Widerruf einer Generalvollmacht; Vollzug einer Grundbucheintragung
letzte Aktualisierung: 10.7.2023
OLG Köln, Beschl. v. 3.3.2023 – 2 Wx 15/23
GBO §§ 19, 20, 29;
Widerruf einer Generalvollmacht; Vollzug einer Grundbucheintragung
Die erst nach Eingang eines Eintragungsantrages beim Grundbuch von diesem erlangte Kenntnis
eines von dem Vollmachtgeber erklärten Widerrufs einer Generalvollmacht hindert nicht mehr den
Vollzug einer Grundbucheintragung.
Gründe
1. Die Beteiligte zu 2. ist im o.g. Grundbuchblatt als die Eigentümerin verzeichnet.
In notarieller Urkunde vom 14.04.2021 (UR.Nr. … des Notars … in …, Bl. 28 ff. d.A.) erteilte
sie dem Beteiligten zu 1., ihrem Sohn, eine General- und Vorsorgevollmacht, die u.a. die
Befugnisse umfasste, Grundbesitz zu verwalten, zu veräußern und zu belasten (I.2.i)). Dem
Beteiligten zu 1. wurde gestattet, Rechtsgeschäfte mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter
eines Dritten vorzunehmen (Befreiung von den Beschränkungen des
Vermögensangelegenheiten in von ihm bestimmten Einzelfällen Untervollmacht zu erteilen
(I.3.). Unter II. „Regelung des Innenverhältnisses“ ist ausgeführt:
„Die nachstehende Vereinbarung regelt die Anwendung der Vollmacht im Innenverhältnis.
Dritte, denen gegenüber aufgrund dieser Vollmacht gehandelt wird, haben das Vorliegen der
nachstehenden Voraussetzungen nicht zu prüfen. Im Außenverhältnis gilt die Vollmacht also
unbeschränkt.
1. Der Bevollmächtigte darf von der Vollmacht erst und nur dann Gebrauch machen, wenn ich
zugestimmt habe oder ich aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen verhindert bin, meine
Angelegenheiten selbst zu regeln.
2. Die Vollmacht ist jederzeit widerruflich…“
In notarieller Urkunde vom 07.07.2022 („Übertragungsvertrag über Grundbesitz“) (UVZ-Nr. …
des Notars … in …, Bl. 23 ff. d.A.) trat Herr … als Vertreter ohne Vertretungsmacht, sich
deren Genehmigung vorbehaltend, für die Beteiligte zu 2. und als Vertreter ohne
Vertretungsmacht, sich dessen Genehmigung vorbehaltend, für den Beteiligten zu 1. auf. In dem
Vertrag übertrug die Beteiligte zu 2. unter Auflassung das Eigentum an dem o.g. Grundbesitz
auf den Beteiligten zu 1. unter Vorbehalt eines durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit
gesicherten Wohnungsrechts. Bewilligt und beantragt wurden von den Beteiligten die
Eintragung des Eigentumswechsels, die Löschung nicht übernommener Rechte, die Eintragung
des Wohnungsrechts sowie einer durch den Tod der Berechtigten auflösend befristeten
Vormerkung zur Sicherung eines im Vertrag geregelten bedingten Rückübertragungsanspruchs
(Abschnitt V.). Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vertragsinhalts wird auf Bl. 23 ff. Bezug
genommen.
Mit am 18.07.2022 bei dem Grundbuchamt eingegangenem Schriftsatz vom 14.07.2022 hat der
verfahrensbevollmächtigte Notar im Namen aller Antragsberechtigten eine beglaubigte
Abschrift seiner Urkunde vom 07.07.2022 zum Vollzug gemäß Abschnitt V. eingereicht.
Beigefügt war die mit einer Unterschriftsbeglaubigung des deutschen Honorarkonsuls
verbundene Genehmigung des Vertrages vom 07.07.2022 durch den Beteiligten zu 1. am
08.07.2022 im eigenen Namen und als Vertreter der Beteiligten zu 2. aufgrund der General- und
Vorsorgevollmacht (Bl. 34 R f.).
Mit notariellem Vertrag vom 29.07.2022 (UVZ Nr. … des Notars YYY in …) übertrug die
Beteiligte zu 2. das Eigentum an dem o.g. Grundbesitz auf ihre Tochter … unter Vorbehalt
eines lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauchs (Bl. 40 ff.). Eine beglaubigte Abschrift dieser
Urkunde ist mit Schriftsatz des Urkundsnotars vom 01.08.2022 am 03.08.2022 bei dem
Grundbuchamt zum Vollzug eingereicht worden (Bl. 38 ff.).
