OLG Düsseldorf 24. März 2022
3 Wx 130/20
BGB § 2120

Übertragung der Anwartschaft vom Nacherben auf den Vorerben; Konfusion; Vollerbschaft

letzte Aktualisierung: 22.6.2022
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.3.2022 – 3 Wx 130/20

BGB § 2120
Übertragung der Anwartschaft vom Nacherben auf den Vorerben; Konfusion; Vollerbschaft

1. Überträgt der Nacherbe seine Anwartschaft auf den Vorerben, wird dieser infolge Konfusion
Vollerbe des Erblassers.
2. Die Übertragung der Anwartschaft bedarf nicht der Zustimmung des Ersatznacherben.
3. Fehlt die Zustimmung des Ersatznacherben und tritt der Ersatznacherbfall ein, endet allerdings
die Wirkung der Konfusion und der Vollerbe wird mit Wirkung ex nunc wieder Vorerbe.
4. Der Nacherbe ist befugt, in die Übertragung einzelner Nachlassgegenstände auf einen Dritten
oder den Vorerben einzuwilligen, ohne dass es der Zustimmung des Ersatznacherben bedarf. Das
gilt selbst dann, wenn die zu übertragenden Nachlassgegenstände nahezu den gesamten
Nachlasswert ausmachen.
5. Besteht der Nachlass aus einem einzigen Gegenstand und wird dieser Gegenstand mit
Zustimmung des Nacherben auf einen Dritten oder den Vorerben übertragen, hängt die
Rechtsbeständigkeit dieses Übertragungsgeschäfts von der Zustimmung des Ersatznacherben ab.
Fehlt dessen Zustimmung, wird die Übertragung bei Eintritt des Ersatznacherbfalles hinfällig.

Gründe

I.
Eigentümerin (unter anderem) des im hiesigen Beschlusseingang bezeichneten sowie
weiteren, im Grundbuch des Amtsgerichts Grevenbroich von Bedburdyck Blatt ……
eingetragenen Grundbesitzes war die 1999 verstorbene Frau ………. Die Beteiligte zu 1.
ist die Nichte, der Beteiligte zu 3. ist der Neffe der ehemaligen Eigentümerin (und Bruder
der Beteiligten zu 1.), die Beteiligten zu 2. sind die Kinder der Beteiligten zu 1. Heute
besteht der Nachlass nur aus den beiden vorgenannten Grundstücken. Die Beteiligten
gehen für das hier in Rede stehende Grundstück von einem Verkehrswert von rund
350.000 € sowie für das weitere Grundstück von ungefähr 6.000 € aus.

In ihrem umfangreichen privatschriftlichen Testament vom 17. Februar 1999 verfügte die
seinerzeitige Eigentümerin unter anderem: Zu ihrer alleinigen Vorerbin setze sie die
Beteiligte zu 1. ein; Ersatzerben seien deren Abkömmlinge; die Vorerbin sei für das Haus
……… von den gesetzlichen Beschränkungen nicht befreit. Nacherben nach dem Tode der
Vorerbin oder des oder der Ersatzerben seien die ehelichen Kinder zu gleichen Teilen;
sollten die Nacherben ohne Abkömmlinge versterben, gehe das vorbezeichnete Haus an
den Beteiligten zu 3. oder dessen Erben, „also in meine Blutsverwandtschaft zurück“. Die
Nacherbenanwartschaften seien weder vererblich, noch veräußerlich. Schließlich setzte
die Testierende zahlreiche und umfangreiche Vermächtnisse aus, darunter eines
zugunsten des Beteiligten zu 3.

In Abteilung II des hiesigen Grundbuchblattes ist ein dem Testamentsinhalt
entsprechender Nacherbenvermerk eingetragen, nach welchem mit dem Tode der Vorerbin
eintretende Nacherbfolge angeordnet sei und zu Nacherben die ehelichen Kinder der
Vorerbin berufen seien; seien zum Zeitpunkt des Nacherbfalls keine ehelichen Kinder der
Vorerbin vorhanden, sei Nacherbe der Beteiligte zu 3., ersatzweise dessen Abkömmlinge.
Mit notarieller Urkunde vom 21. Mai 2020 (UR-Nr. …….. des Verfahrensbevollmächtigten)
erklärten die Beteiligten die „Überführung eines der Nacherbschaft unterliegenden
Grundstücks in das freie Vermögen des Vorerben“. Eingangs referierten sie den zuvor
dargestellten Inhalt des Testaments und würdigten ihn unter anderem dahin, bezüglich des
hiesigen Grundbesitzes sei die Beteiligte zu 1. nicht befreite Vorerbin, der Beteiligte zu 3.
sei aufschiebend bedingter weiterer Nacherbe, dessen Ersatznacherben seine
Abkömmlinge. Sodann hieß es unter anderem:

…………………………….
Mit Schrift des Verfahrensbevollmächtigten vom 26. Mai 2020, ergänzt unter dem 4. Ju-ni
2020, haben die Beteiligten – soweit gegenwärtig noch von Belang – die Löschung des
Nacherbenvermerks im hiesigen Grundbuchblatt im Wege der Grundbuchberichtigung
beantragt und das Grundbuchamt gebeten, vom Erlass einer Zwischenverfügung
abzusehen.

Durch die angefochtene Entscheidung hat das Grundbuchamt den
Grundbuchberichtigungsantrag zurückgewiesen. Daraufhin hat der
Verfahrensbevollmächtigte mit Schrift vom 29. Juni 2020 erklärt, gegen die Zurückweisung
des Antrags auf Löschung des Nacherbenvermerks lege er Beschwerde ein, und dies
näher begründet. Mit weiterem Beschluss vom 3. Juli 2020 hat das Grundbuchamt dem
Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf als
Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Grundakte
Bezug genommen.

II.
A.
Das vom beurkundenden und antragstellenden Notar ersichtlich für alle Urkundsbeteiligten
(zu Vorstehendem: Demharter, GBO, 32. Aufl. 2021, § 15 Rdnr. 20 m.w.Nachw.) eingelegte
Rechtsmittel ist als unbeschränkte Grundbuchbeschwerde nach § 71 Abs. 1 GBO statthaft
und insgesamt zulässig. Insbesondere sind alle Beteiligten beschwerdeberechtigt, die
Beteiligten zu 2. und 3. als Buchberechtigte, die Beteiligte zu 1. als diejenige, der auf der
Grundlage ihres Vorbringens ein Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB
zusteht. Die Beschwerde ist infolge der vom Grundbuchamt erklärten Nichtabhilfe auch
dem Senat zur Entscheidung angefallen (vgl. § 75 GBO). Ein weiteres Zuwarten des
Beschwerdegerichts mit ihrer Bescheidung ist nicht mehr vertretbar, nachdem bis jetzt
keine neue Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Eigenerwerb des Vorerben vorliegt
und die Erörterung in Schrifttum und sonstiger Rechtsprechung seit Rechtsmitteleinlegung
keine gänzlich neuen Gesichtspunkte hervorgebracht hat.

B.
Die Beschwerde ist auch begründet.

1.
Mit Recht hat das Grundbuchamt (auf der Grundlage seiner rechtlichen Würdigung) den
Antrag sogleich zurückgewiesen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats verbot
sich der Erlass einer Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 Satz 1, 2. Fall GBO, nachdem
die Beteiligten eindeutig und endgültig zum Ausdruck gebracht hatten, deren absehbarem
Inhalt bezüglich einer Hindernisbehebung nicht nachkommen zu wollen.

2.
Als rechtsfehlerhaft erweist sich allerdings der Standpunkt des Amtsgerichts, der
Nacherbenvermerk sei deshalb nicht zu löschen, weil die Ersatznacherben der
Grundstücksübertragung auf die Vorerbin nicht zugestimmt haben.

a)
Die Berichtigung des Grundbuchs soll antragsgemäß nicht aufgrund
Berichtigungsbewilligung (§ 22 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall GBO), sondern wegen
nachgewiesener Unrichtigkeit nach § 22 Abs. 1 Satz 1, 2. Fall und Satz 2 GBO erfolgen.
Schon in der Überführungsurkunde, die keine Bewilligungserklärungen nach § 19 GBO
enthält, wird die Berichtigung wegen Ausscheidens des Grundbesitzes aus dem der
Nacherbschaft unterliegenden Vermögen beantragt. Dieser Standpunkt ist mit Schriftsatz
vom 4. Juni 2020 und der Beschwerdeschrift aufrechterhalten worden.

