OLG Düsseldorf 16. November 2016
3 Wx 12/16
BGB §§ 119 Abs. 1 u. 2, 1954 Abs. 1

Anfechtung einer Erbausschlagung; Irrtum über Zugehörigkeit einer Forderung zum Nachlass

DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 9.5.2017
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.11.2016 - 3 Wx 12/16

BGB §§ 119 Abs. 1 u. 2, 1954 Abs. 1
Anfechtung einer Erbausschlagung; Irrtum über Zugehörigkeit einer Forderung zum
Nachlass

1. Der Irrtum eines potentiellen Erben über die Zugehörigkeit eines Gegenstandes bzw. einer
Forderung zum Nachlass (hier: Schmerzensgeldansprüche der Erblasserin aufgrund ihrer im
Zusammenhang mit dem Absturz eines Flugzeugs der German Wings auf dem Flug von
Barcelona nach Düsseldorf erlittenen Todesangst) kann zur Anfechtung der Erbausschlagung
berechtigen, wenn sich der Irrtum auf wertbildende Faktoren besonderen Gewichts bezieht,
denen im Verhältnis zur gesamten Erbschaft eine erhebliche und für den Wert des Nachlasses
wesentliche Bedeutung (hier bejaht für 25.000 Euro Schmerzensgeld bei einem im
Erbscheinsantrag angegebenen Nachlasswert von 35.000 Euro) zukommt.
2. Dem weiteren Erfordernis der Ursächlichkeit des Irrtums für die Erbausschlagung genügt der
Erbe, indem er dartut, dass er bei Kenntnis der Sachlage und verständiger Würdigung des Falles
die Ausschlagung nicht erklärt hätte (hier zunächst erklärte Ausschlagung mit Blick auf sich
andeutende psychisch belastende Konflikte über die Erbauseinandersetzung, sodann – nach
Kenntnis der Zugehörigkeit des Schmerzensgeldanspruchs zum Nachlass – Anfechtung der
Ausschlagungserklärung und Geltendmachung (u. a.) dieses (übergegangenen) Anspruchs zur
Verarbeitung des traumatischen Verlustes der Verwandten und als symbolische
Wiedergutmachung zur Trauerbewältigung).

