Verwalterlose Zweiergemeinschaft; Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen durch Wohnungseigentümergemeinschaft; kein Anwendungsfall der actio pro socio; Vertretung der verwalterlosen Zweiergemeinschaft
letzte Aktualisierung: 1.7.2024
BGH, Urt. v. 9.2.2024 – V ZR 6/23
Verwalterlose Zweiergemeinschaft; Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen durch
Wohnungseigentümergemeinschaft; kein Anwendungsfall der actio pro socio;
Vertretung der verwalterlosen Zweiergemeinschaft
a) Auch in einer verwalterlosen Zweiergemeinschaft können jedenfalls auf Beeinträchtigungen des
gemeinschaftlichen Eigentums bezogene Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche (hier:
Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung) nur von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
und nicht im Wege der actio pro socio von einem einzelnen Wohnungseigentümer geltend gemacht
werden (Fortführung von Senat, Urteil vom 28. Januar 2022 – V ZR 86/21,
b) Die verwalterlose Zweiergemeinschaft wird bei der Geltendmachung von Unterlassungs- oder
Beseitigungsansprüchen, die sich auf Beeinträchtigungen des gemeinschaftlichen Eigentums durch
einen der Wohnungseigentümer beziehen, von dem jeweils anderen Wohnungseigentümer vertreten;
einer Vorbefassung der Eigentümerversammlung vor Klageerhebung bedarf es insoweit nicht
(Fortführung von Senat, Urteil vom 16. September 2022 – V ZR 180/21,
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung in ZWE
2023, 167 veröffentlicht ist, fehlt den Klägern die Prozessführungsbefugnis. Ob
die beabsichtigte Wohnnutzung bei typisierender Betrachtung weniger störe als
die gewerbliche Nutzung, könne daher offenbleiben. Nach der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes
müsse die GdWE die Unterlassung einer gegen § 14
Abs. 1 Nr. 1 WEG verstoßenden Nutzung geltend machen. Soweit eine zweckwidrige
Nutzung das Eigentum aller Wohnungseigentümer mittelbar beeinträchtige,
könnten diese zwar einen Anspruch aus
insoweit sei die Prozessführungsbefugnis aber der GdWE zugewiesen. Die Kläger
könnten den Unterlassungsanspruch auch nicht für die GdWE geltend
machen. Das aus dem Gesellschaftsrecht stammende Instrument der actio pro
socio sei - auch im Falle einer verwalterlosen Zweiergemeinschaft - nicht anwendbar.
Der Rechtsschutz des einzelnen Wohnungseigentümers werde hierdurch
nicht unzumutbar erschwert.
II.
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Die Kläger können, wie das Berufungsgericht zutreffend erkennt, den
Anspruch auf Einhaltung des Binnenrechts nach
auf das gleiche Ziel gerichteten Anspruch aus
machen.
a) Der Senat hat bereits entschieden, dass der einzelne Wohnungseigentümer
nach Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes
(WEMoG) nicht mehr von einem anderen Wohnungseigentümer die Unterlassung
einer zweckwidrigen Nutzung des Wohnungseigentums verlangen kann.
Vielmehr besteht nach
losgelöste Pflicht der Wohnungseigentümer, das in der Gemeinschaft
geltende Regelwerk einzuhalten, nur gegenüber der GdWE. Soweit ein Verstoß
gegen das Regelwerk keinen Wohnungseigentümer konkret beeinträchtigt, ist es
nach der Auffassung des Gesetzgebers sachgerecht, dass die damit zusammenhängenden
Auseinandersetzungen nicht zwischen einzelnen Wohnungseigentümern
geführt werden, sondern mit der GdWE (vgl. Senat, Urteil vom 28. Januar
2022 - V ZR 86/21,
Anspruchsinhaberin und damit (allein) prozessführungsbefugt (s.a. Senat, Urteil
vom 16. Juli 2021 - V ZR 284/19,
b) Nichts anderes folgt daraus, dass die einer Zweckbestimmung widersprechende
Nutzung einer Sondereigentumseinheit sich zugleich als (mittelbare)
Beeinträchtigung des Eigentums aller Wohnungseigentümer darstellt. Zwar be-
gründet dies einen Unterlassungsanspruch nach
materiell-rechtlich nicht die GdWE ist; der Anspruch steht vielmehr den
einzelnen Wohnungseigentümern zu. Die Wohnungseigentümer sind aber nicht
(mehr) befugt, diesen Anspruch geltend zu machen. Prozessführungsbefugt ist
nach
für die Abwehr von Verletzungen des Binnenrechts allein zuständig und damit
prozessführungsbefugt sein soll. Hiermit verträgt es sich nicht, wenn der Anspruch
