LG Ingolstadt 12. Juli 2001
3 0 546/01
BGB §§ 320, 273

Zurückbehaltungsrecht des Bauträgers hinsichtlich Auflassung auch wegen verjährter Werklohnansprüche

cherheit angeboten wurde. Hat die Klägerin dies nicht hinreichend klargestellt, durften die Beklagten schon wegen des auf
den notariellen Vertrag abgestimmten Wortlauts der Bürgschaft in deren Übergabe die Erfüllung der mit der Verkäuferin vereinbarten Sicherheit sehen. In diesem Falle ist die
Klägerin an den Inhalt der beurkundeten Sicherungsabrede
gebunden. Für den Inhalt der von ihr behaupteten atypischen
Vereinbarung trägt sie uneingeschränkt die Beweislast. Die
Tatsache, dass die von der Klägerin beauftragte Bank eine
Bürgschaft erteilt hat, die ihrem Wortlaut nach geeignet ist,
alle in dem notariellen Vertrag bezeichneten Ansprüche zu
decken, begründet eine tatsächliche Vermutung, die dem Vorbringen der Klägerin entgegensteht und von ihr daher widerlegt werden muss.
III.
Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Vermag die Klägerin ihre Darstellung zu der von den Parteien
angeblich vereinbarten Sicherungsabrede in dem bisher fehlenden Punkt nicht ausreichend zu ergänzen oder den ihr obliegenden Beweis nicht zu führen, so ist die Auffassung des
Berufungsgerichts, Ansprüche der Beklagten auf Rückzahlung eines Teils des Kaufpreises wegen einer geringeren als
der vertraglich zugrunde gelegten Nutzfläche seien von der
Bürgschaft gedeckt, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
1. Verbürgt sind die Ansprüche der Beklagten auf Rückgewähr der in Erfüllung des notariellen Vertrages vom 23. November 1995 geleisteten Beträge. Ein solcher durch die Bürgschaft gesicherter Erstattungsanspruch ist in dem Umfang
begründet, in dem eine Differenz zwischen der gezahlten Vergütung für die vertraglich geschuldete und dem Wert der
tatsächlich erbrachten Leistung besteht (vgl. BGH, Urt. v.
14.1.1999 – IX ZR 140/98 –, WM 1999, 535, 537; v. 6.5.1999
– IX ZR 430/97 –, WM 1999, 1204, 1205 f.).
2. Nach § 3 Nr. 3 des notariellen Vertrages werden Flächenminderungen im Verhältnis zur insgesamt geschuldeten
Fläche zugunsten des Käufers vergütet, während Flächenmehrungen unberücksichtigt bleiben.
a) Möglicherweise wollten die Vertragsparteien mit dieser
Regelung eine unmittelbare Beziehung zwischen der Größe
der Mietflächen und der Höhe des Kaufpreises herstellen. In
diesem Falle begründen Abweichungen von der vereinbarten
Fläche ohne weiteres einen Rückzahlungsanspruch der Beklagten, der von der Bürgschaft gedeckt ist.
b) Andernfalls stellt die Flächendifferenz einen Mangel im
Sinne des § 634 BGB dar (vgl. BGH, Urteil vom 22.12.2000
– VII ZR 310/99 –, WM 2001, 482, 483), so dass der Auftraggeber die Vergütung mindern darf.
aa) Im Streitfall ist das Minderungsrecht vor Abnahme des
Werks entstanden und geltend gemacht worden. Erstmals mit
Schreiben des Beklagten zu 1 vom 4.11.1997 haben die Beklagten Minderung wegen der Flächendifferenz verlangt. Bei
den am 8.10.1997 durchgeführten Begehungen ist das Werk
nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht abgenommen worden. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Die über
die Begehung erstellten Protokolle enthalten keine Erklärung
der Beklagten. Das Berufungsgericht vermochte auch aus den
