Angemessenheit einer Wohnfläche nach SGB II bei Eigentum am Hausgrundstück
DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 24.9.2014
SG Detmold, 17.4.2014 - S 18 AS 2103/12
SGB II §§ 12 Abs. 3 Nr. 4, 19, 20, 54 Abs. 2 S. 1
Angemessenheit einer Wohnfläche nach SGB II bei Eigentum am Hausgrundstück
Schonvermögen nach dem SGB II: Zur Angemessenheit einer Wohnfläche im Falle der
Miteigentümerstellung an einem Hausgrundstück.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch
Zweites Buch (SGB II) durch den Beklagten aufgrund von vermeintlichem Vermögen in
Form eines Miteigentumsanteils an einem Hausgrundstück.
Der Kläger ist 1979 geboren. Er ist zu ½ Miteigentümer eines bebauten Hausgrundstückes
in S. Das Hausgrundstück wird vom Kläger selbst sowie von seiner Mutter bewohnt. Das
Wohngebäude stammt im Ursprung aus dem Jahr 1909. Die Mutter ist die weitere
Miteigentümerin zu ½ des Grundstückes. Ausweislich des Grundbuches hat das
Grundstück eine Größe von 3.128 m² und ist als Gebäude- und Freifläche sowie
Landwirtschaftsfläche ausgewiesen.
Der Kläger erhielt zuletzt vom 09.04.2010 bis zum 30.09.2010 Leistungen nach dem SGB
II als Zuschuss bewilligt. Einen gestellten Weiterbewilligungsantrag lehnte der Beklagte im
Hinblick auf das Grundstück als Vermögen ab. Widerspruch hiergegen erhob der Kläger
nicht. Ab dem 30.08.2010 besuchte der Kläger die Fachschule für
Technik/Maschinenbautechnik. Während der Schulausbildung finanzierte der Kläger
seinen Lebensunterhalt durch einen KfW-Bildungskredit, den Bezug von Wohngeld sowie
Unterstützungsleistungen seiner Mutter. Die Schule schloss der Kläger am 29.06.2012 ab.
Am 05.07.2012 beantragte der Kläger erneut Leistungen nach dem SGB II bei dem
Beklagten. Im Rahmen des Antrages gab er hinsichtlich des Grundstückes an, dass es
sich bei der Wohnung um zwei Wohneinheiten handele, seine eigene Wohnung sei 103 m²
groß, die gesamte Wohnfläche betrage 200 m². Die Größe des bebauten
Grundstücksteiles und des unbebauten Grundstücksteiles gab der Kläger mit jeweils ca.
1.500 m² an.
Mit Bescheid vom 26.07.2012 lehnte der Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld II
ab. Dies begründete der Beklagte damit, dass aufgrund des Vermögens in Form des
Grundstückes kein Anspruch auf Arbeitslosengeld II bestünde.
Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 30.07.2012 Widerspruch erhoben. Diesen
begründete er damit, dass aus dem Grundstück kein Einkommen erzielt werde. Die
dazugehörige Wiese werde durch Tiere eines Nachbarn abgeweidet mit dem Nutzen, dass
diese nicht gemäht werden müsse. Er und seine Mutter würden das Grundstück selbst
nutzen jeweils in einem eigenen Haushalt. Die frühere Ablehnung aus dem Jahr 2010
habe er hingenommen, da er zu diesem Zeitpunkt bereits in einer schulischen Ausbildung
stand. Auch habe er zuvor im April 2010 unter den gleichen Voraussetzungen wie jetzt
Leistungen erhalten. Die Wiese würde auch über keine eigene Zufahrt verfügen, daher sei
eine getrennte Veräußerung nicht möglich. Auch würde ihm das Grundstück nur zur Hälfte
gehören. Ein Darlehn lehne er ab, da hierdurch das Vermögen seiner Mutter mit in
Anspruch genommen würde. Eine Beleihung von Haus und Grundstück sei nicht möglich,
da Banken Sicherheiten verlangen würden und somit wieder das Vermögen seiner Mutter
beteiligt sei. Auch sei die selbstgenutzte Wohnfläche nicht unangemessen. Die Wohnung
bestehe aus einer Wohnküche, einem Wohn-/Esszimmer, Schlafzimmer, Bad und einem
WC. Teilweise liegen die Räume an dem Flur an dem die Treppe liege, durch die seine
Mutter in ihre Wohnung im Obergeschoss gelange. Auch befände sich im Erdgeschoss
noch ein Heizungs- und Hauswirtschaftsraum. Das Haus verfüge nur über einen
Wasser-/Strom- und Heizungskreislauf.
