BGH 27. Juni 2001
VIII ZR 329/99
GmbHG § 15 Abs. 4 S. 2

Heilung eines privatschriftlichen GmbH-Geschäftsanteilskaufvertrages

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 1087
letzte Aktualisierung: 07.09.2001
8zr329_99
BGH
VIII ZR 329/99
27. Juni 2001
GmbHG § 15 Abs. 4 S. 2
Heilung eines privatschriftlichen GmbHGeschäftsanteilskaufvertrages

Zur Heilung eines privatschriftlichen Kaufvertrages
über Geschäftsanteile an einer GmbH, wenn der spätere “Verkaufs- und Übertragungsvertrag” mit anderen Personen auf Erwerberseite und zu anderen schuldrechtlichen Bedingungen geschlossen wurde.
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von dem Beklagten Freistellung von der Verpflichtung aus einer
Höchstbetragsbürgschaft.
Der Kläger war zusammen mit der Schiffs- und Yachtwerft GmbH C. & Co. (im
folgenden: Schiffswerft GmbH & Co.) zu gleichen Anteilen Gesellschafter der E. Vertriebsgesellschaft mbH (im folgenden: E. GmbH)sowie einer Firma Fischereibetrieb
K. Verwaltungsgesellschaft mbH.Der Kläger war zugleich Geschäftsführer der E.
GmbH. Die E. GmbH warInhaberin von Schutzrechten für eine Maschine zur Speiseeisherstellung. Im Einvernehmen mit dem Kläger verhandelte der Beklagte mit der L.
GmbH, die am Erwerb dieser Rechte interessiert war, über den Verkauf aller Gesell

