OLG Braunschweig 20. März 2019
1 W 42/17
BGB §§ 2065, 2084, 2231, 2232

Wirksamkeit eines Testaments auf einem Notizzettel; Testierwille; Bestimmtheit der Erbeinsetzung

letzte Aktualisierung: 2.8.2019
OLG Braunschweig, Beschl. v. 20.3.2019 – 1 W 42/17

BGB §§ 2065, 2084, 2231, 2232
Wirksamkeit eines Testaments auf einem Notizzettel; Testierwille; Bestimmtheit der
Erbeinsetzung

1. Auch in einem wenige Zentimeter großen handschriftlich beschriebenen Notizzettel kann
grundsätzlich ein wirksames Testament liegen.

2. Der Wirksamkeit eines „Notizzetteltestaments“ steht – wenn ein anderes Testament existiert –
entgegen, dass der Notizzettel nicht datiert ist und sich die notwendigen Feststellungen über die Zeit
seiner Errichtung auch nicht anderweitig treffen lassen.

3. Insbesondere bei einem Schriftstück, das nicht den für Testamente üblichen Gepflogenheiten
entspricht, muss außer Zweifel stehen, dass der Erblasser es mit Testierwillen erstellt hat; bei
verbleibenden Zweifeln findet die Vorschrift des § 2084 BGB keine Anwendung.

4. Eine Erbeinsetzung desjenigen, „der für mich aufpasst und [mich] nicht ins Heim steckt“ ist nicht
ausreichend bestimmt und daher nichtig.

GRÜNDE

I.
Die Beteiligte zu 1. begehrt einen auf sie als Alleinerbin lautenden Erbschein aufgrund testamentarischer
Erbfolge.

1. Die am 22. Januar 2015 verstorbene Erblasserin hatte keine Kinder. Ihr Ehemann und ihre Eltern sind
vorverstorben. Einzelheiten zu ihren Geschwistern sind im Erbscheinsverfahren nicht bekannt geworden.
Ein vorverstorbener Cousin der Erblasserin hat zwei Kinder hinterlassen, die Beteiligten zu 2. und 3.
Unter dem 28. März 2001 errichteten die Erblasserin und ihr Ehemann ein gemeinschaftliches
privatschriftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Eine
Schlusserbenbestimmung enthält das Testament nicht. Die Eheleute gaben das Testament in besondere
amtliche Verwahrung des Amtsgerichts. Wegen der Einzelheiten wird auf die Testamentsurkunde vom 28.
März 2001 (Bl. 10 der Beiakte 4 IV 300/15) Bezug genommen.

Am 24. September 2013 verstarb der Ehemann der Erblasserin. Unter dem 2. Juni 2014 erteilte die
Erblasserin der Beteiligten zu 1. eine notarielle Vorsorgevollmacht. Wegen der Einzelheiten wird auf die
beglaubigte Ablichtung der Vollmachtsurkunde (Bl. 10-13 d.A.) Bezug genommen. Unter dem 11.
September 2014 und dem 6. Oktober 2014 erstellte der jetzige Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten
zu 1. jeweils einen Entwurf eines notariellen Testaments, in dem die Beteiligte zu 1. zur Alleinerbin der
Erblasserin eingesetzt werden sollte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtungen der
Urkundenentwürfe (Bl. 28-31 der Beiakte 4 IV 300/15) Bezug genommen.

Mit notarieller Urkunde vom 15. Mai 2015 beantragte die Beteiligte zu 1. einen auf sie als Alleinerbin

lautenden Erbschein und reichte - neben den oben genannten Testamentsentwürfen - einen nicht datierten
wenige Zentimeter großen quadratischen Notizzettel mit dem folgenden handschriftlich geschriebenen Text
bei dem Nachlassgericht ein:

Wenn sich für mich
A… [Vor- und Nachname]
geb. … [Geburtsdatum]
einer findet, der für
mich aufpasst und
nicht ins Heim steckt
der bekommt mein
Haus und alles was
ich habe
A… [Unterschrift mit Vor- und Nachnamen]

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Original des Zettels (Klarsichthülle Bl. 27 der Beiakte 4 IV
300/15) Bezug genommen.