Dem Widerspruch war eine Wohnflächenberechnung der Stadt S beigefügt. Hiernach
verfügt die Wohnung im Erdgeschoss über eine Fläche von insgesamt 114,79 m². Hiervon
entfielen auf die Diele 13,9 m², den Abstellraum 8,5 m², den Hauswirtschaftsraum 8,0 m²
und den Flur 9,1 m². Auf die eigentlichen Wohnräume des Klägers entfallen insgesamt ca.
75 m². Auf die abgeschlossene Wohnung der Mutter im Obergeschoss entfallen insgesamt
77,08 m². Für die Lage der einzelnen Räume im Erdgeschoss wird auf die Bauzeichnung
(Bl. 186 der Verwaltungsakte) ergänzend Bezug genommen.
Ende Oktober 2012 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Gewährung von
darlehnsweisen Leistungen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2012 wies der Beklagte den erhobenen Widerspruch
als unbegründet zurück. Dies begründet er damit, dass der Kläger über Vermögen verfüge,
welches den Anspruch auf Arbeitslosengeld II ausschließe. Das Hausgrundstück sei nicht
als privilegiertes Vermögen geschützt. Die vom Kläger selbst genutzte Wohnung sei mit
103 m² knapp unangemessen. Auch sei das Grundstück mit einer Fläche von 1.500 m²
Hausgrundstück und 1.600 m² landwirtschaftliche Fläche unangemessen. Insofern
handele es sich um verwertbares Vermögen. Der Kläger verfüge über einen
Vermögensfreibetrag von 5.550,00 EUR. Ausgehend von Bodenrichtwerten von ca. 100
EUR bis 125 EUR pro m² sei bei einer Grundstücksfläche von 1.500 m² von einem
Vermögen von mindestens 150.000,00 EUR auszugehen, die Hälfte hiervon seien
75.000,00 EUR. Auch nach Abzug des Freibetrages blieben daher noch ca. 70.000,00
EUR Vermögen übrig, welches zunächst als Selbsthilfemöglichkeit vor Inanspruchnahme
von SGB II-Leistungen für den Lebensunterhalt einzusetzen wäre.
Mit Bewilligungsbescheid vom 26.11.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger
Arbeitslosengeld II als Darlehn ab dem 01.10.2012. Ab 30.11.2012 nahm der Kläger eine
Beschäftigung auf. Den ersten Lohn erhielt er im Dezember 2012.
Bereits am 29.11.2012 hat der Kläger Klage erhoben mit dem Ziel, ab Juli 2012
Arbeitslosengeld II zu erhalten. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 17.04.2014
haben die Beteiligten dahingehend einen Teilunterwerfungsvergleich geschlossen, dass
der Beklagte sich verpflichtet hat, seinen Bescheid für die Monate Oktober, November und
Dezember nach rechtskräftigem Abschluss des vorliegenden Klageverfahrens neu zu
überprüfen und hierbei das Ergebnis des Klageverfahrens zu berücksichtigen. Weiter
haben sich die Beteiligten darüber geeinigt, dass im vorliegenden Klageverfahren nach
Abschluss des Unterwerfungsvergleiches nur noch die Monate Juli, August und
September 2012 streitig sein sollen.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Ablehnung des Beklagten rechtswidrig sei. Er
bewohne eine angemessene Wohnung. Teile des Erdgeschosses seien nicht allein zu
seinem Wohnzweck bestimmt. Die landwirtschaftliche Fläche sei nicht verwertbar, eine
Beleihung sei nicht möglich, da seine Mutter als Miteigentümerin ihre Zustimmung hierzu
verweigere. Hinsichtlich der Nutzung im Erdgeschoss sei zu berücksichtigen, dass im
Abstellraum neben der Diele der Gasanschluss sei, dort ständen auch zwei Kühltruhen
bzw. Kühlschränke, die überwiegend von seiner Mutter genutzt würden. Der
Hauswirtschaftsraum zwischen WC und Schlafzimmer befinde sich gegenüber der
Innentreppe, dort stehe eine Bügelmaschine und auch Schränke mit Kleidungsstücken, die
nicht alltäglich benötigt würden. Der Hauswirtschaftsraum werde gemeinsam genutzt u.a.
