Vermutungswirkung des Grundbuches gilt auch bei Eintragung eines Ehegatten als Alleineigentümer, der zur Zeit des Erwerbes im gesetzlichen Güterstand des DDR-Rechts lebte (Eigentums- und Vermögensgemeinschaft).
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Dokumentnummer: 6u1_08
letzte Aktualisierung: 13.8.2008
OLG Rostock, 29.4.2008 - 6 U 1/08
BGB § 894
Vermutungswirkung des Grundbuches gilt auch bei Eintragung eines
Ehegatten als Alleineigentümer, der zur Zeit des Erwerbes im gesetzlichen
Güterstand des DDR-Rechts lebte (Eigentums- und Vermögensgemeinschaft).
Az.: 6 U 1/08
3 O 549/06 Landgericht Schwerin
verkündet am
29.04.2008
...............
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
R
R
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock
auf die mündliche Verhandlung vom 15.04.2008 für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 21.02.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Schwerin 3 O 549/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs von S .
Die Parteien sind Eheleute. Sie haben im Jahre 1963 geheiratet. Sie leben jedenfalls seit Januar 2006
getrennt voneinander. Ein Ehescheidungsverfahren ist beim Familiengericht S rechtshängig .
Mit notariellem Kaufvertrag vom 19.5.1965 hat der Beklagte das in Rede stehende Grundstück
erworben. Er ist als Alleineigentümer im Grundbuch eingetragen. Das Grundstück wurde zu
Schwerin vom 22.6.2006 ein Widerspruch gegen das Eigentumsrecht des Beklagten im Grundbuch
eingetragen.Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens wird auf das angefochtene Urteil und
den Akteninhalt im übrigen Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch auf
Berichtigung des Grundbuchs nicht zu. Denn sie habe die Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht
bewiesen. Auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung wird ebenfalls Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Das Verfahren und das Urteil des
Landgerichts seien fehlerhaft. Das Landgericht sei seiner Hinweispflicht nicht rechtzeitig
nachgekommen. Der richterliche Hinweis sei erst kurz vor der mündlichen Verhandlung erteilt
worden. Gelegenheit zur Erklärung, wie dies
gegeben, sondern ein sogenanntes Stuhlurteil verkündet.
In der Sache habe das Landgericht nach den üblichen Beweislastregeln gemäß
entschieden, ohne auf den gesonderten Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 11 EGFGB, der lex
speziales gegenüber
gegolten. Der Gesetzgeber des FGB habe sich für den gesetzlichen Stand der Gütergemeinschaft (§
14 FGB) entschieden. Dieser habe nur vertraglich abbedungen werden können, allerdings nicht
unbeschränkt bzw. mit einer entscheidenden Einschränkung. So sei die Überführung des
Gesamtgutes in Sondergut ausgeschlossen gewesen, wenn der gemeinsamen Lebensführung der
Familie dienende Sachen betroffen gewesen seien. Hierzu hätten auch selbst genutzte Grundstücke
(vgl. FGB-Kommentar 1982, § 14 Rn. 1.2) gehört. Von dem gesetzlichen Güterstand der
Gütergemeinschaft unterscheidbares Vermögen habe das FGB der DDR in § 13 Abs. 2 geregelt.
Danach gehörten jedem Ehegatten die vor der Eheschließung erworbenen Vermögensgegenstände
allein und auch die während der Ehe als Geschenk oder Auszeichnung oder Erbschaft erlangten
Sachen und Vermögensrechte. Gemäß § 4 EGFGB sei das vor Inkrafttreten des
Familiengesetzbuches der DDR von Eheleuten erworbene Vermögen dem gesetzlichen Güterstand
zugeordnet, sofern die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 FGB zum Zeitpunkt des Vermögenserwerbs
vorlagen.