Die Beteiligte zu 1. trägt vor, der Text auf dem Zettel sei von der Erblasserin geschrieben worden; es sei
der Wille der Erblasserin gewesen, sie zur Alleinerbin einzusetzen; lediglich aufgrund des frühzeitigen
Todes der Erblasserin sei es nicht mehr zur Beurkundung des bereits entworfenen notariellen Testaments
gekommen. Sie ist der Ansicht, der Zettel stelle ein formgültiges Testament dar, mit dem die Erblasserin sie
zur Alleinerbin eingesetzt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die beglaubigte Ablichtung der notariellen
Urkunde vom 15. Mai 2015 (Bl. 4 f. d.A.) Bezug genommen.

2. Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1. mit Beschluss vom 19. April 2016
zurückgewiesen. Es könne offenbleiben, ob der handschriftliche Zettel von der Erblasserin selbst
geschrieben sei, denn er stelle jedenfalls keine letztwillige Verfügung dar. In dem Text sei kein Erbe
namentlich bestimmt; es sei lediglich festgelegt, welche nicht genannte Person, die noch zu bestimmen
wäre, einmal Erbe werden solle. Gemäß § 2065 Abs. 2 BGB könne ein Erblasser eine letztwillige
Verfügung aber nicht in der Weise treffen, dass ein anderer zu bestimmen habe, welche Person etwas
erhalten solle. Da auch die Testamentsentwürfe kein Testament darstellten, habe die Erblasserin letztlich
nicht testiert; es gelte die gesetzliche Erbfolge, nach der die Beteiligte zu 1. nicht Erbin sei. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 19. April 2016 (Bl. 58-60 d.A.) Bezug genommen.

3. Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 1. mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27. Mai 2016
Beschwerde eingelegt. Eine wirksame Bestimmung eines Erben durch den Erblasser liege auch dann vor,
wenn der Bedachte von jeder mit genügend Sachkunde ausgestatteten Person bezeichnet werden könne,
ohne dass deren Ermessen auch nur mitbestimmend sei. Die Bezeichnung könne anhand objektiver
Kriterien zum Zeitpunkt des Erbfalls erfolgen; ein Dritter müsse lediglich den Willen des Erblassers
feststellen, nicht aber eine eigene Entscheidung anstelle des Erblassers treffen. Aus dem handschriftlichen
Text ergebe sich eindeutig, dass erben solle, wer sich zu Lebzeiten um die Erblasserin kümmere und sie
„nicht ins Heim steckt“. Aus der Vorsorgevollmacht ergebe sich, dass es die Beteiligte zu 1. gewesen sei,
die sich zu Lebzeiten um die Erblasserin gekümmert habe. Danach bestehe bei der Bezeichnung des
Erben kein Auswahlermessen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift vom 27.
Mai 2016 (Bl. 71-75 d.A.) Bezug genommen.

4. Das Amtsgericht hat die Akten mit Verfügung vom 2. Juni 2016 dem Oberlandesgericht zur weiteren
Veranlassung übersandt. Dieses hat die Vorlageverfügung mit Beschluss vom 23. Juni 2016 - 1 W 77/16 -
aufgehoben und die Sache zur Durchführung des Abhilfeverfahrens an das Amtsgericht zurückgegeben.
Zwar könne eine Nichtabhilfeentscheidung durch Verfügung statt Beschluss ausnahmsweise genügen, hier
fehle eine Nichtabhilfeentscheidung aber vollständig; der Vorlage „z.w.V.“ lasse sich keine eigenständige
Entscheidung des Amtsgerichts entnehmen. Wegen der Einzelheiten wird auf die genannte Verfügung (Bl.
71 d.A.) sowie den Beschluss vom 23. Juni 2016 (Bl. 78-81 d.A.) Bezug genommen.

5. Das Amtsgericht hat sodann der Beschwerde mit Beschluss vom 6. Juli 2016 nicht abgeholfen und die
Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Selbst wenn der Zettel als Testament
anzusehen wäre, liege gemäß § 2065 BGB keine wirksame Erbeinsetzung vor. Wegen der Einzelheiten
wird auf den Beschluss (Bl. 85 d.A.) Bezug genommen.

