Sittenwidrig erwirkte Satzungsänderung; Anspruch auf Wiederherstellung der ursprünglichen Satzung
letzte Aktualisierung: 16.2.2023
BGH, Urt. v. 6.12.2022 – II ZR 187/21
Sittenwidrig erwirkte Satzungsänderung; Anspruch auf Wiederherstellung der
ursprünglichen Satzung
Die Unanfechtbarkeit eines sittenwidrig erwirkten satzungsändernden Gesellschafterbeschlusses
schließt ein darauf gestütztes, auf Wiederherstellung der ursprünglichen Satzung gerichtetes
Schadensersatzverlangen des geschädigten Gesellschafters nicht aus, soweit ihm nicht schutzwürdige
Rechte Dritter entgegenstehen (Fortführung von BGH, Urteil vom 1. Juni 1987 – II ZR 128/86,
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung (KG, ZIP
2022, 998), soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, ausgeführt:
Die Klage sei zulässig. Ihr fehle insbesondere nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
Das von der Klägerin verfolgte Rechtschutzziel könne entsprechend
§ 242 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht mehr mittels Nichtigkeitsfestellungsklage erreicht
werden, nachdem die Änderung des Gesellschaftsvertrags seit mehr als drei
Jahren in das Handelsregister eingetragen sei.
Die Klage sei auch begründet. Mit der eigenmächtigen Satzungsänderung
habe die Beklagte eine unerlaubte Handlung begangen, mit der sie die Mitgliedschaftsrechte
der Klägerin verletzt und sie zugleich vorsätzlich sittenwidrig geschädigt
habe. Die Bestandskraft des Änderungsbeschlusses entsprechend
§ 242 Abs. 2 Satz 1 AktG stehe einem sich daraus ergebenden Schadensersatzanspruch
nicht entgegen, wenn und soweit dieser nur auf Rückgängigmachung
einer pflichtwidrig herbeigeführten Satzungsänderung mit Wirkung für die Zukunft
gerichtet sei. Durch die Änderung sei der Mehrheitsanteil der Klägerin auch in
seinem Wert gemindert worden, weil die mit ihm ursprünglich einhergehenden
Stimmrechte beeinträchtigt worden seien. Dabei habe die Beklagte vorsätzlich
gehandelt. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Änderungsbeschluss selbst,
da sich die Änderung des Gesellschaftsvertrags bei lebensnaher Betrachtung nur
damit erklären lasse, dass die Gesellschafterstellung der Klägerin beeinträchtigt
werden sollte. Darüber hinaus habe die Beklagte gegen die guten Sitten verstoßen,
weil sie eine formale Rechtsposition eigensüchtig ausgenutzt und
dadurch berechtigtes Vertrauen der Klägerin in eine lautere Klärung des Gesellschafterstreits
enttäuscht habe. Demgegenüber greife die von der Beklagten erhobene
Verjährungseinrede nicht, weil die Klägerin die Rückgängigmachung der
Satzungsänderung im Wege des sog. Restschadensersatzanspruchs nach § 852
Abs. 1 BGB verlangen könne. Die Beklagte habe im Sinne dieser Vorschrift die
aus der Änderung des Gesellschaftsvertrags folgende Stärkung ihrer Gesellschafterstellung
erlangt, die sie durch Zustimmung zu seiner Rückänderung an
die Klägerin herausgeben müsse. Der Klägerin sei auch kein anspruchsausschließendes
Mitverschulden wegen nicht rechtzeitiger Erhebung einer Beschlussmängelklage
anzulasten, weil Gegenstand des klagegegenständlichen
Anspruchs nur die in die Zukunft gerichtete Änderung des Gesellschaftsvertrags
und es der Beklagten als vorsätzlich handelnde Schädigerin zudem verwehrt sei,
sich auf § 254 BGB zu berufen. Schließlich bestünden auch keine Anhaltspunkte
für eine Verwirkung des Anspruchs.
II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
1. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision ist unbeschränkt zulässig.
Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen im "Hinblick auf die
Frage des Vorrangs des Beschlussmängelrechts ggb. auf Zustimmung zur zukunftsgerichteten
Satzungsänderung oder Abänderung sonstiger vormals gefasster
Beschlüsse gerichteten Ansprüchen". Eine zulässige Beschränkung der
Revisionszulassung auf einen selbständigen Teil des Streitstoffs geht damit nicht
einher, so dass die Revision unbeschränkt zugelassen ist (vgl. z.B. BGH, Urteil
vom 20. Mai 2003 - XI ZR 248/02,
2013 - V ZR 113/12,
- X ZB 18/13,
Voraussetzung für die beschränkte Zulassung der Revision wäre eine
Selbständigkeit des von der Zulassungsbeschränkung erfassten Teils des Streitstoffs
in dem Sinn, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig
von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung
kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs
auftreten kann (BGH, Urteil vom 22. Oktober 2013 - XI ZR 42/12,
Rn. 27; Urteil vom 26. April 2016 - XI ZR 108/15,
vom 15. März 2017 - VIII ZR 295/15,
aufgeworfene Frage des Vorrangs des Beschlussmängelrechts betrifft
keinen in diesem Sinne selbständigen Teil des Streitstoffs, auf den die Beklagte
selbst ihre Revision hätte beschränken können, sondern stellt sich hinsichtlich
des gesamten prozessualen Anspruchs.
2. Die Revision ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch
der Klägerin gegen die Beklagte auf Zustimmung zu der begehrten Änderung
der Satzung der F. rechtsfehlerfrei bejaht.
a) Die Klage ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Revision fehlt ihr
nicht deshalb das Rechtsschutzinteresse, weil die Klägerin die Beklagte auf Zustimmung
zur Änderung der Satzung in Anspruch nimmt, ohne sie zuvor nach
Einberufung einer Gesellschafterversammlung zur Mitwirkung aufgefordert und
ihre Stimme bereits verbindlich abgegeben zu haben (vgl. BGH, Urteil vom
29. Mai 1967 - II ZR 105/66,
1986 - II ZR 262/85,
b) Die Klage ist begründet. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei einen
Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zustimmung zu der verlangten
Änderung der Satzung der F. bejaht.
aa) Die Annahme einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung der Klägerin
durch die Beklagte und damit der Voraussetzungen des § 826 BGB durch
das Berufungsgericht hält rechtlicher Nachprüfung stand.
(1) Die Beklagte hat der Klägerin mit der Änderung der Satzung einen
Schaden zugefügt. § 826 BGB stellt hinsichtlich des Schadens begrifflich nicht
auf die Verletzung bestimmter Rechte oder Rechtsgüter ab. Schaden ist danach
nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber
hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses und jede
Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung (BGH, Urteil vom 19. Juli 2004
- II ZR 402/02,
Schmälerung des Stimmgewichts und der Herrschaftsmacht, die der Mehrheitsbeteiligung
der Klägerin nach der ursprünglichen Satzung zukam.
Soweit die Revision in der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit angesprochen
hat, dass die Klägerin den Geschäftsanteil Nr. 1 nicht schon mit der
Kündigung des Treuhandvertrags II und damit vor der Satzungsänderung, sondern
infolge dessen anfechtungsbedingter Vernichtung erst aus einem anderen
Erwerbsgrund bis zum Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung im
vorangegangenen Feststellungsprozess erworben haben könnte, steht dies der
Annahme einer Schadenszufügung nicht entgegen. Für das Revisionsverfahren
kann insbesondere nicht unterstellt werden, dass die von der Beklagten erklärte
Anfechtung des Treuhandvertrags II mit der in ihm enthaltenen, durch seine Kündigung
bedingten Abtretung des Geschäftsanteils Nr. 1 an die Klägerin begründet
war. Zum einen handelt es sich bei dem von der Revision angesprochenen anderweitigen
Erwerbsgrund um eine rein theoretische Möglichkeit, die nicht durch
entsprechende Feststellungen oder dahingehenden Tatsachenvortrag unterlegt
ist. Davon abgesehen steht im Verhältnis der Parteien auf Grund des Urteils des
Landgerichts Frankfurt am Main vom 27. Juni 2012 rechtskräftig fest, dass die
Anfechtung des Treuhandvertrags II nicht gerechtfertigt ist. Das Berufungsgericht
hat in Auslegung des Urteilsausspruchs des Landgerichts Frankfurt am Main festgestellt,
dass die Feststellung, die Klägerin sei Inhaberin des Geschäftsanteils
Nr. 1, ausweislich der Urteilsgründe zugleich die Feststellung beinhaltete, dass
sie den Geschäftsanteil bereits am 26. August 2011 erworben hat. Das ist von
Rechts wegen nicht zu beanstanden (vgl. Althammer in Stein/Jonas, ZPO,
23. Aufl., § 322 Rn. 105). Ein Feststellungsausspruch, der keine Datumsangaben
enthält, bezieht sich zwar regelmäßig, aber nicht notwendig auf die Rechtslage
zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung (vgl. Hackspiel,
den Feststellungsausspruch und das Oberlandesgericht Frankfurt am Main die
anschließende Berufungszurückweisung auf die Kündigung des Treuhandvertrags
II spätestens am 26. August 2011 gestützt, mit der die Klägerin ihre Feststellungsklage
begründet hatte.
