Nichtigkeit eines Grundstückskaufvertrags; Auflassungsvormerkung; Berichtigung des Grundbuchs; präjudizielle Bedeutung eines Feststellungsurteils; Scheingeschäft
letzte Aktualisierung: 4.5.2023
BGH, Urt. v. 17.2.2023 – V ZR 22/22
BGB §§ 883 Abs. 1 S. 1, 894; ZPO § 322 Abs. 1
Nichtigkeit eines Grundstückskaufvertrags; Auflassungsvormerkung; Berichtigung des
Grundbuchs; präjudizielle Bedeutung eines Feststellungsurteils; Scheingeschäft
1. Die rechtskräftige Entscheidung, mit der die Nichtigkeit eines Grundstückskaufvertrags festgestellt
wird, hat präjudizielle Bedeutung für die Entscheidung über die Berichtigung des Grundbuchs
wegen Erlöschens des durch Vormerkung gesicherten Anspruchs aus diesem Vertrag; mit
Rechtskraft des Feststellungsurteils steht fest,dass die Auflassungsvormerkung nicht entstanden und
das Grundbuch hinsichtlich deren Eintragung unrichtig ist.
2. Ist in einem Vorprozess eine Klage auf Bewilligung der Löschung einer Auflassungsvormerkung
im Wege der Grundbuchberichtigung rechtskräftig abgewiesen worden, ist ein mit dem Klageantrag
auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrags verbundener erneuter Antrag auf Berichtigung des
Grundbuchs hinsichtlich der Vormerkung nur dann zulässig, wenn die Klageanträge dergestalt in ein
Eventualverhältnis gestellt werden, dass der auf Grundbuchberichtigung gerichtete Antrag nur
hilfsweise für den Fall gestellt wird, dass der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des
Kaufvertrags Erfolg hat.
Entscheidungsgründe:
A.
Das Berufungsgericht meint, die Klage sei unzulässig, soweit der Kläger
die Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung verlange. Ihr stehe insoweit
zwar nicht das in dem zweiten Vorprozess ergangene rechtskräftige Urteil
entgegen, weil die Parteien dort über einen Darlehensrückzahlungsanspruch des
Beklagten gegen den Kläger und damit über einen anderen Streitgegenstand gestritten
hätten, wohl aber das in dem ersten Vorprozess ergangene rechtskräftige
Urteil. Die jetzige Klage auf Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung
betreffe denselben Streitgegenstand wie die mit Urteil vom 22. März 2017
abgewiesene Klage. Sie sei auf dasselbe Rechtsschutzziel gerichtet und der Kläger
stütze sein Begehren auf denselben Klagegrund. Zwar habe er in dem ersten
Vorprozess nicht die Unwirksamkeit des Grundstückskaufvertrags als Scheingeschäft
geltend gemacht. Darauf komme es aber nicht an. Das Nichtzustandekommen
des Kaufvertrags mangels Ausübung der Option und die Nichtigkeit des Vertrags
als Scheingeschäft gehörten zu einem einheitlichen Lebenssachverhalt.
Mögliche Schwierigkeiten bei der Löschung der Auflassungsvormerkung könnten
dieses Ergebnis nicht beeinflussen.
Demgegenüber sei die auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrags
gerichtete Klage zulässig und begründet. Der beurkundete Kaufvertrag sei als
Scheingeschäft gemäß § 117 Abs. 1 BGB und der tatsächlich gewollte Vertrag
mangels Beurkundung nach § 117 Abs. 2, § 311b Abs. 1 Satz 1, § 125 Satz 1
BGB nichtig.
B.
Dies hält rechtlicher Prüfung nur hinsichtlich der Revision des Klägers
nicht stand.
I. Anschlussrevision
Die Anschlussrevision des Beklagten hat keinen Erfolg.
1. Die form- und fristgerecht (
des Beklagten ist allerdings zulässig. Sie ist gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz
2 ZPO ohne Zulassung statthaft. Insbesondere steht ihr Gegenstand in einem
unmittelbaren rechtlichen Zusammenhang mit demjenigen der Hauptrevision
des Klägers (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 18. September 2009 - V ZR 75/08,
die Anschlussrevision wendet sich gegen die Feststellung der
Nichtigkeit des Kaufvertrags. Ob der Kläger einen Anspruch auf Bewilligung der
Löschung der Auflassungsvormerkung hat, hängt davon ab, ob der Kaufvertrag
vom 18. Februar 2014 wirksam ist. Das Nichtbestehen des mit der Vormerkung
gesicherten Eigentumsverschaffungsanspruchs (
Vorfrage für die Klage auf Bewilligung der Löschung der Vormerkung gemäß
2. Die Anschlussrevision bleibt in der Sache jedoch erfolglos. Rechtsfehlerfrei
stellt das Berufungsgericht die Nichtigkeit des Kaufvertrags fest.
a) Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrags ist zulässig.