Gründe

I.
Die Erblasserin und ihr Vater K. G. H. kamen beim Absturz des Flugzeugs der German
Wings GmbH auf dem Flug von Barcelona nach Düsseldorf in Prads-Haut-Bléone (Alpesde-
Haute-Provence) ums Leben. Die Erblasserin war unverheiratet und kinderlos. Ihre
Mutter ist vorverstorben. Die Mutter hat zwei Geschwister, den Beteiligten zu 2 und S. R..
Die Beteiligte zu 1 ist die Schwester des Vaters der Erblasserin. Daneben gibt es drei
weitere Geschwister des Vaters: M. W. H., R. B. H. und M. W. H.. Zwei Schwestern des
Vaters der Erblasserin, G. H. H. und U. M. H., sind ebenfalls vorverstorben.
Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 28. April 2015 schlugen die Beteiligte zu 1, M. W.
H. und dessen Sohn, C. H., das Erbe aus, wobei sie den auf sie entfallenen Nachlasswert
mit 20.000,00 € angaben.
Am 11. Juni 2015 meldete sich die Beteiligte zu 1 telefonisch beim Nachlassgericht und
teilte mit, sie bereue die Ausschlagung und wolle sie rückgängig machen. Mit Schriftsatz
vom gleichen Tage erklärte sie die Anfechtung der Erbschaftsausschlagung vom 28. April
2015. Zur Begründung gab sie an, sie habe sich über verkehrswesentliche Eigenschaften
des Nachlasses geirrt. Aufgrund des Flugzeugabsturzes stünden der Erblasserin
Schadensersatzansprüche gegen die Germanwings GmbH/ Deutsche Lufthansa AG in
noch nicht bezifferbarer Höhe zu, die auf dessen Erben übergingen. Zum Zeitpunkt der
Erbausschlagung sei sie aufgrund einer Auskunft des beurkundenden Notars davon
ausgegangen, dass nur die Hinterbliebenen der Absturzopfer Schadensersatzansprüche
gegenüber der Germanwings GmbH/ Deutsche Lufthansa AG hätten, während der
Erblasserin Ansprüche (insbesondere auf Schmerzensgeld) nicht zustünden. Tatsächlich
stellten diese Ansprüche der Erblasserin einen bedeutenden Posten dar, der den Wert des
Nachlasses ganz erheblich erhöhe, zumal französische Gerichte bekanntlich deutlich
höhere Schmerzensgelder zusprächen als deutsche Gerichte. Sie habe sich damit über
die konkrete Zusammensetzung des Nachlasses, nämlich über die Zugehörigkeit
bestimmter Rechte zum Nachlass als verkehrswesentliche Eigenschaft, geirrt.
Dementsprechend hätten diese Rechte auch in dem der Erbschaftsausschlagung
zugrunde gelegten Nachlasswert keine Berücksichtigung gefunden. In Kenntnis der
Ansprüche der Erblasserin hätte sie die Erbschaft nicht ausgeschlagen.
Am 1. Juli 2015 wiederholte die Beteiligte zu 1 die Anfechtung in notariell beurkundeter Form.
Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 3. Juli 2015 haben die Beteiligten Erteilung eines
Erbscheins beantragt, der den Beteiligten zu 2 und S. R. zu je ¼-Anteil und die Beteiligte
zu 1, R. B. H. und M. W. H. zu je 1/6-Anteil als Erben ausweist. Die Beteiligte zu 1 hat
geltend gemacht, der Erblasserin stünden aufgrund der erlittenen Todesangst eigene
Ansprüche gegen die Germanwings GmbH/ Deutsche Lufthansa AG zu. Davon habe sie
erst am 26. Mai 2015 anlässlich eines Beratungsgesprächs in den Kanzleiräumen ihres
Verfahrensbevollmächtigten erfahren.
Mit Beschluss vom 2. November 2015 hat das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag der
Beteiligten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es liege
kein Anfechtungsgrund gem. § 119 Abs. 2 BGB vor. Zwar könnten Fehlvorstellungen über
die Zusammensetzung des Nachlasses einen Irrtum über verkehrswesentliche
Eigenschaften des Nachlasses begründen, wenn diese objektiv erheblich und ursächlich
für die Ausschlagung gewesen seien, beispielsweise bei Überschuldung des Nachlasses.
Hier sei der Beteiligten zu 1 jedoch bewusst gewesen, dass der Nachlass werthaltig sei.
Erst als aufgrund von Schadensersatzansprüchen ein höherer Nachlass zu erwarten
gewesen sei, habe sie die Ausschlagung angefochten. Das lasse vermuten, dass der
Nachlass zunächst – gerade in Anbetracht der schwierigen und belastenden Umstände
des Erbfalls – als finanziell uninteressant angesehen worden sei. Ein Irrtum über die
Größe des Nachlasses berechtige jedoch grundsätzlich nicht zur Anfechtung. Wer eine