Ist die im ersten Prozess rechtskräftig entschiedene Rechtsfolge im zweiten
- einen anderen Streitgegenstand betreffenden - Prozess nicht die Hauptfrage,
sondern eine Vorfrage, besteht die Wirkung der Rechtskraft in der Bindung
des nunmehr entscheidenden Gerichts an die Vorentscheidung. Das nachentscheidende
Gericht ist somit an einer abweichenden Entscheidung der rechtskräftig
entschiedenen (Vor-)Frage gehindert (sog. Präjudizialität; vgl. BGH, Urteil
vom 17. März 1995 - V ZR 178/93,
26. Juni 2003 - I ZR 269/00,
2003 - XII ZR 70/02,
- XII ZR 216/05,
- VIII ZR 261/18,
(2) Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass der Beklagten
zumindest bedingt vorsätzliches Handeln vorzuwerfen ist, hält rechtlicher
Nachprüfung stand.
Das Berufungsgericht hat in mindestens naheliegender Würdigung Schädigungsvorsatz
der Beklagten im Wesentlichen aus dem Inhalt des satzungsändernden
Beschlusses hergeleitet (§ 286 ZPO). Eine Verfahrensrüge (§ 559
Abs. 1 Satz 2 ZPO) erhebt die Revision insoweit auch nicht, sondern hält die
Bindungswirkung dieser Feststellung (
des Berufungsgerichts zur Anfechtung des Treuhandvertrags II für
aufgehoben. Die Rüge greift nicht durch. Sie beruht auf der bereits widerlegten
Annahme, für das Revisionsverfahren sei von der Berechtigung der Anfechtung
des Treuhandvertrags II durch die Beklagte auszugehen.
(3) Das Berufungsgericht hat die eigenmächtige Änderung der Satzung
mit Recht als sittenwidrig gewertet.