Ihr steht, anders als die Anschlussrevision meint, weder die Rechtskraft des
Urteils in dem ersten Vorprozess noch die Rechtskraft des Urteils in dem zweiten
Vorprozess entgegen.
aa) Gemäß
fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch
entschieden ist. Maßgeblich ist der jeweilige Streitgegenstand, der durch
den Klageantrag und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt wird, aus
dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. Senat, Urteil vom
20. Mai 2011 - V ZR 221/10,
2003 - I ZR 1/01,
- VIII ZR 60/03,
bb) In keinem der Vorprozesse wurde der Anspruch des Klägers auf Feststellung
der Nichtigkeit des Kaufvertrags rechtskräftig aberkannt.
(1) Aus der Abweisung der Klage in dem ersten Vorprozess ist nur in
Rechtskraft erwachsen, dass der Kläger keinen Anspruch gegen den Beklagten
auf Bewilligung der Löschung der Vormerkung hat. Nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs erwächst in Rechtskraft die in dem Urteil ausgesprochene
Rechtsfolge, d.h. nur der vom Gericht aus dem vorgetragenen Sachverhalt
gezogene Schluss auf das Bestehen oder Nichtbestehen der beanspruchten
Rechtsfolge, nicht aber die Feststellung der zugrundeliegenden präjudiziellen
Rechtsverhältnisse oder sonstigen Vorfragen, aus denen der Richter seinen
Schluss gezogen hat (vgl. Senat, Urteil vom 13. November 1998 - V ZR 29/98,
2308 Rn. 30; jeweils mwN). Zu deren abschließender Klärung steht den Parteien
die nicht an ein besonderes Feststellungsinteresse anknüpfende Zwischenfeststellungsklage
(§ 256 Abs. 2 ZPO) und im Übrigen die Feststellungsklage (§ 256
Abs. 1 ZPO) offen (Senat, Beschluss vom 22. September 2016 - V ZR 4/16, NJW
2017, 893 Rn. 14). Der Kläger ist deshalb nicht gehindert, Klage auf Feststellung
der Nichtigkeit des Kaufvertrags zu erheben und diese auf die Schwarzgeldabrede
zu stützen.
(2) Aus der Verurteilung des Klägers in dem zweiten Vorprozess ist nur in
Rechtskraft erwachsen, dass der Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von
18. Februar 2014 betrifft einen anderen Streitgegenstand als der von dem Beklagten
in dem zweiten Vorprozess geltend gemachte Zahlungsanspruch.
b) Mit dem Einwand, über den beurkundeten Kaufpreis hinaus sei jedeneinbart,
ist der Kläger entgegen der
Ansicht der Anschlussrevision auch nicht präkludiert.
aa) Im Ausgangspunkt trifft es allerdings zu, dass eine rechtskräftige Entscheidung
in einem Vorprozess zwischen den Parteien zu einer Tatsachenpräklusion
in einem Folgeprozess führen kann. Zwar erwachsen die tatsächlichen
Feststellungen in einem Urteil nicht in Rechtskraft. Andererseits darf die Rechtskraft
der Entscheidung über den im Vorprozess erhobenen Anspruch aber nicht
mit dem Vorbringen ausgehöhlt werden, das rechtskräftige Urteil gründe sich auf
unrichtige tatsächliche Feststellungen. Hat ein Gericht den Streitgegenstand eines
rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses erneut zu prüfen, hat es deshalb
seinem Urteil den Inhalt dieser Entscheidung zugrunde zu legen. Mit Vortrag zu
Tatsachen, die im maßgebenden Zeitpunkt des Vorprozesses schon vorhanden
waren und darauf gerichtet sind, das kontradiktorische Gegenteil der im Vorprozess
festgestellten Rechtsfolge auszusprechen, sind die Parteien insoweit ausgeschlossen,
als sie bei natürlicher Anschauung zu dem im Vorprozess vorgetragenen
Lebensvorgang gehören (vgl. Senat, Beschluss vom 22. September
2016 - V ZR 4/16,
bb) Diese Präklusion geht aber nicht weiter als die Rechtskraftwirkungen
des Urteils. Sie ist kein Institut neben der materiellen Rechtskraft, sondern nur
die notwendige Kehrseite der Maßgeblichkeit der Entscheidung. Außerhalb der
Grenzen des Streitgegenstands besteht keine Präklusion, auch wenn mit der
neuen Klage ein wirtschaftlich identisches Ziel verfolgt wird und sich die Tatsachen
überschneiden (zum Ganzen Senat, Beschluss vom 22. September 2016
- V ZR 4/16,
cc) Nach diesen Grundsätzen besteht keine Präklusion. Ohne Erfolg
macht die Ans
Rechtskraft des in dem zweiten Vorprozess ergangenen Urteils als Hingabe eides
Kaufpreises sein. Aufgrund des Urteils aus dem zweiten Vorprozess steht
ist. Die Frage, ob es eine auf den Kaufvertrag bezogene Schwarzgeldabrede gegeben
hat, betrifft nicht die Rechtskraft, sondern die Beweiswürdigung.
c) Aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts ist von einer
Schwarzgeldabrede auszugehen. Die von der Anschlussrevision gegen die Beweiswürdigung
des Berufungsgerichts erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat
geprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO). Der beurkundete
Kaufvertrag ist als Scheingeschäft gemäß § 117 Abs. 1 BGB und der
tatsächlich gewollte Vertrag mangels Beurkundung nach § 117 Abs. 2, § 311b
Abs. 1 Satz 1,
d) Ohne Erfolg bleibt der Angriff der Anschlussrevision, der Kläger habe
sein Recht, die Nichtigkeit des Kaufvertrags geltend zu machen, verwirkt. Vortrag
dazu, dass die Voraussetzungen für eine Verwirkung vorliegen (vgl. dazu Senat,
Urteil vom 27. September 2013 - V ZR 52/12,
die Anschlussrevision nicht auf. Hierfür ist auch nichts ersichtlich.
II. Revision
Die Revision des Klägers ist begründet.
1. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass
der Zulässigkeit der Klage auf Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung
nicht die materielle Rechtskraft des in dem zweiten Vorprozess ergangenen
Urteils entgegensteht. Der Streitgegenstand des Anspruchs auf Grundbuchberichtigung
gemäß
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Verurteilung
des Beklagten zur Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung auch
nicht das in dem ersten Vorprozess ergangene Urteil vom 22. März 2017 entgegen.
a) Richtig ist allerdings, dass mit diesem Urteil der Löschungsanspruch
des Klägers rechtskräftig aberkannt worden ist.
aa) Ein Urteil, das - wie hier in dem ersten Vorprozess - eine Leistungsklage
abweist, stellt grundsätzlich fest, dass die begehrte Rechtsfolge aus dem
Lebenssachverhalt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt hergeleitet werden
kann. Zu dem Lebenssachverhalt, der die Grundlage der Streitgegenstandsbestimmung
bildet, rechnen alle Tatsachen, die bei einer vom Standpunkt der Parteien
ausgehenden natürlichen Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag der
Klagepartei zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören. Das ist
dann der Fall, wenn der Tatsachenstoff nicht sinnvoll auf verschiedene eigenständige,
den Sachverhalt in seinem Kerngehalt verändernde Geschehensabläufe
aufgeteilt werden kann, selbst wenn diese einer eigenständigen rechtlichen
Bewertung zugänglich sind (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1991 - IX ZR
96/91,
314 Rn. 19). Der Streitgegenstand wird durch den gesamten historischen Lebensvorgang
bestimmt, auf den sich das Rechtsschutzbegehren der Klagepartei
bezieht, unabhängig davon, ob einzelne Tatsachen dieses Lebenssachverhalts
von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht, und auch unabhängig davon,
ob die Parteien die nicht vorgetragenen Tatsachen des Lebensvorgangs
kannten und hätten vortragen können (st.Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom
17. März 1995 - V ZR 178/93,
- V ZR 49/08, juris Rn. 45, insoweit nicht abgedruckt in
Urteil vom 19. November 2003 - VIII ZR 60/03,
13. September 2012 - I ZR 230/11,
2013 - XI ZR 42/12,
- IX ZB 33/14,
168 mwN).