Erstinstanzlich sei ungeklärt geblieben, ob das Grundstück, das der Beklagte nach der Eheschließung
der Parteien allein erworben und das der Familie zu Wohnzwecken gedient habe, durch "Arbeit oder
aus Arbeitseinkünften" der Parteien oder aus dem alleinigen Vermögen des Beklagten erworben
worden sei. Dort befinde sich bis heute die Ehewohnung der Parteien. Das Landgericht sei von dem
Regelfall des
hierfür die Beweislast trägt, ohne sich mit Fragen der Rechtsgeschichte zu befassen. Es hätte jedoch
erkennen müssen, dass zugunsten der ehelichen Eigentums- und Vermögensgemeinschaft des FGB
eine Umkehr der Beweislast eintrete. Für die Klägerin streite die gesetzliche Vermutung der
Unrichtigkeit des Grundbuchs, die der Beklagte unter Beweisantritt zu widerlegen habe.
1. Das Urteil des Landgerichts S vom 21.2.2007 wird abgeändert.
2. Der Beklagte wird verurteilt, seine Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs von S
insoweit zu erteilen, als dass die Klägerin neben dem Beklagten Miteigentümerin zu 1/2 dieses
Grundstückes ist.
3. Hilfsweise wird der Beklagte verurteilt, seine Zustimmung zur Berichtigung des genannten
Grundbuches von Schwerin zu erteilen, dass die Klägerin neben dem Beklagten gemeinsam
Eigentümer des Grundstückes in ehelicher Vermögensgemeinschaft des Familiengesetzbuches der
DDR ist.
4. Äußerst hilfsweise, die Revision zum Bundesgerichtshof zuzulassen.
Der Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie den
Akteninhalt im Übrigen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Denn der Klägerin steht der geltend gemachte
Grundbuchberichtigungsanspruch nicht zu.
1.
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet
für die Voraussetzungen des von ihr geltend gemachten Grundbuchberichtigungsanspruches ist. Dies
folgt - unabhängig von dem Vorbringen der Klägerin zu den zu DDR-Zeiten geltenden
spezialgesetzlichen Vorschriften - bereits aus
alleiniger Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks im Grundbuch. Die gesetzliche
Vermutung aus
Eintragung eines Widerspruchs im Grundbuch erwirkt hat; vielmehr muss die Klägerin den vollen
Beweis für das von ihr behauptete Miteigentum erbringen (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 67. Aufl., §
891 Rn. 8).
2.
Das landgerichtliche Urteil beruht auch nicht auf einer Hinweispflichtverletzung. Die Frage nach der
Beweislastverteilung war und ist die zentrale Frage dieses Rechtsstreits. Dies war der Klägerin
bewusst, wie sich nicht zuletzt aus ihrem Schriftsatz vom 12.2.2007 ergibt. Mit Verfügung vom
Rechtsauffassung zu dieser Frage nicht teile. Soweit die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung die
späte Erteilung dieses Hinweises rügt, ist festzustellen, dass die Klägerin im Termin am 21.2.2007
weder weiteren Beweis angetreten noch Schriftsatznachlass (
dieser Sachlage war es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht am Schluss der Sitzung ein Urteil
verkündet hat. Die Klägerin - die in ihrer Berufungsbegründung an der Auffassung festhält, nicht
beweisbelastet zu sein - legt auch nicht dar, was sie bei früherer Erteilung des Hinweises
erstinstanzlich noch vorgebracht hätte.
3.