Die Qualifizierung eines Verhaltens als sittenwidrig ist eine Rechtsfrage,
die der uneingeschränkten Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt
(st. Rspr., etwa BGH, Urteil vom 20. November 2012 - VI ZR 268/11, ZIP 2013,
27 Rn. 25; Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15,
vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19,
ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende
Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das
Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im
Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden
hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines
Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln,
der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben
kann (st. Rspr., z.B. BGH, Urteil vom 7. Mai 2019 - VI ZR 512/17, NJW 2019,
2164 Rn. 8; Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19,
Urteil vom 12. Oktober 2021 - VI ZR 879/20,
Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben
(BGH, Urteil vom 21. Dezember 2004 - VI ZR 306/03,
vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15,
Nach diesen Maßstäben ist das Verhalten der Beklagten im Verhältnis zur
Klägerin als sittenwidrig zu werten. Die Beklagte hat zur Änderung der Satzung
eine formale Rechtsposition ausgenutzt, weil die Gesellschafterliste sie der
materiellen Rechtslage zuwider als Inhaberin auch des Geschäftsanteils Nr. 1
auswies. Nur deshalb konnte die Gesellschafterversammlung vom 20. Oktober
2011 ohne Ladung der Klägerin abgehalten werden (§ 16 Abs. 1 Satz 1, § 51
Abs. 1 GmbHG). Dies geschah zudem zu einem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin
bereits zu ihren Gunsten die Zuordnung eines Widerspruchs gegen die Gesellschafterliste
erwirkt hatte, soweit in ihr die Beklagte als Inhaberin des Geschäftsanteils
Nr. 1 eingetragen war. Auf Grund der im einstweiligen Verfügungsverfahren
erfolgten Glaubhaftmachung der Inhaberschaft der Klägerin (§ 16 Abs. 3
Satz 4 Fall 1 GmbHG,
die unmittelbaren Rechtswirkungen des Widerspruchs nach § 16 Abs. 3
Satz 3 GmbHG hinaus darauf vertrauen, die Beklagte werde sich als Antragsgegnerin
im Widerspruchsverfahren bis zur endgültigen Klärung der materiellen
Rechtslage nicht als Alleingesellschafterin gerieren (vgl. auch BGH, Urteil vom
2. Juli 2019 - II ZR 406/17,
Vertrauens durch die Beklagte ist jedenfalls deshalb als sittenwidrig zu qualifizieren,
weil zu diesem Zeitpunkt, wie das Berufungsgericht unangegriffen festgestellt
hat, zwischen den Parteien noch Vergleichsverhandlungen schwebten, in
deren Rahmen die Beklagte erklärte, den streitbefangenen Geschäftsanteil nicht
abtreten oder belasten zu wollen, und die Klägerin auch aus diesem Grund
keinen Verdacht hegen musste, dass sich die Beklagte als Alleingesellschafterin
aufführen würde. Statt den Streit über die Inhaberschaft des Geschäftsanteils
Nr. 1 mit der Klägerin aber offen und redlich vor Gericht auszutragen, hat die
Beklagte mit der Satzungsänderung eigensüchtig Fakten gerade für den Fall
schaffen wollen und geschaffen, dass ihr der streitbefangene Geschäftsanteil
nicht gehört.
bb) Dem Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zu der begehrten Satzungsänderung
der F. steht nicht entgegen, dass sie gegen den satzungsändernden
Beschluss vom 20. Oktober 2011 erfolglos geklagt hat.
(1) Das Berufungsgericht, das auch über die Beschlussmängelklage der
Klägerin entschieden hat, hat gemeint, dass der satzungsändernde Beschluss
jedenfalls analog § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG geheilt sei, weil er bei Klageerhebung
2017 mehr als drei Jahre im Handelsregister eingetragen war. Nach dieser Vorschrift
kann die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses, der nach
§ 241 Nr. 1, 3 oder 4 AktG nichtig ist, nicht mehr geltend gemacht werden, wenn
der Beschluss im Handelsregister eingetragen worden ist und seitdem drei Jahre
verstrichen sind.
(2) Richtig ist, dass die von der Klägerin erhobene Beschlussmängelklage
schon wegen Zeitablaufs keinen Erfolg haben konnte.