bb) Etwas anderes gilt nur, wenn der Entscheidung unmissverständlich
der Wille des Gerichts zu entnehmen ist, über den zu Grunde liegenden Sachverhalt
nicht abschließend zu erkennen und dem Kläger so eine erneute Klage
zu diesem Anspruch auf der gleichen tatsächlichen Grundlage und aufgrund von
bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegenden Umständen
vorzubehalten (vgl. Senat, Urteil vom 12. Dezember 2008 - V ZR 49/08, juris
Rn. 45 mwN, insoweit nicht abgedruckt in
cc) Nach diesen Grundsätzen ist in dem ersten Vorprozess über den Anspruch
des Klägers auf Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung
wegen Nichtbestehens des durch die Vormerkung gesicherten Eigentumsverschaffungsanspruchs
aus dem Kaufvertrag vom 18. Februar 2014 (§ 433 Abs. 1
Satz 1 BGB) abschließend erkannt worden. Bei natürlicher Betrachtungsweise
stellen das Nichtzustandekommen des Kaufvertrags wegen Nichteintritts der Bedingung
(Ausübung der Option) und die Nichtigkeit des Vertrags als Scheingeschäft
einen einheitlichen Lebensvorgang dar, der nicht aufgespalten werden
kann. Der von dem Kläger mit der Klage auf Grundbuchberichtigung gemäß
des Vertragsschlusses gekennzeichnet. In dem Urteil vom
22. März 2017 ist der Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Bewilligung
der Löschung der Auflassungsvormerkung aus
verneint worden. Damit steht fest, dass der Kläger den Grundbuchberichtigungsanspruch
(
wegen einer Schwarzgeldabrede nichtig sei (§ 117 Abs. 1 und 2, § 311b Abs. 1
Satz 1,
Auflassungsvormerkung wäre daher, insoweit ist dem Berufungsgericht beizupflichten,
unzulässig, weil sie denselben Streitgegenstand beträfe.
b) Dem Kläger wäre es jedoch trotz des rechtskräftigen Urteils in dem ersten
Vorprozess unbenommen gewesen, eine isolierte Klage auf Feststellung der
Nichtigkeit des Kaufvertrags vom 18. Februar 2014 zu erheben, weil diese einen
anderen Streitgegenstand betrifft. Nach Eintritt der Rechtskraft des Feststellungsurteils
hätte er sodann erneut auf Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung
klagen können (
Urteils vom 22. März 2017 in dem ersten Vorprozess nicht entgegengestanden.
Das versteht sich allerdings nicht von selbst.
aa) Die Rechtskraft eines Urteils steht der Zulässigkeit einer erneuten
Klage nicht entgegen und hindert eine neue abweichende Entscheidung dann
nicht, wenn sich der dem rechtskräftigen Urteil zugrundeliegende Sachverhalt
nachträglich geändert hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die neu eingetretene
Tatsache schon früher hätte herbeigeführt werden können (vgl. BGH, Urteil
vom 22. Februar 1962 - II ZR 119/61,
11. März 1983 - V ZR 287/81,
Grenze der Rechtskraft ist es, dass § 767 Abs. 2 ZPO Einwendungen gegen den
durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst zulässt, sofern die Gründe, auf
denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung
entstanden sind (Senat, Urteil vom 11. März 1983 - V ZR 287/81, NJW 1984,
126, 127).
bb) Allerdings kommen in diesem Zusammenhang nur solche neuen Tatsachen
in Betracht, die denjenigen Sachverhalt verändert haben, der in dem
früheren Urteil als für die ausgesprochene Rechtsfolge maßgebend angesehen
worden ist; bei dieser Beurteilung ist von den Entscheidungsgründen des rechtskräftigen
Urteils auszugehen und zu prüfen, ob die neu entstandene Tatsache
die dort bejahten oder verneinten Tatbestandsmerkmale beeinflusst (vgl. Senat,
Urteil vom 11. März 1983 - V ZR 287/81,
gerichtliche Entscheidung über eine Vorfrage der rechtskräftigen Entscheidung
ist grundsätzlich keine solche neue, den Sachverhalt verändernde Tatsache,
sondern die Veränderung eines rechtlichen Gesichtspunktes (vgl. Stein/
Jonas/Althammer, ZPO, 23. Aufl., § 322 Rn. 239).
cc) Anders ist es aber dann, wenn die Auswirkungen der gerichtlichen Entscheidung
über die Vorfrage den Charakter einer neuen Tatsache haben (vgl.