auf Einhaltung des Binnenrechts nach
zugeordnet wird und der auf das gleiche Ziel gerichtete Anspruch aus
gemacht werden könnte (vgl. Senat, Urteil vom 28. Januar 2022 - V ZR 86/21,
2. Diese Grundsätze zieht die Revision für sich genommen nicht in Zweifel.
Sie meint aber, dass bei Geltendmachung von Ansprüchen auf Unterlassung einer
zweckwidrigen Nutzung in einer - wie hier - verwalterlosen Zweiergemeinschaft
die Grundsätze der actio pro socio anzuwenden seien. Das trifft indes nicht
zu. Auch in einer verwalterlosen Zweiergemeinschaft können jedenfalls auf Beeinträchtigungen
des gemeinschaftlichen Eigentums bezogene Unterlassungsoder
Beseitigungsansprüche (hier: Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung)
nur von der GdWE und nicht im Wege der actio pro socio von einem einzelnen
Wohnungseigentümer geltend gemacht werden.
a) Für das Revisionsverfahren ist mangels anderweitiger Feststellungen,
die das Berufungsgericht, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, nicht treffen
musste, davon auszugehen, dass die durch die Beklagten beabsichtigte Nutzungsänderung
den Bestimmungen in der Teilungserklärung widerspricht.
b) Die Unterlassung einer solchen beabsichtigten zweckwidrigen Nutzung
kann nur die GdWE verlangen. Die Grundsätze der actio pro socio sind insoweit
auch im Fall einer verwalterlosen Zweiergemeinschaft nicht übertragbar.
aa) Allerdings wird es teilweise für geboten erachtet, die für das Gesellschaftsrecht
entwickelten Grundsätze der actio pro socio (vgl. hierzu u.a. BGH,
Urteil vom 25. Januar 2022 - II ZR 50/20,
aaO Rn. 21 auch zu dem am 1. Januar 2024 in Kraft getretenen
dergestalt zu übertragen, dass ein Wohnungseigentümer Leistungs-, aber auch
Unterlassungsansprüche direkt gegen einen anderen Wohnungseigentümer geltend
machen kann (vgl. BeckOK WEG/Elzer [1.1.2024], § 43 Rn. 72 f.;
Lieder/Pordzik,
Maß an Minderheitenschutz (Lieder/Pordzik aaO). Jedenfalls dann, wenn die
Geltendmachung durch die Gemeinschaft als Umweg und aussichtslos oder zumindest
kaum realisierbar erscheine, müsse dies möglich sein (vgl. Hügel/Elzer,
WEG, 3. Aufl., § 9b Rn. 34).
bb) Nach anderer Ansicht sind die Grundsätze der actio pro socio nicht
übertragbar. Der Minderheitenschutz werde im Wohnungseigentumsrecht - auch
in der verwalterlosen Zweiergemeinschaft - auf andere Weise gewährleistet
(vgl. LG Frankfurt a.M.,
Vorbemerkungen zu §§ 43 ff. Rn. 34; BeckOK WEG/Müller [1.1.2024], § 14
Rn. 50a; Zschieschack in Jennißen, WEG, 8. Aufl., § 9b Rn. 113, 115; Staudinger/
Lehmann-Richter [2023],
zu §§ 43-45 WEG Rn. 42; Hansen in Münchener Handbuch des
Wohnungseigentumsrechts, 8. Aufl., § 32 Rn. 20 f.; Lehmann-Richter/Wobst,
WEG-Reform 2020, Rn. 64 f.; Suilmann,
cc) Zutreffend ist die zuletzt genannte Ansicht. Eine auf Leistung an die
GdWE gerichtete Klage einzelner Wohnungseigentümer im Wege der actio pro
socio kommt von vornherein nicht in Betracht, sofern ein Verwalter bestellt ist; es
widerspräche nämlich der Zielsetzung des Reformgesetzgebers, wenn neben einem
bestellten Verwalter einzelne Wohnungseigentümer Klage auf Leistung an
die GdWE erheben könnten. Aber auch in einer - wie hier - verwalterlosen GdWE
gilt jedenfalls für Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche nichts anderes.
(1) Als actio pro socio wird regelmäßig die Geltendmachung eines Anspruchs
aus dem Gesellschaftsverhältnis durch einen Gesellschafter im eigenen
Namen gegen einen Mitgesellschafter auf Leistung an die Gesellschaft bezeichnet.