(a) Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen,
dass § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG auch satzungsändernde Beschlüsse erfasst
(BGH, Urteil vom 19. Juni 2000 - II ZR 73/99,
vom 15. Juli 2014 - II ZB 18/13,
die Vorschrift auf die GmbH entsprechend anzuwenden ist (vgl. BGH, Urteil vom
23. März 1981 - II ZR 27/80,
- II ZR 116/83,
365, 368; Urteil vom 27. September 2011 - II ZR 279/09,
(b) Allerdings sind sittenwidrige Beschlüsse der Gesellschafterversammlung
einer GmbH nicht nach § 138 BGB, sondern analog § 241 Nr. 4 AktG nur
dann nichtig, wenn sie durch ihren Inhalt gegen die guten Sitten verstoßen. Der
Beschluss muss also "für sich allein betrachtet" gegen die guten Sitten verstoßen
(BGH, Urteil vom 8. Dezember 1954 - II ZR 291/53,
vom 1. Juni 1987 - II ZR 128/86,
1991 - II ZR 58/91,
erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Beschlüsse, bei denen nicht der eigentliche
Beschlussinhalt, sondern "nur" Beweggrund oder Zweck unsittlich sind, oder bei
denen die Sittenwidrigkeit in der Art des Zustandekommens liegt, sind lediglich
anfechtbar (BGH, Urteil vom 1. Juni 1987 - II ZR 128/86,
Urteil vom 16. Dezember 1991 - II ZR 58/91,
war die Beschlussmängelklage freilich gleichfalls verfristet, weil eine gegen einen
lediglich anfechtbaren Beschluss der Gesellschafterversammlung gerichtete
Klage grundsätzlich binnen der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG zu erheben
ist, sofern die Satzung keine abweichende Regelung enthält (BGH, Urteil vom
16. Dezember 1991 - II ZR 58/91,
- II ZR 151/03,
(3) Die Unanfechtbarkeit eines sittenwidrig erwirkten satzungsändernden
Gesellschafterbeschlusses schließt ein darauf gestütztes, auf Wiederherstellung
der ursprünglichen Satzung gerichtetes Schadensersatzverlangen des geschädigten
Gesellschafters aber nicht aus, soweit ihm nicht schutzwürdige Rechte
Dritter entgegenstehen.
Wie der Senat bereits ausgesprochen hat, kann sich der betroffene Gesellschafter
selbst gegenüber der Gesellschaft darauf berufen, dass die Ausnutzung
eines unanfechtbaren Gesellschafterbeschlusses sittenwidrig und rechtsmissbräuchlich
sei, wenn die Gesellschaft nur aus ihm und dem Mitgesellschafter
besteht und schutzwerte Interessen Dritter davon nicht berührt werden. Die Besonderheiten
des GmbH-Rechts, insbesondere das aus einer entsprechenden
Anwendung der
Geltendmachung nicht zur Nichtigkeit führender Beschlussmängel, rechtfertigen
keine andere Beurteilung. Infolge der Versäumung der Anfechtungsfrist wird ein
mit derartigen Mängeln behafteter Beschluss zwar rechtswirksam. Die sittenwidrige
Ausnutzung einer formalen Rechtsposition ist im Recht der GmbH aber
ebenso wenig zulässig wie auf anderen Rechtsgebieten. Dabei hat der Senat
ausdrücklich vorausgesetzt, dass der durch den Gesellschafterbeschluss geschädigte
Gesellschafter von seinem sittenwidrig handelnden Mitgesellschafter
zudem Schadensersatz in Geld oder auf dem Wege der Naturalrestitution verlangen
kann (BGH, Urteil vom 1. Juni 1987 - II ZR 128/86,
Daran ist jedenfalls für Fälle wie den vorliegenden festzuhalten. Durch das
Schadensersatzverlangen, an einer ex nunc wirkenden Änderung der Satzung
mitzuwirken, wird die Wirksamkeit der vorangegangenen Satzungsänderung
nicht berührt. Einem solchen Verlangen stehen in aller Regel und so auch hier
keine schutzwürdigen Rechte Dritter entgegen. Der Beklagten wäre es auch
ohne gerichtliche Inanspruchnahme durch die Klägerin (etwa aus eigener Unrechtseinsicht)
ohne Weiteres möglich, durch entsprechende Stimmabgabe daran
mitzuwirken, die Satzung mit ihrem ursprünglichen Inhalt wiederherzustellen.
Ob diese Erwägungen über § 826 BGB hinaus Gültigkeit beanspruchen und auch
auf Fälle bloß treupflichtwidriger Stimmabgabe zu erstrecken sind, bedarf hier
keiner Entscheidung (offen gelassen von BGH, Urteil vom 20. März 1995
- II ZR 205/94,
GmbHG/Wertenbruch, 3. Aufl., Anh. § 47 Rn. 322).
cc) Entgegen der Auffassung der Revision steht dem Schadensersatzverlangen
der Klägerin nicht entgegen, dass diese bei Änderung der Satzung nicht
mehr in der Gesellschafterliste eingetragen war. Die Gesellschafterliste entfaltet
nach
Gesellschafterstellung als solche und ihr Schutz vor sittenwidriger
Schädigung durch einen Mitgesellschafter bleibt von ihr unberührt (vgl. BGH,
Urteil vom 10. November 2020 - II ZR 211/19,
dd) Der Beklagten stehen gegen den Schadensersatzanspruch auch keine
Einwendungen oder Einreden zu.