Erbschaft zunächst subjektiv für finanziell uninteressant gehalten habe, könne nicht
anfechten, wenn sich der Nachlass später als wertvoller herausstelle als angenommen.
Als Erben verblieben daher nur die Geschwister des Vaters der Erblasserin R. B. H. und
M. W. H. sowie die Geschwister der Mutter der Erblasserin F. S. und S. R. zu je ¼-Anteil.
Gegen diesen ihr am 5. November 2015 zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte
zu 1 mit ihrer am 4. Dezember 2015 bei Gericht eingegangenen Beschwerde. Sie macht
geltend, die Größe des Nachlasses sowie das Bestehen einer wesentlichen
Nachlassforderung stellten eine verkehrswesentliche Eigenschaft dar. Fehlvorstellungen
über die Zusammensetzung des Nachlasses könnten einen Anfechtungsgrund darstellen,
soweit sie objektiv erheblich und ursächlich für die Ausschlagung gewesen seien. Das sei
hier der Fall, nachdem der vererbte Schmerzensgeldanspruch aufgrund eines Angebots
der Germanwings GmbH an die hinterbliebenen Erben jedenfalls mit 25.000,00 € beziffert
werden könne. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit, dass sich noch weitere Ansprüche
gegen andere Anspruchsgegner, insbesondere in den USA, realisieren ließen. Es liege
auch ein Irrtum der Beteiligten zu 1 vor. Sie sei zum Zeitpunkt der Erbschaftsausschlagung
davon ausgegangen, dass dadurch mögliche Ansprüche der Erblasserin gegenüber der
Germanwings GmbH nicht tangiert würden. Dieser Irrtum sei ursächlich für die
Erbschaftsausschlagung gewesen. Die Nachricht vom Tod der Erblasserin und ihres
Vaters sei für die sie ein traumatisches Erlebnis gewesen, durch das sie in einen
schockartigen Zustand mit Verwirrung und großer Traurigkeit geraten sei. Sie habe
Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung wie Intrusionen, Alpträume,
erhöhte körperliche Anspannung, Schlafstörungen und Vermeidungsverhalten gezeigt. Sie
sei daher kaum in der Lage gewesen, sich den unmittelbar nach dem Unglück
andeutenden Konflikten hinsichtlich der anstehenden Erbauseinandersetzung zu stellen.
Aus diesem Grund habe sie sich an den Notar gewandt und ihn um notarielle
Beurkundung der Erbschaftsausschlagung gebeten. Dabei sei es ihr entscheidend darauf
angekommen, zu klären, ob auch den Passagieren persönlich vererbbare Ansprüche
gegen die Germanwings GmbH als potentielle mittelbare Verursacherin des Unglücks
zustünden. Denn sie habe bereits zu diesem Zeitpunkt erkannt, dass etwaige
Schadensersatzzahlungen der Germanwings GmbH – als „Wiedergutmachung“ bzw. zur
Linderung des Leids – für sie einen wesentlichen Bestandteil der Trauerbewältigung
ausmachen würden. Aus diesem Grund habe sie den Notar R. nach möglichen
Ansprüchen der Erblasserin gegenüber der Germanwings GmbH sowie deren
Vererbbarkeit befragt. Der Notar habe jedoch einen Zusammenhang zwischen der
Ausschlagung und Ansprüchen gegenüber der Germanwings GmbH verneint. Entgegen
der Auffassung des Nachlassgerichts habe sie die Erbschaft keinesfalls für finanziell
uninteressant gehalten. Vielmehr sei Beweggrund für die Ausschlagung die Vermeidung
familiärer Konflikte gewesen, denen die sie aufgrund ihres krankheitsbedingten
psychischen Ausnahmezustands nicht gewachsen gewesen sei. Hätte sie Kenntnis von
den persönlichen vererbbaren Ansprüchen der Erblasserin gegenüber der Germanwings
GmbH gehabt, hätte sie die drohenden familiären Auseinandersetzungen aber in Kauf
genommen.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit weiterem Beschluss vom 7. Januar 2016
nicht abgeholfen. Es hat ausgeführt, da der Nachlass insgesamt werthaltig gewesen sei,
könne die Kenntnis über das Bestehen einzelner Vermögensgegenstände keinen Irrtum
über verkehrswesentliche Eigenschaften des Nachlasses begründen. Eine möglicherweise
fehlerhafte Beratung der Beteiligten zu 1 begründe keinen Anfechtungsgrund.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte sowie der Akten
Amtsgericht Dinslaken, Az. 14 VI 244/15 Bezug genommen.

