Kammergericht 14. Februar 2020
9 U 60/18
BNotO § 19 Abs. 1 S. 2

Notarhaftung bei Beurkundung eines Kaufvertrags über Eigentumswohnung: Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist; anderweitige Ersatzmöglichkeit

letzte Aktualisierung: 17.8.2023
KG, Urt. v. 14.2.2020 – 9 U 60/18

BNotO § 19 Abs. 1 S. 2
Notarhaftung bei Beurkundung eines Kaufvertrags über Eigentumswohnung: Nichteinhaltung
der Zweiwochenfrist; anderweitige Ersatzmöglichkeit

Bei fahrlässiger Amtspflichtverletzung des Notars im Zusammenhang mit einer
Beurkundungstätigkeit ist ein Schadensersatzanspruch des Geschädigten nach § 19 Abs. 1 S. 2
BNotO ausgeschlossen, wenn der Geschädigte auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Dem
Vorliegen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit steht es gleich, wenn der Geschädigte eine
früher bestehende Möglichkeit, Ersatz seines Schadens von einem Dritten zu erlangen, schuldhaft
versäumt hat. Das schuldhafte Versäumen setzt nicht voraus, dass der Anspruchsteller das mögliche
Bestehen des Notarhaftungsanspruchs kannte oder kennen musste.

(Leitsatz der DNotI-Redaktion)

Gründe

I.
Die Kläger nehmen den Beklagten wegen der Verletzung von Amtspflichten nach § 17 Abs. 2a
S. 2 Nr. 2 BeurkG bei der Beurkundung eines Kaufvertrages über eine Eigentumswohnung im
April 2008 aus Notarhaftung in Anspruch.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es fehle an dem haftungsrechtlichen
Zurechnungszusammenhang zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden, weil die Kläger den
Kaufvertrag später bei Einhaltung der Vorgaben des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG ebenso
geschlossen hätten. Die Klage sei auch deswegen unbegründet, weil die Kläger nicht
ausgeschlossen hätten, dass sie eine anderweitige Ersatzmöglichkeit gegenüber der den
Kaufpreis finanzierenden Bank, der Verkäuferin der Wohnung und dem für sie tätigen
Vermittler versäumt hätten. Im Übrigen sei der Anspruch auch verjährt.

Wegen der übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen in dem
angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO, und Folgendes ergänzt:
Im April 2008 empfahl Herr S. in Kenntnis der finanziellen Situation den Klägern den Erwerb
der Wohnung Nr. 4 zum Zwecke der Altersvorsorge. Er rechnete ihnen vor, dass sich die
Wohnung von „selbst tragen“ würde, die Belastungen würden durch die Mieteinnahmen,
steuerliche Vorteile, Werbungskosten und sonstige Abzüge gedeckt werden. Tatsächlich war dies
nicht der Fall.

Im Jahr 2012 verlegte die Verkäuferin mehrfach ihren Sitz und änderte ihren Namen. Zum 28.
März 2013 wurde sie aus dem Handelsregister gelöscht.

Die Kläger bezeichnen die Vertriebsgesellschaft als „Drückerfirma“.
Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Sachvortrags die schon erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche weiter.
Sie behaupten erstmals in der Berufungsinstanz: Die Verkäuferin sei bereits im Jahr 2011
insolvent gewesen. Wegen des erstinstanzlich als Antrag zu 3) geltend gemachten
Feststellungsantrags haben sie ihre Klage mit Zustimmung des Beklagten im Termin zur
mündlichen Verhandlung am 27. September 2019 zurückgenommen.

Sie beantragen nunmehr,
das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen,
1. an sie 75.720,01 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem derzeit
geltenden Basiszinssatz seit dem 8. September 2016 zu zahlen,
2. weitere 10.500 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 27. September 2019 an sie zu zahlen und sie von sämtlichen Forderungen der Frau
M… aus dem mit den Klägern geschlossenen Darlehensvertrag in Höhe von nominal 43.700
Euro nebst Zinsen vollumfänglich freizustellen,
3. die Kläger von der Gebührenforderung der Rechtsanwälte H… in Höhe von 5.106,77 Euro,
Rechnung vom 3. Mai 2017, Rechnungsnummer: … freizustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und hält insbesondere an seinem Einwand fest, dass die
Kläger die Geltendmachung anderweitiger Ersatzmöglichkeiten versäumt hätten.