II.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

1. Die Beschwerde ist statthaft (§ 58 Abs. 1 FamFG) und zulässig; sie ist insbesondere innerhalb der
Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt worden und der Beschwerdewert von 600,00 € gemäß § 61
Abs. 1 FamFG - der auch in Nachlasssachen gilt (Rojahn, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Auflage 2019, §
61 FamFG, Rn. 2 m.w.N.) - ist überschritten.

2. Die Beschwerde ist aber nicht begründet.

a) Die Testamentsentwürfe vom 11. September 2014 und vom 6. Oktober 2014 (Bl. 28-31 der Beiakte 4 IV
300/15) stellen keine ordentlichen Testamente im Sinne der §§ 2231 Nr. 1, 2232 Satz 1 1. Fall BGB dar.
Dabei kann dahinstehen, ob der Inhalt der Entwürfe auf einer Erklärung der Erblasserin beruht, denn keine
der beiden Urkunden ist von der Erblasserin und dem Notar unterschrieben worden, § 13 Abs. 1 Satz 1
und Abs. 3 Satz 1 BeurkG.

b) Der nicht datierte handschriftlich beschriebene Zettel (Klarsichthülle Bl. 27 der Beiakte 4 IV 300/15) stellt
kein gültiges ordentliches Testament im Sinne der §§ 2231 Nr. 2, 2247 BGB dar. Dabei kann dahinstehen,
ob der handschriftliche Text eigenhändig von der Erblasserin geschrieben und unterschrieben worden ist,
denn er erfüllt - auch wenn dies so wäre - nicht die Voraussetzungen eines gültigen eigenhändigen
Testaments. Er ist nicht datiert und die notwendigen Feststellungen über die Zeit der Errichtung lassen sich
auch nicht anderweitig treffen (aa); es steht nicht außer Zweifel, dass die Erblasserin beim (unterstellten)
Abfassen des auf dem Zettel stehenden Textes mit Testierwillen gehandelt hat (bb); zudem wäre eine
etwaige in dem Zettel liegende letztwillige Verfügung wegen Unbestimmtheit nichtig (cc).

aa) Das gegebenenfalls in dem handschriftlich beschriebenen Zettel liegende Testament ist nicht gültig, da
es nicht datiert ist und sich die notwendigen Feststellungen über die Zeit der Errichtung auch nicht
anderweitig treffen lassen, § 2247 Abs. 5 Satz 1 BGB.

(1) Der handschriftlich beschriebene Zettel erfüllt im Grundsatz die zwingenden formellen Erfordernisse
des § 2247 BGB; insbesondere kann ein Testament durchaus auch auf einem „Notizzettel“ errichtet
werden (OLG Schleswig, Beschluss vom 16. Juli 2015 - 3 Wx 53/15 -, juris, Rn. 26). Hier fehlt zwar eine
Ortsangabe, insoweit bestimmt § 2247 Abs. 2 BGB aber nur, dass der Erblasser in der Erklärung angeben
„soll“, an welchem Ort er sie niedergeschrieben hat. Fehlt die Ortsangabe, führt dies nur dann zur
Unwirksamkeit, wenn sich gerade hieraus Zweifel an der Gültigkeit des Testaments ergeben, § 2247 Abs.
5 Satz 2 BGB. Solche Zweifel - die etwa bei im Ausland errichteten Testamenten diskutiert werden (vgl. die
Nachweise bei OLG Schleswig, a.a.O., Rn. 29) - sind hier nicht erkennbar.

(2) Die fehlende Gültigkeit ergibt sich hier aber daraus, dass der Zeitpunkt der Errichtung des
gegebenenfalls in dem Zettel liegenden Testaments nicht sicher feststellbar ist und es deshalb möglich ist,
dass es zeitlich vor dem gemeinschaftlichen privatschriftlichen Testament vom 28. März 2001 errichtet
worden ist.