II.
Die gemäß §§ 58 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG zulässige
Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist nach der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß
erklärten Nichtabhilfe gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. FamFG dem Senat zur
Entscheidung angefallen.
In der Sache hat die Beschwerde Erfolg. Der Beteiligten zu 1 ist ein Erbschein
entsprechend ihrem Antrag zu erteilen. Dem steht nicht die von der Beteiligten zu 1 am 28.
April 2015 erklärte Erbausschlagung entgegen, weil sie die Ausschlagungserklärung
erfolgreich angefochten hat. Ein rechtlich erheblicher Irrtum der Beteiligten zu 1 ist hier
anzunehmen.
Allerdings ergibt sich der Anfechtungsgrund nicht aus § 119 Abs. 1 BGB. Zwar kann ein
Inhaltsirrtum auch darin gesehen werden, dass der Erklärende über die Rechtsfolgen
seiner Willenserklärung irrt, weil das Rechtsgeschäft nicht nur die von ihm erstrebten
Rechtswirkungen erzeugt, sondern solche, die sich davon unterscheiden, wobei ein
solcher Rechtsirrtum nach ständiger Rechtsprechung nur dann zur Anfechtung berechtigt,
wenn das vorgenommene Rechtsgeschäft wesentlich andere als die beabsichtigten
Wirkungen erzeugt (BGH NJW 2016, 2954). Die Beteiligte zu 1 hat sich hier aber nicht
über die Rechtsfolge ihrer Ausschlagungserklärung im Hinblick auf mögliche
Schmerzensgeldansprüche der Erblasserin geirrt, sondern darüber, wo solche Ansprüche
anzusiedeln sind. Dabei ist sie irrtümlich davon ausgegangen, dass
Schmerzensgeldansprüche nicht Bestandteil des Nachlasses seien.
Es liegt aber ein Irrtum der Beteiligten zu 1 über eine verkehrswesentliche Eigenschaft vor,
§ 119 Abs. 2 BGB. Grundsätzlich wird die Erbschaft als Sache i.S.d. § 119 Abs. 2 BGB
angesehen, so dass ein Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften der Erbschaft zur
Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung berechtigt (Senat FamRZ 2011, 1171;
Leipold, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2013, § 1954 Rn. 11). Bei dem
Irrtum der Beteiligten zu 1 über die Zugehörigkeit der Schmerzensgeldansprüche der
Erblasserin zum Nachlass handelt es sich um eine verkehrswesentliche Eigenschaft der
Erbschaft.
Allerdings stellt ein Irrtum über die Größe des Nachlasses grundsätzlich keinen
Anfechtungsgrund dar, da nicht der Wert selbst, sondern die wertbildenden Faktoren als
Eigenschaften anzusehen sind (Leipold, a.a.O., Rn. 12). Wer eine Erbschaft für finanziell
uninteressant gehalten und daher ausgeschlagen hat, kann dies nicht anfechten, wenn
sich später das Vorhandensein eines wertvollen Nachlassgegenstandes herausstellt oder
sich ein Nachlassgegenstand als wertvoller herausstellt, als bei der Ausschlagung
angenommen wurde (Senat, Beschluss vom 5. September 2008 - I-3 Wx 123/08;
BayObLG NJW-RR 1995, 904; Otte, in: Staudinger, BGB; Neubearbeitung 2008, § 1954
Rn. 14). Zu den Eigenschaften der Erbschaft gehört dagegen die Zusammensetzung des
Nachlasses, so dass ein Irrtum über die Zugehörigkeit bestimmter Rechte zum Nachlass
zur Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung berechtigen kann, wenn es sich dabei
um eine wesentliche Eigenschaft handelt (vgl. KG OLGZ 1993, 1; Leipold, a.a.O., Rn. 11).
Das wird bei einem Irrtum darüber angenommen, ob der Nachlass überschuldet ist oder
nicht, sofern der Irrtum auf falschen Vorstellungen über das Vorhandensein von
Nachlassgegenständen oder –verbindlichkeiten beruht, nicht aber auf einer fehlerhaften
Einschätzung des Wertes (Senat, ErbR 2015, 91; FamRZ 2011, 1171; OLG Stuttgart
FamRz 2009, 1182; KG NJW-RR 2004, 941; BayObLG NJW 2003, 2016; Leipold, a.a.O.,