-2schaftsanteile an der E.
GmbH und der K.
GmbH. Zur Vorbereitung
der ins Auge gefaßten Anteilsabtretung löste die E. GmbH ihre Verbindlichkeiten bei Lieferanten ab und nahm dazu ein Darlehen bei der D.
Bank
AG auf. Die Gesellschafter der E. GmbH, der Kläger und die Schiffswerft GmbH
& Co., übernahmen mit Urkunden vom 9. November 1994 jeweils selbstschuldnerische
Höchstbetragsbürgschaften bis zum Betrag von 150.000 DM für sämtliche Ansprüche
der D.
Bank AG gegen die E. GmbH aus deren bankmäßiger Geschäftsverbindung.
Der Kläger und die Schiffswerft GmbH & Co., für die der Beklagte als Geschäftsführer
der Komplementärin handelte, trafen im Herbst 1994 eine auf den 10./11. Oktober 1994
datierte schriftliche Vereinbarung, in welcher auf die Verkaufsverhandlungen mit der
L.
GmbH Bezug genommen wird. In dieser Vereinbarung, in der die E. GmbH und
die K.
GmbH wegen einergeplanten Umfirmierung als M. Maschinenbau GmbH
und M. MarketingGmbH bezeichnet werden, sind unter anderem folgende Regelungen
getroffen:
"3. Herr P. W.
(= Kläger) erklärt, daß er für den Fall, daß
die Firma L.
GmbH die unter Punkt 1. genannten Firmen
(= E. GmbH und K.
GmbH) nicht kauft, seine Anteile an
beiden o.g. Firmen zum Preis von insgesamt 2.000 DM, in Worten DM
ZWEITAUSEND, an die Schiffs- und Yachtwerft GmbH C.
& Co. verkauft, und zwar unter der Bedingung, daß die von
ihm an die D.
Bank gegebene Bürgschaft für Verbindlichkeiten der M. Maschinenbau GmbH (= E. GmbH) abgelöst
und er von allen aus dieser Bürgschaft resultierenden Verpflichtungen
freigehalten wird.
4. Herr C.
D.
(= Beklagter) erklärt, daß die Schiffsund Yachtwerft GmbH C.
& Co. die Anteile zum unter
Punkt 3. genannten Preis kaufen wird und daß die vom ausscheidenden
Gesellschafter
P.
W.
an
die
D.
Bank
gegebene Bürgschaft über 150.000 DM für Verbindlichkeiten der
M. Maschinenbau GmbH von der Gesellschafterin Schiffs- und Yachtwerft GmbH C.
& Co. abgelöst und er von allen aus
dieser Bürgschaft resultierenden Verpflichtungen freigehalten wird. Herr
C.
ein."
D.
steht
Im Februar 1995 nahm die L.
für
die
Ablösung
persönlich
GmbH Abstand vom Kauf der Gesellschaftsanteile.
Daraufhin veräußerte der Kläger mit zwei notariellen Verträgen vom 11. April 1995
seine Geschäftsanteile an der E. GmbH und an der K.
GmbH jeweils zur Hälfte an
den Beklagten und an dessen Bruder zum Kaufpreis von jeweils 1.000,- DM. In dem die
E. GmbH betreffenden “Verkauf- und Übertragungsvertrages” ist unter anderem folgendes geregelt:
"§ 2
Der Erschienene zu 1) (= Kläger) verkauft und überträgt seinen Geschäftsanteil von 50.000 DM an den Erschienenen zu 2) (= Bruder des
Beklagten) und den weiteren Geschäftsanteil von 50.000 DM an den Erschienenen zu 3) (= Beklagter) zum Kaufpreis von jeweils 500 DM, die
Erschienenen zu 2) und 3) nehmen die Übertragung an.
§3
Der Erschienene zu 1) verzichtet auf sämtliche Forderungen gegenüber
der Gesellschaft - gleich welcher Art - und hält darüber hinaus die Gesellschaft und die Gesellschafter von sämtlichen Forderungen und Ansprüchen frei, die bis zum 23.12.1993 entstanden sind. Die Forderungsfreistellung gilt über das genannte Datum aber für Forderungen, die er als
Geschäftsführer der GmbH eingegangen ist oder eventuell bis zu einer
Löschung als Geschäftsführer im Handelsregister noch eingeht."
Über das Vermögen der Schiffswerft GmbH & Co. wurde am 21. Mai 1997 das Konkursverfahren eröffnet.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger vom Beklagten, ihn von den Verbindlichkeiten aus der Höchstbetragsbürgschaft gegenüber der D.
Bank AG freizustellen. Das Landgericht hat der Klage insoweit in vollem Umfang stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte das Ziel der Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte sei aus Nr. 4
