BGH 25. Oktober 2019
V ZR 271/18
BGB § 1004; WEG § 15 Abs. 3

Nutzung einer Teileigentumseinheit außerhalb der Zweckbestimmung; Unterlassungsanspruch

letzte Aktualisierung: 03.01.2020
BGH, Urt. v. 25.10.2019 – V ZR 271/18

BGB § 1004; WEG § 15 Abs. 3
Nutzung einer Teileigentumseinheit außerhalb der Zweckbestimmung;
Unterlassungsanspruch

a) Die Wohnungseigentümer haben gegen den Mieter einer Sondereigentumseinheit, der bei der
Nutzung des Gemeinschaftseigentums gegen eine von den Eigentümern vereinbarte oder
beschlossene Gebrauchsregelung verstößt, einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB.
b) Die Wohnungseigentümer haben gegen den Mieter einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit
im Falle einer Nutzung, die der in der Teilungserklärung für diese Einheit getroffenen
Zweckbestimmung widerspricht, einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB.
c) Die Nutzung einer Teileigentumseinheit als Eisverkaufsstelle (Eisdiele) mit Bestuhlung verstößt
gegen eine in der Teilungserklärung enthaltene Zweckbestimmung, nach der die Einheit nur als
„Laden“ genutzt werden darf; bei typisierender Betrachtung stört diese Nutzung jedenfalls dann
mehr als eine Nutzung als Ladengeschäft, wenn Außenflächen in Anspruch genommen werden, sei
es durch eine Außenbestuhlung oder durch den Verkauf nach außen.

Entscheidungsgründe:

I.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in
ZWE 2019, 178 veröffentlich ist, meint, der Beklagte sei aus § 1004 Abs. 1 BGB
verpflichtet, die Nutzung der Teileigentumseinheit als Gastronomiebetrieb, insbesondere
als Eisverkaufsstelle, zu unterlassen. Eine solche Nutzung könne
unter Zugrundelegung des allgemeinen Sprachgebrauchs nicht unter den Begriff
des Ladens subsumiert werden, wie er als Zweckbestimmung in der Teilungserklärung
für diese Räumlichkeiten vorgesehen sei. Von dem Betrieb eines
Ladens könne nicht mehr gesprochen werden, wenn nicht nur Getränke
und Speisen zum Verkauf angeboten würden, sondern sich die Besucher auch
zum Verzehr dieser Lebensmittel in den dafür eingerichteten Räumen aufhielten
und aufgrund der örtlichen Gegebenheiten, etwa durch eine Bestuhlung, zum
Verweilen eingeladen würden. Dann stehe nicht mehr der Verkauf, sondern der
gleichzeitige Genuss bzw. Verbrauch der angebotenen Waren im Vordergrund,
was mit einer verstärkten Kommunikation der Kunden einhergehe. Bei einer
typisierenden Betrachtung verursache diese Nutzung eine größere Störung als
die in der Teilungserklärung vorgesehene Nutzung.

Der Beklagte sei hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs als Mieter der
Einheit passivlegitimiert. Zwar werde die Bindung des Mieters an eine in der
Teilungserklärung enthaltene Zweckbestimmung des Sondereigentums teilweise
verneint, weil eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer nur im Verhältnis
zwischen ihnen wirke, nicht aber gegenüber Dritten. Richtigerweise werde
durch eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter aber, wie in § 5
Abs. 4 Satz 1 WEG vorgesehen, der Inhalt des Sondereigentums bestimmt.

Diese dingliche Rechtsposition wirke im Sinne eines absoluten Rechts gegenüber
jedermann. Die Vermietung könne keine Auswirkung auf den Inhalt des
Sonder- oder Gemeinschaftseigentums haben. Anderenfalls könnte der Sondereigentümer
durch die Vermietung seine Gebrauchsbefugnis faktisch erweitern
und vereinbarte Beschränkungen umgehen.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis und im
überwiegenden Teil der Begründung stand.