Mit einem an den Beteiligten zu 1. gerichteten Schreiben vom 03.08.2022 hat die Beteiligte zu 2.
die General- und Vorsorgevollmacht vom 14.04.2022 (Bl. 46) widerrufen. Des Weiteren hat sie
den Vollmachtswiderruf in einem Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten an das
Grundbuchamt vom 05.08.2022 erklärt (Bl. 49). Mit weiterem Schriftsatz an das Grundbuchamt
vom selben Tage hat sie die Rücknahme des am 18.07.2022 bei dem Grundbuchamt
eingegangenen Eintragungsantrages erklärt und geltend gemacht, aufgrund der Rücknahme des
Antrages des Notars … sei der Antrag des Notars YYY zu bearbeiten (Bl. 57 f.).
Mit Schriftsatz vom 08.08.2022 hat der Notar … um vorläufige Aussetzung des
Umschreibungsantrages vom 14.07.2022 gebeten (Bl. 71).
Am 24.08.2022 erließ das Landgericht Köln (2 O 128/22) auf Antrag der Beteiligten zu 2. eine
einstweilige Verfügung, durch welche der Beteiligte zu 1. verpflichtet wurde, den bei dem
Grundbuchamt auf der Grundlage der Urkunde vom 07.07.2022 gestellten Antrag auf
Umschreibung des Eigentums zurückzunehmen, sowie es zu unterlassen, einen weiteren
Eintragungsantrag auf der Grundlage dieser Urkunde zu stellen (Bl. 83 ff.). Die Entscheidung
war im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Beteiligte zu 1. weder dargelegt noch glaubhaft
gemacht habe, dass die Beteiligte zu 2. ihre Zustimmung vor der Übertragung erteilt habe. Da
der Beteiligte zu 1. von der fehlenden Zustimmung gewusst habe, habe ein missbräuchliches
Insichgeschäft vorgelegen.
Mit Schriftsatz an das Grundbuchamt vom 02.09.2022 hat die Beteiligte zu 2. vorgebracht, die
mit Schriftsatz vom 05.08.2022 namens und im Auftrag der Beteiligten zu 2. als Veräußerin
erklärte Rücknahme des Eintragungsantrages zum Übertragungsvertrag vom 07.07.2022 könne
nicht den vom Beteiligten zu 1. als Erwerber gestellten Umschreibungsantrag umfasst haben.
Dieser indes sei aufgrund der einstweiligen Verfügung des Landgerichts vom 24.08.2022
zurückgenommen (Bl. 107 ff.).
Mit persönlichem Schreiben an das Landgericht vom 08.09.2022 nahm die Beteiligte zu 2. ihren
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Beteiligten zu 1. zurück (Bl. 592). Mit
weiterem persönlichem Schreiben an das Landgericht vom 16.09.2022 brachte sie dann vor, sie
möchte nach wie vor nicht, dass ihr Haus an den Beteiligten zu 1. übertragen werde, vielmehr
wolle sie die Übertragung an ihre Tochter, wofür sie alle notwendigen Schritte unternehmen
werde. Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 05.10.2022 brachte sie vor, ihr
Schreiben vom 08.09.2022 sei nicht als Rücknahme des Antrags auf Erlass der einstweiligen
Verfügung zu verstehen. Vorsorglich ließ sie eine Anfechtung der Antragsrücknahme wegen
Irrtums erklären (Bl. 720 ff.). Mit Schriftsatz vom 05.10.2022 ließ die Beteiligte zu 2. erneut
einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Inhalt des ursprünglichen
Antrages vom 06.06.2022 stellen; dieses Verfahren wurde vom Landgericht Köln unter dem
Aktenzeichen 2 O 191/22 geführt (Bl. 835 ff.). Mit Beschluss vom 10.10.2022 erlegte das
Landgericht die Kosten des (ersten) Verfahrens 2 O 128/22 der Beteiligten zu 2. auf, weil sie
mit Schreiben vom 08.09.2022 wirksam die Antragsrücknahme erklärt habe (Bl. 750 ff.). Den
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 05.10.2022 nahm die Beteiligte mit
Schriftsatz vom 10.11.2022 zurück (Bl. 1127).