Satz 2 der privatschriftlichen Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Schiffswerft
GmbH & Co. mit Datum vom 10./11. Oktober 1994, die aber wohl erst am
10./11. November 1994 getroffen worden sei, zur Freistellung des Klägers von der
Bürgschaft verpflichtet. Daß entgegen dieser Vereinbarung die Anteile an der E. GmbH
an den Beklagten und seinen Bruder und nicht an die Schiffswerft GmbH & Co. abgetreten worden seien, stehe dem "bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise" nicht
entgegen. Der Verkaufspreis von 2.000 DM habe für den Kläger nur dann einen Sinn
gehabt, wenn er von seiner Bürgschaft für die Schulden der E. GmbH freigehalten
werde. Eine etwaige Formnichtigkeit der Vereinbarung sei durch die im notariellen Vertrag vom 11. April 1995 erfolgte Abtretung der Anteile an den Beklagten und seinen
Bruder geheilt, weil es den Beteiligten nur auf die Abtretung an die "Gruppe D.
"
angekommen sei. Die in § 3 des notariellen Vertrages geregelte Freistellungsverpflichtung des Klägers stehe seinem Freistellungsanspruch aus der privatschriftlichen Vereinbarung nicht entgegen, weil die Klausel einschränkend dahin auszulegen sei, daß sie nur
unbekannte Verbindlichkeiten der E. GmbH umfasse und damit nicht die Forderung der
D.
Bank, für welche der Kläger sich verbürgt habe.
II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Zu Unrecht
hat das Berufungsgericht angenommen, dem Kläger stehe aus der privatschriftlichen
Vereinbarung vom 10./11. Oktober 1994 gegen den Beklagten ein Anspruch auf Freistellung von der Bürgschaftsverpflichtung zu.
1. Die in Nr. 4 Satz 2 des privatschriftlichen Vertrages vom 10./11. Oktober 1994 getroffene Freistellungsvereinbarung ist nach § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG in Verbindung
mit § 125 BGB wegen Formmangels unwirksam. Notarieller Beurkundung bedurfte
nicht nur die Verpflichtung des Klägers zur Übertragung der Gesellschaftsanteile an die
Schiffswerft GmbH & Co. in Nr. 3 und 4 Satz 1 des Vertrages, sondern auch die Vereinbarung der Freistellungsverpflichtung; denn das Formerfordernis des § 15 Abs. 4
Satz 1 GmbHG erstreckt sich auf alle Nebenabreden, die nach dem Willen der Parteien
Bestandteil der Vereinbarung über die Verpflichtung zur Abtretung sein sollen (vgl.
BGH, Urteile vom 23. Februar 1983 - IVa ZR 187/81, NJW 1983, 1843 unter II 1 a und
vom 30. Juni 1969 – II ZR 71/68, WM 1969, 1257 unter III; Scholz/Winter, GmbHG,
9. Aufl., § 15 Rdnr. 69; Hachenburg/Schilling, GmbHG, 8. Aufl., § 15 Rdnr. 48 f). Der
Wille der Vertragsparteien, daß zwischen der Verpflichtung zur Übertragung der Gesellschaftsanteile und der Freistellungsverpflichtung des Beklagten ein notwendiger
Zusammenhang bestehen sollte, ergibt sich zweifelsfrei aus dem Wortlaut von Nr. 3 der
Vereinbarung, wonach die Freistellung "Bedingung" für die Übertragung der Anteile
sein soll.
Die formnichtige Vereinbarung vom 10./11. Oktober 1994 ist entgegen der Auffassung
des Berufungsgerichts auch nicht nach § 15 Abs. 4 Satz 2 GmbHG durch die notarielle
Abtretung der Anteile des Klägers an der E. GmbH an den Beklagten und seinen Bruder vom 11. April 1995 geheilt worden. Eine Abtretung nach § 15 Abs. 3 GmbHG heilt
nur denjenigen formnichtigen Verpflichtungsvertrag, in dessen Erfüllung sie erfolgt.
Dem steht hier entgegen, daß die Anteile im notariellen Vertrag an andere Personen
abgetreten worden sind als an die in dem privatschriftlichen Verpflichtungsvertrag bezeichnete Gläubigerin. Das Berufungsgericht hat es aufgrund einer nicht näher begründeten wirtschaftlichen Betrachtungsweise für eine Heilung als ausreichend erachtet, daß
es den Beteiligten der privatschriftlichen Vereinbarung auf eine Abtretung an die
”Gruppe
D.

