Bestellung des ehemaligen Geschäftsführers zum Liquidator: Verpflichtung zur Abgabe einer erneuten Versicherung
letzte Aktualisierung: 17.11.2022
KG, Beschl. v. 1.7.2022 – 22 W 31/22
GmbHG §§ 6 Abs. 2, 39 Abs. 3 S. 1, 67 Abs. 3 S. 1; HGB § 12 Abs. 1 S. 1; ZPO § 142 Abs. 3
Bestellung des ehemaligen Geschäftsführers zum Liquidator: Verpflichtung zur Abgabe
einer erneuten Versicherung
1. Auch der, der zuvor Geschäftsführer gewesen ist und eine Versicherung nach § 39 Abs. 3 S. 1
GmbHG (Habilitätsversicherung) abgegeben hat, ist mit der Anmeldung seiner Bestellung zum
Liquidator zur (erneuten) Abgabe einer entsprechenden Versicherung verpflichtet.
2. Die öffentliche Beglaubigung nach § 12 Abs. 1 S. 1 HGB kann durch eine ausländische
Urkundsperson vorgenommen werden, wenn der Beurkundungsvorgang dem der Beglaubigung
nach deutschem Recht gleichwertig ist. Dies setzt eine ausreichende Identitätsprüfung des
Erklärenden voraus.
3. Im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit kann das Gericht in entsprechender Anwendung
des § 142 Abs. 3 ZPO von den Beteiligten eine Übersetzung einer eingereichten ausländischen
Urkunde verlangen.
Gründe
I.
Die Beteiligte (nachfolgend auch nur: „Gesellschaft“) ist seit dem Jahr 2019 im
Handelsregister B des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen. Als Geschäftsführer
eingetragen ist Herr V....
Am 31. Mai 2021 beschloss die Gesellschafterversammlung, die Gesellschaft aufzulösen
und Herrn V... als Liquidator zu bestellen. Ebenfalls am 31. Mai 2021 unterzeichnete Herr
V... eine notariell beglaubigte Anmeldung, in der die oben genannten Tatsachen zum
Handelsregister angemeldet werden; die Anmeldung enthielt nicht die Versicherungen gem.
§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3, Satz 3 GmbHG (nachfolgend auch nur:
„Habilitätsversicherung“) ab.
Das Fehlen der Habilitätsversicherung beanstandete das Amtsgericht. Nachdem diese auch
nach mehrfacher Erinnerung und fruchtlosem Verstreichen einer vom Amtsgericht
gesetzten Frist nicht eingereicht worden war, wies das Amtsgericht die Anmeldung mit
Beschluss vom 17. Januar 2022 zurück.
Gegen diesen Beschluss hat der Notar, der auch die Anmeldung beglaubigt und eingereicht
hatte, unter dem 17. Februar 2022 Beschwerde eingelegt. Der Beschwerde beigefügt waren
folgende Dokumente:
- Eine die Habilitätsversicherung enthaltende Erklärung, die einen handschriftlichen
Schriftzug zeigt, der ausweislich einer Unterschriftszeile von Herrn V... angebracht wurde
(nachfolgend auch nur: „Erklärung“).
- Ein Schriftstück, das wohl in türkischer Sprache verfasst ist und die Überschrift „IMZA
BEYANNAMESI“ trägt (nachfolgend auch nur „Dokument IMZA“).
- Ein Schriftstück, das die Überschrift „APOSTILLE (Convention de La Haye du 5
Octobre 1961)“ trägt (nachfolgend auch nur: „Apostille“).
Daraufhin hat das Amtsgericht die Beteiligte darauf hingewiesen, dass dem
Zurückweisungsbeschluss nicht abgeholfen werden könne, da zum einen die eingereichte
Versicherung des Liquidators zum Zeitpunkt der Einreichung „zu alt“ gewesen und die
Beglaubigung nicht in der Amtssprache Deutsch abgefasst gewesen sei. Nachdem die
Beteiligte auf diese Hinweise nicht reagiert hatte, hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht
abgeholfen und die Sache dem Kammergericht zur Entscheidung vorgelegt.