Umständen nicht zu erkennen, dass die Beklagten bei der genannten Gelegenheit das Werk als im Wesentlichen vertragsgemäße Leistung gebilligt haben. Dies beruht auf einer revisionsrechtlich nicht angreifbaren tatrichterlichen Würdigung;
die dagegen gerichteten Verfahrensrügen erachtet der Senat
nicht für durchgreifend (§ 565a ZPO).
bb) Der infolge dieses Mangels begründete Rückzahlungsanspruch wird von einer Bürgschaft gedeckt, die zur Erfüllung
38 MittBayNot 1/2002Bürgerliches Recht
der Anforderungen des § 7 MaBV erteilt wurde. Die Flächendifferenz verringert den Wert der vertraglich geschuldeten
Leistung des Unternehmers. Ein entsprechender Minderwert
fließt grundsätzlich in die bei Voraus- und Abschlagszahlungsbürgschaften allgemein gebotene Abrechnung ein (vgl.
BGH, Urteil vom 14.1.1999, a.a.O.; vom 6.5.1999, a.a.O.).
§ 7 MaBV soll den Auftraggeber auch vor den Nachteilen
schützen, die sich daraus ergeben, dass infolge eines solchen
Mangels der Wert der geschuldeten Leistung hinter der Höhe
der geleisteten Vorauszahlungen zurückbleibt. Daher sind auf
Minderungsrechte gegründete Rückzahlungansprüche jedenfalls dann von einer gemäß § 7 MaBV erteilten Bürgschaft gedeckt, wenn der Mangel vor Abnahme geltend gemacht worden ist. Ob der Schutzzweck der Bürgschaft auch Ansprüche
sichert, die nach Abnahme begründet sind, bedarf hier keiner
Entscheidung.
c) Die Beklagten haben den Anspruch geltend gemacht, bevor die Bürgschaft erlöschen konnte. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts war der Notar
von den Grundpfandgläubigern aus dem Treuhandvertrag
noch nicht entlassen worden, als der Bürgin mit Schreiben der
Beklagten vom 23.1.1998 ihre Inanspruchnahme angezeigt
wurde.
Hinweis der Schriftleitung:
Vgl. den kurzen Beitrag von Reiß, MittBayNot 2002, S. 9
(in diesem Heft).
2. BGB §§ 320, 273 (Zurückbehaltungsrecht des Bauträgers
hinsichtlich Auflassung auch wegen verjährter Werklohnansprüche)
Der Bauträger kann die nach der Treuhandauflage für
den Notar zur Vorlage der Auflassung an das Grundbuchamt erforderliche Erklärung, der Kaufpreis sei bezahlt,
zurückbehalten, auch wenn sein Anspruch auf Zahlung
des Restwerklohns bzw. Werklohns für Sonderwünsche
verjährt ist.
(Leitsatz der Schriftleitung)
Das Urteil ist rechtskräftig.
LG Ingolstadt, Urteil vom 12.7.2001 – 3 0 546/01 –, mitgeteilt von Notar Dr. Rolf Bleutge, Pfaffenhofen a.d. Ilm
Zum Sachverhalt:
Die Kläger haben von der Beklagten mit notarieller Urkunde vom
4.11.1994 das Grundstück FlNr. 819/6 erworben mit der Verpflichtung der Beklagten darauf ein Wohngebäude zu erstellen. Am
19.12.1994 erfolgte die Messungsanerkennung und die Auflassung
hierzu. Im Kaufvertrag war vereinbart, dass der Notar die Auflassung
zum Zwecke des Vollzugs erst dann vorlegt, wenn der Nachweis
erbracht ist, dass der Gesamtkaufpreis bezahlt ist. Aus dem Kaufvertrag ist noch ein Restkaufpreis von DM 16.870,– und DM 3,213,19
für Sonderwünsche offen, insgesamt also DM 20.083,19. Die Ansprüche auf den Restkaufpreis sind verjährt.
Die Kläger begehren deshalb von der Beklagten, gegenüber dem
Notar zu erklären, dass der Gesamtkaufpreis bezahlt ist, damit die
Auflassung vollzogen und die Kläger als Eigentümer im Grundbuch
eingetragen werden können.
Aus den Gründen:
Die zulässige Klage ist begründet, aber nur Zug um Zug gegen die Bezahlung des noch offenen Restkaufpreises von
DM 17.820,69.
Rechtsprechung