II.
Die zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet.
Die von den Klägern gegen den Beklagten geltend gemachten Notarhaftungsansprüche sind
jedenfalls wegen Versäumung einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 Hs.
1 BNotO ausgeschlossen,

1. Im Falle einer fahrlässigen Amtspflichtverletzung des Notars im Zusammenhang mit einer
Beurkundungstätigkeit ist ein Schadensersatzanspruch des Geschädigten nach § 19 Abs. 1 S. 2
BNotO ausgeschlossen, wenn der Geschädigte auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag,
wobei es dem Vorliegen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit gleichsteht, wenn der
Geschädigte eine früher bestehende Möglichkeit, Ersatz seines Schadens von einem Dritten zu
erlangen, schuldhaft versäumt hat (BGH, Urteil vom 11. November 2004 – III ZR 101/03 –,
juris Rn. 12). Schuldhaft ist die Versäumung einer Ersatzmöglichkeit, wenn der Geschädigte die
mögliche und ihm nach den Umständen des Falles zuzumutende anderweite Deckung seines
Schadens unterlassen hat (BGH, Urteil vom 22. Juni 1995 – IX ZR 122/94 –, juris Rn. 22).
Weitläufige, unsichere und im Ergebnis zweifelhafte Wege braucht der Geschädigte indes nicht
einzuschlagen (BGH, Urteil vom 03. Juli 2008 –III ZR 189/07 –, juris Rn. 12), so etwa, wenn
die Klage gegen einen angeblich ersatzpflichtigen Dritten wegen Beweisschwierigkeit abgewiesen
werden müsste (BGH, Urteil vom 07. Februar 2013 – III ZR 121/12 –, juris Rn. 33). Hierbei ist
zu beachten, dass der als anderweitige Ersatzmöglichkeit in Betracht kommende
Schadenersatzanspruch im Notarhaftungsprozess nicht inzident geprüft und positiv festgestellt
werden muss. Es ist vielmehr Sache des klagenden Geschädigten, eine in Betracht kommende
Ersatzmöglichkeit – ggf. als unzumutbar – auszuschließen (Senat, Beschluss vom 26. Februar
2016 – 9 U 148/15 –, juris Rn. 24). Insoweit trägt er die Darlegungs- und Beweislast (BGH,
Urteil vom 25. Februar 1999 – IX ZR 240/98 –, juris Rn. 22).

2. Nach diesen Grundsätzen haben die Kläger nicht ausgeschlossen, dass sie sämtliche
anderweitigen Ersatzmöglichkeiten wahrgenommen hätten, deren Wahrnehmung ihnen
zumutbar gewesen wäre. Hierbei kann dahinstehen, ob dem Landgericht darin zu folgen ist, dass
den Klägern ein Vorgehen gegen die … im Hinblick auf eine etwaige Haftung wegen eines
institutionellen Zusammenwirkens mit der Verkäuferin der von den Klägern gekauften
Wohnung zumutbar gewesen wäre. Jedenfalls kamen Ansprüche gegen die Verkäuferin und den
bei der Vermittlung der Wohnung tätigen Herrn P…, vormals S. (im Folgenden: Herr S.), in
Betracht, deren Geltendmachung den Klägern zumutbar war und die sie schuldhaft versäumt
haben.

