BGH 16. Juli 2024
II ZR 100/23
PartGG a. F. §§ 1 Abs. 4, 6 Abs. 3; BGB a. F. § 709

Einberufung der Gesellschafterversammlung einer Partnerschaftsgesellschaft; Einberufung durch Unbefugten; Unwirksamkeit der Einladung und Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse

letzte Aktualisierung: 14.10.2024
BGH, Urt. v. 16.7.2024 – II ZR 100/23

PartGG a. F. §§ 1 Abs. 4, 6 Abs. 3; BGB a. F. § 709
Einberufung der Gesellschafterversammlung einer Partnerschaftsgesellschaft; Einberufung
durch Unbefugten; Unwirksamkeit der Einladung und Nichtigkeit der gefassten
Beschlüsse

Bei der Partnerschaftsgesellschaft führt die Einberufung durch einen Unbefugten zur Unwirksamkeit
der Einladung und zur Nichtigkeit der auf der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von
Bedeutung, ausgeführt, die Einberufung zur Gesellschafterversammlung am
7. August 2020 weise keine formellen Mängel auf. Der Einwand des Klägers, die
Einberufung sei nicht durch den damaligen Managing Partner erfolgt, sei unerheblich.
Etwaige Verstöße gegen Form, Frist und Inhalt der Einberufung einer
Gesellschafterversammlung könnten nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung
bei Personengesellschaften nur dann zur Nichtigkeit des Beschlusses führen,
wenn nicht ausgeschlossen werden könne, dass sein Zustandekommen
durch den Fehler beeinflusst sei. Es sei weder dargetan noch ersichtlich, dass
der Beschlussinhalt ein anderer gewesen wäre, wenn der Managing Partner, wie
nach dem Gesellschaftsvertrag vorgesehen, eingeladen hätte und nicht der
Beklagte zu 4.

II. Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht
stand. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, es sei unerheblich, ob der
Managing Partner der Gesellschaft zur Gesellschafterversammlung am 7. August
2020 eingeladen habe. Bei der Partnerschaftsgesellschaft führt die Einberufung
durch einen Unbefugten zur Unwirksamkeit der Einladung und zur Nichtigkeit
der auf der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse.

1. In der Partnerschaftsgesellschaft gelten für die Behandlung von Beschlussmängeln
die zum Personengesellschaftsrecht entwickelten Grundsätze
(vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2013 - II ZR 3/12, ZIP 2013, 1021 Rn. 7 f., 14; Urteil
vom 11. März 2014 - II ZR 24/13, ZIP 2014, 1019 Rn. 13 f.). Bei der Personengesellschaft
führt die Einberufung durch einen Unbefugten zur Nichtigkeit der auf
der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse (BGH, Urteil vom 13. Mai
2014 - II ZR 250/12, BGHZ 201, 216 Rn. 12; Urteil vom 25. Oktober 2016 -
II ZR 231/15, juris Rn. 15; Urteil vom 25. Oktober 2016 - II ZR 230/15, ZIP 2017,
281 Rn. 30).

2. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht die Nichtigkeit des Beschlusses
mit der Begründung, es sei weder dargetan noch ersichtlich, dass der
Beschlussinhalt ein anderer gewesen wäre, wenn der Managing Partner, wie
nach dem Gesellschaftsvertrag vorgesehen, eingeladen hätte und nicht der
Beklagte zu 4. Darauf, ob die Einladung durch einen Unbefugten das Zustandekommen
des auf der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlusses beeinflusst
hat, kommt es nicht an.

a) Abweichend von dem im Personengesellschaftsrecht vor der Reform
durch das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz allgemein vorherrschenden
Grundsatz der Nichtigkeit mangelhafter Beschlüsse (BGH, Urteil
vom 9. April 2013 - II ZR 3/12, ZIP 2013, 1021 Rn. 14; Urteil vom 3. Februar
2015 - II ZR 105/13, ZIP 2015, 778 Rn. 20 f.; Beschluss vom 23. September
2021 - I ZB 13/21, ZIP 2022, 124 Rn. 17 - Schiedsfähigkeit IV mwN; MüKoBGB/
Schäfer, 9. Aufl., § 714 Rn. 72), können Verstöße gegen Form, Frist und Inhalt
der Einberufung einer Gesellschafterversammlung zwar nur dann zur Nichtigkeit
des Beschlusses führen, wenn der mit den gesellschaftsvertraglichen oder gesetzlichen
Ladungsbestimmungen verfolgte Zweck, dem einzelnen Gesellschafter
die Vorbereitung auf die Tagesordnungspunkte und die Teilnahme an der
Versammlung zu ermöglichen, vereitelt wird. Wird dieser "Dispositionsschutz"
verletzt, liegt ein zur Nichtigkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse
führender schwerwiegender Mangel vor. Der Verfahrensmangel führt aber nur
zur Nichtigkeit des Beschlusses, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass
sein Zustandekommen durch den Fehler beeinflusst ist (BGH, Urteil vom
10. Oktober 1983 - II ZR 213/82, WM 1983, 1407, 1408; Urteil vom 11. März
2014 - II ZR 24/13, ZIP 2014,1019 Rn. 13; Urteil vom 3. Februar 2015 - II ZR
105/13, ZIP 2015, 778 Rn. 22).