Der Beklagten steht hinsichtlich dieses Restkaufpreises ein
Zurückbehaltungsrecht nach § 320 BGB für den Restwerklohn bzw. nach § 273 BGB bzgl. des Werklohnes für die
Sonderwünsche zu. Dem steht nicht entgegen, dass der Restkaufpreisanspruch unstreitig verjährt ist. Auch verjährte Ansprüche begründen dann ein Zurückbehaltungsrecht und die
Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§§ 273, 320 BGB),
wenn die Verjährung noch nicht eingetreten war, als der Anspruch des Gläubigers entstand (entsprechende Anwendung
des § 390 Satz 2 BGB), vgl. BGH NJW 67, 1902; 70, 561.
Der Auflassungsanspruch der Kläger entstand durch seine Begründung im Kaufvertrag vom 4.11.1994 und vom 19.12.1994,
also vor Eintritt der Verjährung des Vergütungsanspruches am
31.12.1996. Die Auflassung ist aber noch nicht vollzogen, weil
der Notar die Urkunde dem Grundbuchamt noch nicht vorgelegt
hat und beglaubigte Abschriften noch nicht erteilt hat. Solange
kann die Beklagte ihr Zurückbehaltungsrecht geltend machen.
Zwar gibt die Verjährung der Ansprüche den Klägern ein
Leistungsverweigerungsrecht, § 222 BGB. Dennoch könnte
die Beklagte z. B. gegen Mängelbeseitigungsansprüche der
Kläger mit seiner Forderung aufrechnen, § 390 Satz 2 BGB.
Die Interessenlage ist hier gleich, nur dass wegen der Ungleichartigkeit der Ansprüche nicht aufgerechnet werden
kann. Es wäre auch ein logischer Widerspruch, wenn die Beklagte erklären müsste, der Gesamtkaufpreis sei bezahlt, obwohl er unstreitig nicht bezahlt ist, denn der verjährte Anspruch erlischt ja nicht, sondern ihm steht nur ein Leistungsverweigerungsrecht entgegen. Dieses Leistungsverweigerungsrecht ist auch nicht sehr stark geschützt, wie sich schon
aus § 390 Satz 2 BGB entnehmen lässt, denn die Verjährungsvorschrift dient nur der Rechtssicherheit, nicht aber der materiellen Gerechtigkeit. Deshalb können z. B. auch nach § 222
Abs. 2 BGB Leistungen nicht zurückgefordert werden, die
auf verjährte Ansprüche erfolgten, selbst wenn dies in Unkenntnis der Verjährung geschehen ist.
Gerade im vorliegenden Fall ist es auch durchaus auch billig,
dass der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zusteht. Der
bereits abgeschlossene Rechtsstreit 3 O 1590/96 begann nämlich zu der Zeit, als noch die frühere Rechtsprechung zur
Zwangsvollstreckungsunterwerfungserklärung galt und endete unter der neuen Rechtslage. Durch diesen Zufall kam es
überhaupt zur Verjährung der Restwerklohnansprüche.
Die Kläger können das Zurückbehaltungsrecht der Beklagten
aber durch eine Befriedigung der Ansprüche der Beklagten
beseitigen, weshalb eine Zug-um-Zug-Verurteilung auszusprechen war. (…)
Bürgerliches Recht
3.
Handelt es sich um ein echtes Streitverfahren, so
kann auch in einer Wohnungseigentumssache ohne
Verletzung der Amtsermittlungspflicht auf der Grundlage des glaubhaften Vorbringens eines Beteiligten,
dem der Gegner nicht widersprochen hat, entschieden werden.
BGH, Beschluss vom 21.12.2000 – V ZB 45/00 –, mitgeteilt
von Notar Dr. Wolfram Schneeweiß, LL.M. (Cornell), Straubing
Zum Sachverhalt:
Die Beteiligten sind Wohnungseigentümer in einer Wohnanlage.
Dem Antragsteller gehört eine im Erdgeschoss gelegene Wohnung.
Der Antragsgegner zu 1 und sein Sohn, der Antragsgegner zu 2, sind
jeweils Eigentümer zweier benachbarter Wohnungen im ersten Obergeschoss. Zwischen den Wohnungen der Antragsgegner wurde im
Jahre 1995 eine Trennwand durchbrochen und eine Verbindungstür
eingebaut. Der Antragsgegner zu 1 betreibt in beiden Wohnungen
eine Wirtschaftsprüfer- und Steuerberaterkanzlei. Dem liegt eine