auch zur Lagerung von Getränken und Tierfutter. Soweit die landwirtschaftliche Fläche als
Bauerwartungsland angesehen werde, sei nicht realistisch, dass für einen vom
Gutachterausschuss angenommenen Preis ein Käufer hierfür gefunden werden könne,
solange nicht feststehe, dass dort tatsächlich eine Bebauung möglich sei. Auch müssten
sich für eine Bebauung Eigentümer von weiteren betroffenen Grundstücken zu einem
Verkauf entschließen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 26.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
07.11.2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld II nach
Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen als Zuschuss für die Monate Juli 2012 bis
einschließlich September 2012 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass die angefochtene Entscheidung rechtmäßig sei. Bei dem
Grundstück des Klägers handele es sich um Vermögen. Nach einer Stellungnahme des
Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Kreis Gütersloh seien 870 m² des
Grundstückes bebaut. Die weiteren 2.258 m² seien als Bauerwartungsland zu werten mit
einem Wert von ca. 95.000,00 EUR. Das Haus selber habe einen Wert von 49.000,00
EUR, mit Werten von weiteren Nebenanlagen bestünde ein Gesamtwert von ca.
212.000,00 EUR. Entsprechend verfüge der Kläger über Vermögen unabhängig von der
Frage der Angemessenheit der Wohnung. Eine Erschließung des Grundstückes sei über
das Bauerwartungsland selbst möglich. Es sei auch im Hinblick auf die in den
umliegenden Bereichen erfolgte Bebauung zu erwarten, dass sich hierfür
Kaufinteressenten finden würden. Selbst bei nur teilweiser Berücksichtigung von Flur,
Diele, Abstell- und Hauswirtschaftsraum verbliebe noch ein Wert von ca. 95 m² für die
Wohnung des Klägers. Auch sei zu berücksichtigen, dass Hauswirtschaft- und Abstellraum
im Rahmen der tatsächlichen Nutzung genutzt würden und dies nicht grundsätzlich die
Zuordnung der Räume zur Wohnfläche ausschließe.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug
genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt des beigezogenen
Verwaltungsvorganges des Beklagten (1 Band). Dieser lag vor und war Gegenstand der
mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 26.07.2012 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 07.11.2012 ist rechtswidrig, soweit für Juli bis einschließlich
September 2012 die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss abgelehnt
wurde und der Kläger ist hierdurch beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Streitgegenständlich ist nach dem geschlossenen Teilunterwerfungsvergleich vom
17.04.2014 lediglich die Bewilligung von SGB II Leistungen für Juli bis einschließlich
September 2012.
Der Kläger hat gegen den Beklagten Anspruch auf Arbeitslosengeld II gem. § 19 SGB II
unter Berücksichtigung des Regelbedarfes (§ 20 SGB II) und der Kosten für Unterkunft
und Heizung (§ 22 SGB II) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen.
Der Kläger ist Leistungsberechtigter im Sinn von § 7 Abs. 1 SGB II. Insbesondere ist der
Kläger auch hilfebedürftig im Sinn von § 9 SGB II. Der Kläger verfügt im
streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig nicht über Einkommen im Sinn von § 11 SGB II,
welches seinen Bedarf aus den §§ 20 und 22 SGB II zu decken vermag.
Weiterhin verfügt der Kläger auch über kein Vermögen im Sinn von § 12 SGB II welches
seiner Hilfebedürftigkeit entgegensteht. Entgegen der Ansicht des Beklagten handelt es
sich beim Miteigentumsanteil des Klägers an dem von ihm selbst und seiner Mutter
bewohnten Hausgrundstück nicht um verwertbares Vermögen im Sinn von § 12 Abs. 1
SGB II.
Der Miteigentumsanteil des Klägers am Hausgrundstück stellt zunächst Vermögen dar.
Vermögen ist grundsätzlich die Gesamtheit von Sachen und Rechten in Geld oder
Geldeswert in der Hand des jeweils Berechtigten (Radüge in: juris-PK SGB II, § 12 Rn.
30). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (
Einkommen grundsätzlich alles das, was jemand nach Stellung des Antrags auf SGB
II-Leistungen wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits
hatte.
Der mit dem Wohnhaus bebaute Teil des Grundstückes umfasst nach der eingereichten
Stellungnahme des Gutachterausschusses ca. 870 qm. Hierbei handelt es sich um
geschütztes, nicht zu berücksichtigendes Vermögen im Sinn des § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II.
Nach dieser Norm ist als Vermögen nicht zu berücksichtigen ein selbst genutztes
Hausgrundstück von angemessener Größe. Die im Rahmen des Miteigentumsanteils
durch den Kläger genutzte Wohnung im Erdgeschoss ist angemessen im Sinn von § 12
Abs. 3 Nr. 4 SGB II.