(1) Das Berufungsgericht hat ein anspruchsausschließendes Mitverschulden
der Klägerin rechtsfehlerfrei verneint.
Die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des
§ 254 BGB ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren
nur darauf zu überprüfen, ob dieser alle in Betracht kommenden Umstände vollständig
und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen
zugrunde gelegt hat (BGH, Urteil vom 28. April 2015 - VI ZR 206/14,
Danach begegnet es keinen Bedenken, wenn das Berufungsgericht dem
von der Revision gerügten Umstand, dass sich die Klägerin der vorsätzlich und
sittenwidrig handelnden Beklagten nicht unter Inanspruchnahme gerichtlichen
(Eil-)Rechtsschutzes erwehrt hat, kein anspruchsausschließendes Gewicht beigemessen
hat.
(2) Die tatrichterliche Würdigung des Verwirkungseinwands durch das Berufungsgericht
ist revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.
Ob die Berufung auf eine erworbene Rechtsposition rechtsmissbräuchlich
erscheint, kann regelmäßig nur mit Hilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten
Fallumstände entschieden werden. Diese tatrichterliche Würdigung kann
vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer tragfähigen
Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt
und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen
Wertungsmaßstab ausgeht (BGH, Urteil vom 16. Februar 2005
- IV ZR 18/04,
Urteil vom 16. Oktober 2018 - XI ZR 69/18,
Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht die Einrede der Beklagten
rechtsfehlerfrei für nicht durchgreifend erachtet. Die Revision zeigt nicht auf,
dass die Beklagte im Vertrauen auf den Bestand der Satzungsänderung rechtliche
oder wirtschaftliche Maßnahmen ergriffen hätte. Davon abgesehen wäre ihr
Vertrauen darauf, da es auf eigenem sittenwidrigen Verhalten gründet, nicht
schutzwürdig.
(3) Das Berufungsgericht konnte schließlich dahinstehen lassen, ob der
Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 826 BGB verjährt
ist, weil die Beklagte jedenfalls nach
Änderung der Satzung der F. zuzustimmen.
Nach
Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt hat, auch nach Eintritt der
Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus der unerlaubten Handlung entstandenen
Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe
einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Nach Sinn und Zweck
der Vorschrift sollen demjenigen, der einen anderen durch unerlaubte Handlung
schädigt und dadurch sein Vermögen mehrt, auch bei Verjährung des Schadensersatzanspruchs
nicht die auf diese Weise erlangten Vorteile verbleiben (vgl.
BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 - VII ZR 365/21,
vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 8/21,
10. Oktober 2022 - VIa ZR 542/21, juris Rn. 18; jeweils mwN).
Hier hat die Beklagte durch die Satzungsänderung auf Kosten der Klägerin
einen Zugewinn an Herrschaftsmacht in der F. erlangt. Das Erlangte hat die
Beklagte durch die Abgabe der beanspruchten satzungsändernden Willenserklärungen
herauszugeben, weil nur so die der Beeinträchtigung der Mitgliedschaft
der Klägerin (Verlust an Herrschaftsmacht) komplementäre ungerechtfertigte
Aufwertung der Mitgliedschaft der Beklagten (Zugewinn an Herrschaftsmacht)
rückgängig gemacht werden kann. Die von der Klägerin beanspruchte Zustimmung
zur Rückänderung der Satzung ist hiernach lediglich Mittel zur Erfüllung
der von der Beklagten nach
Erlangten.
-
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:06.12.2022
Aktenzeichen:II ZR 187/21
Rechtsgebiete:
Allgemeines Schuldrecht
Aktiengesellschaft (AG)
GmbH
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
NJW 2023, 1220-1223
Normen in Titel:BGB § 826; GmbHG §§ 53 ff.