Der Senat hat die Beteiligte unter dem 03. Mai 2022 darauf hingewiesen, dass jedenfalls
ohne türkische Sprachkenntnisse nicht zu erkennen sei, welche Person die Unterschrift
unter der Erklärung vollzogen habe und – sofern es sich bei dem „Dokument IMZA“ um
eine Unterschriftsbeglaubigung handeln sollte, der Notar / die Urkundsperson eine
Identitätsprüfung desjenigen, dessen Unterschrift beglaubigt werden soll, vorgenommen
habe.
Auf diesen Hinweis hat die Beteiligte nicht reagiert.
Am 08. Juni 2022 hat der Senat hat gem. § 142 Abs. 3 ZPO analog in Verbindung mit § 27
Abs. 1 FamFG unter Bezugnahme auf den Hinweis vom 03. Mai 2022 der Beteiligten
aufgegeben: Von dem als Anlage zu der Beschwerde vom 17. Februar 2022 eingereichten,
mit „IMZA BEYANNAMESI“ betitelten und mit der Nummer 25669 versehenen
Dokument ist eine Übersetzung beizubringen, die ein Übersetzer angefertigt hat, der für
Sprachübertragungen der betreffenden Art in einem Land nach den landesrechtlichen
Vorschriften ermächtigt oder öffentlich bestellt wurde oder einem solchen Übersetzer
jeweils gleichgestellt ist. Die hierfür vom Senat gesetzte Frist ist fruchtlos verstrichen.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1.
Die Beschwerde ist zulässig.
Die Beschwerde der Beteiligten ist form- (vgl.
§ 63 Abs. 1 FamFG) eingelegt. Die Beteiligte ist auch beschwerdebefugt, da die Anmeldung,
die Gegenstand des angefochtenen Beschlusses ist, auf eine Eintragung gerichtet ist, die die
Beteiligte betrifft. Die Anmeldung bezieht sich zudem auf die organschaftliche Vertretung
der Gesellschaft, so dass angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung dieser Eintragungen
auch der notwendige Beschwerwert nach § 61 Abs. 1 FamFG erreicht wird (vgl. zu dieser
Frage etwa Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2019 – 22 W 52/19 –, Rn. 8, juris).
2.
Die Beschwerde hat in der Sache allerdings keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat die
beantragte Eintragung zu Recht abgelehnt, da der Liquidator keine den gesetzlichen
Vorgaben genügende Habilitätsversicherung abgegeben hat.
a) Nach § 67 Abs. 3 Satz 1 GmbHG hat der Liquidator in der Anmeldung zu versichern,
dass keine Umstände vorliegen, die seiner Bestellung nach § 66 Abs. 4 in Verbindung mit
§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3, Satz 3 GmbHG entgegenstehen, und dass er über seine
unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden ist. In §§ 66 Abs. 4,
6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 GmbHG ist geregelt, dass Liquidator nicht sein kann, wer aufgrund
eines gerichtlichen Urteils oder einer vollziehbaren Entscheidung einer Verwaltungsbehörde
einen Beruf, einen Berufszweig, ein Gewerbe oder einen Gewerbezweig nicht ausüben darf,
sofern der Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots
übereinstimmt. Nach §§ 66 Abs. 4, 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Satz 3 GmbHG kann Liquidator
nicht sein, wer wegen einer der dort näher bezeichneten vorsätzlich begangenen Straftaten
bzw. wegen einer vergleichbaren Tat im Ausland verurteilt worden ist.
b) Zu der Versicherung nach § 67 Abs. 3 Satz 1 GmbHG ist jeder das Amt übernehmende
Liquidator verpflichtet, auch derjenige, der als Geschäftsführer nach § 66 Abs. 1 GmbHG
geborener Liquidator ist, und auch derjenige, der bereits als Geschäftsführer solche
Versicherung abgegeben hat, weil der Liquidator nicht das alte Amt fortsetzt, sondern ein
neues antritt und erneut sichergestellt werden soll, dass keine persönlichen Mängel gegeben
sind (vgl. etwa Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 11. Mai 1982 – BReg 3
Z 39/82 –, Rn. 35, juris; Haas in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 67 Rn. 11;
Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 67 Rn. 8). Die
Habilitätsversicherung ist als Teil der Anmeldung in der Form des § 12 Abs. 1 HGB
abzugeben (Müller in: MüKoGmbHG, 4. Aufl., § 67 Rn. 20; Haas, aaO., § 67 Rn. 12).
c) Gem.
elektronisch in öffentlich beglaubigter Form einzureichen.