Genehmigung der Wohnungseigentümergemeinschaft zugrunde, die
vom Antragsteller und zwei weiteren Wohnungseigentümern erfolglos angefochten worden ist.
In der Eigentümerversammlung am 17.8.1998 beantragte der Antragsteller, die Antragsgegner zur dauerhaften Beseitigung des Mauerdurchbruchs zu verpflichten. Dieser Antrag wurde von der Mehrheit
der Wohnungseigentümer abgelehnt. Daraufhin hat der Antragsteller
beim Amtsgericht beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, den
vorhandenen Mauerdurchbruch fachgerecht und dauerhaft zu verschließen, hilfsweise diese Maßnahme zu dulden. Das Amtsgericht
hat die Anträge zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des
Antragstellers hat das Landgericht den Antragsgegner zu 1 zur Beseitigung des Mauerdurchbruchs und den Antragsgegner zu 2 zur
Duldung dieser Maßnahme verpflichtet. Der hiergegen gerichteten
sofortigen weiteren Beschwerde der Antragsgegner möchte das
Bayerische Oberste Landesgericht unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsauffassung stattgeben.
Es sieht sich hieran jedoch durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 15.10.1999 (ZMR 2000, 254 des Oberlandesgerichts Köln vom 8.2.1995 (WE 1995, 221) sowie des Kammergerichts vom 17.2.1993 (NJW-RR 1993, 909) und vom 10.1.1990
(NJW-RR 1990, 334) gehindert und hat deshalb die Sache durch Beschluss vom 8.9.2000 (BayObLGZ 2000, 252) dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
Aus den Gründen:
II.
Die Vorlage ist statthaft (§§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 45 Abs. 1 WEG
i.V. mit § 28 Abs. 2 FGG). (…)
III.
3. WEG §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 (Durchbruch durch eine im
Gemeinschaftseigentum stehende Wand)
1. Wanddurchbrüche zwischen zwei Wohnungen, die
zum Verlust der Abgeschlossenheit (§ 3 Abs. 2 WEG)
oder einem der Teilungserklärung widersprechenden
Zustand führen, stellen nicht schon deshalb einen für
die anderen Wohnungseigentümer nicht hinnehmbaren Nachteil dar.
2. Wird eine tragende, in Gemeinschaftseigentum stehende Wand durchbrochen, so ist ein nicht hinnehmbarer Nachteil allerdings erst dann ausgeschlossen,
wenn kein wesentlicher Eingriff in die Substanz des
Gemeinschaftseigentums erfolgt, insbesondere keine
Gefahr für die konstruktive Stabilität des Gebäudes
und dessen Brandsicherheit geschaffen worden ist.
Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 45 Abs. 1,
43 Abs. 1 Nr. 1 WEG; §§ 27, 29, 22 Abs. 1 FGG) und hat in
der Sache Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung der den
Antrag abweisenden Entscheidung des Amtsgerichts. Das
Antragsbegehren kann weder auf einen Beseitigungsanspruch
(§ 1004 Abs. 1 BGB, §§ 15 Abs. 3, 14 Nr. 1, 22 Abs. 1 WEG)
noch auf einen Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes aus §§ 823 Abs. 1, 249 BGB, §§ 823 Abs. 2,
1004, 249 BGB (vgl. hierzu etwa BayObLG, NJW-RR 1991,
1234, 1235; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl., § 22 Rdnr.
232 ff.; Niedenführ/Schulze, WEG. 5. Aufl., § 22 Rdnr. 43)
oder aus positiver Vertragsverletzung, i.V.m. § 249 BGB gestützt werden.
1. Der geltend gemachte Anspruch scheitert allerdings nicht
bereits an einem bestandskräftigen Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft über die Genehmigung des geschafRechtsprechung
MittBayNot 1/2002

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

LG Ingolstadt

Erscheinungsdatum:

12.07.2001

Aktenzeichen:

3 0 546/01

Erschienen in:

MittBayNot 2002, 38-39

Normen in Titel:

BGB §§ 320, 273