaltung durch Ausführungsvorschriften zur
Bundesnotarordnung allgemein dahin gebunden wird, dass zu "einfachen" (nicht
ständigen) Notarvertretern im Bereich des hauptberuflichen Notariats im Regelfall
vorrangig Notare, Notarassessoren und Notare a.D. bestellt und Angehörige
anderer juristischer Berufe wie zum Beispiel Rechtsanwälte nur ausnahmsweise
berücksichtigt werden. Dafür spricht die Regelung in § 39 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz
1 BNotO aF/§ 39 Abs. 3 Satz 2 BNotO nF, die - obwohl sie nur den ständigen
Vertreter betrifft - Leitbildcharakter für die Bestellung von Notarvertretern hat (Senat,
Beschluss vom 26. März 2007 aaO S. 873; Frenz/Miermeister/Wilke, BNotO,
5. Aufl., § 39 Rn. 19). Da ermessenssteuernde Vorschriften auf den "Regelfall"
zugeschnitten sind, muss die Behörde, wenn ein Fall wesentliche Besonderheiten
aufweist, das bei ihrer Ermessenentscheidung berücksichtigen und gegebenenfalls
von der Richtlinie abweichend entscheiden. Die Aufsichtsbehörde muss
daher im besonders gelagerten Ausnahmefall auch eine andere Person zum Vertreter
bestellen, wenn dies der Notar mit beachtlichen Gründen beantragt, insbesondere
weil Personen aus dem engen (unmittelbar berufsbezogenen) Personenkreis
nicht im aus Sicht des Notars notwendigen Umfang zur Verfügung stehen
(Senat, Beschlüsse vom 2. Dezember 2002 - NotZ 11/02, DNotZ 2003, 226,
227 und vom 26. März 2007 aaO; Frenz/Miermeister/Wilke aaO). In diesem Kontext
hat der Senat entschieden, dass dem Vorschlagsrecht des Notars erhebliches
Gewicht zukommt, wenn durch die von der Justizverwaltung angebotenen
Maßnahmen die Aufrechterhaltung eines (annähernd) vollständigen Bürobetriebs
im Notariat nicht gewährleistet ist (Beschluss vom 26. März 2007 aaO
S. 874).

Das Oberlandesgericht hat den Ablehnungsbescheid des Beklagten unter
Berücksichtigung der vorstehenden Gesichtspunkte umfassend dahingehend geprüft,
ob der Beklagte von seinem (Auswahl-)Ermessen in einer dem Zweck des
§ 39 BNotO entsprechenden Weise unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen
des Ermessens Gebrauch gemacht hat. Es hat dabei eine Ermessensreduzierung
auf Null zutreffend verneint. Denn der Beklagte war durch Nummer 14
Abs. 3 AV Not, die dem Leitbildcharakter von § 39 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1
BNotO aF/§ 39 Abs. 3 Satz 2 BNotO nF Rechnung trägt und deshalb keinen
rechtlichen Bedenken ausgesetzt ist, gehindert, Rechtsanwalt P. auf
Vorschlag des Klägers zu dessen Vertreter zu bestellen. Nach dieser Verwaltungsvorschrift
soll zum Vertreter in der Regel nur ein Notar, ein Notarassessor
aus dem Vorbereitungsdienst des Landes oder ein Notar a.D. bestellt werden,
die nicht als Mitarbeiter bei einem Notar beschäftigt sind. Die Bestellung anderer
zum Richteramt befähigter Personen kommt nur in Betracht, wenn die Notarkammer
bescheinigt, dass in ihrem Bezirk Notarvertreter aus dem vorgenannten engen
(unmittelbar berufsbezogenen) Personenkreis nicht zur Verfügung stehen.
Daran fehlt es hier. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass der Fall wesentliche,
zu einer Abweichung von der Richtlinie zwingende Besonderheiten aufweise.
Insbesondere war die Bestellung von Rechtsanwalt P. nicht zur
Aufrechterhaltung eines möglichst störungsfreien Betriebs des Notariats erforderlich.
Denn mit Notar a.D. K. stand ein Notarvertreter zur Verfügung, der
die Vorgaben der Nummer 14 Abs. 3 AV Not erfüllte und vom Kläger - jedenfalls
hilfsweise - als geeigneter Vertreter ausdrücklich benannt und vorgeschlagen
wurde.

(3) Entgegen der Auffassung des Klägers bestehen auch keine verfassungsrechtlichen
Bedenken gegen Nummer 14 Abs. 3 AV Not unter dem Gesichtspunkt
eines Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 2
GG) beziehungsweise eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Die Ermessensanwendung auf der Grundlage von § 39 Abs. 1 und 3 BNotO
i.V.m. Nummer 14 Abs. 3 AV Not ist - wie ausgeführt - vorrangig am Interesse
einer geordneten vorsorgenden Rechtspflege auszurichten. Dabei handelt es
sich um einschränkende Berufsausübungsregelungen fraglos rechtfertigende
Gründe des Gemeinwohls (vgl. Senat, Beschluss vom 10. März 1997 - NotZ
39/96, DNotZ 1997, 827, 828).