1. Zu Recht sieht das Berufungsgericht die Klage als zulässig an. Für
Unterlassungsansprüche der Wohnungseigentümer aus dem Miteigentum an
dem Grundstück besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zwar
keine geborene Ausübungsbefugnis des Verbands gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3
Halbsatz 1 WEG (vgl. Senat, Urteil vom 5. Dezember 2014 - V ZR 5/14, BGHZ
203, 327 Rn. 6), und zwar auch dann nicht, wenn Anspruchsgegner - wie hier -
ein außerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft stehender Dritter ist (Se-
nat, Urteil vom 13. Oktober 2017 - V ZR 45/17, NZM 2018, 231 Rn. 8 mwN).
Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann aber Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche
wegen Störungen des Gemeinschaftseigentums gemäß
§ 1004 Abs. 1 BGB oder § 15 Abs. 3 WEG durch Mehrheitsbeschluss
nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG an sich ziehen und ist dann allein zuständig
für die gerichtliche Geltendmachung gegenüber dem Dritten (Senat,
Urteil vom 13. Oktober 2017 - V ZR 45/17, NZM 2018, 231 Rn. 9). Das ist hier
mit dem am 1. November 2016 gefassten Beschluss geschehen.

2. Im Ergebnis zu Recht bejaht das Berufungsgericht einen Anspruch der
Wohnungseigentümer gegen den Beklagten aus § 1004 Abs. 1 BGB auf Unterlassung
der Nutzung der von ihm gemieteten Teileigentumseinheit als Gastronomiebetrieb.
a) Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass die Wohnungseigentümer
gegen den Mieter einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit im Falle
einer Nutzung, die der - wie hier - in der Teilungserklärung für diese Einheit getroffenen
Zweckbestimmung widerspricht, einen Unterlassungsanspruch aus
§ 1004 Abs. 1 BGB haben. Dies ist allerdings umstritten.

aa) Nach weit überwiegender Ansicht können die Sondereigentümer von
dem Mieter eines anderen Sondereigentümers jedenfalls dann nach § 1004
Abs. 1 BGB verlangen, dass er eine Nutzung des Sondereigentums unterlässt,
die einer vereinbarten Zweckbestimmung widerspricht, wenn diese Vereinbarung
in das Grundbuch eingetragen ist. Begründet wird diese Auffassung zumeist
damit, dass eine solche Zweckbestimmung nach § 5 Abs. 4 Satz 1 WEG
den Inhalt des Sondereigentums bestimme und daher auch gegenüber dem
Mieter einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit wirke (vgl. OLG München,
NJW-RR 1992, 1492, 1493 f.; OLG Stuttgart, NJW-RR 1993, 24, 25; OLG
Frankfurt, NJW-RR 1993, 981; OLG Karlsruhe, MDR 1994, 59; KG, KGR Berlin
2005, 441, 442; OLG München, ZWE 2010, 36; Bärmann/Suilmann, WEG,
14. Aufl., § 13 Rn. 138 f.; § 15 Rn. 84; BeckOGK/Falkner, WEG [1.8.2019], § 13
Rn. 93; Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl., § 15 Rn. 76; jurisPK-BGB/Lafontaine,
8. Aufl., § 15 WEG Rn. 56; Kümmel/Niedenführ in Niedenführ/Vandenhouten,
WEG, 12. Aufl., § 14 Rn. 34 f.; Schultzky in Jennißen, WEG, 6. Aufl., § 13
Rn. 33; § 15 Rn. 129; Spielbauer in Spielbauer/Then, WEG, 3. Aufl., § 15
Rn. 22; Staudinger/Kreuzer, BGB [2018], § 13 WEG Rn. 50; Nüßlein, Die Divergenzen
zwischen Wohnungseigentums- und Mietrecht, 2006, S. 130 f.; Armbrüster/
Müller, ZMR 2007, 321, 323 f.; Riecke, ZMR 2010, 154 f.; Horst, NZM
2012, 289, 293; Jacoby, ZWE 2012, 70, 73; Bonifacio, ZWE 2013, 196, 199;
Dötsch, WuM 2017, 493, 496). Teilweise wird darüber hinausgehend angenommen,
dass die Sondereigentümer nach § 1004 Abs. 1 BGB von dem Mieter
eines anderen Sondereigentümers auch die Einhaltung von mehrheitlich beschlossenen
Gebrauchsregelungen verlangen können, weil der Vermieter dem
Mieter keine weitergehenden Rechte übertragen könne, als er selbst habe
(OLG Frankfurt, NJW-RR 1993, 981; LG Hamburg, ZWE 2012, 290; BeckOK
WEG/Müller [1.8.2019], § 14 Rn. 122; Bonifacio, ZWE 2013, 196, 198 f.).