Senat, Urteil vom 14. Juli 1995 - V ZR 171/94,
Ausnahmefall ist hier wegen der Akzessorietät der Auflassungsvormerkung
gegeben.
(1) Die Vormerkung ist ein streng akzessorisches Sicherungsmittel eigener
Art (vgl. nur Senat, Urteil vom 14. Januar 2022 - V ZR 245/20, NJW 2022,
1167 Rn. 5, 24). Sie ist nicht entstanden bzw. erlischt, wenn der gesicherte Anspruch
nicht bzw. nicht mehr besteht; das Grundbuch ist bzw. wird dann unrichtig
(vgl. Senat, Urteil vom 15. Mai 1970 - V ZR 20/68,
22. Februar 2019 - V ZR 244/17,
2022 - V ZR 245/20,
eingetragenen Berechtigten nach
Bewilligung der Berichtigung des Grundbuchs durch Löschung der Vormerkung
verlangen.
(2) Die rechtskräftige Entscheidung, mit der die Nichtigkeit eines Grundstückskaufvertrags
festgestellt wird, hat präjudizielle Bedeutung für die Entscheidung
über die Berichtigung des Grundbuchs wegen Erlöschens des durch Vormerkung
gesicherten Anspruchs aus diesem Vertrag. Mit Rechtskraft des Feststellungsurteils
steht fest, dass die Auflassungsvormerkung nicht entstanden und
das Grundbuch hinsichtlich deren Eintragung unrichtig ist. Diese Auswirkungen
des Feststellungsurteils verändern nachträglich die Tatsachengrundlage des in
dem Vorprozess ergangenen Urteils, mit dem der Anspruch auf die Berichtigung
des Grundbuchs gemäß
die keinen Anspruch sichert. Von einer solchen Eintragung ist das Grundbuch
freizumachen.
c) Wenn der Kläger aber trotz der Rechtskraft des Urteils in dem ersten
Vorprozess sukzessive Klagen auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrags
und auf Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung gemäß § 894
BGB erheben könnte, muss es ihm entsprechend dem Rechtsgedanken des
§ 259 ZPO aus prozessökonomischen Gründen auch gestattet sein, beide Klageanträge
in einer Klage zu verbinden. Allerdings steht erst mit Eintritt der
Rechtskraft des Feststellungsurteils fest, dass das Grundbuch hinsichtlich der
Auflassungsvormerkung unrichtig ist. Da der Kläger aufgrund der zuvor entgegenstehenden
Rechtskraft erst dann die Löschung der Vormerkung bewirken
kann, ist es nicht zulässig, den Antrag auf Grundbuchberichtigung neben dem
Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrags als weiteren Hauptantrag
zu stellen (kumulativ), wie es hier der Kläger getan hat. Zulässig ist es in
dieser Situation nur, die Anträge im Wege einer Eventualklagehäufung in der
Weise zu verknüpfen, dass nur bei Erfolg der Feststellungsklage über den auf
Grundbuchberichtigung gerichteten Antrag zu entscheiden ist.
aa) Eine eventuelle Antragstellung dieser Art hat der Senat bei Vorverträgen
aus prozessökonomischen Gründen in Verbindung mit dem Rechtsgedanken
des § 259 ZPO zugelassen. Die Partei, die ihre Rechte aus dem Vorvertrag
geltend macht, soll nicht gezwungen sein, gegenüber der Seite, die die Bindung
leugnet, nacheinander zwei Prozesse, nämlich auf Abschluss des Hauptvertrags
(§ 894 ZPO) und auf dessen Vollzug zu führen (vgl. Senat, Urteil vom 18. April
1986 - V ZR 32/85,
- V ZR 254/99,
Hauptvertrages gerichteten Klageanträge stehen dann unter der innerprozessualen
Rechtsbedingung, dass dem Antrag auf Abschluss des schuldrechtlichen
Vertrages stattgegeben wird.
bb) Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für die Löschung der Auflassungsvormerkung
im Wege der Grundbuchberichtigung gemäß
einem Vorprozess eine Klage auf Bewilligung der Löschung einer Auflassungsvormerkung
im Wege der Grundbuchberichtigung rechtskräftig abgewiesen worden,
ist ein mit dem Klageantrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrags
verbundener erneuter Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs hinsichtlich der
Vormerkung nur dann zulässig, wenn die Klageanträge dergestalt in ein Eventualverhältnis
gestellt werden, dass der auf Grundbuchberichtigung gerichtete Antrag
nur hilfsweise für den Fall gestellt wird, dass der Antrag auf Feststellung der
Nichtigkeit des Kaufvertrags Erfolg hat. Der auf die Bewilligung der Löschung der
Auflassungsvormerkung gerichtete Klageantrag muss also unter die innerprozessuale
Rechtsbedingung gestellt werden, dass die Feststellungsklage Erfolg
hat. Es kann dem Kläger in einem solchen Fall nicht zugemutet werden, zwei
Prozesse hintereinander zu führen. Dem Beklagten entstehen aus einer solchen
sogenannten uneigentlichen Eventualklagehäufung keine Nachteile.