b)
Der Unrichtigkeitsnachweis scheitert – entgegen der Ansicht des Amtsgerichts – nicht
daran, dass an der Grundstücksübertragung über die Urkundsbeteiligten hinaus weitere
Personen zu beteiligen wären. Der Nacherbenvermerk ist vielmehr materiell-rechtlich
unrichtig geworden, weil der streitbefangene Grundbesitz auch ohne die Einwilligung der
Ersatznacherben vollwirksam in das nacherbschaftsfreie Eigenvermögen der Vorerbin
(„Eigenerwerb“) überführt wurde und damit nicht mehr der Nacherbschaft unterfällt (zum
dogmatischen Ansatz eingehend: BGH NJW 2014, 1593 ff – juris-Version Tz. 10-12; zur
dogmatischen Herleitung eines solchen Eigenerwerbs des Vorerben als Insichverfügung
des Vorerben, in Analogie zur Erbauseinandersetzung, als Freigabeerklärung des
Nacherben oder als Freigabevereinbarung aufgrund Rechtsfortbildung: BGH NJW-RR
2001, 217 f – juris-Version Tz. 21; OLG München NJW-RR 2018, 71 ff – juris-Version Tz.
21; FamRZ 2019, 1745 f – juris-Version Tz. 14 f; OLG Köln, Beschluss vom 16. Februar
2011 in Sachen 2 Wx 22/11; OLG Hamm NJW-RR 2016, 1103 f – juris-Version Tz. 19-23;
BeckOGK BGB – Müller-Christmann, Stand: 01.12. 2021, § 2111 Rdnr. 107-125; Keim
DNotZ 2016, 751 ff passim; Neukirchen RNotZ 2018, 357/365-369).

aa)
Der Senat hat entschieden, dass die rechtsbeständige und dauerhafte Übertragung eines
Nachlassgegenstandes auf den Vorerben dann der Zustimmung des Nacherben und des
Ersatznacherben bedarf, wenn der gesamte Nachlass ausschließlich aus dem
übertragenen Gegenstand besteht (Beschluss vom 7. April 2020 in Sachen I-3 Wx
230/19). An dieser Auffassung hält der Senat fest. Allerdings lässt sich die Notwendigkeit
einer Zustimmung auch des Ersatznacherben nicht – wie in jener Entscheidung in den
Mittelpunkt der Überlegungen gestellt – mit dem Schutz des Ersatznacherben vor einer
Aushöhlung des Nachlasses begründen. Seine Rechtfertigung findet der Standpunkt des
Senats vielmehr in der Tatsache, dass der Nacherbe, der einer Übertragung des einzigen
Nachlassgegenstandes auf den Vorerben zustimmt, wirtschaftlich betrachtet seine
Anwartschaft auf den Vorerben überträgt. Denn der übertragene Nachlassgegenstand
entspricht dem Nachlass. Eine Übertragung seiner Anwartschaft auf den Vorerben ist dem
Nacherben dauerhaft und rechtsbeständig nur möglich, wenn der Ersatznacherbe dem
Geschäft zustimmt. Das ist Konsequenz der Tatsache, dass der Nacherbe lediglich über
seine eigene Anwartschaft und nicht auch über die rechtliche Position des
Ersatznacherben verfügen kann. Dementsprechend wird der Vorerbe aufgrund der
Übertragung der Anwartschaft des Nacherben durch Konfusion zwar zunächst Vollerbe
des Erblassers. Die Wirkung der Konfusion endet allerdings und der zwischenzeitliche
Vollerbe wird wieder zum bloßen Vorerben, sobald und soweit der Ersatznacherbfall
eintritt. Dieses rechtliche Ergebnis kann nicht dadurch vermieden werden, dass Vorerbe
und Nacherbe statt der Übertragung der Nacherbenanwartschaft die Einzelübertragung
des einzigen Nachlassgegenstandes wählen. In dem einen wie in den anderen Fall muss –
weil es sich um wirtschaftlich identische Vorgänge handelt – gelten, dass die Konfusion in
der Person des Vorerben endet, wenn und soweit der Ersatznacherbfall eintritt. Der
Vorerbe kann dementsprechend nur mit Zustimmung des Ersatznacherben dauerhaft
Vollerbe des Nachlasses – und damit auch endgültiger Eigentümer des übertragenen
einzigen Nachlassgegenstandes – werden.