bb) Nach anderer Ansicht binden Vereinbarungen der Wohnungseigentümer
- und erst Recht (Mehrheits-)Beschlüsse - nur diese selbst, nicht aber
Dritte. Es führe zu einer unzulässigen Ausdehnung absoluter Rechte, wenn aus
Vereinbarungen Ansprüche nach § 1004 Abs. 1 BGB gegen Dritte abgeleitet
würden. Die Eintragung einer Vereinbarung im Grundbuch habe nach § 10
Abs. 3 WEG nur den Zweck, Sondernachfolger der Sondereigentümer zu binden,
mache den Inhalt der Vereinbarung aber nicht zum absoluten Recht mit
dinglicher Wirkung gegen Dritte (vgl. AG Hannover, ZMR 2010, 153, 154;
Müller/Weber, Beck´sches Formularbuch WEG, 3. Aufl., L.I.2. Anm. 9;
Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 5. Aufl., § 13 Rn. 5; Schuschke, NZM 1998,
176; Kümmel, ZWE 2008, 273, 276; Lehmann-Richter, ZWE 2019, 105, 107).
cc) Die Frage ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. In einer das
Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter betreffenden Entscheidung ist der
Bundesgerichtshof, ohne die Frage zu entscheiden, davon ausgegangen, dass
Sondereigentümer bei einer der Zweckbestimmung widersprechenden Nutzung
einer Einheit durch einen Mieter einen direkten Anspruch gegen diesen auf Unterlassung
dieser Nutzung haben (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1995
- XII ZR 230/94, NJW 1996, 714 unter 2.a). Der Senat hat die Frage zuletzt
offengelassen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 194/14, ZfIR 2015, 773
Rn. 13). Er entscheidet sie nun im Ergebnis im Sinne der erstgenannten
Ansicht.

(1) Als Anspruchsgrundlage für den unmittelbaren Anspruch eines Sondereigentümers
gegen den Mieter eines anderen Sondereigentümers auf Unterlassung
einer bestimmten Nutzung der angemieteten Einheit kommt, da Ansprüche
aus § 15 Abs. 3 WEG auf Einhaltung einer Gebrauchsregelung den
Eigentümern nur im Innenverhältnis bei unzulässigem Gebrauch durch andere
Eigentümer gegen diese zustehen können (vgl. Senat, Urteil vom 18. November
2016 - V ZR 221/15, ZfIR 2017, 193 Rn. 24), nur § 1004 Abs. 1 BGB in Betracht.
Der Anspruch setzt somit voraus, dass der Mieter das Eigentum des
Sondereigentümers beeinträchtigt, der die Unterlassung begehrt. Diese Voraussetzung
ist ohne weiteres gegeben, wenn der Mieter das Gemeinschaftseigentum
in einer Weise nutzt, die einer von den Eigentümern - gleich ob durch
Vereinbarung oder durch Beschluss - getroffenen Gebrauchsregelung widerspricht.
Mit der Nutzung des Gemeinschaftseigentums nimmt der Mieter das
Miteigentum aller Eigentümer in Anspruch. Hierzu ist er nur deshalb berechtigt,
weil jeder Sondereigentümer - vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen (vgl.
hierzu Senat, Urteil vom 12. April 2019 - V ZR 112/18, NJW 2019, 2083
Rn. 17 ff.) - nach § 13 Abs. 1 WEG zur Vermietung seines Sondereigentums
befugt ist und diese Befugnis auch die Übertragung der Berechtigung zum Mitgebrauch
des gemeinschaftlichen Eigentums nach § 13 Abs. 2 WEG umfasst
(Bärmann/Suilmann, WEG, 14. Aufl., § 13 Rn. 38). Der Mieter übt folglich in
Bezug auf das Gemeinschaftseigentum eine von seinem Vermieter als Miteigentümer
abgeleitete Befugnis zur Inanspruchnahme des auch fremden Miteigentums
an dem Grundstück aus, die nicht weiterreichen kann, als die Befugnis
des Eigentümers, der sie dem Mieter im Rahmen des Mietverhältnisses einräumt
(vgl. Jacoby, ZWE 2012, 70, 73).

