Beschwerde gegen die Versagung einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung
letzte Aktualisierung: 22.10.2020
BGH, Beschl. v. 18.3.2020 – XII ZB 474/19
BGB §§ 1822 Nr. 2, 1908i Abs. 1 S. 1; FamFG §§ 41 Abs. 1 S. 2, 59, 303 Abs. 2
Beschwerde gegen die Versagung einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung
a) Gegen eine Entscheidung, mit der eine nach
betreuungsgerichtliche Genehmigung versagt wird, kann der Betreuer nur im Namen des
Betroffenen, nicht aber im eigenen Namen Beschwerde einlegen.
b) Das Verfahren über die Erteilung der nach
erforderlichen betreuungsgerichtlichen Genehmigung für die Anfechtung einer Erbschaftsannahme
oder einer Erbschaftsausschlagung gehört nicht zu den Verfahren, auf die sich der
Anwendungsbereich des
vom 8. Juli 2015 – XII ZB 292/14 –
c) In einem Betreuungsverfahren ist Voraussetzung für die Zustellungspflicht nach § 41 Abs. 1 Satz
2 FamFG, dass ein dem Beschluss nicht entsprechender Wille eines Beteiligten im Verfahren für das
Gericht erkennbar geworden ist. Ausreichend ist, wenn sich ein entsprechender Wille durch sonstige
Äußerungen des Beteiligten oder durch dessen Verhalten im Verfahren erkennen lässt. Bloßes
Schweigen auf das Vorbringen eines anderen Beteiligten oder auf eine Äußerung des Gerichts sowie
der mutmaßliche Wille eines Beteiligten genügen hierfür nicht (im Anschluss an Senatsbeschluss
vom 29. März 2017 – XII ZB 51/16 –
Gründe:
A.
Der Betroffene und dessen Betreuerin (Beteiligte zu 2) begehren die Genehmigung
der Anfechtung der Annahme einer Erbschaft durch den Betroffenen.
Für den 1992 geborenen Betroffenen ist seit Herbst 2010 eine Betreuung
eingerichtet. Zur ehrenamtlichen Betreuerin für sämtliche Angelegenheiten ist
seine Mutter bestellt. Nach dem Tode des Vaters des Betroffenen im Dezember
2017 beantragte die Betreuerin beim Nachlassgericht einen gemeinschaftlichen
Erbschein. Dieser wurde am 18. Dezember 2017 dahingehend erteilt, dass der
Betroffene und die Betreuerin Erben je zur Hälfte geworden sind.
Am 22. Februar 2018 erklärte die Betreuerin zu Protokoll des Nachlassgerichts,
dass sie die Annahme der Erbschaft für den Betroffenen wegen Irrtums
anfechte, die dem Betroffenen angefallene Erbschaft ausschlage und die
Einziehung des Erbscheins beantrage. Gleichzeitig beantragte die Betreuerin
die betreuungsgerichtliche Genehmigung der Anfechtungserklärung.
Das Amtsgericht hat den Antrag auf Genehmigung der Erklärung über
die Anfechtung der Annahme der Erbschaft zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung
hat die Betreuerin mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten
vom 1. März 2019 Beschwerde eingelegt. Das Beschwerdegericht hat darauf
hingewiesen, dass die Beschwerde wegen fehlender Beschwerdebefugnis der
Betreuerin unzulässig sei. Daraufhin hat die Betreuerin mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten
vom 21. Mai 2019 beantragt, die Beschwerde vom
1. März 2019 hilfsweise als Beschwerde des Betroffenen auszulegen.
Das Landgericht hat die Beschwerde der Betreuerin wegen fehlender
Beschwerdebefugnis verworfen. Den Schriftsatz vom 21. Mai 2019 hat es als
Beschwerde des Betroffenen ausgelegt und diese wegen Nichteinhaltung der
Beschwerdefrist verworfen. Hiergegen richten sich die zugelassenen Rechtsbeschwerden
der Betreuerin und des Betroffenen.
B.
Die Rechtsbeschwerden bleiben ohne Erfolg.
I.
Die Rechtsbeschwerden sind aufgrund der Zulassung durch das Landgericht
statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Beschwerdebefugnis des Be-
troffenen und der Betreuerin folgt für das Verfahren der Rechtsbeschwerde bereits
daraus, dass ihre Erstbeschwerden verworfen worden sind (Senatsbeschluss
vom 25. Januar 2017 - XII ZB 438/16 -
II.