bb)
Im Entscheidungsfall haben Vorerbe und Nacherbe nur über einen von mehreren
Nachlassgegenständen verfügt; der Wert des Verfügungsgegenstandes macht rund 98 %
des Nachlasswertes aus. Für eine solche Fallkonstellation hat der Senat in seiner
vorstehend erwähnten Entscheidung erwogen, die Verfügungsmacht des Nacherben zu
beschränken, um den Ersatznacherben vor einer Aushöhlung des Nachlasses zu
schützen. Nach Überprüfung gibt der Senat diesen Standpunkt auf und schließt sich der
herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur an. Danach erwirbt der Vorerbe
einzelne Nachlassgegenstände rechtsbeständig, wenn lediglich der Nacherbe und nicht
auch der Ersatznacherbe der Übertragung zugestimmt haben, und zwar auch dann, wenn
das Übertragungsgeschäft (sei es durch ein einzelnes Geschäft, sei es durch mehrere
wirtschaftlich verbundene) das nahezu gesamte nacherbschaftsgebundene Vermögen
betrifft.

(1)
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung muss sein, dass – wie sich aus § 2120 BGB
ergibt – der Nacherbe ohne irgendeine Einschränkung befugt (und im Rahmen einer
ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung nach § 2120 BGB sogar verpflichtet) ist,
Verfügungen des Vorerben über einzelne Nachlassgegenstände zuzustimmen. Geklärt ist
in der Rechtsprechung ferner, dass der Ersatzerbe bis zum Eintritt des Ersatznacherbfalles
keinerlei Mitwirkungsrechte in Bezug auf einzelne Nachlassgegenstände besitzt. Nach
höchstrichterlicher Rechtsprechung kann der Vorerbe über einen Nachlassgegenstand –
auch über ein Grundstück – mit Zustimmung des Nacherben wirksam und rechtsbeständig
verfügen, ohne dass der Ersatzerbe zustimmen muss (BGH, Beschluss vom 19.12.2013, V
ZB 209/12). Ebenso kann der Vorerbe einen Nachlassgegenstand auf einen Nacherben
übertragen; auch in diesem Fall hängt die Wirksamkeit und Rechtsbeständigkeit der
Übereignung nicht von der Zustimmung des Ersatzerben ab (BGH, Urteil vom 13.10.2000,
V ZR 451/98). In gleicher Weise können sich Vor- und Nacherbe einvernehmlich
auseinandersetzen und den Nachlass aufteilen, weshalb ein Nachlassgegenstand durch
Übertragung auf den Vorerben auch dann nacherbenfrei wird, wenn der Ersatzerbe dem
Geschäft nicht zustimmt (BGH, Urteil vom 13.10.2000, V ZR 451/98). Dem
Ersatznacherben fällt folglich nur dasjenige Nachlassvermögen zu, das bei Eintritt des
Ersatzerbfalles unter Berücksichtigung der vom Nacherben rechtswirksam
vorgenommenen Rechtsgeschäfte oder Zustimmungen noch vorhanden ist. Einen
Anspruch darauf, dass der Nachlass im Falle des Ersatznacherbfalles noch ungeschmälert
oder zumindest in Teilen vorhanden ist, besitzt der Ersatznacherbe nicht. Solches ist auch
§ 2120 BGB nicht zu entnehmen. Die Vorschrift setzt die unbeschränkte
Dispositionsbefugnis des Nacherben über zum Nachlass gehörende Einzelgegenstände
voraus, ohne auch nur ansatzweise den Schutz des Ersatznacherben in den Blick zu
nehmen.

(2)
Sofern – wie hier – keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen, entspricht es überdies
nicht dem mutmaßlichen Willen des Erblassers, dass der von ihm berufene Nacherbe zum
Schutz des Ersatznacherben Verfügungsbeschränkungen in Bezug auf den Nachlass
unterliegt. Der Erblasser hat den Nacherben – und nicht den Ersatznacherben – zu seiner
Rechtsnachfolge berufen; den Ersatznacherben hat er alleine für den Fall eingesetzt, dass
der Nacherbe vorverstirbt und damit als sein Rechtsnachfolger ausscheidet. Bereits aus
diesem Grund liegt es nicht im wohlverstandenen Interesse des Erblassers, wenn der
Nacherbe zugunsten des Ersatznacherben in seiner Verfügungsbefugnis über den
Nachlass beschränkt ist. Das gilt umso mehr, als der Eintritt des Ersatznacherbfalles
vollkommen ungewiss ist und der Ersatznacherbe bis dahin ein bloß abstraktes
Schutzbedürfnis besitzt.

