Kindesunterhalt; keine Verwirkung bei Unterlassen der Geltendmachung nach Titulierung
letzte Aktualisierung: 17.2.2021
OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.5.2020 – 13 WF 84/20
Kindesunterhalt; keine Verwirkung bei Unterlassen der Geltendmachung nach Titulierung
1. Das bloße Unterlassen der Geltendmachung des Unterhalts oder der Fortsetzung einer
begonnenen Geltendmachung kann das Umstandsmoment der Verwirkung nicht begründen.
Hinzutreten muss ein Vertrauen begründendes Verhalten des Gläubigers, das dem Schuldner Grund
zu der Annahme gibt, der Unterhaltsberechtigte werde seinen Unterhaltsanspruch endgültig nicht
mehr geltend machen, insbesondere weil er seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben hat.
2. Das gilt erst recht bei titulierten Ansprüchen, denn mit der Verschaffung eines
Vollstreckungstitels zeigt der Gläubiger bereits, dass er diesen über die gesamte Verjährungsfrist hin
auch geltend machen will.
Gründe:
1. Der Antragsteller wendet sich gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe für ein
Vollstreckungsabwehrverfahren gegen einen gerichtlichen Titel auf dynamisierten
Kindesunterhalt aus 2012.
Er hat in der Vergangenheit auf den Titel gleichbleibend Unterhalt gezahlt und ist der
Ansicht, die Vollstreckung, die der Antragsgegner nunmehr wegen darüber hinaus
aufgelaufener Unterhaltsrückständen zwischen April 2015 und September 2019 betreibt, sei
wegen Verwirkung der Rückstände unzulässig,
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht Verfahrenskostenhilfe mangels
Verwirkung abgelehnt.
Mit seiner Beschwerde leitet der Antragsteller die Verwirkung aus einer unterlassenen
Geltendmachung der Ansprüche für mehr als zwölf Monate her.
Das Amtsgericht hat das Umstandsmoment unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom
31. Januar 2018 – XII ZB 133/17 – verneint und die Sache vorgelegt.
2. Die nach
zulässige sofortige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine Erfolgsaussicht (
Vollstreckungsabwehrbegehren (
Verwirkungseinwand (
Es fehlt das für eine Verwirkung zusätzlich zum Zeitmoment erforderliche Umstandsmoment,
wie das Amtsgericht zutreffend erkannt hat. Nach gefestigter Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs, dem der Senat folgt, müssen zum reinen Zeitablauf besondere, auf dem
Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des
Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend
machen.
Der Vertrauenstatbestand kann nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden.
Dementsprechend kann ein bloßes Unterlassen der Geltendmachung des Anspruchs für sich
genommen kein berechtigtes Vertrauen des Schuldners auslösen. Dies gilt nicht nur für eine
bloße Untätigkeit des Gläubigers, sondern grundsätzlich auch für die von diesem
unterlassene Fortsetzung einer bereits begonnenen Geltendmachung. Auch wenn der
Gläubiger davon absieht, sein Recht weiter zu verfolgen, kann dies für den Schuldner nur
dann berechtigterweise Vertrauen auf eine Nichtgeltendmachung hervorrufen, wenn das
Verhalten des Gläubigers Grund zu der Annahme gibt, der Unterhaltsberechtigte werde
diesen Unterhaltsanspruch endgültig nicht mehr geltend machen, insbesondere weil er
seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben hat (vgl. BGH, Beschluss vom 07. Februar 2018 – XII
ZB 338/17 –, Rn. 21, juris; Senat
Das gilt erst recht bei titulierten Ansprüchen, denn mit der Verschaffung eines
Vollstreckungstitels zeigt der Gläubiger bereits, dass er diesen über die gesamte
Verjährungsfrist hin auch geltend machen will (vgl. Staudinger/Klinkhammer (2018)
Vorbemerkung BGB § 1601, Rn. 104). Vertrauensbegründende Umstände, wie etwa ein
konkretes Verhalten des Gläubigers, das Grund zu der Annahme geben könnte, er werde
seinen extra titulierten Unterhaltsanspruch endgültig fallen lassen, insbesondere weil er
seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben habe, hat der Antragsteller nicht dargetan.
Die vom Beschwerdeführer herangezogene früherer Rechssprechung hat eine Untätigkeit
des Gläubigers gleichermaßen für das Vorliegen des Zeit- wie für die Erfüllung des
Umstandsmomentes ausreichen lassen und ist überholt.
Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht zu entscheiden (§§ 113 Abs. 1 S 2
FamFG, 127 Abs. 4 ZPO).
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (
ZPO), besteht nicht.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Brandenburg
Erscheinungsdatum:20.05.2020
Aktenzeichen:13 WF 84/20
Rechtsgebiete:
Allgemeines Schuldrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
BGB § 242