Gemäß § 2247 Abs. 2 BGB soll der Erblasser in der Erklärung angeben, zu welcher Zeit (Tag, Monat und
Jahr) er sie niedergeschrieben hat. Enthält ein eigenhändig errichtetes Testament keine Angabe über die
Zeit der Errichtung und ergeben sich hieraus Zweifel über seine Gültigkeit, so ist das Testament gemäß §
2247 Abs. 5 Satz 1 BGB nur dann als gültig anzusehen, wenn sich die notwendigen Feststellungen über
die Zeit der Errichtung anderweitig treffen lassen. Der genaue Errichtungszeitpunkt ist nur dann von
Bedeutung, wenn ab einem bestimmten Zeitpunkt Testierfähigkeit des Erblassers nicht mehr vorlag oder
wenn es beim Vorliegen mehrerer Testamente darauf ankommt, welches das spätere Testament ist (OLG
Schleswig, Beschluss vom 16. Juli 2015 - 3 Wx 53/15 -, juris, Rn. 31 f. m.w.N.). Letzteres ist hier der Fall:

Es ist möglich, dass die Erblasserin den nicht datierten Notizzettel zeitlich bereits vor dem
gemeinschaftlichen Testament vom 28. März 2001 verfasst hat. Ein gegen eines solche zeitliche
Reihenfolge sprechendes Indiz - das allein aber nicht durchgriffe - könnte allenfalls die Formulierung „mein
Haus“ sein: Sofern das von der Erblasserin gemeinte Haus vor dem Tod des Ehemannes im Eigentum
beider Ehegatten gestanden hätte, könnte die Formulierung „mein Haus“ darauf hindeuten, dass sie zu
einem Zeitpunkt nach dem Tod des Ehemannes gewählt worden ist, in dessen Folge die Erblasserin
Alleineigentümerin des Hauses geworden ist. Eine zwingende zeitliche Reihenfolge ergibt sich daraus aber
nicht, denn es ist auch möglich, dass die Erblasserin ein von vornherein in ihrem Alleineigentum stehendes
Haus gemeint hat oder aber die Formulierung gar nicht die Eigentümerstellung widerspiegeln sollte. Sollte
die Erblasserin den Notizzettel aber zeitlich vor dem gemeinschaftlichen Testament verfasst haben, wäre
ein etwaiges darin zu sehendes (früheres) Testament durch das (spätere) gemeinschaftliche Testament
vom 28. März 2001 widerrufen worden, da die Erblasserin darin ihren Ehemann zum Alleinerben
eingesetzt hat, § 2258 Abs. 1 BGB.

bb) Daneben steht auch nicht außer Zweifel, dass die Erblasserin beim (unterstellten) eigenhändigen
Abfassen des auf dem Zettel stehenden Textes mit Testierwillen gehandelt hat.

(1) Grundsätzlich kann in einem vom Erblasser eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen
Schriftstück - etwa in einem Brief oder einem Notizzettel - der letzte Wille des Erblassers enthalten sein,
auch wenn dieses Schriftstück der äußeren Form nach nicht eindeutig als Testament erkennbar ist. Eine
solche schriftlich niedergelegte Erklärung des Erblassers kann allerdings, auch wenn sie den formalen
Voraussetzungen des § 2247 BGB genügt, nur dann als letztwillige Verfügung gelten, wenn sie auf einem
ernstlichen Testierwillen des Erblassers beruht. Letztwillige Verfügungen müssen mit einem auf die
Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolges gerichteten Willen getroffen werden. Neben der
Testierfähigkeit ist daher zweite - ungeschriebene mittelbar aus § 2247 Abs. 3 Satz 2 BGB abzuleitende -
Voraussetzung der Testierwille, also der Wille des Erblassers, ernstlich ein rechtsverbindliches Testament
zu errichten (BayObLG, Beschluss vom 19. Oktober 2000 - 1Z BR 87/00 -, juris, Rn. 19 m.w.N.; Lauck, in:
Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Auflage 2019, § 2247 BGB, Rn. 3 m.w.N.).