Mit Zwischenverfügung vom 22.12.2022 hat die Grundbuchrechtspflegerin den Eintragungsantrag
des Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1. vom 14.07.2022 beanstandet und
gestützt auf den Vollmachtswiderruf der Beteiligten zu 2. unter Fristsetzung um Einreichung
einer Genehmigung der Beteiligten zu 2. in Bezug auf den Vertrag vom 07.07.2022 gebeten
(Bl. 1176).
Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz des verfahrensbevollmächtigten Notars vom
27.12.2022 eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 1., mit welcher er geltend macht, der
Vollmachtswiderruf habe nur ex nunc gewirkt. Der Beschluss des Landgerichts vom 24.08.2022
setzte sich zwar mit der Frage des Vollmachtsmissbrauchs auseinander. Durch jeweilige
Antragsrücknahme seien aber die beiden einstweiligen Verfügungsverfahren beendet
(Bl. 1184 ff.).
Die Grundrechtspflegerin hat der Beschwerde durch Beschluss vom 31.01.2022 nicht
abgeholfen und die Sache zur Entscheidung dem Oberlandesgericht vorgelegt. Sie hat im
Wesentlichen ausgeführt, Zweifel an der vom Grundbuchamt zu prüfenden Wirksamkeit der
Vollmacht könnten durch den Widerruf der Vollmacht vom 03. bzw. 05.08.2022 nun nachhaltig
nicht mehr ausgeräumt werden.
Der Berichterstatter des Senats hat der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2. unter
Beifügung von Kopien des Aktenstandes ab Erlass der Zwischenverfügung Gelegenheit zur
Stellungnahme eingeräumt; eine solche ist nicht zu den Akten gelangt.
2. Auf die gemäß
angefochtene Zwischenverfügung aufzuheben. Das vom Grundbuchamt angenommene
Eintragungshindernis besteht in Ansehung der vom Beteiligten zu 1. – auch – im eigenen
Namen in seiner Eigenschaft als Erwerber mit Schriftsatz des Urkundsnotars vom 14.07.2022
(Eingang am 18.07.2022) gestellten Eintragungsanträge nicht, weil es einer Genehmigung der
Beteiligten zu 2. des Vertrages vom 07.07.2022 nicht bedarf. Denn die vom Beteiligten zu 1. am
08.07.2022 – auch – in seiner Eigenschaft als Vertreter auf der Grundlage der General- und
Vorsorgevollmacht vom 14.04.2022 im Namen der Beteiligten zu 2. erteilte Genehmigung der
vollmachtlosen Vertretung im Vertrag vom 07.07.2022 ist wirksam; eine – weitere –
Genehmigung durch die Beteiligte zu 2. selbst ist nicht erforderlich.
Die Vertretungsmacht des Beteiligten zu 1. umfasste ausweislich der General- und
Vorsorgevollmacht auch Grundstücksgeschäfte, wobei die Vornahme eines Insichgeschäfts
gestattet war. Die Vertretungsmacht war im hier maßgeblichen Außenverhältnis unbeschränkt
eingeräumt worden.
Der Vollmachtswiderruf vom 03.08.2022 und vom 05.08.2022 wirkte sich nicht auf die
Wirksamkeit der vom Beteiligten zu 1. im Namen der Beteiligten zu 2. erklärten
Vertragsgenehmigung vom 08.07.2022 aus. Die Wirksamkeit einer vor dem Widerruf aufgrund
der Vollmacht abgegebenen Willenserklärung bleibt von dem Widerruf unberührt, da der
Widerruf nur Wirkung ex nunc entfaltet (BGH, Urteil vom 11.05.2017 – IX ZR 238/15 – juris
Tz. 16; BGH, Beschluss vom 19.09.2019 – V ZB 119/18 – juris Tz. 23). Ob der Auffassung zu
folgen ist, wonach ein zwar nach Erklärung der Bewilligung, aber noch bis zum Zeitpunkt des
Wirksamwerdens der verfahrensrechtlichen Erklärung – etwa durch Vorlage beim
Grundbuchamt – erklärter Widerruf der Vollmacht das Wirksamwerden der Bewilligung als
verfahrensrechtlicher Erklärung hindert (KG,
2014, 8; OLG München
der Vollmacht erst nach Einreichung des die Bewilligung enthaltenden Vertrages vom
07.07.2022 einschließlich seiner Genehmigung zum Vollzug erfolgte; der Vollzugsantrag war
bereits am 18.07.2022 bei dem Grundbuchamt eingegangen.
