Keine Anwendung von § 237 Abs. 3 AktG bei Einziehung nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG; freie Kapitalrücklage i. S. v. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB als Rücklage i. S. v. § 71 Abs. 2 S. 2 AktG
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Dokumentnummer: 11032R
letzte Aktualisierung: 4.6.2012
OLG München, 8.5.2012 - 31 Wx 155/12
Keine Anwendung von
freie Kapitalrücklage i. S. v.
AktG
1. Die Anmeldung einer Kapitalherabsetzung aufgrund Ermächtigung der Hauptversammlung
zum Erwerb und zur Einziehung eigener Aktien ist nur anhand § 71 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2 und 3
AktG zu prüfen. Dagegen ist
2. Auch eine Kapitalrücklage i. S. v.
Abs. 2 S. 2 AktG.
Tenor
I. Der Beschluss des Amtsgerichts München - Registergericht - vom 30.03.2012 wird aufgehoben.
II. Das Amtsgericht München - Registergericht - wird angewiesen, die am 15.03.2012 eingegangene Anmeldung der Kapitalherabsetzung der Beteiligten zu vollziehen.
Gründe
I.
In der außerordentlichen Hauptversammlung der beteiligten Aktiengesellschaft vom
15.03.2010 wurde zu TOP II. der Vorstand der Beteiligten einstimmig ermächtigt, bis zum
14.03.2015 mit Zustimmung des Aufsichtsrats eigene Aktien in einem Volumen von bis zu
10% des zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bestehenden Grundkapitals zu erwerben und
diese einzuziehen, ohne dass die Einziehung oder ihre Durchführung eines weiteren Hauptversammlungsbeschlusses bedürfe. Unter dem 12.03.2012 beschloss der Vorstand der Beteiligten,
die in der Zeit zwischen dem 19.09.2011 bis 09.12.2011 erworbenen 1.477.061 Stückaktien
einzuziehen und das Stammkapital der Beteiligten nach
88.522.939 € herabzusetzen. Der Aufsichtsrat der Beteiligten beschloss am 13.03.2012, die
Satzung der Beteiligten im Punkt Grundkapital auf die vom Vorstand beschlossene Herabsetzung anzupassen.
Das Amtsgericht wies den auf Eintragung der Kapitalherabsetzung gerichteten Antrag der Beteiligten am 30.03.2012 zurück, weil die Einziehung nach der Erklärung der Beteiligten nicht
zu Lasten des Bilanzgewinns oder einer anderen Gewinnrücklage erfolgt sei. Der Begriff der
"anderen Gewinnrücklagen" des
Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte Beschwerde der Beteiligten. Sei macht geltend,
dass eine Kapitalherabsetzung nach
Kapitalrücklage im Sinne von
auch die freien Kapitalrücklagen im Sinne von
Das Amtsgericht hat der Beschwerde und der Berufung auf den eindeutigen Wortlaut des § 237
Abs. 3 Nr. 2 AktG nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde hat Erfolg, weil die Voraussetzungen für die Eintragung der Kapitalherabsetzung im Handelsregister vorliegen.
wurde, ist
Es besteht kein Anlass, auch die Einhaltung der Voraussetzungen des
prüfen. Die Einziehung von Aktien kann gem.
eines Einziehungsbeschlusses voraus (vgl. dazu etwa Krafka/Willer/Kühn, Registerrecht,
8. Aufl. 2010, Rn. 1561). Im vorliegenden Falle war aufgrund des Beschlusses der außerordentlichen Hauptversammlung vom 15.03.2010 kein Einziehungsbeschluss mehr erforderlich,
so dass der Privilegierungstatbestand des
2. Die Voraussetzungen der Kapitalherabsetzung ergeben sich hier vielmehr abschließend aus
und die Einziehung der Aktien zu Lasten einer freien Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4
HGB erfolgt sei.
Daraus ergibt sich, dass auch den Erfordernissen des
Denn der Erwerb ist aus einer Rücklage erfolgt, die weder das Grundkapital noch eine nach
Gesetz oder Satzung zu bildende Rücklage ist. Diese Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4
HGB gehört zu den frei verfügbaren Mitteln im Sinne von
kann daher entweder ausgeschüttet oder auch zur Vollfinanzierung von Aktienrückkäufen verwendet werden (vgl. Bezzenberger in K.Schmidt/Lutter, 2. Aufl 2010, Rn. 54, Fußnote 147, zu
ähnlichen frei liquidierbaren Reserven erfolgen (vgl. Merkt in Hopt/Wiedemann, 4. Aufl. 2008,
Rn. 313 zu
der Senat die nicht näher begründete Auffassung von Lutter/Drygala nicht, dass freie Rücklagen nur aus Gewinnrücklagen nach
Begründung des Regierungsentwurfs vom 30. 07. 2008 zum Gesetz zur Modernisierung des
Bilanzrechts - BilMoG -, dass die bisherige begriffliche Beschränkung auf „Gewinnrücklagen
im Sinn des § 266 Abs. 3 A. III. 4. HGB“ zu eng angelegt sei. In der Praxis sei es nahezu einhellige Auffassung, dass beispielsweise auch mit den frei verfügbaren Kapitalrücklagen (§272
Abs. 2 Nr. 4 HGB) verrechnet werden dürfe und zwar gleichrangig im Verhältnis zu den „Gewinnrücklagen im Sinn des § 266 Abs. 3 A. III. 4. HGB". Dies werde nunmehr ausdrücklich
gesetzlich verankert. Eine Ausschüttung gebundenen Vermögens sei auch auf der Grundlage
dieser Formulierung nicht möglich. (BT-Drs 16/10067, S.66). Mit der geänderten Formulierung
von
ausschüttungsfähigen Vermögen erfolge. Dies sei dann der Fall, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs in Höhe der Aufwendungen für den Erwerb (hypothetisch) eine Rücklage
bilden könnte, ohne dadurch das Grundkapital oder eine nach Gesetz oder Satzung zu bildende
Rücklage zu vermindern, die nicht zur Zahlung an die Aktionäre verwandt werden dürfe (aaO
S. 101). Vor diesem Hintergrund gibt auch die mit dem BilMoG nicht geänderte Formulierung
von
Abs. 3 Nr. 2 AktG wohl versehentlich nicht nachvollzogen worden (so Spindler/Stilz-MarschBarner, 2. Aufl. 2010, Rdn. 31 m.w.N.).
gewahrt sind (vgl. dazu Krafka/Willer/Kühn, Registerrecht, 8. Aufl. 2010, Rn. 1541) ist die
Eintragung der angemeldeten Kapitalherabsetzung zu vollziehen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG München
Erscheinungsdatum:08.05.2012
Aktenzeichen:31 Wx 155/12
Rechtsgebiete:Aktiengesellschaft (AG)
Erschienen in:
DNotI-Report 2012, 89
MittBayNot 2012, 400
RNotZ 2012, 526
AktG §§ 71 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2 S. 2, Abs. 3, 237 Abs. 3; HGB § 272 Abs. 2 Nr. 4