Die Befugnis wurzelt im Gesellschaftsverhältnis und ist Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts
des Gesellschafters. Aufgrund dieser besonderen gesellschaftsrechtlichen
Beziehung kann ein Gesellschafter einen Mitgesellschafter im
Interesse der Gesellschaft in Anspruch nehmen. Der einzelne Gesellschafter
kann eine Gesellschaftsforderung einklagen, wenn er an der Geltendmachung
ein berechtigtes Interesse hat, die anderen Gesellschafter die Einziehung der
Forderung aus gesellschaftswidrigen Gründen verweigern und zudem der verklagte
Gesellschaftsschuldner an dem gesellschaftswidrigen Verhalten beteiligt
ist. Den klagenden Gesellschafter in einem solchen Fall darauf zu verweisen,
zunächst die anderen Gesellschafter auf Mitwirkung an der Geltendmachung der
Forderung zu verklagen, wird bei Beteiligung des beklagten Gesellschafters am
gesellschaftswidrigen Verhalten als unnötiger Umweg erachtet (vgl. BGH, Urteil
vom 25. Januar 2022 - II ZR 50/20,
Einzelfall werden diese Grundsätze auch angewandt, wenn es sich nicht um Ansprüche
auf Leistung an die Gesellschaft handelt (vgl. etwa BGH, Urteil vom
11. Juli 2023 - II ZR 116/21,
(2) Diese speziellen Vorgaben sind auf die Geltendmachung eines Unterlassungs-
oder Beseitigungsanspruchs - wie des hier geltend gemachten Anspruchs
auf Unterlassung einer (beabsichtigten) zweckwidrigen Nutzung - auch
in einer verwalterlosen GdWE nicht übertragbar. Das ergibt sich schon daraus,
dass, anders als im Grundfall der actio pro socio, kein Anspruch auf Leistung an
die GdWE, sondern die Einhaltung der die Nutzung betreffenden Binnenregeln
der GdWE durchgesetzt werden soll. Insoweit entspricht es gerade dem erklärten
Willen des Gesetzgebers, den Verband zu stärken und für Ansprüche auf Einhaltung
des Binnenrechts nach
zu erachten. Auseinandersetzungen über die von konkreten
Beeinträchtigungen losgelöste Einhaltung des in der Gemeinschaft geltenden
Regelwerks sollen nicht mehr zwischen einzelnen Wohnungseigentümern geführt
werden (vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 52 f.). Anhaltspunkte dafür, dass der
Gesetzgeber diese von ihm gewollte Abkehr von der bisherigen Rechtslage (vgl.
Senat, Urteil vom 28. Januar 2022 - V ZR 86/21,
Geltendmachung von Ansprüchen auf Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung
in einer verwalterlosen Zweiergemeinschaft nicht intendiert und vielmehr
insoweit eine Übertragung des im Gesellschaftsrecht entwickelten Instruments
der actio pro socio für richtig gehalten haben könnte, sind nicht ersichtlich.
Schließlich kommt die Übertragung der Grundsätze der actio pro socio auf einen
(auch) aus
wegen mittelbarer Beeinträchtigung ihres Sondereigentums
durch eine zweckwidrige Nutzung schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich
nicht um einen Anspruch der GdWE handelt, sondern um einen solchen der Wohnungseigentümer
(s.o. Rn. 7).
(3) Die Durchsetzung von Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüchen
wird hierdurch auch nicht unzumutbar erschwert.
(a) Dies gilt gerade bei einer verwalterlosen Zweiergemeinschaft. Denn
die verwalterlose Zweiergemeinschaft wird bei der Geltendmachung von Unterlassungs-
oder Beseitigungsansprüchen, die sich auf Beeinträchtigungen des gemeinschaftlichen
Eigentums durch einen der Wohnungseigentümer beziehen,
von dem jeweils anderen Wohnungseigentümer vertreten; einer Vorbefassung
der Eigentümerversammlung vor Klageerhebung bedarf es insoweit nicht.
