OLG München 14. Juni 2019
34 WX 237/18
BGB §§ 2113, 2120

Zustimmung des Nacherben zu Grundstücksverfügung des Vorerben aufgrund transmortaler Vollmacht des Erblassers; Vorerbe als transmortal Bevollmächtigter

BGB §§ 2113, 2120
Zustimmung des Nacherben zu Grundstücksverfügung des Vorerben aufgrund transmortaler Vollmacht des Erblassers; Vorerbe als transmortal Bevollmächtigter

Der Vorerbe kann die Zustimmung zu einer Verfügung sich selbst gegenüber nicht unter Berufung auf eine vom Erblasser erteilte Generalvollmacht namens des Nacherben erklären, wenn nicht der Nacherbe ihm gegenüber zur Erteilung der Zustimmung verpflichtet ist.

OLG München, Beschl. v. 14.6.2019 – 34 WX 237/18

Problem
V1 und V2 sind als nicht befreite Vorerben Eigentümer von Grundbesitz. Zu Nacherben sind die Enkelkinder des Erblassers, derzeit M und O (V2 hat keine Kinder), eingesetzt. Der Nacherbfall tritt beim Tode des jeweiligen Vorerben ein.

Der Erblasser hat im Jahre 2006 eine General- und Betreuungsvollmacht errichtet, in der er seiner Ehefrau sowie seinen Kindern V1 und V2 Vollmacht erteilte, ihn in persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten in jeder Weise und in jedem Umfang gegenüber jedermann zu vertreten. Die Kinder sollten gemeinsam vertretungsberechtigt, jedoch nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit sein. Die Vollmacht berechtigte ausdrücklich auch zur Veräußerung und Belastung von Grundbesitz und sollte über den Tod hinaus gültig sein.

Nach dem Tod des Erblassers veräußerten V1 und V2 im Jahr 2017 für sich selbst im eigenen Namen das Grundstück an K. O, der Enkel des Erblassers, und V1 und V2 aufgrund behaupteter Vollmacht für M, den weiteren Enkel des Erblassers, stimmten dem Verkauf zu und bewilligten und beantragten die Löschung des Nacherbenvermerks. Zum Vollzug der Urkunde verlangte das Grundbuchamt neben der Bewilligung der bekannten Nacherben auch die durch das Betreuungsgericht genehmigte Bewilligung eines Pflegers für noch unbekannte Nacherben nach § 1913 BGB. Hiergegen wurde Beschwerde eingelegt mit der Begründung, dass die transmortale Vollmacht des Erblassers zur Vertretung der Nacherben berechtige, auch soweit diese nicht bekannt seien. Das Grundbuchamt half der Beschwerde nicht ab.

Auf Hinweis des Senats legte der Notar nachträglich noch eine Genehmigung der Urkunde durch V1 und V2, handelnd aufgrund der Generalvollmacht für die derzeit noch unbekannten Nacherben, vor.

Entscheidung
Nach Ansicht des OLG München kann der eingetragene Nacherbenvermerk nicht gelöscht werden, da weder die Löschungsbewilligung aller Nacherben gem. § 19 GBO vorliege noch die Grundbuchunrichtigkeit nach § 22 Abs. 1 GBO nachgewiesen sei. Aus Sicht des OLG ist das Grundstück nicht aus der Nacherbenbindung ausgeschieden, da es an der Zustimmung möglicher weiterer Nacherben fehle, die bis zum Nacherbfall neben O und M (als den nur „derzeit“ berufenen Nacherben) hinzutreten könnten.

Auch die nachträgliche Genehmigung der Urkunde durch V1 und V2 für die unbekannten Nacherben aufgrund der General- und Betreuungsvollmacht des Erblassers hat nach Ansicht des OLG München nicht dazu geführt, dass das Grundstück mit dem Vollzug der Eigentumsübertragung aus der Nacherbenbindung ausgeschieden ist. Dabei lässt der Senat die umstrittene Frage, ob eine transmortale Vollmacht zugunsten der Vorerben mit dem Erbfall bzw. dem Erbschein zugunsten der Vorerben durch Konfusion oder Konsolidation erlösche (so z. B. Soergel/Harder/Wegmann, BGB, 13. Aufl., § 2112 Rn. 10; Staudinger/Avenarius, BGB, 2013, § 2112 Rn. 20), ausdrücklich dahinstehen. Gleiches gilt für die nach wie vor äußerst kontrovers diskutierte Frage, ob eine transmortale Vollmacht im Falle der Anordnung der Vor- und Nacherbfolge bis zum Eintritt des Nacherbfalls nur zur Vertretung des Vorerben (so die h. M.) oder auch zur Vertretung des Nacherben berechtige (vgl. dazu ausführlich Gutachten DNotI-Report 2018, 60 f.; vgl. dazu ferner die nachfolgende, inhaltlich vom OLG München abweichende Entscheidung des OLG Stuttgart v. 29.5.2019 – 8 W 160/19).

Aus Sicht des OLG München ermöglicht die transmortale Vollmacht jedenfalls im vorliegenden Fall kein Handeln namens der Nacherben. Denn selbst wenn man annähme, dass der vom Erblasser Bevollmächtigte für sämtliche Erben, somit auch für die Nacherben, handeln könne (vgl. KG KGJ 36, 166; Weidlich, ZEV 2016, 57, 64; Keim, DNotZ 2008, 175, 179; Amann, MittBayNot 2013, 367), sei im Anschluss an eine Entscheidung des Kammergerichts (KG KGJ 36, 166, 170) die gleichzeitige Vertretung von Vor- und Nacherben jedenfalls unzulässig, wenn es sich um die Vornahme eines Rechtsgeschäfts zwischen dem Vor- und dem Nacherben handle. Speziell für die Zustimmung zu einer Verfügung könne der Vorerbe nicht sich selbst gegenüber als Vertreter des Nacherben aufgrund der transmortalen Vollmacht handeln, wenn nicht der Nacherbe dem Vorerben gegenüber zur Erteilung der Zustimmung verpflichtet sei. Letzteres sei vorliegend nicht der Fall, sodass es im Ergebnis zur Löschung des Nacherbenvermerks im Hinblick auf die noch unbekannten Nacherben der Zustimmung eines gem. § 1913 S. 2 BGB zu bestellenden Pflegers sowie der betreuungsgerichtlichen Genehmigung bedürfe.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

14.06.2019

Aktenzeichen:

34 WX 237/18

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
In-sich-Geschäft
Grundbuchrecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2019, 125-126
ZEV 2019, 533-536

Normen in Titel:

BGB §§ 2113, 2120