Die Rechtsbeschwerden sind jedoch unbegründet.
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung Folgendes
ausgeführt:
Die Betreuerin sei nicht gemäß § 59 Abs. 1 FamFG berechtigt, im eigenen
Namen Beschwerde gegen die angefochtene Entscheidung einzulegen.
Gegen die Versagung einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung sei der Betreuer
nur zur Einlegung der Beschwerde im Namen des Betroffenen berechtigt.
Auch nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen fehle es vorliegend an einer eigenen
Rechtsbeeinträchtigung der Betreuerin. Die durch die Anfechtung erlangten
Vorteile der Betreuerin, etwa der Anfall des Nachlasses an sie selbst sowie die
Möglichkeit, frei über den Nachlass zu verfügen, seien lediglich mittelbare Vorteile,
die eine Rechtsbeeinträchtigung i.S.v. § 59 Abs. 1 FamFG nicht begründen
könnten. Eine Beschwerdebefugnis der Betreuerin ergebe sich auch nicht
aus
Genehmigung einer Anfechtungs- und Ausschlagungserklärung
gehöre nicht zu den von § 303 Abs. 2 FamFG erfassten Verfahren.
Eine zulässige im Namen des Betroffenen erhobene Beschwerde liege
ebenfalls nicht vor. Die Beschwerde vom 1. März 2019 könne nicht als im Namen
des Betroffenen erhoben ausgelegt werden. In der Begründung der Beschwerde
werde ausdrücklich und eindeutig darauf abgestellt, dass die Betreu-
erin in dem angegriffenen Beschluss in ihren Rechten beeinträchtigt werde und
sie daher beschwerdeberechtigt sei. Der Schriftsatz vom 21. Mai 2019 sei zwar
dahingehend auszulegen, dass nunmehr auch im Namen des Betroffenen Beschwerde
eingelegt werde. Diese Beschwerde sei jedoch verspätet. Der angefochtene
Beschluss sei dem Betroffenen gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 FamFG
durch Aufgabe zur Post am 19. Februar 2019 bekanntgegeben worden, so dass
die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 2 Nr. 2 FamFG von zwei Wochen am
5. März 2019 abgelaufen sei. Eine förmliche Zustellung des amtsgerichtlichen
Beschlusses nach § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG sei nicht erforderlich gewesen,
weil der Betroffene keinen dem angefochtenen Beschluss entgegenstehenden
Willen geäußert habe. Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist von Amts wegen nach § 18
Abs. 3 Satz 3 FamFG komme nicht in Betracht, weil nicht festzustellen sei, dass
die Betreuerin ohne ihr Verschulden verhindert gewesen sei, die Beschwerdefrist
einzuhalten.
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Zu Recht hat das Landgericht eine Beschwerdebefugnis der Betreuerin
verneint.
aa) Ein Beschwerderecht im eigenen Namen gemäß § 59 Abs. 1
FamFG steht der Betreuerin nicht zu. Denn die Beschwerdeberechtigung
nach dieser Vorschrift setzt eine unmittelbare Beeinträchtigung eigener Rechte
des Beschwerdeführers voraus (Senatsbeschluss vom 21. August 2019
- XII ZB 156/19 -
ist jedoch nur der Betroffene, nicht aber der Betreuer in seiner
Rechtsstellung beeinträchtigt (BayObLG
2001, 3484; Dodegge/Roth Betreuungsrecht 5. Aufl. Teil E Rn. 168). Insoweit
führt das Landgericht zutreffend aus, dass der Verlust eigener Vorteile, die die
Betreuerin durch die beabsichtigte Anfechtung erlangen würde, etwa durch die
Erhöhung ihres Erbteils, nur eine mittelbare Auswirkung der angefochtenen
Entscheidung ist, die nicht ausreicht, um eine Beschwerdebefugnis der Betreuerin
i.S.v. § 59 Abs. 1 FamFG zu begründen.