Die Erklärung muss damit grundsätzlich schriftlich abgefasst und die Unterschrift des
Anmeldenden von einem Notar beglaubigt werden (§ 129 Abs. 1 Satz 1 BGB, §§ 39, 40
BeurkG, § 20 Abs. 1 Satz 1 BNotO). Aus dem Beglaubigungsvermerk muss sich der
Vollzug oder die Anerkennung der Unterschrift bei einem Notar ergeben; auch muss der
Vermerk die Person bezeichnen, welche die Unterschrift vollzogen oder anerkannt hat, und
Unterschrift und Siegel des Notars enthalten (
Beglaubigungsvermerk ist eine öffentliche Urkunde nach §§ 415, 418 ZPO. Der Vermerk
beweist deshalb nach § 418 Abs. 1 ZPO die in ihm bezeugte Tatsache der Echtheit der
Unterschrift. Die über der beglaubigten Unterschrift befindliche Erklärung hat damit gemäß
§ 440 Abs. 2 ZPO ebenfalls die Vermutung der Echtheit, also der Urheberschaft des
Unterzeichners, für sich (Schaub in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 12
Rn. 47). Der Notar muss daher eine Identitätsprüfung desjenigen, dessen Unterschrift
beglaubigt werden soll, vornehmen. Denn
BeurkG, eindeutig Gewissheit über die Person des Anmeldenden zu verschaffen (Krafka in:
MüKoHGB, 5. Aufl., § 12 Rn. 14; Schaub, aaO., Rn. 53).
d) Diese Anforderungen können grundsätzlich auch im Ausland durch eine ausländische
Urkundsperson erfüllt werden. Denn derartige Beglaubigungen sind nach Auffassung des
Senats jedenfalls dann ausreichend, wenn sie dem entsprechenden Beurkundungsvorgang
nach deutschem Recht gleichwertig sind (vgl. Senat, Beschluss vom 03. März 2022 – 22 W
92/21 –, Rn. 10, juris; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 22. Januar 1999 – 3 W 246/98 –,
Rn. 2, juris). Dabei kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob nach (hier wohl) türkischem
Recht eine Unterschriftsbeglaubigung ohne eine solche Identitätsprüfung möglich wäre.
Denn bei der vorliegend in Rede stehenden Habilitätsversicherung ist eine solche Prüfung
alleine schon aufgrund deren Strafbewehrung in § 82 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG zwingend
erforderlich. Eine Unterschriftsbeglaubigung ohne Identitätsprüfung wäre daher einer
deutschen Beglaubigung nicht gleichwertig und erfüllte daher die Voraussetzungen des § 12
Abs. 1 HGB nicht.
e) Ob eine solche Gleichwertigkeit vorliegt, kann der Senat – ebensowenig wie das
Amtsgericht - mangels Kenntnis der Sprache entscheiden, in denen die mit der Erklärung
eingereichten Dokumente abgefasst sind. Selbst wenn es sich bei dem „Dokument IMZA“
um den Vermerk einer Urkundsperson hinsichtlich einer Unterschriftsbeglaubigung handeln
sollte, lässt sich nicht erkennen, ob dabei die hier erforderliche Identitätsprüfung
vorgenommen worden ist.
f) Diese Unklarheiten gehen im vorliegenden Fall zu Lasten der Beteiligten, die trotz
entsprechender Auflage des Senates keine Übersetzung der Dokumente eingereicht hat.