Für eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist gleichfalls
nichts ersichtlich. Die ermessenssteuernde Regelung in Nummer 14 Abs. 3
AV Not erfasst nach ihrem klaren Wortlaut nur den Regelfall ("soll in der Regel"),
so dass die Aufsichtsbehörde Besonderheiten des Einzelfalls angemessen Rech-
nung tragen und abweichend entscheiden kann. Von einem faktischen generellen
Ausschluss der Bestellung von Rechtsanwälten zu Notarvertretern kann
keine Rede sein.

(4) Soweit der Kläger geltend macht, in seinem Recht aus Art. 3 Abs. 1
GG verletzt zu sein, weil der Präsident des Landgerichts Halle (Saale) für eine
Notarin in Halle (Saale) regelmäßig seit mehr als zehn Jahren eine berufsfremde
Person (Leitender Oberstaatsanwalt a.D.) zum Notarvertreter bestelle (es handele
sich um die Konstellation aus BGH, Beschluss vom 26. März 2007 - Not
42/06, DNotZ 2007, 872), vermag er einen Verstoß gegen den allgemeinen
Gleichheitssatz (Gleichbehandlungsgebot) nicht aufzuzeigen. Er übergeht dabei
bereits, dass vorliegend ein Notar a.D. als Notarvertreter zur Verfügung stand,
wodurch ein (annähernd) störungsfreier Betrieb des Notariats während der Abwesenheit
des Klägers gewährleistet war, während dies in der vom Kläger in Bezug
genommenen Konstellation (zunächst) gerade nicht der Fall war. Darüber
hinaus hat der Präsident des Oberlandesgerichts in dem Widerspruchsbescheid
vom 26. August 2021, ohne dass der Kläger dem entgegentritt, ausgeführt, dass
die Präsidenten der vier zum Bezirk des Oberlandesgerichts gehörenden Landgerichte
als untere Aufsichtsbehörde bei ihren Entscheidungen Nummer 14
Abs. 3 Satz 1 AV Not einheitlich anwendeten und dabei den Vorschlägen der
Notare besonderes Gewicht beimäßen. Wenn ein konkreter Einzelfall wesentliche
Besonderheiten aufweise oder Personen aus dem Kreis der in Nummer 14
Abs. 3 Satz 1 AV Not Genannten nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung
stünden, würden auch andere zum Richteramt befähigte Personen zu Notarvertretern
bestellt. In den letzten Jahren habe allerdings lediglich der Präsident des
Landgerichts Halle in einem Einzelfall eine Person wiederholt zum Notarvertreter
bestellt, die nicht zu der nach Nummer 14 Abs. 3 Satz 1 AV Not vorrangig zu
berücksichtigenden Personengruppe gehöre. Insoweit lägen jedoch - anders als
im Streitfall - besondere Gründe vor, insbesondere auch ein besonders enges
Vertrauensverhältnis. Insoweit bemerkt der Senat ergänzend, dass sich bereits
aus dem Beschluss vom 26. März 2007 (aaO S. 873) ergibt, dass es sich hierbei
um einen Leitenden Oberstaatsanwalt a.D. und ehemaligen Richter handelt, der
als Vater der Notarin die Aufrechterhaltung eines störungsfreien Notariatsbetriebs
in besonders hohem Maß gewährleistet.

2. Die Zulassung der Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung
der Sache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 111d Satz 2 BNotO) veranlasst.

a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche,
klärungsbedürftige und -fähige Rechtsfrage aufwirft, die
sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und die deswegen
das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und
Handhabung des Rechts berührt (st. Senatsrechtsprechung; z.B. Senat, Beschlüsse
vom 20. Juli 2015 - NotZ(Brfg) 12/14, DNotZ 2015, 872 Rn. 9; vom
20. Juli 2020 - NotZ(Brfg) 2/19, ZNotP 2021, 33 Rn. 5; vom 15. November 2021
- NotZ(Brfg) 3/21, ZNotP 2022, 206 Rn. 13 und vom 14. März 2022 - NotZ(Brfg)
10/21, juris Rn. 32; siehe auch BeckOK BNotO/Herrmann aaO § 111d BNotO
Rn. 5; Kopp/R.-W. Schenke, VwGO, 27. Aufl., § 124 Rn. 10; jeweils mwN). Klärungsbedürftig
ist eine Rechtsfrage dabei nur dann, wenn sie zweifelhaft ist, also
über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen (z.B.
Senat, Beschluss vom 14. März 2016 - NotZ(Brfg) 5/15, DNotZ 2016, 879 Rn. 15
mwN).

b) Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob Nummer 14 Abs. 3 AV
Not mit höherrangigem Recht im Einklang stehe und insbesondere das gesetzliche
Vorschlagsrecht des zu vertretenden Notars gemäß § 39 Abs. 3 Satz 3
BNotO aF/§ 39 Abs. 3 Satz 4 BNotO nF genügend berücksichtigt werde, bedarf
keiner weiteren Klärung. Sie kann auf der Grundlage der bislang ergangenen
Senatsrechtsprechung - wie oben dargelegt - ohne weiteres beantwortet werden.
Es besteht kein Grund, die Wirksamkeit derartiger ermessenssteuernder Verwaltungsvorschriften
in Zweifel zu ziehen.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO i.V.m.
§ 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 111g Abs. 1 BNotO i.V.m. § 52 Abs. 2
GKG.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

11.07.2022

Aktenzeichen:

NotZ(Brfg) 11/21

Rechtsgebiete:

Notarielles Berufsrecht

Normen in Titel:

BNotO § 39