bb) Eine Beschwerdebefugnis der Betreuerin ergibt sich im vorliegenden
Fall auch nicht aus
Mutter des Betroffenen zu den nahen Angehörigen, denen nach dieser
Vorschrift im Interesse des Betroffenen ein eigenes Beschwerderecht gegen
eine von Amts wegen ergangene Entscheidung zusteht, wenn sie - wie hier -
am erstinstanzlichen Verfahren beteiligt wurden. Der Senat hat jedoch bereits
entschieden, dass die Beschwerdeberechtigung privilegierter Angehöriger
nach
besteht, auf die sich auch das Beteiligungsrecht der Betreuungsbehörde
und deren Beschwerdeberechtigung erstreckt (Senatsbeschlüsse vom 7. Mai
2014 - XII ZB 138/13 -
- XII ZB 292/14 -
303 Abs. 1 FamFG nur Entscheidungen über die Bestellung eines Betreuers
oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts (Nr. 1) sowie über Umfang,
Inhalt oder Bestand einer der in § 274 Abs. 3 Nr. 1 FamFG und § 303 Abs. 1
Nr. 1 FamFG genannten Maßnahmen. Das Verfahren über die Erteilung der
nach
Genehmigung für die Anfechtung einer Erbschaftsannahme (vgl. hierzu
Palandt/Götz BGB 79. Aufl. § 1822 Rn. 3) oder einer Erbschaftsausschlagung
gehört - wie das Landgericht zutreffend ausführt - deshalb nicht zu den Verfahren,
auf die sich der Anwendungsbereich des
(vgl. Keidel/Giers FamFG 20. Aufl. § 303 Rn. 20).
b) Soweit das Landgericht die Beschwerde des Betroffenen wegen
Nichteinhaltung der zweiwöchigen Beschwerdefrist nach § 63 Abs. 2 Nr. 2
FamFG verworfen hat, ist die angefochtene Entscheidung ebenfalls frei von
Rechtsfehlern.
aa) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann der Schriftsatz
vom 1. März 2019 nicht als Beschwerde des Betroffenen ausgelegt werden.
Zwar ist der Senat insoweit nicht an die Auslegung durch das Landgericht
gebunden. Vielmehr ist das Rechtsbeschwerdegericht befugt und verpflichtet,
Verfahrenserklärungen selbständig auszulegen (ständige Rechtsprechung, vgl.
Senatsbeschluss vom 15. April 2015 - XII ZB 330/14 -
Rn. 11 mwN).
Die Auslegung führt jedoch zu dem Ergebnis, dass mit dem Schriftsatz
vom 1. März 2019 Beschwerde allein im Namen der Betreuerin eingelegt worden
ist. Aus der Beschwerdeschrift geht hervor, dass die Beschwerde ausdrücklich
allein namens und in Vollmacht der Betreuerin eingelegt worden ist.
Im nachfolgenden Text der Beschwerdeschrift wird ausgeführt, dass die Betreuerin
durch den angefochtenen Beschluss in ihren Rechten beeinträchtigt
und daher beschwerdeberechtigt sei. Zwar stellen die Verfahrensbevollmächtigten
der Betreuerin in diesem Schriftsatz auch dar, welche Auswirkungen die
Nichtgenehmigung der Anfechtung für den Betroffenen haben würde, insbesondere
dass es ihm dann wirtschaftlich nicht mehr möglich wäre, wie in den vergangenen
Jahren sein Therapiepferd zu pflegen und zu reiten. Dass die Betreuerin
bei Annahme der Erbschaft dieses therapeutische Reiten für den Betroffenen
voraussichtlich nicht mehr sicherstellen könne, zieht die Beschwerdeschrift
aber gerade als Argument für eine Beeinträchtigung der Betreuerin in
eigenen Rechten heran. Schließlich kann bei der Auslegung auch der Inhalt des
Schriftsatzes der Verfahrensbevollmächtigten der Betreuerin vom 21. Mai 2019
nicht unberücksichtigt bleiben. Dieser enthält umfangreiche Ausführungen dazu,
dass die Betreuerin durch die angefochtene Entscheidung in eigenen Rechten
verletzt werde, weshalb sie zur Einlegung der Beschwerde im eigenen Namen
berechtigt sei, und schließt mit der Anregung, die fristgerecht eingelegte und
zulässige Beschwerde der Betreuerin hilfsweise als Beschwerde des Betroffenen
auszulegen. Auch diese Ausführungen zeigen, dass die Beschwerde vom
1. März 2019 allein im Namen der Betreuerin eingelegt wurde.
bb) Ebenfalls zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die mit
Schriftsatz vom 21. Mai 2019 eingelegte Beschwerde des Betroffenen verfristet
ist.