Es muss außer Zweifel stehen, dass der Erblasser die von ihm erstellte Urkunde als rechtsverbindliche
letztwillige Verfügung angesehen hat oder zumindest das Bewusstsein hatte, die Urkunde könne als
Testament angesehen werden, also dass die Erklärung nicht bloß einen Entwurf, eine Ankündigung oder
ähnliches darstellt. Ob ein solcher ernstlicher Testierwille vorgelegen hat, ist im Wege der Auslegung (§
133 BGB) unter Berücksichtigung aller erheblichen, auch außerhalb der Urkunde liegenden Umstände und
der allgemeinen Lebenserfahrung zu beurteilen. Dabei sind, sofern die Form des Schriftstücks nicht den
für Testamente üblichen Gepflogenheiten entspricht, an den Nachweis des Testierwillens strenge
Anforderungen zu stellen. Bei verbleibenden Zweifeln findet die Vorschrift des § 2084 BGB - wonach im
Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen ist, bei der die Verfügung Erfolg haben kann - keine Anwendung
(st. Rspr; OLG München, Beschluss vom 31. März 2016 - 31 Wx 413/15 -, juris, Rn. 10 m.w.N.; OLG
Düsseldorf, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 3 Wx 95/13 -, juris, Rn. 15 m.w.N.; OLG Schleswig, Beschluss
vom 29. Mai 2009 - 3 Wx 58/04 -, ZEV 2010, S. 46 [48 f.] m.w.N.; KG, Beschluss vom 3. Juni 2003 - 1 W
86/02 -, juris, Rn. 21 m.w.N.).

(2) Nach diesem Maßstab steht nicht außer Zweifel, dass die Erblasserin den oben zitierten Notizzettel mit
Testierwillen verfasst hat.

Schon die äußere Form begründet Zweifel: Wie anhand des privatschriftlichen gemeinschaftlichen
Testaments vom 28. März 2001 (Bl. 10 der Beiakte 4 IV 300/15) ersichtlich ist, kannte die Erblasserin die
üblichen Gepflogenheiten beim Abfassen eines privatschriftlichen Testaments; aus dem dortigen Schriftbild
ergibt sich, dass die Erblasserin den Testamentstext selbst geschrieben und unterschrieben hat, während
ihr Ehemann ihn lediglich mitunterzeichnet hat; die dortige Urkunde enthält neben Orts- und
Datumsangabe insbesondere eine eindeutige Formulierung zur Erbeinsetzung („Wir setzen uns
gegenseitig zu alleinigen Erben ein.“). Obwohl die Erblasserin schon einmal in dieser Form testiert hatte,
fehlt all dies auf dem Notizzettel - unterstellt, er sei später als das gemeinschaftliche Testament vom 28.
März 2001 erstellt und deshalb nicht ohnehin durch dieses widerrufen worden.

Auch die Formulierung des Textes auf dem Notizzettel weckt Zweifel am Vorliegen eines Testierwillens:

Dass derjenige, der „für mich aufpasst und nicht ins Heim steckt“ das Haus der Erblasserin „bekommen“
soll, kann auch so verstanden werden, dass die Erblasserin eine Übertragung ihres Hauses schon zu
Lebzeiten in Aussicht stellt. Das Wort „erben“ oder ein Hinweis darauf, dass das „Bekommen“ erst nach
dem Tod der Erblasserin stattfinden soll, ist in dem Text nicht enthalten.

Ebenso weckt die Existenz der notariellen Testamentsentwürfe vom 11. September 2014 und vom 6.
Oktober 2014 Zweifel am Vorliegen eines Testierwillens beim Abfassen des Textes auf dem Zettel.
Ausweislich dieser Entwürfe wollte die Erblasserin augenscheinlich kurz vor ihrem Tod notariell testieren
und die Beteiligte zu 1. zu ihrer Alleinerbin einsetzen; dies wäre nicht erforderlich gewesen, wenn die
Erblasserin zuvor den Zettel mit Testierwillen verfasst gehabt hätte, denn dann hätte sie davon ausgehen
können, in Form des Zettels schon mit gleichem Inhalt privatschriftlich testiert zu haben; eines notariellen
Testaments hätte es dann nicht bedurft.

Nach alledem kann es sich bei dem Zettel auch um eine Absichtserklärung oder einen Entwurf handeln.
Dieses Auslegungsergebnis ändert sich auch nicht, wenn man berücksichtigt, dass es - die Angaben der
Beteiligten zu 1. als richtig unterstellt - tatsächlich der Wunsch der Erblasserin gewesen ist, die Beteiligte
zu 1. zur Erbin einzusetzen; dieser mutmaßliche Wunsch kommt gerade nicht in einem formgültigen
Testament der Erblasserin zum Ausdruck; allein die Existenz und etwaige mündliche Äußerung eines
solchen Wunsches reicht zur wirksamen Erbeinsetzung nicht aus.

cc) Zudem wäre - ohne dass es im Hinblick auf die obigen Ausführungen darauf ankäme - eine etwaige in
dem Zettel liegende letztwillige Verfügung nicht ausreichend bestimmt und daher nichtig.