Auch im Zusammenhang mit den vor dem Landgericht Köln geführten und jeweils durch
Antragsrücknahme beendeten einstweiligen Verfügungsverfahren ergeben sich keine im
Grundbuchverfahren durchgreifenden Gesichtspunkte gegen die Wirksamkeit der Vertretung.
Zwar soll das Grundbuchamt ausnahmsweise auch bei einer im Außenverhältnis
unbeschränkten Vollmacht eine Eintragung ablehnen können und müssen, wenn es sichere
Kenntnis vom Missbrauch einer im Außenverhältnis unbeschränkten Vollmacht aufgrund von
Verstößen gegen im Innenverhältnis bestehende Beschränkungen der Vollmacht hat. Eine
solche Kenntnis kann sich aus ihm bekannten offensichtlichen und eindeutig gefassten internen
Bindungsklauseln ergeben. Begründet wird diese Auffassung damit, dass das Grundbuchamt
aufgrund des Legalitätsprinzips nicht bewusst daran mitwirken darf, das Grundbuch unrichtig zu
machen (Senat,
Düsseldorf,
Eine danach für das Grundbuchverfahren notwendige sichere Kenntnis eines Missbrauchs der
Vollmacht steht vorliegend indes nicht fest. Die diesbezügliche Regelung in der General- und
Vorsorgevollmacht lautet: „Der Bevollmächtigte darf von der Vollmacht erst und nur dann
Gebrauch machen, wenn ich zugestimmt habe oder ich aus gesundheitlichen oder sonstigen
Gründen verhindert bin, meine Angelegenheiten selbst zu regeln.“ Es liegen keine im
Grundbuchverfahren verwertbaren Nachweise dafür vor, dass die genannten, im
Innenverhältnis geregelten Voraussetzungen für das Gebrauchmachen von der Vollmacht im
Zeitpunkt der Genehmigung des Vertrages am 08.07.2022 nicht vorlagen. Die einstweilige
Verfügung des Landgerichts vom 24.08.2022 war auf die zivilprozessrechtliche Darlegungs- und
Beweislastverteilung im einstweiligen Verfügungsverfahren gestützt, wobei der Beteiligte zu 1.
nach Auffassung der Kammer weder dargelegt noch glaubhaft gemacht hatte, dass die Beteiligte
zu 2. zuvor ihre Zustimmung erteilt hatte. Diese zivilprozessualen Grundsätze sind auf das
Grundbuchverfahren nicht übertragbar; dort vielmehr müsste – was indes hier nicht der Fall ist
– für die Feststellung eines Missbrauchs aufgrund grundbuchrechtlich zulässiger Nachweise
feststehen, dass die vertraglichen Voraussetzungen für ein Gebrauchmachen von der im
Außenverhältnis unbeschränkten Vollmacht nicht vorlagen. Für eine umfassende
Tatsachenaufklärung ist im Grundbuchverfahren kein Raum, materiell-rechtliche Fragen sind in
einem Zivilprozess zwischen den Beteiligten abschließend zu klären (OLG Düsseldorf a.a.O.).
Eine solche Feststellung im Grundbuchverfahren muss hier schon deshalb ausscheiden, weil die
zitierte vertragliche Regelung die Erteilung einer mündlichen oder auch nur konkludenten
Zustimmung durch die Beteiligte zu 2. nicht ausschloss. Letztlich ist aufgrund der
Antragsrücknahmen in den einstweiligen Verfügungsverfahren auch nicht mehr zu einer
abschließenden Entscheidung gekommen.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht
veranlasst, weil die Beteiligte zu 2. am Beschwerdeverfahren nicht teilgenommen hat und eine
Kostenbelastung nicht billigem Ermessen entspräche (
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach
nicht vor.
3. Im Hinblick auf die Fassung des Rubrums des Nichtabhilfebeschlusses des Grundbuchamtes
sieht sich der Senat für künftige Fälle zu dem Hinweis veranlasst, dass der Urkundsnotar in der
Regel – so auch hier – nicht im eigenen Namen, sondern aufgrund seiner Vertretungsbefugnis
(
Grundbuchverfahren tätig wird. Im Ergebnis gilt nichts anderes für einen bestellten Rechtsanwalt
(
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Köln
Erscheinungsdatum:03.03.2023
Aktenzeichen:2 Wx 15/23
Rechtsgebiete:
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Grundbuchrecht
In-sich-Geschäft
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
GBO §§ 19, 20, 29; BGB § 167