(1) Nach § 63 Abs. 2 Nr. 2 FamFG ist die Beschwerde gegen Entscheidungen
über Anträge auf Genehmigung eines Rechtsgeschäfts binnen
einer Frist von zwei Wochen einzulegen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen
Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten (§ 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG).
Die Bekanntgabe kann nach § 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG durch Zustellung
nach den §§ 166 bis 195 ZPO oder dadurch bewirkt werden, dass das Schriftstück
unter der Anschrift des Adressaten zur Post gegeben wird. Welche der
beiden Möglichkeiten der Bekanntgabe das Gericht wählt, liegt grundsätzlich
in dessen pflichtgemäßem Ermessen. Eine Wahlmöglichkeit besteht allerdings
nicht, wenn spezielle gesetzliche Regelungen eine bestimmte Form vorschreiben
(Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2018 - XII ZB 188/18 - FamRZ
2019, 477 Rn. 9 f. mwN). So ist nach § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG ein anfechtbarer
Beschluss demjenigen zuzustellen, dessen erklärtem Willen er nicht entspricht.
Diese Vorschrift findet im Betreuungsverfahren auf alle beschwerdeberechtigten
Beteiligten Anwendung (vgl. Senatsbeschluss vom 29. März 2017
- XII ZB 51/16 -
Abs. 1 Satz 2 FamFG erforderlichen Zustellung führt zur Unwirksamkeit der Be-
kanntgabe, weshalb nach § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG die Beschwerdefrist nicht
zu laufen beginnt (Senatsbeschluss vom 29. März 2017 - XII ZB 51/16 - FamRZ
2017, 1151 Rn. 8 mwN).
(2) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war im vorliegenden
Fall eine förmliche Zustellung des Beschlusses vom 12. Februar 2019 an
den Betroffenen nach § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG nicht erforderlich, um für ihn
die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 2 Nr. 2 FamFG in Lauf zu setzen.
§ 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG beschränkt die Zustellungspflicht auf die Bekanntgabe
an den Beteiligten, der mit seinem Vorbringen im Verfahren eine
andere Entscheidung angestrebt oder wenigstens zum Ausdruck gebracht hat,
dass er mit einer Entscheidung wie der dann getroffenen nicht einverstanden ist
(Keidel/Meyer-Holz FamFG 20. Aufl. § 41 Rn. 8). Damit soll sichergestellt werden,
dass in den Fällen, in denen aufgrund von Erklärungen oder dem sonstigen
Verhalten eines Beteiligten erwartet werden kann, dieser werde ein
Rechtsmittel gegen die getroffene Entscheidung einlegen, der Beginn der
Rechtsmittelfrist zweifelsfrei festgestellt werden kann. Voraussetzung für die
Zustellungspflicht ist jedoch stets, dass ein entsprechender Wille eines Beteiligten
im Verfahren für das Gericht erkennbar geworden ist. Eine ausdrückliche
Ablehnung der getroffenen Entscheidung ist dabei nicht notwendig. Ausreichend
ist, wenn sich ein entsprechender Wille durch sonstige Äußerungen des
Beteiligten oder durch dessen Verhalten im Verfahren erkennen lässt. Bloßes
Schweigen auf das Vorbringen eines anderen Beteiligten oder auf eine Äußerung
des Gerichts reicht hingegen nicht (vgl. Keidel/Meyer-Holz FamFG
20. Aufl. § 41 Rn. 8; Schulte-Bunert/Weinreich/Oberheim FamFG 6. Aufl. § 41
Rn. 35; Zöller/Feskorn ZPO 33. Aufl. § 41 FamFG Rn. 3). Auch ein mutmaßlicher
Wille eines Beteiligten genügt nicht (Bork/Jacoby/Schwab/Bartels/Elzer
FamFG 3. Aufl. § 41 Rn. 16; MünchKommFamFG/Ulrici 3. Aufl. § 41 Rn. 7).