(aa) Die verwalterlose GdWE wird gemäß § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG von
den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich vertreten. Unterliegt ein Wohnungseigentümer
einem Vertretungsverbot, ist er allerdings von der gemeinschaftlichen
Vertretung ausgeschlossen. Verbleibt nur ein Wohnungseigentümer,
der keinem Vertretungsverbot unterliegt, vertritt dieser die GdWE allein
(vgl. Senat, Urteil vom 8. Juli 2022 - V ZR 202/21,
gilt, wie der Senat bereits entschieden hat, auch für Aktivprozesse, da andernfalls
ohne erkennbaren Nutzen prozessuale Hürden für Klagen gegen einzelne Wohnungseigentümer,
die ihre wohnungseigentumsrechtlichen Verpflichtungen nicht
einhalten, entstünden (vgl. Senat, Urteil vom 16. September 2022 - V ZR 180/21,
(bb) Für Beitragsverfahren hat der Senat außerdem bereits entschieden,
dass es in einer verwalterlosen GdWE vor Erhebung einer gegen einen einzelnen
Wohnungseigentümer gerichteten Klage auf Zahlung einer Sonderumlage an die
von den übrigen Wohnungseigentümern vertretene GdWE keiner vorherigen Beschlussfassung
über die Klageerhebung bedarf (vgl. Senat, Urteil vom 16. September
2022 - V ZR 180/21,
wäre hierbei, anders als die die Klageerhebung befürwortenden verbleibenden
Wohnungseigentümer, nicht stimmberechtigt (§ 25 Abs. 4 Alt. 2 WEG). Eine
förmliche Beschlussfassung zu verlangen, deren Ergebnis bereits zweifelsfrei
feststeht, wäre eine unnötige Förmelei. Das gilt umso mehr, als die Einberufung
und Durchführung einer Eigentümerversammlung in einer zerstrittenen verwalterlosen
GdWE beträchtliche Probleme aufwirft (vgl. zum Ganzen Senat, Urteil
vom 16. September 2022 - V ZR 180/21, aaO). Soweit der Senatsrechtsprechung
zufolge die üblichen Verwaltungsregeln auch in einer zerstrittenen Zweiergemeinschaft
eingehalten werden müssen, bezieht sich dies auf Sachverhalte, in
denen die Beschlussfassung gerade keine unnötige Förmelei ist, so dass ggf.
eine Beschlussersetzung durch Gestaltungsurteil herbeigeführt werden muss; in
diese Fallgruppe gehört auch die von den Parteien im Revisionsverfahren zitierte
Senatsentscheidung zur Ausübung des Selbstbeseitigungsrechts (Urteil vom
5. Juli 2019 - V ZR 149/18,
(cc) Diese für Beitragsansprüche entwickelte Handhabung gilt auch für die
Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen. Insbesondere trägt die teilweise
geäußerte Kritik, dass die GdWE auf beiden Seiten eines Verfahrens zu
stehen drohe, wenn sie, vertreten durch einen Wohnungseigentümer, Unterlassung
einer gegen die Binnenregeln verstoßenden Nutzung von dem anderen
Wohnungseigentümer verlange, dieser aber deren Duldung begehre, nicht (so
aber Abramenko,
begehrende GdWE zu richten, sodass die GdWE, ggf. nach einer Verfahrensverbindung
(§ 147 ZPO), als Klägerin und Widerbeklagte gerade auf derselben
Seite stünde; nichts anderes ergäbe sich bei einer auf
gestützten Unterlassungsklage durch die insoweit prozessführungsbefugte
GdWE (vgl. Rn. 7). Die Austragung interner Streitigkeiten in zerstrittenen verwalterlosen
Zweiergemeinschaften wird durch diese Lösung eher erleichtert denn
erschwert (ebenso Zschieschack in Jennißen, WEG, 8. Aufl., § 9b Rn. 71).
Ebenso wenig lässt sich ihr entgegenhalten, dass auf diese Weise - gerade in
streitanfälligen verwalterlosen Zweiergemeinschaften - eine gerichtlich überprüfbare
Willensbildung unterbleibe (so aber Abramenko aaO). Denn zum einen wird
es im Regelfall - schon um der Kostenfolge des § 93 ZPO zu entgehen - vorab
jedenfalls zu Gesprächen der Wohnungseigentümer gekommen sein. Und zum
anderen lässt sich die Frage, ob eine beabsichtigte Nutzungsänderung zu unterlassen
(oder zu dulden) ist, in einer zerstrittenen Zweiergemeinschaft naturgemäß
nur durch das Gericht klären. Dann ist es aber sinnvoll und effizient, das
(gleichermaßen) zuständige Gericht unmittelbar mit der Frage des Bestehens eines
Unterlassungs- oder Duldungsanspruchs zu befassen.