angekommen
sei.
Für
den
für
die
Heilung
nach § 15 Abs. 4 GmbHG erforderlichen Zusammenhang zwischen beiden Verträgen ist
dies nicht ausreichend.
Die notarielle Abtretung der Geschäftsanteile an den Beklagten und seinen Bruder hätte
hier die Heilung der formnichtigen privatschriftlichen Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Schiffswerft GmbH & Co. nur dann bewirken können, wenn letztere die
nach dem Verpflichtungsvertrag zu beanspruchenden Anteile des Klägers an der E.
GmbH ihrerseits an den Beklagten und seinen Bruder weiterverkauft und der Kläger die
Anteile in Kenntnis dieser "Lieferkette", und deshalb in Erfüllung seiner eigenen Verpflichtung gegenüber der Schiffswerft GmbH & Co., unmittelbar an den Beklagten und
seinen Bruder abgetreten hätte. In diesem Fall wäre, sofern die direkte Abtretung mit
Zustimmung der ursprünglichen Gläubigerin erfolgt wäre, durch die notarielle Abtretung auch das unwirksame Verpflichtungsgeschäft zwischen dem Kläger und der
Schiffswerft GmbH & Co., also der Vertrag vom 10./11. Oktober 1994, geheilt worden
(RGZ 71, 399, 402 f; vgl. dazu auch Pohlmann, Die Heilung formnichtiger Verpflichtungsgeschäfte durch Erfüllung, 1992, Satz 128 f; Scholz/Winter, aaO, § 15 Rdnr. 72 a).
Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt, und sie finden
auch keine Stütze im Vorbringen der Parteien.
Entgegen der Revisionserwiderung kann der Vertrag auch nicht so ausgelegt werden,
daß alternativ die Schiffswerft GmbH & Co. oder der Beklagte und sein Bruder Käufer
der Anteile sein sollen; für einen solchen vom eindeutigen Wortlaut der Urkunde abweichenden übereinstimmenden Parteiwillen sind keinerlei Anknüpfungstatsachen
vorgetragen worden. Auch der von der Revisionserwiderung für den Fall eines
gerichtlichen Hinweises nach § 139 ZPO dargelegte weitere Vortrag des Klägers würde
keine Auslegung des Vertrages in diesem Sinne rechtfertigen. Selbst wenn der Beklagte
und sein Bruder von vornherein “erwogen” haben sollten, die Anteile selbst zu kaufen,
sagt dies nichts darüber, welche Vorstellungen die Parteien bei Vertragsschluß
tatsächlich hatten.
2. Ein Freistellunganspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus einer Übernahme der
in Nr. 4 Satz 1 des Vertrages vom 10./11. Oktober 1994 vereinbarten Freistellungsverpflichtung der Schiffswerft GmbH & Co. durch den Beklagten. Zwar wäre es angesichts
des zeitlichen und persönlichen Zusammenhangs zwischen den verschiedenen Verkaufs- und Abtretungsverträgen denkbar, daß der Beklagte und sein Bruder - konkludent – im Wege einer Vertragsübernahme in die Rechte und Pflichten der Schiffswerft
GmbH & Co. aus der privatschriftlichen Vereinbarung vom 10./11. Oktober 1994 eingetreten sind und der Formmangel dann durch die notarielle Abtretung an sie nach § 15
Abs. 4 Satz 2 GmbHG als geheilt anzusehen wäre. Für die Annahme eines dahin gerichteten Willens der Parteien fehlt es jedoch an tatsächlichen Anhaltspunkten in dem in
Bezug genommenen Parteivortrag.
a) Eine eindeutige Interessenlage der Beteiligten des notariellen Vertrages vom
11. April 1995, aus welcher sich auf eine konkludente Vertragsübernahme durch den
Beklagten und seinen Bruder - unter Fortdauer der Freistellungsverpflichtung nun zu
Lasten des Beklagten und seines Bruders statt der Schiffswerft GmbH & Co. - hätte
schließen lassen können, ist nicht erkennbar. Zu Recht rügt die Revision, daß die vom
Berufungsgericht seiner Auslegung des notariellen Vertrages zugrunde gelegte Annahme, die Abtretung der Anteile an der E. GmbH sei zu diesem Preis für den Kläger ohne
Freistellung von der Bürgschaft wirtschaftlich "sinnlos" gewesen, weil er anderenfalls
die Anteile auch habe behalten können, nicht auf tatsächlichen Feststellungen beruht
und daß ein entsprechendes Vorbringen des Klägers nicht vorliegt (§ 286 Abs. 1 ZPO).
Es ist nämlich nicht dargetan, wie die Parteien der beiden Verträge zu einem Kaufpreis
von 500 DM je Geschäftsanteil gelangt sind. Mit Recht beanstandet die Revision, daß
das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang den unstreitigen Vortrag des Beklagten
außer Acht gelassen hat, nach der Absage der L.
GmbH habe die E. GmbH ihren aktiven Geschäftsbetrieb eingestellt. Hierzu hat der Kläger selbst vorgetragen, schon im
Oktober/November 1994 habe die Überschuldung der E. GmbH "im Raum gestanden"
und das Darlehen der D.
Bank habe nur der "Firmenfortführung bis zum Verkauf"