Danach war im vorliegenden Fall eine Zustellung der angefochtenen
Entscheidung an den Betroffenen nicht erforderlich. Das gesamte Verfahren
wurde allein von der Betreuerin geführt. Der Betroffene hat während des Verfahrens
weder Erklärungen abgegeben noch ein sonstiges Verhalten gezeigt,
aus dem das Landgericht hätte schließen müssen, dass die Ablehnung der von
der Betreuerin beantragten Genehmigung seinem Willen widerspricht. Entgegen
der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist insoweit unerheblich, dass möglicherweise
ein entsprechender Wille des Betroffenen hätte festgestellt werden
können, wenn dieser im amtsgerichtlichen Verfahren nach
angehört worden wäre. Denn maßgeblich für die Anwendung des § 41 Abs. 1
Satz 2 FamFG ist allein, ob der Beteiligte einen entgegenstehenden Willen zum
Ausdruck gebracht hat. Das war bei dem nach
Betroffenen nicht der Fall.
cc) Schließlich hat das Landgericht zu Recht auch eine Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist von
Amts wegen nach § 18 Abs. 3 Satz 3 FamFG abgelehnt. Zwar hat die Betreuerin
die versäumte Rechtshandlung für den Betroffenen innerhalb der Frist des
§ 18 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 FamFG nachgeholt, indem sie mit Schriftsatz
ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 21. Mai 2019 im Namen des Betroffenen
Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss eingelegt hat. Nach den
vom Landgericht getroffenen Feststellungen liegen jedoch keine Gründe dafür
vor, dem Betroffenen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung
der Beschwerdefrist zu gewähren. Der Betroffene, der sich ein Verschulden
seiner Betreuerin nach § 9 Abs. 4 FamFG zurechnen lassen muss,
war nicht unverschuldet an der Einhaltung der Beschwerdefrist verhindert (§ 17
Abs. 1 FamFG).
(1) Insbesondere greift die Vermutung des § 17 Abs. 2 FamFG nicht ein.
Danach wird ein fehlendes Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen
Frist vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft
ist. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Die der angefochtenen Entscheidung
beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung war vollständig (vgl. § 39 Satz 1
FamFG) und inhaltlich zutreffend. Eine Belehrung über die Beschwerdeberechtigung
muss die Rechtsbehelfsbelehrung nicht enthalten (vgl. Keidel/Giers
FamFG 20. Aufl. § 39 Rn. 13).
(2) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann die möglicherweise
schwierig zu beantwortende Frage, ob die Betreuerin im vorliegenden
Fall berechtigt ist, im eigenen Namen Beschwerde gegen die amtsgerichtliche
Entscheidung einzulegen, oder nur der Betroffene beschwerdeberechtigt ist,
eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist
nicht rechtfertigen. Auch wenn die Fristversäumung auf einem
Rechtsirrtum beruht, kann Wiedereinsetzung nur bewilligt werden, wenn der
Irrtum unverschuldet ist. Dies war hier nicht der Fall.
Ist ein Beteiligter anwaltlich vertreten, ist der Rechtsirrtum regelmäßig
verschuldet und verhindert eine Wiedereinsetzung (Senatsbeschluss vom
23. Juni 2010 - XII ZB 82/10 -
durch den von der Betreuerin als seiner gesetzlichen Vertreterin beauftragten
Rechtsanwalt in den Vorinstanzen anwaltlich vertreten, und die angefochtene
Entscheidung ist dem verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalt auch
zugestellt worden. Die Betreuerin hatte daher die Möglichkeit, sich vor Einlegung
der Beschwerde rechtlichen Rat darüber einzuholen, ob sie selbst oder
nur der Betroffene berechtigt ist, gegen die ergangene Entscheidung Beschwerde
einzulegen. Sollte sie von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben
und von ihrem Verfahrensbevollmächtigten unzutreffend beraten worden
sein, würde dies ebenfalls den Verschuldensvorwurf nicht entfallen lassen.
Denn eine fehlerhafte Auslegung des Verfahrensrechts durch einen Rechtsanwalt
kommt nur dann als Entschuldigungsgrund für eine Fristversäumnis in Betracht,
wenn der Rechtsanwalt die volle von ihm zu fordernde Sorgfalt aufgewendet
hat, um zu einer richtigen Rechtsanwendung zu gelangen (Keidel/
Sternal FamFG 20. Aufl. § 17 Rn. 24). Hierzu verhält sich die Rechtsbeschwerde
nicht.
III.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil
sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung,
zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:18.03.2020
Aktenzeichen:XII ZB 474/19
Rechtsgebiete:
Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
NJW 2020, 2959-2962
Normen in Titel:BGB §§ 1822 Nr. 2, 1908i Abs. 1 S. 1; FamFG §§ 41 Abs. 1 S. 2, 59, 303 Abs. 2