Das Recht des Sondereigentümers zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen
Eigentums besteht gemäß § 13 Abs. 2 WEG nur nach Maßgabe der
§§ 14, 15 WEG. Er kann folglich dieses Recht dem Mieter nur dergestalt übertragen,
dass dieser - wie der Sondereigentümer selbst - zum Mitgebrauch des
Gemeinschaftseigentums unter Einhaltung der Gebrauchsregelungen nach § 15
WEG berechtigt ist (vgl. auch § 14 Nr. 2 WEG und hierzu Senat, Urteil vom
16. Mai 2014 - V ZR 131/13, ZWE 2014, 356 Rn. 11). Allein aufgrund und im
Umfang dieser Übertragung sind die übrigen Wohnungseigentümer verpflichtet,
die Nutzung des Gemeinschaftseigentums durch den Mieter zu dulden (§ 14
Nr. 3 WEG, § 1004 Abs. 2 BGB). Verstößt der Mieter gegen eine für das Gemeinschaftseigentum
getroffene Gebrauchsregelung, überschreitet er seine
Befugnis zu dessen Nutzung und beeinträchtigt - selbst wenn ihm der vermietende
Eigentümer diese Nutzung gestattet haben sollte - unmittelbar das Eigentum
aller anderen Eigentümer (siehe allgemein zur Eigentumsbeeinträchtigung
durch den unbefugten Gebrauch einer fremden Sache Staudinger/Gursky, BGB
[2012], § 1004 Rn. 24). Die Wohnungseigentümer haben daher gegen den Mieter
einer Sondereigentumseinheit, der bei der Nutzung des Gemeinschaftseigentums
gegen eine von den Eigentümern vereinbarte oder beschlossene Gebrauchsregelung
verstößt, einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1
BGB.

(2) Geht es hingegen um die zweckwidrige Nutzung einer Sondereigentumseinheit
durch einen Mieter, ist die Rechtslage auf den ersten Blick eine andere,
weil der Mieter das Miteigentum der übrigen Wohnungseigentümer insoweit
nicht in Anspruch nimmt und es folglich an einer unmittelbaren Beeinträchtigung
ihres Eigentums zu fehlen scheint. Gleichwohl haben die Wohnungseigentümer
in dieser Konstellation einen unmittelbaren Anspruch aus § 1004
Abs. 1 BGB gegen den Mieter auf Unterlassung der gegen die Zweckbestimmung
verstoßenden Nutzung der Einheit.

(a) Durch die bestimmte Bezeichnung einer Sondereigentumseinheit in
der Teilungserklärung, z.B. als Laden, wird die zulässige Nutzung dieser Einheit
beschränkt, wenn es sich - wie hier - um eine Regelung im Sinne einer Zweckbestimmung
mit Vereinbarungscharakter handelt. Eine solche betrifft nicht die
sachenrechtliche Zuordnung, die nicht Gegenstand einer Vereinbarung sein
kann, sondern dient der Regelung der Innenbeziehungen der Wohnungseigentümer
untereinander, ist also Teil der Gemeinschaftsordnung, die ähnlich einer
Satzung die Grundlage für das Zusammenleben der Wohnungseigentümer
bildet (vgl. Senat, Urteil vom 22. März 2019 - V ZR 298/16, WuM 2019, 338
Rn. 11 mwN). Vereinbarungen, durch die die Wohnungseigentümer ihr Verhältnis
untereinander regeln, entfalten allerdings zunächst nur Wirkung zwischen
diesen; sie sind schuldrechtlicher, nicht dinglicher Natur.