dienen sollen; daher stellt sich zwangsläufig die vom Berufungsgericht nicht einbezogene, aber unter dem Gebot einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung
(BGH, Urteil vom 29. März 2000 – VIII ZR 297/98, NJW 2000, 2508 unter II 2 a
m.w.Nachw.) einzubeziehende Frage, welchen Sinn es auf der anderen Seite für den
Beklagten und seinen Bruder gehabt haben sollte, zwei überschuldete Unternehmen zu
einem Kaufpreis von 1.000 DM zu erwerben und im Zusammenhang damit zusätzlich
noch die Bürgschaftsverpflichtung des Klägers gegenüber der D.
Bank zu übernehmen. Die Revisionserwiderung vermag entsprechendes Vorbringen des Klägers in
den Tatsacheninstanzen nicht aufzuzeigen. Ihre Behauptung im Revisionsrechtszug, die
E. GmbH habe auch nach der Absage der L.
GmbH noch einen “realisierbaren Wert”
gehabt, steht in Widerspruch zum Vorbringen beider Parteien in den Tatsacheninstanzen, insbesondere zu dem oben wiedergegebenen eigenen Vortrag des Klägers.
b) Gegen eine Übernahme der Verpflichtung zur Freistellung des Klägers von der Bürgschaft spricht insbesondere der insoweit eindeutige Wortlaut des notariellen Vertrages,
der nicht nur eine Übertragung der Geschäftsanteile vornimmt, sondern auch das Verpflichtungsgeschäft enthält. Die in § 3 vom Kläger übernommene Verpflichtung, die E.
GmbH und deren Gesellschafter von den Altschulden der Gesellschaft zu befreien, ist
mit der Annahme einer stillschweigenden Einbeziehung der Freistellungsverpflichtung
aus der privatschriftlichen Vereinbarung mit der Schiffswerft GmbH & Co. vom 10./11.
Oktober 1994 nicht vereinbar. Nach dem klaren Wortlaut dieser Klausel, von dem bei
der Ermittlung des Bedeutungsgehalts zunächst auszugehen ist (BGHZ 121, 13, 16), hat
der Kläger seinerseits die E. GmbH und deren Gesellschafter, also auch den Beklagten,
nicht nur von “sämtlichen” bis zum 31.12.1993 entstandenen “Forderungen und Ansprüchen” freizustellen. In Satz 2 des § 3 ist des weiteren bestimmt, daß sich die Freistellungsverpflichtung über das genannte Datum hinaus auf alle Verbindlichkeiten erstreckt, die die Gesellschaft durch den Kläger als Geschäftsführer bis zu seiner Abberufung eingegangen ist. Davon ist unmißverständlich auch das bei der Umschuldung eingegangene Darlehen der E. GmbH gegenüber der D.
Bank AG umfaßt, weil der
Kläger zum damaligen Zeitpunkt Alleingeschäftsführer der E. GmbH war. Wenn aber
der Kläger gegenüber dem Beklagten und seinem Bruder auch die von der Bürgschaft
gesicherte Hauptschuld zu erfüllen hat, ist das mit einem Anspruch auf Befreiung von
der entsprechenden Bürgschaftsschuld nicht zu vereinbaren.
Wie die Revision mit Recht rügt, fehlt für die vom Berufungsgericht vorgenommene
einschränkende Auslegung von § 3 des notariellen Vertrages dahin, daß hiervon die
Darlehensverbindlichkeit gegenüber der D.
Bank nicht berührt sein sollte, eine tragfähige Grundlage in den tatsächlichen Feststellungen und im Parteivortrag (§ 286
Abs. 1 ZPO). An die auf einem solchen Verfahrensfehler beruhende tatrichterliche Auslegung ist der Senat nicht gebunden (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs,
vgl. etwa Urteil vom 25.2.1992 – X ZR 88/90, NJW 1992, 1967 unter II 3 a ). Die Annahme des Berufungsgerichts, es hätten nur "unbekannte Forderungen und Ansprüche
aus laufenden Geschäften" vom Kläger übernommen werden sollen, steht im Widerspruch zum klaren Wortlaut der Klausel, ohne daß dieses Auslegungsergebnis durch
tatsächliche Anhaltspunkte im Parteivortrag abgesichert ist.
III. Das angefochtene Urteil war dementsprechend aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Der
Senat konnte nach § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO in der Sache selbst entscheiden, weil die
bisherigen Feststellungen eine Auslegung der vertraglichen Erklärungen erlauben und
weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind. Der Wortlaut der einander
widersprechenden Urkunden, der privatschriftlichen und der notariellen, ist eindeutig.
Umstände, aus denen sich ein vom Wortlaut abweichendes übereinstimmendes Verständnis der Parteien vom Vertragsinhalt ergeben könnte, sind in den Tatsacheninstanzen weder vorgetragen noch sonst ersichtlich geworden. Die Revisionserwiderung hat
Dr. Deppert
Dr. Beyer
Dr. Leimert

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

27.06.2001

Aktenzeichen:

VIII ZR 329/99

Erschienen in:

DNotI-Report 2001, 150
DNotZ 2001, 952-956
NJW 2002, 142-144
NotBZ 2001, 387-388
ZNotP 2001, 399-402
Zerb 2002, 22

Normen in Titel:

GmbHG § 15 Abs. 4 S. 2