a) Aus dem Vorbringen der Kläger folgt, dass Schadensersatzansprüche sowohl gegen die
Verkäuferin, die R… wie gegen den die Verkäuferin bei dem direkten Vertrieb der Wohnung
vertretenden Herrn S. ernsthaft in Betracht kamen, weil er die Kläger mit unrichtigen Angaben
über ihre finanziellen Belastungen zu einem Erwerb der Wohnung verleitet hat. Nach dem
Vorbringen der Kläger hat er ihnen vorgerechnet, dass sich die Wohnung selbst trage, die
Belastungen würden durch die Mieteinnahmen und die steuerlichen Vorteile und
Werbungskosten aufgefangen. Die Kläger würden mit einem geringen monatlichen Aufwand
eine Eigentumswohnung unterhalten und könnten durch die Mieteinnahmen ihre Rente
aufbessern. Dass Herr S. insoweit bewusst falsche Angaben gemacht hat, stellen auch die Kläger
nicht in Abrede, indem sie vortragen, dass der Erwerb der Wohnung angesichts ihres nur
geringen Einkommens als Landschaftspfleger bzw. als Altenpflegerin und des geringen
Steuervorteils wirtschaftlich nicht sinnvoll war.

Soweit die Kläger meinen, es bestünden Zweifel, ob es sich bei den Angaben des Herrn S. nicht
um unverbindliche allgemeine Anpreisungen handele, setzen sie sich mit ihrem eigenen
Vorbringen in Widerspruch, wonach Herr S. ihnen vorgerechnet habe, inwieweit der Erwerb der
Wohnung für sie zweckmäßig sei; die vermeintlichen Zweifel haben danach keine Grundlage
und werden von ihnen auch nicht näher dargelegt.

Entgegen der Annahme der Kläger kam eine Haftung nicht nur der Verkäuferin, sondern auch
des Herrn S. nicht nur bei Annahme eines selbständigen Anlageberatungs- und
Auskunftsvertrages in Betracht, sondern stand auch eine deliktsrechtliche Haftung nach § 823
Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB oder nach § 826 BGB im Raum. So ist es als Betrug
nach § 263 StGB strafbar, wenn ein Vertreter unter Vorspiegelung falscher Tatsachen einem
Dritten einen den Getäuschten schädigenden Vermögensvorteil – hier die Kaufpreiszahlung an
die Verkäuferin – verschafft, auch wenn es sich insoweit nur um ein Zwischenziel zur Erlangung
eigener Vorteile, etwa einer Provision handelt (Tiedemann in: Leipziger Kommentar zum StGB,
12. Auflage 2012, § 263 Rn. 259 m.w.N.). Dass es sich insoweit zudem um eine vorsätzliche
sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB handelt, liegt auf der Hand. In jedem Fall
genügt der Sachvortrag der für das Nichtbestehen solcher Ansprüche darlegungs- und
beweisbelasteten Kläger in keiner Weise, sie schlüssig auszuschließen.

b) Es lässt sich vorliegend auch nicht feststellen, dass es den Klägern unzumutbar gewesen wäre,
gegen die Verkäuferin und Herrn Seiffert vorzugehen.