(1) Wie sich aus § 2065 BGB ergibt, muss sich ein Erblasser selbst über den Inhalt aller wesentlichen Teile
seines letzten Willens schlüssig werden. Dazu gehört insbesondere die Bestimmung der Person des
Bedachten; diese muss zwar nicht namentlich genannt sein, es ist aber erforderlich, dass sie anhand des
Inhalts der Verfügung - gegebenenfalls unter Berücksichtigung von außerhalb der Urkunde liegenden
Umständen - zuverlässig festgestellt werden kann. Die Person muss im Testament so bestimmt sein, dass
jede Willkür eines Dritten ausgeschlossen ist (BayObLG, Beschluss vom 23. Mai 2001 - 1Z BR 10/01 -,
juris, Rn. 22). Der Erblasser kann demnach „nicht die Bestimmung, sondern nur die Bezeichnung der
Person des Bedachten“ einem Dritten überlassen (BGH, Urteil vom 18. November 1954 - IV ZR 152/54 -,
NJW 1955, S. 100 [101]). Soweit der Erblasser nicht zu einer abschließenden und vollständigen
Willensbildung gelangt ist, erschien es dem Gesetzgeber richtiger, es bei der gesetzlichen Erbfolge zu
belassen, als die Erbfolge ganz oder teilweise zur Disposition anderer Personen zu stellen (Leipold, in:
MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 2065, Rn. 1 f.).

Soweit ein Testament unklare oder unvollständige Anordnungen enthält, muss zunächst versucht werden,
den erklärten Willen des Erblassers im Wege der Auslegung festzustellen, § 2084 BGB. Gelingt dies, liegt
kein Fall der unzulässigen Bestimmung der Person des Bedachten durch einen Dritten vor, denn das
auslegende Gericht ist kein Dritter im Sinne von § 2065 BGB (BayObLG, Beschluss vom 23. Mai 2001 - 1Z
BR 10/01 -, juris, Rn. 22; Leipold, in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 2065, Rn. 7 m.w.N.). Ist der Wortlaut
der letztwilligen Verfügung aber so unklar, dass die Auslegung ergebnislos bleiben muss, ist die Verfügung
nichtig. Dabei kann dahinstehen, ob dies unmittelbar aus § 2065 BGB folgt (so z.B. OLG Köln, Beschluss
vom 14. November 2016 - 2 Wx 536/16 -, NJW RR 2017, S. 648 [649 Rn. 17 a.E.] m.w.N.; OLG München,
Beschluss vom 22. Mai 2013 - 31 Wx 55/13 -, NJW 2013, S. 2977 [2978]) oder aus dem - dieser Vorschrift
zugrundeliegenden - Bestimmtheitserfordernis (so BayObLG, Beschluss vom 22. Juli 1998 - 1Z BR 229/97
-, NJW 1999, S. 1118 [1119 lit. b.aa]; Keim, in: ZEV 2014, S. 72 [73] m.w.N.; Otte, in: ZEV 2013, S. 619
[Ziff. 1. und 2.]; so wohl auch BGH, Beschluss vom 14. Juli 1965 - V BLw 11/65 -, juris, Rn. 55).

(2) Eine Auslegung des Textes führt hier nicht zu einem eindeutigen Ergebnis: Nach dem auf dem Zettel
stehenden Text soll derjenige begünstigt werden, „der für mich aufpasst und [mich] nicht ins Heim steckt“.