d) An einer solchen Eventualklagehäufung fehlt es hier zwar. Der Kläger
hat die Klageanträge nebeneinander (kumulativ) und nicht in Abhängigkeit voneinander
als Haupt- und Hilfsantrag gestellt. Das führt aber nicht dazu, dass seine
Revision zurückzuweisen wäre. Im Ausgangspunkt müsste es dem Kläger nämlich
gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch gerichtlichen Hinweis ermöglicht werden,
seine Anträge umzustellen; das könnte grundsätzlich auch in der Revisionsinstanz
geschehen (vgl. Senat, Urteil vom 29. Juni 2007 - V ZR 5/07, BGHZ 173,
71 Rn. 11 mwN). Hier ist es aber deshalb anders, weil sich der Fehler bei der
Antragstellung in der Revisionsinstanz prozessual überholt hat; denn beide Klageanträge
sind Gegenstand der Entscheidung des Senats. Mit der Zurückweisung
der Anschlussrevision durch den Senat ist rechtskräftig festgestellt, dass
der Kaufvertrag vom 18. Februar 2014 nichtig ist. Weil damit feststeht, dass die
Auflassungsvormerkung nicht entstanden ist, ist auch der Grundbuchberichtigungsanspruch
gegeben.
3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über den Anspruch des Klägers
auf Grundbuchberichtigung gemäß
nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Der Klage fehlt nicht das
Rechtsschutzbedürfnis.
a) Allerdings wäre auch das Grundbuchamt im Rahmen des § 22 GBO an
die rechtskräftige Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrags gebunden. Mit
der Vorlage des rechtskräftigen Feststellungsurteils könnte der Kläger den Nachweis
der Unrichtigkeit des Grundbuchs hinsichtlich der Eintragung der Auflassungsvormerkung
führen. Das Grundbuchamt könnte nicht das Bestehen des
durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs bejahen, wenn es sich damit in
Widerspruch zu der Rechtskraftwirkung des im Zivilprozess erlassenen Urteils
stellte (BayObLG,
b) Die Möglichkeit, im Grundbuchverfahren nach § 22 GBO bzw. im Beschwerdeverfahren
nach § 71 GBO eine Berichtigung ohne Bewilligung des Anspruchsgegners
zu erreichen, und ein Anspruch aus
selbständig nebeneinander. Davon zu trennen ist die Frage, inwieweit in Fällen,
in denen das kostengünstigere Grundbuchverfahren zweifelsfrei zum Erfolg führen
würde, das Rechtsschutzbedürfnis für die Durchsetzung eines Anspruchs
aus
2006 - V ZR 110/05,
2022 - V ZR 91/21, juris Rn. 12). Hier kann ein Rechtsschutzbedürfnis des
Klägers für den Antrag auf Grundbuchberichtigung gemäß
nicht verneint werden, weil dieser Antrag mit dem Antrag auf Feststellung
der Nichtigkeit des Kaufvertrags verbunden ist und es der Prozessökonomie entspricht,
das Rechtsverhältnis insgesamt zu klären.
C.
I. Die Sache ist hinsichtlich des mit der Revision verfolgten Grundbuchberichtigungsanspruchs
entscheidungsreif (
insoweit begründet.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus
unterschiedlichen Kostenquoten für die erste Instanz und für die Rechtsmittelinstanzen
beruhen darauf, dass die Streitwerte und damit auch das Obsiegen
und Unterliegen der Parteien unterschiedlich sind (weitere Beklagte und weiterer
Klageantrag in erster Instanz).
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:17.02.2023
Aktenzeichen:V ZR 22/22
Rechtsgebiete:
Unternehmenskauf
Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Grundbuchrecht
Kaufvertrag
Vormerkung
Beurkundungserfordernis
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
BGB §§ 883 Abs. 1 S. 1, 894; ZPO § 322 Abs. 1