Rn. 13 f.).
Die Zugehörigkeit eines Gegenstandes bzw. einer Forderung zum Nachlass kann aber
auch dann eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Erbschaft darstellen, wenn – wie hier
– eine mögliche Überschuldung des Nachlasses nicht im Raum steht. Verkehrswesentlich
sind dabei wertbildende Faktoren von besonderem Gewicht, die im Verhältnis zur
gesamten Erbschaft eine erhebliche und für den Wert des Nachlasses wesentliche
Bedeutung haben (vgl. Siegmann/Höger, in: Beck´scher Online-Kommentar BGB, Stand:
1. Mai 2016, § 1954 Rn. 8; BayObLG, Beschluss vom 11. Januar 1999, 1Z BR 113/98 –
zitiert nach juris; NJW-RR 1999, 590; ZEV 1998, 430).
Vorliegend ist allein aufgrund der Höhe der von der Beteiligten zu 1 vermuteten
Schmerzensgeldansprüche im Verhältnis zum gesamten Nachlass ein Irrtum der
Beteiligten zu 1 über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Erbschaft anzunehmen.
Auszugehen ist dabei von dem Angebot der Germanwings GmbH in Höhe von 25.000,00
€. Denn ob sich darüber hinaus – wie die Beteiligte zu 1 meint – weitere Ansprüche,
insbesondere in den USA, realisieren lassen, ist vollkommen offen. Dem Betrag von
25.000,00 € steht der im Erbscheinsantrag angegebene Nachlasswert von 35.000,00 €
gegenüber, so dass der Zuordnung der Schmerzensgeldansprüche erhebliche Bedeutung
für den Wert des Nachlasses zukommt.
Der Irrtum des Erben muss ferner kausal für die Erbausschlagung geworden sein. Es
muss dargetan werden, dass der Erbe bei Kenntnis der Sachlage und verständiger
Würdigung des Falles (§ 119 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB) die Ausschlagung nicht erklärt
hätte, wobei wirtschaftlichen Erwägungen besonderes Gewicht zukommen dürfte (Leipold,
a.a.O., Rn. 17). Das ist vorliegend der Fall. Die Beteiligte zu 1 gibt an, sie habe die
Ausschlagung im Hinblick auf sich andeutende Konflikte über die Erbauseinandersetzung
erklärt, denen sie sich aufgrund ihrer psychischen Verfassung nicht gewachsen gefühlt
habe. Im Hinblick auf diesen Beweggrund hätte sie die Ausschlagung bei verständiger
Würdigung nicht erklärt, wenn sie von der Zugehörigkeit des Schmerzensgeldanspruchs
zum Nachlass gewusst hätte. Zwar dürfte bei einem höheren Nachlasswert eher noch mit
einer verschärften Erbauseinandersetzung zu rechnen gewesen sein. Allerdings trägt die
Beteiligte zu 1 vor, die Geltendmachung des Schmerzensgeldanspruchs sei für sie
persönlich zur Verarbeitung des traumatischen Verlusts ihrer Verwandten wichtig. Insoweit
ist der dem Nachlass zuzurechnende Schmerzensgeldanspruch als symbolische
Wiedergutmachung zur Trauerbewältigung – jedenfalls aus Sicht der Beteiligten zu 1 –
geeignet. Es erscheint deshalb nachvollziehbar, dass die Beteiligte zu 1 die Ausschlagung
nicht erklärt hätte, wenn ihr die Zugehörigkeit des Schmerzensgeldanspruchs zum
Nachlass bekannt gewesen wäre.
Die Beteiligte zu 1 hat die Anfechtung fristgerecht erklärt: Sie hat nach eigenen Angaben
am 26. Mai 2015 in den Kanzleiräumen ihres Verfahrensbevollmächtigten von der
Zugehörigkeit der Schmerzensgeldansprüche zum Nachlass und damit von dem
Anfechtungsgrund erfahren, so die Frist des § 1954 Abs. 1 BGB gewahrt ist.

III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG besteht kein
Anlass.
Die Wertfestsetzung stützt sich auf §§ 40 Abs. 1 Nr. 2, 61 GNotKG. Dabei hat der Senat
den Wert des dem Nachlass zuzurechnenden Schmerzensgeldanspruchs mit 25.000,000 € in Ansatz gebracht.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

16.11.2016

Aktenzeichen:

3 Wx 12/16

Rechtsgebiete:

Annahme und Ausschlagung der Erbschaft

Normen in Titel:

BGB §§ 119 Abs. 1 u. 2, 1954 Abs. 1