(b) In größeren verwalterlosen Gemeinschaften ist dagegen, wenn die
Mehrheit der Wohnungseigentümer Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche
nicht durchsetzen möchte, die Beschlussersetzungsklage gemäß § 44 Abs. 1
Satz 2 WEG der richtige Weg, um den Minderheitenschutz zu gewährleisten. Die
Beschlussersetzungsklage dient unter anderem der gerichtlichen Durchsetzung
des Anspruchs des Wohnungseigentümers auf ordnungsmäßige Verwaltung
(vgl. Senat, Urteil vom 16. September 2022 - V ZR 69/21,
mwN). Es ist aber nicht zwangsläufig so, dass (nur) die gerichtliche Verfolgung
eventuell bestehender Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche ermessensgerecht
wäre. Denn es mag durchaus beachtliche Gründe geben, warum die
Mehrheit der Wohnungseigentümer von einer Rechtsverfolgung absieht; daher
bedarf es einer Überprüfung und ggf. Ersetzung der gemeinschaftlichen Willensbildung
durch das Gericht (vgl. Bärmann/Göbel, WEG, 15. Aufl., Vorbemerkungen
zu §§ 43 ff. Rn. 34; siehe auch Senat, Beschluss vom 20. April 1990 - V ZB
1/90,
dd) Ob bezogen auf Beitragsverfahren einer verwalterlosen GdWE eine
actio pro socio in Betracht kommen kann, lässt der Senat dagegen ausdrücklich
offen. Es ist nämlich, auch wenn dies ein generelles Problem bei gesetzlich angeordneter
Gesamtvertretung ist (vgl. Senat, Urteil vom 8. Juli 2022
- V ZR 202/21,
dass die Rechtsdurchsetzung gerade bei größeren verwalterlosen Gemeinschaften
- anders als im hier gegebenen Fall einer verwalterlosen Zweiergemeinschaft
- seit dem 1. Dezember 2020 ganz erheblich erschwert ist. Schon die Einberufung
und Durchführung einer Eigentümerversammlung wirft beträchtliche
Probleme auf (vgl. Senat, Urteil vom 16. September 2022 - V ZR 180/21, NJW
2022, 3577 Rn. 15). Selbst bei Durchführung einer Eigentümerversammlung und
Fassung eines auf Erhebung einer Zahlungsklage gerichteten Mehrheitsbeschlusses
wäre begründungsbedürftig, warum daraus eine persönliche Mitwirkungspflicht
der (mit Ausnahme des künftigen Beklagten nur gemeinsam vertretungsberechtigten)
Wohnungseigentümer folgen sollte (vgl. allg. zu der Begründung
von Leistungs- und Mitwirkungspflichten Senat, Urteil vom 18. Juni 2010
- V ZR 193/09,
Wohnungseigentümer ihrerseits im Klagewege durchgesetzt werden, da
die Regelung des § 27 Abs. 3 Satz 3 WEG aF, die die mehrheitliche Ermächtigung
eines einzelnen Wohnungseigentümers zur Vertretung der GdWE genügen
ließ, entfallen ist. Dem steht die gewichtige Verpflichtung der Wohnungseigentümer
gegenüber, für eine ordnungsgemäße Finanzausstattung der GdWE zu sorgen
(vgl. Senat, Urteil vom 25. März 2022 - V ZR 92/21,
Rn. 12); die Finanzausstattung wird schon dadurch gefährdet, dass Beitragsansprüche
der Verjährung unterliegen. Es bedarf hier aber keiner Entscheidung, ob
den auf die verwalterlose GdWE bezogenen Problemen, solange der Gesetzgeber
insoweit nicht tätig wird, trotz fortbestehender Bedenken (eingehend Senat,
Beschluss vom 20. April 1990 - V ZB 1/90,
den Justizgewährungsanspruch durch die Anwendung der insbesondere für Beitragsansprüche
entwickelten Grundsätze der actio pro socio (vgl. Rn. 14) oder
vielmehr durch praktikable Anforderungen an die Bestellung eines Notverwalters
zu begegnen ist.
3. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen haben ebenfalls keinen
Erfolg. Insbesondere hat das Berufungsgericht unter Berücksichtigung seiner
Neutralitätspflicht (vgl. Senat, Urteil vom 17. März 2023 - V ZR 140/22, NJWRR
2023, 791 Rn. 32 mwN) die im Rahmen materieller Prozessleitung gebotenen
Hinweise gemäß
(
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:09.02.2024
Aktenzeichen:V ZR 6/23
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
WEG § 14 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 1004 Abs. 1