Es bleibt aber offen, was mit dem Begriff „aufpassen“ gemeint ist. Im allgemeinen Sprachgebrauch
bedeutet er entweder „aufmerksam sein“ und „achtgeben“ oder aber „beaufsichtigen“, etwa um einen
Schaden zu verhüten; er umfasst eher ein Beobachten (und gegebenenfalls Einschreiten) als ein Helfen.
Die Erblasserin hat ihn aber mit der Bedingung verknüpft, dass sie nicht „ins Heim gesteckt“ wird, dass sie
also die Hilfe erhält, die erforderlich ist, um ihr ein Leben außerhalb eines Pflegeheims zu ermöglichen.
Danach kann nach dem - bei der Auslegung maßgeblichen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1982 - IVa
ZR 94/81 -, NJW 1983, S. 672 [673] m.w.N.) - Begriffsverständnis der Erblasserin mit „aufpassen“ auch
„kümmern“ oder „helfen“ gemeint sein. So ergibt sich ein weites Spektrum: Umfasst wären zum Beispiel
aufmerksame Nachbarn, die einmal klingeln und nachfragen, wenn sie die Erblasserin einige Zeit nicht wie
gewohnt außerhalb des Hauses gesehen haben, Bekannte oder Verwandte, die der Erblasserin
Aufmerksamkeit schenken oder ihr eine seelische Stütze sind, Personen, die bei Schriftverkehr und
finanziellen Angelegenheiten helfen, Personen, die bei der Hausarbeit helfen bis hin zu Personen, die bei
der körperlichen Pflege helfen (vgl. OLG München, Beschluss vom 22. Mai 2013 - 31 Wx 55/13 -, NJW
2013, S. 2977 [2978] zum Begriff „kümmern“). Zudem kann in den genannten Bereichen eine etwaige Hilfe
jeweils gelegentlich, regelmäßig oder ständig erfolgen, dies in unterschiedlicher Intensität und Qualität
sowie durch eine Person allein oder durch mehrere Personen mit unterschiedlich hohem Anteil (vgl. auch
OLG Köln, Beschluss vom 14. November 2016 - 2 Wx 536/16 -, NJW RR 2017, S. 648 [649 Rn. 18] zu Art
und Umfang von „Pflege“). Auch der Zeitraum, in dem die Person(en) „aufpassen“ soll(en), bleibt unklar,
also ob die gemeinte Tätigkeit über Tage, Wochen, Monate oder Jahre erforderlich sein soll, um die
Stellung als Erbe zu erlangen.

Im hiesigen Zusammenhang ist der Begriff „aufpassen“ einer zu einem eindeutigen Ergebnis führenden
Auslegung nicht zugänglich. Es wäre eine über die Auslegung hinausgehende Wertung durch das
Nachlassgericht oder den Senat erforderlich, so dass letztlich das Nachlassgericht oder der Senat die
Bestimmung des Erben anhand eigener Kriterien vornehmen müsste. Der möglicherweise unter den Begriff
fallende Personenkreis ist insbesondere wesentlich weiter, als bei einer Formulierung, die sich auf eine
einzige Pflegekraft bezieht, die der pflegebedürftige Erblasser selbst bestimmt - aber im Testament nicht
namentlich bezeichnet - hat (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 13. Februar 1995 - 20 W 394/94 - NJWRR
1995, S. 711 m.w.N.). Dass die Beteiligte zu 1. aufgrund der ihr erteilten Vorsorgevollmacht die
Möglichkeit hatte, in den dort genannten Bereichen für die Erblasserin tätig zu werden, macht sie nicht zur
einzigen objektiv und ohne Ermessen bestimmbaren Person, die auf die Erblasserin „aufgepasst“ hat.

Der Text auf dem Notizzettel ist hinsichtlich der Person des Begünstigten zu unbestimmt, um eine
wirksame Erbeinsetzung bewirken zu können.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 61 Abs. 1 Satz 1 i.V.m.
§ 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GNotKG. Der Wert des Nachlasses nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten
beträgt nach Angaben der Beteiligten zu 1. im Erbscheinsantrag (Bl. 5R d.A.) 450.000,00 €.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG besteht kein Anlass.

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Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Braunschweig

Erscheinungsdatum:

20.03.2019

Aktenzeichen:

1 W 42/17

Rechtsgebiete:

Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Testamentsform

Erschienen in:

NJW 2019, 1890
NJW-RR 2019, 583-585
ZEV 2019, 306
Zerb 2019, 115-119

Normen in Titel:

BGB §§ 2065, 2084, 2231, 2232