aa) Zwar können Beglaubigungsvermerke ausländischer Notare grundsätzlich auch in ihrer
Fremdsprache eingereicht werden (Schaub in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB,
4. Aufl., nach § 12 Rn. 156). Auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann aber
nach
Beteiligten nach § 27 Abs. 1 FamFG die Auflage erteilt werden, eine Übersetzung
einzureichen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2013 – 11 Wx 16/13 –, Rn. 14,
juris; Jacoby in: Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG, 4. Aufl., § 27 Rn. 6; Meyer-Holz in: Keidel,
FamFG, 20. Aufl., § 32 Rn. 33). Da § 142 Abs. 3 ZPO (analog) die Einholung oder Auflage
einer Übersetzung in das Ermessen stellt, kann sich das Gericht zwar mit der Vorlage des
fremdsprachigen Dokuments begnügen, wenn – alle - erkennenden Richter sie übersetzen
können (vgl. etwa – zum FamFG - Schleswig Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss
vom 01. Februar 2012 – 2 W 10/12 –, Rn. 18, juris; zum Zivilprozess: Fritsche in:
MüKoZPO, 6. Aufl., §§ 142-144 Rn. 19). Bei fehlenden Sprachkenntnissen dagegen ist die
Einholung einer Übersetzung geboten (zum FamFG: OLG Karlsruhe, Beschluss vom
5. März 2013 – 11 Wx 16/13 –, Rn. 15, juris; zur ZPO: Greger in: Zöller, ZPO, 34. Aufl.,
§ 142 Rn. 17).
bb) Unter Anwendung dieser Grundsätze wäre die Beteiligte hier gehalten gewesen, eine
Übersetzung jedenfalls des „Dokuments IMZA“ einzureichen. Da sie dies trotz der
entsprechenden Auflage nicht getan hat, gehen die nicht ausgeräumten Zweifel hinsichtlich
der an die Eintragung geknüpften Voraussetzungen zur Lasten der Beteiligten als
Antragstellerin (zur Feststellungslast in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit vgl.
Sternal in: Keidel, FamFG, 20. Aufl., § 29 Rn. 43; Ulrici in: MüKoFamFG, 3. Aufl., § 37
Rn. 18).
cc) Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich auch, dass vorliegend nicht entschieden
werden muss, ob es sich bei dem „Dokument IMZA“ um eine öffentliche Urkunde handelt,
die aufgrund der Apostille nach dem Haager Legalisationsbefreiungsübereinkommen vom
05. Oktober 1961 (BGBl II 1965, 875) die Wirkung einer legalisierten Urkunde nach § 438
ZPO hätte (vgl. hierzu Schaub in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., nach
§ 12 Rn. 151). Denn selbst wenn dies der Fall wäre, würde die Apostille Rückschlüsse weder
auf die Einhaltung von Verfahrensvorschriften noch auf die inhaltliche Richtigkeit des
Beglaubigungsvermerkes zulassen. Denn die Apostille bestätigt nur die Echtheit der
Unterschrift der Urkundsperson, die Eigenschaft, in welcher diese gehandelt hat, und
gegebenenfalls die Echtheit des Siegels oder Stempels, mit dem die Urkunde versehen ist
(vgl. Art. 5 Abs. 2 Haager Legalisationsbefreiungsübereinkommen sowie Feskorn in: Zöller,
ZPO, 34. Aufl., § 438 Rn. 3). Auch muss nicht entschieden werden, ob die Ansicht des
Amtsgerichts zutrifft, die Habilitätsversicherung sei „zu alt“ gewesen (zu diesem
Problemkreis vgl. Senat, Beschluss vom 17. März 2022 – 22 W 10/22 –, Rn. 11 ff., juris).
III.
1.
Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da diese sich aus dem Gesetz ergibt (§ 22
GNotKG, Nr. 19112 KV-GNotKG). Auch eine Wertfestsetzung ist nicht veranlasst, da für
das Beschwerdeverfahren eine wertunabhängige Festgebühr anfällt (Nr. 2500, 2501 GV zu
§ 1 Satz 1 HRegGebVO in Verbindung mit § 58 Abs. 1 Satz 1, Nr. 19112 KV-GNotKG).
2.
Die Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Die Sache hat
weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Rechtsbeschwerdegerichts, da die Entscheidung aufgrund der besonderen Umstände des
vorliegend zu beurteilenden Sachverhalts getroffen worden ist.
Entscheidung, Urteil
Gericht:Kammergericht
Erscheinungsdatum:01.07.2022
Aktenzeichen:22 W 31/22
Rechtsgebiete:
Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren
Kostenrecht
GmbH
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
GmbHG §§ 6 Abs. 2, 39 Abs. 3 S. 1, 67 Abs. 3 S. 1; HGB § 12 Abs. 1 S. 1; ZPO § 142 Abs. 3