OLG Dresden 01. Juli 2021
8 U 276/21
BGB §§ 305c, 307 Abs. 1, Abs. 2; 309 Nr. 13

Vertrag zugunsten Dritter; Ausschluss der Änderung des Bezugsberechtigten durch Testament oder Erbvertrag; AGB; Inhaltskontrolle

BGB §§ 305c, 307 Abs. 1, Abs. 2; 309 Nr. 13
Vertrag zugunsten Dritter; Ausschluss der Änderung des Bezugsberechtigten durch Testament oder Erbvertrag; AGB; Inhaltskontrolle

Eine von der versprechenden Bank im Rahmen einer Verfügung zugunsten Dritter für den Todesfall vorformulierte Klausel, wonach ein Widerruf der Drittbegünstigung bezogen auf das Deckungsverhältnis nur durch eine (schriftliche) Erklärung des Versprechensempfängers gegenüber der Bank erfolgen kann, erweist sich weder als überraschend noch als unwirksam.

(Leitsatz der DNotI-Redaktion)

OLG Dresden, Urt. v. 1.7. 2021 – 8 U 276/21

Problem
Die Erblasserin unterhielt bei der beklagten Bank einen sog. Prämiensparvertrag, bei dem der M (der zu diesem Zeitpunkt noch als Alleinerbe vorgesehen war) als Begünstigter für den Todesfall eingesetzt war. In den Vertragsbedingungen war vorgesehen, dass diese Einsetzung zwar einseitig durch die Erblasserin widerrufen werden kann, aber nur durch schriftliche Erklärung gegenüber der Bank. Ein Widerruf durch Testament oder Erbvertrag wurde ausdrücklich ausgeschlossen. Durch notarielles Testament setzte die Erblasserin ihre Tochter – in diesem Verfahren die Klägerin – als neue Alleinerbin ein. Zugleich widerrief sie in der notariellen Urkunde vorsorglich alle von ihr bisher errichteten Verfügungen von Todes wegen. Die Tochter verlangte von der Bank Auszahlung des Guthabens aus dem Prämiensparvertrag. Sie vertrat dabei die Auffassung, dass die Klausel, dass die Einsetzung des Drittbegünstigten für den Todesfall im Prämiensparvertrag nicht durch Verfügung von Todes wegen widerrufen werden könne, überraschend i. S. d. § 305c BGB sei.

Entscheidung
Dieser Auffassung trat das Gericht entgegen. Voraussetzung für das Vorliegen einer überraschenden Klausel i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB sei, dass eine objektiv ungewöhnliche Klausel vorliege, wobei sich die Ungewöhnlichkeit etwa aus der Unvereinbarkeit mit dem Leitbild des Vertrags oder mit dispositivem Gesetzesrecht ergeben könne. Ferner könne sich eine Ungewöhnlichkeit auch aus einer Abweichung von den nach der Verkehrsauffassung üblichen Vertragsbedingungen oder durch eine Unvereinbarkeit der Klausel mit dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages ergeben (Rn. 37 der Entscheidung). Weitere Voraussetzung sei, dass der andere Vertragsteil mit einer solchen Klausel nicht zu rechnen brauche, wobei sich die Beurteilung diesbezüglich nach den Erkenntnismöglichkeiten eines typischen Durchschnittskunden richte.

Anschließend prüft das OLG Dresden, ob das dispositive Gesetzesrecht für den Vertrag zugunsten Dritter ein „Leitbild“ enthält, von dem abgewichen wird. Aus § 332 BGB leitet das Gericht ab, dass der Versprechensempfänger (hier: die Erblasserin) sich die Befugnis, den Dritten ohne Zustimmung des Versprechenden auszutauschen, ausdrücklich vorbehalten müsse. Nur dann könne dies im Zweifel auch in einer Verfügung von Todes wegen erfolgen. § 332 BGB deute somit im Umkehrschluss darauf hin, dass gegen den Willen des Versprechenden (hier: der Bank) ein späterer Austausch des Begünstigten durch letztwillige Verfügung nicht erfolgen könne. Vor diesem Hintergrund sei die entspre-chende Klausel nicht überraschend i. S. d. § 305c BGB.

Fehle eine solche Klausel, sei gegenüber der Bank nicht gewährleistet, dass sie im Todesfall von dem wahren Berechtigten sichere Kenntnis erlange (Rn. 41 der Entscheidung). Mit der gleichen Begründung wird auch eine unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB verneint. Das Unterrichtungs-interesse der zur Leistung verpflichtenden Bank sei insofern schutzwürdig.

Zu guter Letzt beleuchtet das Gericht § 309 Nr. 13 BGB. Danach darf für Erklärungen und Anzeigen des Vertragspartners gegenüber dem Klauselverwender keine strengere Form als die Textform i. S. d. § 126b BGB angeordnet werden. Einer Prüfung anhand dieser Norm würde die entsprechende Klausel nach derzeit geltender Rechtslage nicht standhalten. Sie trat allerdings erst zum 1.10.2016 in Kraft und sah bis dahin vor, dass keine strengere Form als die Schriftform vorgesehen werden konnte. Im konkreten Fall kam noch die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Fassung zur Anwendung, sodass das Gericht einen Verstoß verneinte.

Praxishinweis
Die Entscheidung zeigt, dass das AGB-Recht trotz der Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 S. 1 BGB Auswirkungen auf die erbrechtliche Gestaltung haben kann und bei der Gestaltung von Testamenten mitgedacht werden muss. Der in vielen Formularen vorgesehene Hinweis, dass Verträge zugunsten Dritter gegebenenfalls gesondert zu widerrufen sind, hat deswegen seine Berechtigung.

Besser ist freilich eine ausdrückliche Regelung in der entsprechenden Verfügung von Todes wegen und – falls wie hier erforderlich – eine entsprechende inhaltsgleiche Änderung gegenüber der Bank. Zum Widerruf eines Schenkungsversprechens durch Verfügung von Todes wegen und zum Zugang der dort enthaltenen Willenserklärung gegenüber dem Versprechenden vgl. auch BGH MittBayNot 2018, 462 (m. Anm. Forschner).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Dresden

Erscheinungsdatum:

01.07.2021

Aktenzeichen:

8 U 276/21

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht
AGB, Verbraucherschutz

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 126-127

Normen in Titel:

BGB §§ 305c, 307 Abs. 1, Abs. 2; 309 Nr. 13