Zudem würde der Ersatznacherbe wirtschaftlich betrachtet ein Stück weit zum Nacherben,
wenn die Verfügungsbefugnis des Nacherben einschränkt wäre, damit der Ersatznacherbe
bei Eintritt des Ersatznacherbfalls einen Teil des Nachlasses vorfindet. Eine solche
„Reservierung“ des Nachlasses für den Ersatznacherben entspricht weder dem Willen des
Erblassers, der den Nacherben ohne jede Einschränkung zu seinem Rechtsnachfolger
berufen hat, noch ist sie mit der gesetzlichen Position, die der Nacherbe einerseits und der
Ersatznacherbe andererseits inne haben, zu vereinbaren.

(3)
Gegen eine Beschränkung der Dispositionsbefugnis des Nacherben zugunsten des
Ersatznacherben sprechen auch praktische Gesichtspunkte. Eine klare und rechtssichere
Grenzziehung, wann die Schutzbedürftigkeit des Ersatznacherben eine beschränkte
Dispositionsfreiheit des Nacherben erfordert, ist nicht möglich. Selbst wenn man ein
Schutzbedürfnis des Ersatznacherben nur für das Verfügungsgeschäft über „nahezu den
gesamten Nachlass“ bejaht, lassen sich bis auf Weiteres die davon erfassten Fälle nicht
exakt und vorhersehbar bestimmen. Bis zur höchstrichterlichen Klärung, ab welchem
Prozentsatz „nahezu der gesamte Nachlass“ betroffen ist, würde somit eine erhebliche
Rechtsunsicherheit herrschen. Die Rechtsunsicherheit würde auch nach einer
abschließenden Klärung des Rechtsbegriffs des „nahezu gesamten Nachlasses“ in allen
Konstellationen fortbestehen, bei denen der Wert des streitbefangenen
Nachlassgegenstandes oder derjenige des verbleibenden Nachlasses nicht feststeht,
sondern einer Bewertung unterliegt, wie dies z.B. bei Grundstücken, Schmuck,
Kunstgegenständen der Fall ist. Hinzu kommen weitere ungeklärte Rechtsfragen,
beispielsweise diejenige, ob es für die Unwirksamkeit des Verfügungsgeschäfts zwischen
Vorerbe und Nacherbe bzw. einem Dritten alleine auf die objektiven Wertverhältnisse oder
auch auf die diesbezügliche Kenntnis des Erwerbers ankommt. Bejaht man letzteres, stellt
sich weiter die Frage, welche Erkundigungspflichten der Vorerbe, der Nacherbe oder der
mit Zustimmung des Nacherben erwerbende Dritte in Bezug auf die Wertverhältnisse zu
erfüllen haben, um der Unwirksamkeit des Verfügungsgeschäfts zu entgehen. Zu
beantworten wäre schließlich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein
gutgläubiger Erwerb des Vorerben oder des Dritten möglich ist.

c)
Belange des Gläubigerschutzes rechtfertigen für sich genommen ein gegenteiliges
Ergebnis nicht. Zum einen bleibt die Haftung des Nacherben grundsätzlich bestehen(§
2144 Abs. 1 BGB), zum anderen kann die Möglichkeit einer analogen Anwendung des§
2382 BGB in Betracht kommen.

3.
Nach alledem hat das Grundbuchamt über den Antrag der Beteiligten auf Löschung des
Nacherbenvermerks erneut zu befinden. Einer Anhörung der Ersatznacherben wird es
dabei nicht bedürfen (eingehend: OLG München NJW-RR 2015, 907 f – juris-Version Tz.
17-19).

III.
Da für das erfolgreiche Rechtsmittel Gerichtskosten nicht anfallen (§ 25 Abs. 1 GNot-KG)
und am Rechtsmittelverfahren allein die Beschwerdeführer teilgenommen haben, erübrigt
sich eine Kostenentscheidung ebenso wie eine Festsetzung des Geschäftswerts.
Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GBO) kommt schon
deshalb nicht in Betracht, weil sie mangels formeller oder materieller Beschwer – die auch
ein solches Rechtsmittel erfordert (BGH NJW 2012, 2039 f – juris-Version Tz. 3; 2017,
3301 f – juris-Version Tz. 7) – nicht zulässigerweise eingelegt werden könnte.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

24.03.2022

Aktenzeichen:

3 Wx 130/20

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Grundbuchrecht
Erbteilsveräußerung

Normen in Titel:

BGB § 2120