aa) Die Verkäuferin war unstreitig erst im März 2013 aus dem Handelsregister gelöscht worden.
Durchgreifende Umstände, warum den Klägern die Geltendmachung von Ansprüchen insoweit
nicht zumutbar gewesen sei, tragen sie nicht vor. Soweit sie erstmals im Berufungsrechtszug,
von dem Beklagten bestritten, pauschal behaupten, die Verkäuferin sei bereits zu einem
Zeitpunkt, als die Ansprüche gegen sie noch nicht verjährt waren, nämlich im Jahr 2011
insolvent gewesen, wäre dies zwar ein Grund, warum die Geltendmachung hätte unzumutbar
sein können. Indes ist dieser im Berufungsrechtszug neue, von dem Beklagten bestrittene und
nach den §§ 531 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO verspätete Sachvortrag nicht zu berücksichtigen.
Er steht zudem im Widerspruch zu ihrem erstinstanzlichen Vorbringen, wonach die Verkäuferin
seit Anfang 2012 mehrfach ihren Sitz gewechselt und „zwischendurch“ ihren Namen geändert
habe, was keinen Sinn machen würde, wenn die Gesellschaft bereits insolvent gewesen wäre.
bb) Auch ein Vorgehen gegen den Vermittler, Herrn S. war den Klägern zumutbar. Dem
lediglich pauschalen Sachvortrag der Kläger zu im Einzelnen nicht näher dargelegten
Beweisschwierigkeiten lässt sich nicht entnehmen, dass ihnen ein Vorgehen gegen Herrn S. nicht
zuzumuten gewesen wäre. Tatsächlich ist offen, welches Ergebnis ein Vorgehen gegen Herr S.
gehabt hätte, da sich ihrem Vorbringen nicht einmal entnehmen lässt, dass sie zumindest
versucht hätten, ihn auch nur außergerichtlich in Anspruch zu nehmen. Bei einer streitigen
gerichtlichen Auseinandersetzung hätten sie die gerichtsbekannt in vergleichbaren Fällen häufig
gewählte Möglichkeit gehabt, dass nur einer von ihnen unter Abtretung der Ansprüche des
anderen gegen Herrn S. vorgegangen wäre mit der Folge, dass der Abtretende dann als Zeuge
für ihr Vorbringen zur Verfügung gestanden hätte. Dass und warum ein solches Vorgehen nicht
möglich gewesen wäre, tragen sie nicht vor. Unabhängig davon wären den Klägern zur
Darlegung eines vorsätzlichen Verhaltens des Herrn S. erhebliche Beweiserleichterungen zugute
gekommen. So lässt sich häufig aus der Art und Weise des Vorgehens auf den Vorsatz schließen
und kann im Übrigen auch aus einem leichtfertigen Verhalten im Sinne eines Indizes gefolgert
werden, dass die Schädigung – hier der von den Klägern nach ihrem Vorbringen nicht ihren
wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen entsprechende Erwerb einer
Eigentumswohnung mit von ihnen nicht erkannten und akzeptierten finanziellen Belastungen –
billigend in Kauf genommen wurde, was für eine Haftung jedenfalls nach § 826 BGB genügen
würde (BGH, Urteil vom 6. Mai 2008 – XI ZR 56/07 –, juris Rn. 46; BGH, Urteil vom
20. Dezember 2011 – VI ZR 309/10 –, juris Rn. 11). Dass die behauptete Arglist des Herrn S.
unter Berücksichtigung dieser Beweiserleichterungen und der in jedem Fall zur Sachaufklärung
gebotenen persönlichen Anhörung der Kläger nach § 141 Abs. 1 ZPO nicht zur Überzeugung
des Gerichts nach § 286 ZPO nachweisbar gewesen wäre, legen die Kläger in keiner Weise dar
und ist jedenfalls nicht derart fernliegend, dass ihnen eine Inanspruchnahme des Herrn S. von
Vornherein unzumutbar gewesen wäre.