Für ein Familienheim wird eine Größe bei einem 4-Personenhaushalt von 130 m² als
angemessen angesehen (vgl. BSG, Urteil vom 15.04.2008, B 14/7b AS 34/06 R). Bei
geringerer Familiengröße ist je Person weniger ein Abschlag von 20 m² zulässig. Bei einer
Bedarfsgemeinschaft von 2 Personen würde sich eine angemessene Größe von 90 m²
ergeben. Obwohl der Kläger allein lebt, da er keine Bedarfsgemeinschaft mit seiner Mutter
bildet, ist der Wert von 90 m² nicht nochmals um 20 m² zu reduzieren. Für
Eigentumswohnungen hat das BSG entschieden, dass die dort angemessene Wohnfläche
von 80 m² für 2 Personen nicht weiter zu reduzieren ist sondern es sich insofern um eine
Mindestgröße von 80 m² handelt, die auch für eine Person noch angemessen ist (BSG
SozR 4-4200 § 12 Nr. 3). Entsprechendes gilt dann für Wohnhäuser. Dies ergibt für den
Kläger eine angemessene Wohnfläche von 90 m² (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013, B 14
AS 90/12 R).
Das Haus verfügt über eine Fläche von 114,79 m² im Erdgeschoss und über 77,08 m² im
Obergeschoss, insgesamt also über 191,87 m². Auf die Gesamtfläche des Hauses ist für
die Frage der Angemessenheit jedoch nicht abzustellen, da der Kläger das Haus nicht
allein bewohnt und es auch nicht in seinem Alleineigentum steht. Denn durch das
Miteigentum seiner Mutter am Hausgrundstück ist der Kläger nicht nur tatsächlich sondern
auch rechtlich an der alleinigen Nutzung des Grundstückes gehindert. Wenn die Wohnstatt
des Miteigentümers durch die ihren Anteilen entsprechende Nutzung der anderen
Miteigentümer auf einen seinem ideellen Miteigentumsanteil entsprechenden realen
Grundstücks- oder Gebäudeteil beschränkt ist, kann für die Bewertung, ob das im
Miteigentum stehende Hausgrundstück angemessen ist, auf den aufgrund des
Miteigentumsanteils als Wohnstatt genutzten Teil des Grundstücks abgestellt werden (so
LSG NRW, Urteil vom 30.06.2011, L 7 AS 79/08). Im Erdgeschoss entfallen auf die vom
Kläger bewohnte Fläche 75,11 m² (Bad, WC, Küche, Wohn-/Esszimmer und
Schlafzimmer), der Flur und die Diele (zusammen 23,12 m²) sowie der Abstell- und der
Hauswirtschaftsraum (zusammen 16,56 m²) werden gemeinsam genutzt. Da die Mutter in
ihrer Wohnung über keinen Abstell- und Hauswirtschaftsraum verfügt und die Nutzung des
Abstellraumes als Anschlussraum für die Gasheizung auch ihrer Wohnung dient, ist hier
von einer jeweils hälftigen Nutzung des Klägers und der Mutter auszugehen. Gleiches gilt
für die Diele und den Flur, denn ohne die Nutzung dieser Bereiche können weder Mutter
noch Kläger ihre jeweiligen Wohnbereiche erreichen. Insofern ergibt sich eine Fläche des
Klägers von 94,95 m². Durch die Überschreitung der Grenze von 90 m² um 4,95 m² wird
der selbstgenutzte Miteigentumsanteil des Klägers am Hausgrundstück jedoch nicht
unangemessen. Die Grenzwerte für die Angemessenheit im Sinn von § 12 Abs. 3 Nr. 4
SGB II sind keine normativen Größen. Diese Werte orientieren sich am "Durchschnittsfall"
und bedürfen beim Vorliegen besonderer Umstände einer Anpassung nach oben, unter
Umständen aber auch nach unten (BSG SozR 4-4200 § 12 Nr. 3). Vorliegend ist zu
berücksichtigen, dass es sich bei dem Haus um ein ursprünglich zu Anfang des 20.
Jahrhunderts errichtetes und später umgebautes Wohn- und Landwirtschaftsgebäude
handelt. Solche Wohnhäuser sind im ländlichen Raum verbreitet und zeichnen sich
regelmäßig insbesondere durch das Vorhandensein eines vergleichsweise großen
Flurbereiches bzw. Dielenbereiches aus. Während im Zeitpunkt der Errichtung die Diele
noch eine typische Wohnfunktion hatte, ist dies bei der gegenwärtigen Nutzung des
Hauses nicht mehr gegeben. Denn da sowohl die Mutter als auch der Kläger sowie deren
Besucher die Diele regelmäßig durchqueren müssen, um die jeweiligen Wohnbereiche der
beiden Wohnungen zu erreichen, ist eine Wohnnutzung der Diele nicht möglich. Durch die
bauhistorischen Umstände ist die Fläche im Erdgeschoss dadurch gekennzeichnet, dass
75,11 m² auf reine Wohnräume entfallen und 39,68 m² auf Flure und Abstellräume.