(b) Vereinbarungen über das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander
können aber gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 WEG nach den Vorschriften
des 2. und 3. Abschnittes des Wohnungseigentumsgesetzes, namentlich durch
die Eintragung in das Grundbuch nach § 10 Abs. 3 WEG zum Inhalt des Sondereigentums
gemacht und auf diese Weise „verdinglicht“ werden (vgl. Senat,
Urteil vom 2. Dezember 2011 - V ZR 74/11, NJW 2012, 676 Rn. 13; Urteil vom
10. Juli 2015 - V ZR 169/14, NJW 2016, 53 Rn. 23). Enthält die Teilungsvereinbarung
(§ 3 Abs. 1 WEG), die nach § 4 Abs. 1 WEG in das Grundbuch einzutragen
ist, für eine Sondereigentumseinheit eine Zweckbestimmung, die vorgibt,
wie die Einheit zulässigerweise genutzt werden darf, wird hierdurch der Inhalt
des Sondereigentums an dieser Einheit ausgestaltet. Dies gilt nach § 8 Abs. 2
Satz 1 WEG i.V.m. § 5 Abs. 4 Satz 1 WEG ebenso, wenn die Zweckbestimmung
in der Teilungserklärung durch den teilenden Eigentümer vorgegeben
wird, da die Teilungserklärung ab dem Zeitpunkt, ab dem sie von dem teilenden
Eigentümer nicht mehr einseitig geändert werden kann, einer Vereinbarung
gleichsteht (vgl. Senat, Beschluss vom 13. September 2000 - V ZB 14/00, NJW
2000, 3643, 3644 unter 2.; Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR 40/09, NJW-RR
2010, 667 Rn. 5), oder wenn die Wohnungseigentümer die Zweckbestimmung
aufgrund einer in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Öffnungsklausel
durch Beschluss ändern, da ein solcher Beschluss die Änderung einer Vereinbarung
gemäß § 15 Abs. 1 WEG zum Gegenstand hat (vgl. Senat, Urteil vom
12. April 2019 - V ZR 112/18, NJW 2019, 2083 Rn. 5 sowie zu den Voraussetzungen
und Grenzen einer solchen Änderung Rn. 13 ff., zur Veröff. in BGHZ
bestimmt).

(c) Die auf diese Weise bewirkte inhaltliche Ausgestaltung des Sondereigentums
führt allerdings nicht dazu, dass die Zweckbestimmung selbst den
Charakter eines absoluten Rechts erhält und dingliche Wirkung gegenüber je-
dermann entfaltet. Obwohl eine Zweckbestimmung als Inhalt des Sondereigentums
auch gegenüber den Sondernachfolgern eines Wohnungseigentümers
wirkt - sei es nach § 10 Abs. 3 WEG, sei es über die in der Gemeinschaftsordnung
enthaltene Öffnungsklausel i.V.m. § 10 Abs. 4 WEG -, wird sie hierdurch
nicht zu einem dinglichen Recht, sondern betrifft unmittelbar nur das Verhältnis
der Wohnungseigentümer untereinander (zutreffend Hügel, FS Koch [2019]
363, 365). Insoweit sind der rechtliche Charakter und die rechtliche Wirkung der
Vereinbarungen über den Inhalt des Sondereigentums nach § 5 Abs. 4 WEG
vergleichbar mit Vereinbarungen des Grundstückseigentümers und des Erbbauberechtigten
über den Inhalt des Erbbaurechts nach § 2 ErbbauRG. Die
nach dieser Vorschrift zulässigen Vereinbarungen haben, wenn sie in das
Grundbuch eingetragen werden, zwar insofern dingliche Wirkung, als sie für
und gegen jeden Rechtsnachfolger des Grundstückseigentümers und des Erbbauberechtigten
gelten (vgl. Senat, Urteil vom 6. November 2015
- V ZR 165/14, BGHZ 207, 334 Rn. 18). Die Vereinbarung stellt aber kein dingliches
Recht dar; sie entfaltet Wirkung nicht gegenüber jedermann, sondern
allein im Verhältnis zwischen dem (jeweiligen) Grundstückseigentümer und
Erbbauberechtigten (vgl. MüKoBGB/Heinemann, 7. Aufl., § 2 ErbbauRG Rn. 6
sowie Lemke/Czub, Immobilienrecht, 2. Aufl., § 2 ErbbauRG Rn. 5 f.).