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht bewiesen hat, dass die
Mittel für die Finanzierung des Grundstücks während der Ehe durch Arbeit oder aus
Arbeitseinkünften eines oder beider Ehegatten (§ 13 Abs. 1 FGB) stammten. Diesen Beweis hätte die
Klägerin möglicherweise dadurch führen können, dass sie den unstreitig während der Ehe der
Parteien erfolgten Erwerb des Grundstücks aus bestimmten Mitteln nachweist, wenn dies nach dem
seinerzeit geltenden Recht zur Entstehung gemeinschaftlichen Eigentums und daraus folgend später
zur Entstehung von Miteigentum nach Bruchteilen geführt haben sollte. Das Landgericht hat
allerdings zu Recht keine Veranlassung gesehen, über diese Frage Beweis zu erheben. Soweit in der
Klageschrift die Behauptung aufgestellt worden ist, das Geld für den Grundstückskauf stamme aus
gemeinsamen ehelichen Mitteln, ist bereits fraglich, ob sich der Beweisantritt - Parteivernehmung auf diese Behauptung beziehen soll. Selbst wenn man dies unterstellt, handelte es sich nicht um einen
ordnungsgemäßen Beweisantritt, weil die Klägerin nicht angegeben hat, welche Partei hierzu
vernommen werden sollte. Die Voraussetzungen des
Landgericht war weder verpflichtet, auf die erforderliche Zustimmung der Gegenseite hinzuwirken
(vgl. Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 447 Rn. 2), noch bestand Veranlassung, nach
verfahren. Letzteres war umso weniger veranlasst, als der nicht beweisbelastete Beklagte substantiiert
zur Herkunft der Mittel für den Grundstückskauf vorgetragen hat und die beweisbelastete Klägerin
sich darauf beschränkt hatte, diesen Vortrag zu bestreiten. Sie hat lediglich eine Zeugin vom
Hörensagen für die für sich genommen unerhebliche Behauptung benannt, das Geld für den
Grundstückskauf sei aus Autogeschäften gekommen.
Der neue Beweisantritt in der Berufungsbegründung (Zeugnis des Bruders der Klägerin) ist nicht zu
berücksichtigen. Denn es handelt sich um ein neues Angriffsmittel, und die Voraussetzungen des §
531 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Insbesondere kann aus den oben dargelegten Gründen nicht davon
ausgegangen werden, dass dieser Beweisantritt bei früherer Hinweiserteilung noch erstinstanzlich
erfolgt wäre. Auf die inhaltlichen Bedenken gegen diesen Beweisantritt (Ausforschung, solange nicht
klargestellt ist, was von den Behauptungen auf eigener Wahrnehmung des Zeugen beruhen soll)
kommt es mithin nicht an.
4.
Soweit die Klägerin sich darauf beruft, dass ihr bereits seit dem 1.4.1966 (Inkrafttreten des FGB der
DDR) ein Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 11 EGFGB zustehe, führt dies nicht zu einer
Umkehr der Darlegungs- und Beweislast. Eine Grundbuchberichtigung war nach § 11 Abs. 1 EGFGB
ausgeschlossen, wenn das Grundstück zwar während der Ehe, aber nicht aus Arbeitseinkünften eines
oder beider Ehegatten erworben worden war, sondern z.B. aus Erbschaft oder Schenkung stammte
seinerzeit die Herkunft der zum Erwerb des Grundstücks verwendeten Mittel beweisen müssen, um
sich auf gemeinschaftliches Vermögen gemäß § 4 EGFGB und somit die Unrichtigkeit des
Grundbuchs berufen zu können. Darüber hinaus ist nicht nachvollziehbar, weshalb sie - sogar nach
schriftlicher Aufforderung durch den Liegenschaftsdienst in den 70er Jahren - diesen Anspruch erst
nach der Trennung von ihrem Ehemann geltend gemacht hat.
III.
1.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß
Vollstreckbarkeit beruht auf
2.
Die Revision war nicht zuzulassen. Weder kommt der Sache grundsätzliche Bedeutung zu noch
erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichts.
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Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Rostock
Erscheinungsdatum:29.04.2008
Aktenzeichen:6 U 1/08
Rechtsgebiete:Sachenrecht allgemein
Erschienen in:NotBZ 2008, 399
Normen in Titel:BGB § 894, 891; FGB-DDR § 13 (FAmGB); EGFGB-DDR § 11 (EGFamG)