Insofern ist ein Drittel des Erdgeschosses kein reiner Wohnraum. Unter Berücksichtigung
der Gesamtumstände ist daher eine selbstgenutzte Fläche des Klägers von knapp 95 m²
im konkreten Fall nicht unangemessen. Auch entspricht die tatsächliche Nutzung dem
Eigentumsanteil des Klägers. Denn die Mutter verfügt über eine nahezu identische
Wohnfläche von 77,08 m² im Obergeschoss sowie ihrem hälftigen Nutzungsanteil an
Diele, Flur, Abstell- und Hauswirtschaftsraum im Erdgeschoss.
Auch bei den weiteren, nicht bebauten, Grundstücksteilen von zusammen 2.258 m²
handelt es sich um nicht verwertbares Vermögen. Hierbei kann dahinstehen, ob es sich
hierbei um Bauerwartungsland handelt. Selbst wenn dies der Fall wäre, stellt der hälftige
Miteigentumsanteil des Klägers kein tatsächlich verwertbares Vermögen dar. Eine
tatsächliche oder wirtschaftliche Unverwertbarkeit liegt vor, wenn der vorhandene
Vermögensgegenstand nicht in absehbarer Zeit zu einem vertretbaren Preis in Geld
umgesetzt und damit für den Lebensunterhalt nutzbar gemacht werden kann (Radüge
a.a.O. Rn. 58). Verwertbarkeit besteht nur, wenn die Verwertung für den Betroffenen einen
Ertrag bringt, durch den er, wenn auch nur kurzzeitig, seinen Lebensunterhalt bestreiten
kann (vgl. BSG SozR 4-4200 § 12 Nr. 12). Der Kläger allein kann den nicht bebauten Teil
des Grundstückes nicht veräußern, da zunächst die Teilung des Grundstückes erforderlich
wäre. Für eine Teilung des Grundstückes wäre auch die Zustimmung der Mutter
erforderlich. Hiervon ist jedoch nicht auszugehen, da sie bereits mit Schreiben vom
21.11.2012 gegenüber dem Beklagten im Rahmen der darlehensweisen
Leistungsgewährung erklärt hat, dass sie mit einer Auseinandersetzung der
Erbengemeinschaft nicht einverstanden sei. Zwar bestand keine ungeteilte
Erbengemeinschaft mehr, da der Kläger und seine Mutter als Miteigentümer je zur Hälfte
im Grundbuch eingetragen sind, jedoch ergibt sich aus der Erklärung klar, dass die Mutter
mit einem Verkauf des auch ihr gehörenden Grundstückes nicht einverstanden ist. Insofern
müsste der Kläger zunächst eine Zustimmung zur Teilung des Grundstückes durch seine
Mutter erreichen. Anschließend wäre dann eine Teilungsversteigerung des unbebauten
Grundstücks erforderlich, da davon auszugehen ist, dass die Mutter auch weiterhin nicht
mit einer Veräußerung einverstanden wäre. Eine baldige Deckung des Lebensunterhaltes
des Klägers durch die Veräußerung des unbebauten Grundstückes ist daher nicht
ersichtlich. Hinzu kommt auch, dass nicht ersichtlich ist, dass ein tatsächlicher Verkauf zu
dem vom Gutachterausschuss ermittelten Preis von 95.000 EUR für den unbebauten
Grundstücksteil möglich wäre. Denn es erscheint fraglich, ob ein Käufer für das
Grundstück zu finden ist, soweit nicht auch die weiteren umliegenden Grundstücke im
Rahmen einer planmäßigen Bebauung veräußert werden. Anhaltspunkte hierfür sind nicht
gegeben. Auch hat der Gutachterausschuss selbst angegeben, dass der
Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan bereits vor einigen Jahren erfolgte und
die Planung nicht weiter verfolgt wurde, da es eine Vielzahl von Eigentümer gibt und
bisher keine Flächen durch die Stadt aufgekauft werden konnten.
Mangels verwertbarem Vermögen steht dem Kläger daher für Juli, August und September
2012 Arbeitslosengeld II in gesetzliche Höhe zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf den
Entscheidung, Urteil
Gericht:SG Detmold
Erscheinungsdatum:17.04.2014
Aktenzeichen:S 18 AS 2103/12
Rechtsgebiete:Sozialrecht
Normen in Titel:SGB II §§ 12 Abs. 3 Nr. 4, 19, 20, 54 Abs. 2 S. 1