(d) Gleichwohl stellt die Nutzung der Sondereigentumseinheit durch den
Mieter, die der für diese Einheit vereinbarten Zweckbestimmung widerspricht,
eine Beeinträchtigung des Eigentums der übrigen Wohnungseigentümer dar.
Der in § 903 Satz 1 BGB enthaltene Grundsatz, wonach der Eigentümer einer
Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der
Sache nach Belieben verfahren kann, gilt nach § 13 Abs. 1 WEG auch für das
Sondereigentum eines Wohnungseigentümers. Das Sondereigentum ist gesetzlich
als echtes Eigentum i.S.v. § 903 BGB und Art. 14 GG ausgestaltet (vgl. Se-
nat, Urteil vom 12. April 2019 - V ZR 112/18, NJW 2019, 2083 Rn. 16, zur
Veröff. in BGHZ bestimmt). Anders als sonstiges Eigentum kann es aber auch
durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer, etwa durch eine Zweckbestimmung,
näher ausgestaltet werden und hat dann den vereinbarten Inhalt (vgl.
Armbrüster/Müller, ZMR 2007, 321, 324 mwN; Schultzky in Jennißen, WEG,
6. Aufl., § 13 Rn. 33; Hügel, FS Koch [2019] 363, 365). Durch diese inhaltliche
Ausgestaltung des Sondereigentums wird die Befugnis des Sondereigentümers,
sein Eigentum nach Belieben zu nutzen, im Verhältnis zu den anderen Sondereigentümern
beschränkt. Diese Beschränkung der Rechte aus dem Sondereigentum
vermittelt den übrigen Sondereigentümern spiegelbildlich als Inhalt
ihres Sondereigentums und des Miteigentums am Grundstück das Recht, ihr
Sondereigentum unter Ausschluss eines zweckwidrigen Gebrauchs einer anderen
Einheit zu nutzen (vgl. Armbrüster/Müller, ZMR 2007, 321, 324; Merle, WE
1993, 148, 149 f.). Die der Zweckbestimmung widersprechende Nutzung einer
Sondereigentumseinheit stellt sich damit als (mittelbare) Beeinträchtigung des
Eigentums aller Wohnungseigentümer dar, und zwar auch dann, wenn sie nicht
durch den Sondereigentümer, sondern durch dessen Mieter erfolgt (BeckOK
WEG/Müller [1.8.2019], § 14 Rn. 122). Diese Beeinträchtigung müssen die
Wohnungseigentümer nicht dulden, selbst wenn der Mieter vertraglich im Verhältnis
zu seinem Vermieter zu einer solchen Nutzung berechtigt sein sollte.
Auch insoweit gilt, dass der Sondereigentümer, von dem der Mieter seine Nutzungsbefugnis
ableitet, diesem nicht mehr an Rechten übertragen kann, als er
selbst im Verhältnis zu den anderen Wohnungseigentümern hat (vgl. zu diesem
Grundsatz Senat, Urteil vom 1. Dezember 2006 - V ZR 112/06, NJW 2007, 432
Rn. 18).

(e) Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass der Mieter eines Sondereigentümers
damit im Ergebnis schlechter steht als ein sonstiger Dritter, der
die Sondereigentumseinheit ohne vertragliche Vereinbarung entgegen der vereinbarten
Zweckbestimmung nutzt (so aber Kümmel, ZWE 2008, 273, 275).
Denn eine vertragslose zweckwidrige Nutzung der Einheit griffe ebenfalls in das
Sonder- und Miteigentum der Wohnungseigentümer ein und könnte durch diese
nach § 1004 Abs. 1 BGB abgewehrt werden (zutreffend Dötsch, WuM 2013, 90,
94).

b) Zutreffend nimmt das Berufungsgericht auch an, dass die Nutzung
einer Teileigentumseinheit als Eisverkaufsstelle (Eisdiele) mit Bestuhlung gegen
eine - wie hier - in der Teilungserklärung enthaltene Zweckbestimmung verstößt,
nach der die Einheit nur als „Laden“ genutzt werden darf.

aa) Unter einem Ladenraum werden Geschäftsräume verstanden, in denen
ständig Waren zum Verkauf dargeboten werden, bei denen aber der Charakter
einer (bloßen) Verkaufsstätte im Vordergrund steht. Den Betrieb einer
Gaststätte umfasst dies regelmäßig nicht (Senat, Urteil vom 10. Juli 2015
- V ZR 169/14, NJW 2016, 53 Rn. 20).

bb) Ob dies für jede Art von Eisverkaufsstelle gleichermaßen gilt, namentlich
auch für solche, bei denen ausschließlich Eis über einen Tresen hinweg
verkauft wird, ohne dass die Möglichkeit besteht, dieses unmittelbar in oder
vor der Eisverkaufsstelle zu verzehren, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