c) Die Kläger haben die für sie damit zumutbar wahrzunehmende anderweitige
Ersatzmöglichkeit auch schuldhaft endgültig versäumt. Die Ansprüche, deren Bestehen in den
Folgejahren nach dem Vertragsschluss klar geworden sein musste, weil die Angaben von Herrn
S. sich als falsch erwiesen hatten, und deren Geltendmachung sich deswegen hätte aufdrängen
müssen, sind in jedem Fall gemäß § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. BGB verjährt, weil seit ihrer Entstehung
mehr als zehn Jahre vergangen sind. Sie sind somit nicht mehr durchsetzbar (§ 214 Abs. 1
BGB). Damit haben die Kläger diese Ansprüche schuldhaft endgültig versäumt (vgl. Wöstmann
in: Ganter/Hertel/Wöstmann, Handbuch der Notarhaftung, 4. Auflage 2019, Rn. 2249 m.w.N.).
Dem steht nicht entgegen, dass die Kläger erst durch die Beratung ihres Prozessbevollmächtigten
im Jahr 2016 erfuhren, dass überhaupt Notarhaftungsansprüche gegen den
Beklagten in Betracht kamen. Der Notar hatte durch seine Vorgehensweise (Beurkundung trotz
Nichteinhaltung der Zwei-Wochenfrist) nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in
einem vergleichbaren Fall objektiv verdunkelt; dass der Verbraucherschutz nach § 17 Abs. 2a
BNotO nicht disponibel sei, so dass die Kläger keine Kenntnis von einer Amtspflichtverletzung
des Beklagten und damit dem möglichen Bestehen eines Notarhaftungsanspruchs hatten (BGH,
Urteil vom 7. März 2019 – III ZR 117/18 –, juris Rn. 22; kritisch zur Annahme einer
„Verdunkelung“ bei dieser Sachverhaltsgestaltung etwa Griwotz, ZfIR 2019, 317, 318; Stöber,
WuB 2020, 111, 114). Der Umstand, dass zu diesem Zeitpunkt die Ansprüche gegen die
Verkäuferin und den Vermittler bereits verjährt waren, nachdem den Klägern spätestens im Jahr
2009 aufgrund der Abrechnungen über die erworbene Wohnung bekannt war, dass die ihnen
zur Rentabilität der Wohnung gemachten Angaben falsch waren, führt nicht dazu, dass die
Versäumung der anderweitigen Ersatzmöglichkeit nicht schuldhaft gewesen wäre. Denn das
Erfordernis der Schuldhaftigkeit der Versäumung einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit bezieht
sich ausschließlich auf die Möglichkeit der Verfolgung des Anspruchs gegen den Dritten.
Dementsprechend besteht ein Verschulden dann, wenn der Geschädigte es in Kenntnis seines
Schadens willentlich oder fahrlässig unterlassen hat, die ihm mögliche und zumutbare Deckung
seines Schadens durch einen Dritten herbeizuführen (Wöstmann, a.a.O., Rn. 2249 m.w.N.).
Kennt er den Schaden nicht, schließt die Versäumung des Anspruchs gegen den Dritten den
Anspruch gegen den Notar nicht nach § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO aus; kennt er ihn fahrlässig nicht,
kommt nur eine Anspruchsminderung nach § 254 BGB in Betracht (BGH, Urteil vom
25. Februar 1999 – IX ZR 240/98 –, juris Rn. 34). Weiß der Geschädigte also nicht, dass er
gegen den Dritten einen Anspruch hat und ist der Anspruch, weil er mangels Kenntnis eben
nicht geltend gemacht worden ist, dann nicht mehr durchsetzbar, ist dem Geschädigten dies
nicht vorzuwerfen.

Unerheblich ist demgegenüber, ob der Geschädigte das amtspflichtwidrige Handeln des Notars
oder weitere Tatbestandsmerkmale des Notarhaftungsanspruchs kennt oder kennen musste, ob
er also von dem möglichen Bestehen eines solchen Anspruchs Kenntnis hatte. Weder der
Wortlaut des § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO noch der mit dieser Vorschrift verfolgte Sinn und Zweck
lassen erkennen, dass es auf die Kenntnis des Geschädigten von dem etwaigen nur subsidiären
Bestehen eines Notarhaftungsanspruchs ankommen sollte. Die Vorschrift möchte den Notar
wegen seiner Beurkundungspflicht und seiner nicht beschränkbaren Haftung ganz allgemein von
der Haftung freistellen, wenn nur überhaupt ein anderer haftet (vgl. Zimmermann in:
Haug/Zimmermann, Die Amtshaftung des Notars, 4. Auflage 2018, Rn. 165). Für einen Wegfall
dieses Privilegs und seine Einschränkung durch das Erfordernis einer Kenntnis des
Geschädigten von, der in dieser Weise nachrangigen Haftung des Notars sind keine
Ansatzpunkte erkennbar.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2,
709 S. 2 ZPO.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Frage, ob das schuldhafte
Versäumen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit nach § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO die Kenntnis
oder schuldhafte Unkenntnis eines etwaigen subsidiären Bestehens Notarhaftungsanspruchs
voraussetzt, für das Notarhaftungsrecht aber auch für das Amtshaftungsrecht mit der
entsprechenden Problematik (§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB) von grundsätzlicher Bedeutung ist (§ 543
Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

Kammergericht

Erscheinungsdatum:

14.02.2020

Aktenzeichen:

9 U 60/18

Rechtsgebiete:

Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren
Allgemeines Schuldrecht
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

BNotO § 19 Abs. 1 S. 2