OLG Hamm 14. Februar 2020
15 W 6/20
BGB §§ 1970 ff.; FamFG §§ 454 ff.

Rechtsschutzbedürfnis im Aufgebotsverfahren trotz nur geringfügig zu erwartender Forderungen

letzte Aktualisierung: 17.09.2020
OLG Hamm, Beschl. v. 14.2.2020 – 15 W 6/20

BGB §§ 1970 ff.; FamFG §§ 454 ff.
Rechtsschutzbedürfnis im Aufgebotsverfahren trotz nur geringfügig zu erwartender
Forderungen

Das Rechtsschutzbedürfnis für ein Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Ausschließung von
Nachlassgläubigern (§§ 1970 ff. BGB) darf jedenfalls grundsätzlich nicht mit der Begründung
verneint werden, das Verfahren werde nur wegen einer geringfügigen Forderung eines Gläubigers
betrieben, die deutlich unter den Kosten des Aufgebotsverfahrens liegt. Sinn und Zweck des
Aufgebotsverfahrens besteht gerade darin, aufzuklären, ob und in welcher Höhe (weitere)
Nachlassverbindlichkeiten bestehen.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Amtsgericht hat den Antrag der Beteiligten, in deren Zuständigkeit
die Abwicklung von Erbschaften des Landes Nordrhein-Westfalen fällt, auf Durchführung eines
Aufgebotsverfahrens zum Zwecke der Ausschließung von Nachlassgläubigern gem. den §§ 1970 BGB iVm. §§
454 ff FamFG zu Unrecht zurückgewiesen. Die Voraussetzungen liegen vor.
Der Fiskus – und für diesen die Beteiligte – ist antragsbefugt im Sinne des § 455 FamFG. Das Erbrecht des
Fiskus ist festgestellt durch Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Lüdenscheid vom 11. Juni 2019,
Aktenzeichen 9 VI 234/19. Eine unbeschränkte Haftung, die gemäß § 455 Abs. 1 FamFG die
Antragsberechtigung des Erben entfallen lassen würde, kann beim Fiskus als Erben gemäß § 2011 Satz 1 BGB
nicht eintreten.

Eine Antragsfrist besteht nicht.

Das gemäß § 456 FamFG erforderliche Verzeichnis der Nachlassgläubiger liegt vor.

Der Beteiligten fehlt schließlich auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis für ihren Antrag. Das Aufgebot soll dem
Erben einen Überblick über die Nachlassverbindlichkeiten und damit zugleich eine sichere Grundlage für die
Entscheidung verschaffen, ob er die Erbenhaftung durch Beantragung der Nachlassverwaltung oder der
Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens auf den Nachlass beschränken will (Zimmermann in Keidel, 20.
Auflage, 2020, § 455, Rn. 1). Dabei hilft das Aufgebotsverfahren insbesondere wegen der Ausschlusswirkung
nach § 1973 BGB (Palandt/Weidlich, BGB, 79. Auflage, 2020, § 1970, Rn. 1; Klinck in Herberger/Martinek
/Rüßmann/Weth/ Würdinger, jurisPK-BGB Band 5, 8. Auflage, 2017, § 1970, Rn. 4.) Außerdem soll es dem Erben
die notwendigen Unterlagen zur Verteilung der Masse an die Gläubiger verschaffen.

Danach kann das Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung des Aufgebotsverfahren nicht mit der Begründung
verneint werden, das Verfahren werde – ausweislich des Verzeichnisses der Nachlassgläubiger - wegen einer
geringfügigen Forderung eines Gläubigers betrieben, die deutlich unter den Kosten des Aufgebotsverfahrens
läge. Denn die Beteiligte hat gerade vorgetragen, dass ihr nicht (sicher) bekannt ist, ob und in welcher Höhe
(weitere) Nachlassverbindlichkeiten bestehen. Dies weiter aufzuklären, ist Sinn und Zweck des Verfahrens. Dass
im Streitfall Nachlassverbindlichkeiten bestehen, liegt auch nahe. Immerhin haben sämtliche bekannten
gesetzlichen Erben die Erbschaft wegen Überschuldung ausgeschlagen.
Kostenentscheidung und Wertfestsetzung sind wegen des Erfolgs der Beschwerde entbehrlich.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamm

Erscheinungsdatum:

14.02.2020

Aktenzeichen:

15 W 6/20

Rechtsgebiete:

Erbenhaftung
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)

Erschienen in:

NJW-RR 2020, 890-891

Normen in Titel:

BGB §§ 1970 ff.; FamFG §§ 454 ff.