Jedenfalls die Nutzung einer Teileigentumseinheit als Eisdiele mit Bestuhlung
verstößt gegen eine in der Teilungserklärung enthaltene Zweckbestimmung mit
Vereinbarungscharakter, nach der die Einheit nur als „Laden“ genutzt werden
darf. Durch das Aufstellen von Stühlen und Tischen wird der Kunde zum Verweilen
und zum Verzehr der angebotenen Waren vor Ort eingeladen. Der Kunde
wird zum Gast. Wie bei einer Gaststätte steht nicht mehr der bloße Verkauf
von Eis sowie ggf. Kaffeespezialitäten und anderen Getränken im Vordergrund,
sondern der Genuss bzw. Verbrauch dieser Speisen und Getränke vor Ort und
die Kommunikation mit anderen Gästen.

c) Nicht zu beanstanden ist schließlich auch die Annahme des Berufungsgerichts,
die nach der Zweckbestimmung ausgeschlossene Nutzung der in
Rede stehenden Teileigentumseinheit als Eisdiele mit Außenbestuhlung sei
nicht deshalb zulässig, weil sie nicht mehr störe als eine nach der Teilungserklärung
gestattete Nutzung als Laden.

aa) Eine nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene Nutzung kann
sich als zulässig erweisen, wenn sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht
mehr stört als die vorgesehene Nutzung. Entscheidend ist dabei, dass eine solche
anderweitige Nutzung die übrigen Wohnungseigentümer nicht über das
Maß hinaus beeinträchtigt, das bei einer Nutzung zu dem vereinbarten Zweck
typischerweise zu erwarten ist (vgl. Senat, Urteil vom 15. Januar 2010
- V ZR 72/09, NJW 2010, 3093 Rn. 16; Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 169/14,
NJW 2016, 53 Rn. 21).

bb) Bei typisierender Betrachtung stört die Nutzung einer Teileigentumseinheit
als Eisdiele jedenfalls dann mehr als eine Nutzung als Ladengeschäft,
wenn Außenflächen in Anspruch genommen werden, sei es durch eine Außenbestuhlung
oder durch den Verkauf nach außen. Schon der Verzehr der angebotenen
Speisen und Getränke außerhalb einer Eisdiele ist regelmäßig mit Geräuschen
verbunden, die bei dem bloßen Erwerb von Waren innerhalb eines
Ladengeschäfts nicht entstehen, etwa mit dem Klappern von Geschirr und dem
Rücken von Stühlen. Vor allem aber entsteht durch die Kommunikation der
Gäste untereinander - die auch dann zu erwarten ist, wenn lediglich ein Verkauf
nach außen erfolgt, weil dieser zu Stoßzeiten üblicherweise dazu führt, dass
sich Warteschlangen bilden - eine Geräuschkulisse, die bei einem Ladengeschäft,
das die Kunden lediglich zum Erwerb von Waren aufsuchen und danach
wieder verlassen, üblicherweise nicht entsteht. Hinzu kommt, dass Eisdielen vor
allem bei sommerlichem Wetter und dabei wiederum vornehmlich an den Wochenenden
besonders stark frequentiert werden (vgl. OLGR Schleswig 2000,
267), d.h. zu Zeiten, zu denen typischerweise auch die Wohnungseigentümer
zuhause sind und sich auf Balkonen aufhalten bzw. ihre Fenster geöffnet haben,
so dass die von den Gästen der Eisdiele erzeugte Geräuschkulisse für die
Wohnungseigentümer verstärkt wahrnehmbar ist.

cc) Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht hätte der Behauptung
des Beklagten nachgehen müssen, die aufgestellten Tische und Stühle seien
reine Sitzgelegenheiten, regelmäßig beträten die Kunden die Eisdiele, bestellten
Eis, bezahlten dieses und verließen die Eisdiele sodann wieder, hat sie
hiermit keinen Erfolg, da eine typisierende Betrachtungsweise maßgeblich ist.

Für diese kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Umfang die Kunden die
vorhandenen Sitzgelegenheiten tatsächlich zum Verweilen, zum Verzehr des
Eises und zur Unterhaltung nutzen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

25.10.2019

Aktenzeichen:

V ZR 271/18

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
WEG
Erbbaurecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB § 1004; WEG § 15 Abs. 3