b) Diese Rechtsprechung ist jedoch auf die Einberufung durch einen Unbefugten
nicht übertragbar.

aa) Die Einberufung der Gesellschafterversammlung durch einen Unbefugten
führt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtsformübergreifend
zur Unwirksamkeit der Einladung und zur Nichtigkeit der auf der
Versammlung gefassten Beschlüsse (vgl. BGH, Urteil vom
16. Dezember 1953 - II ZR 167/52, BGHZ 11, 231, 236 f.; Urteil vom
26. Oktober 1955 - VI ZR 90/54, BGHZ 18, 334, 337; Urteil vom 19. Juni 1961
- II ZR 123/59, WM 1961, 799; Urteil vom 7. Februar 1983 - II ZR 14/82,
BGHZ 87, 1, 2; Urteil vom 13. Mai 2014 - II ZR 250/12, BGHZ 201, 216 Rn. 12;
Urteil vom 25. Oktober 2016 - II ZR 231/15, juris Rn. 15; Urteil vom 25. Oktober
2016 - II ZR 230/15, ZIP 2017, 281 Rn. 30; Urteil vom 8. November 2016
- II ZR 304/15, BGHZ 212, 342 Rn. 13; Urteil vom 9. Januar 2024 - II ZR 220/22,
ZIP 2024, 567 Rn. 17).

bb) Bei der Einberufung durch einen Unbefugten liegt kein bloßer Formmangel
vor. In diesem Fall fehlt vielmehr ein Mindesterfordernis der Gesellschafterversammlung
(vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1953 - II ZR 167/52,
BGHZ 11, 231, 236 f.; Urteil vom 26. Oktober 1955 VI ZR 90/54, BGHZ 18,
334, 338). Die Ladung durch einen Unbefugten kommt einer Nichtladung gleich
und kann vom Geladenen unbeachtet bleiben, ohne dass ihm hieraus nachteilige
Rechtsfolgen erwachsen dürfen. Die Beachtung der Ladungsbefugnis dient damit
der Sicherung eines für jeden Gesellschafter unverzichtbaren Gesellschafterrechts,
seines Teilnahmerechts an der Gesellschafterversammlung und der damit
verbundenen Einflussmöglichkeit auf die Willensbildung der Gesellschaft (vgl.
BGH, Urteil vom 13. Februar 2006 - II ZR 200/04, ZIP 2006, 707 Rn. 13; Beschluss
vom 24. März 2016 - IX ZB 32/15, ZIP 2016, 817 Rn. 21; jeweils zur
GmbH; Urteil vom 17. Januar 2023 - II ZR 76/21, ZIP 2023, 467 Rn. 30; Schäfer,
ZIP 2021, 1527, 1531).

cc) Im Hinblick auf das Gewicht der drohenden Rechtsbeeinträchtigung
bei Ladung durch einen Unbefugten ist entgegen der Auffassung der Beklagten
auch dann kein Grund für eine andere Beurteilung ersichtlich, wenn es sich, wie
vorliegend, um eine personalistisch geprägte Gesellschaft handelt. Dies wird bestätigt
durch einen vergleichenden Blick in das Kapitalgesellschaftsrecht. Bei der
Aktiengesellschaft und bei der GmbH, auf welche die aktienrechtlichen Grundsätze
in ständiger Rechtsprechung übertragen werden, hat die Nichtigkeit eines
auf einer durch einen Unbefugten einberufenen Gesellschafterversammlung gefassten
Beschlusses ihren Niederschlag in § 241 Nr. 1, § 121 Abs. 2 AktG gefunden,
ohne dass danach differenziert wird, ob es sich um eine Gesellschaft mit
einem kleinen oder einem großen Gesellschafterkreis handelt.

2. Nach § 4 Nr. 4 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags der Partnerschaftsgesellschaft
wird die Gesellschafterversammlung vom Managing Partner einberufen.
Ausweislich der tatbestandlichen Feststellungen hat der Kläger behauptet,
der einberufende Beklagte zu 4 sei nicht Managing Partner der Sozietät gewesen.
Das Berufungsgericht hat hierzu keine Feststellung getroffen, sondern ausgeführt,
sofern der Kläger mit der Berufung rüge, es habe nicht der Managing
Partner für die Versammlung eingeladen, sei dies unerheblich. Wenn das Berufungsgericht
zu Tatsachen keine Feststellungen getroffen hat, ist bei der
revisionsrechtlichen Prüfung die Richtigkeit des Sachvortrags des Revisionsklägers
im Berufungsverfahren zu unterstellen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023
- VIa ZR 533/21, NJW 2023, 2270 Rn. 28; Urteil vom 21. Juli 2023 - V ZR
112/22, juris Rn. 33; Urteil vom 24. Oktober 2023 - II ZR 211/21, NZG 2024, 482
Rn. 24).

III. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig
dar, § 561 ZPO. Der Beklagte zu 4 kann in der Beurteilung durch den Senat entgegen
der Auffassung der Beklagten auch nicht für den Fall als zur Einberufung
der Gesellschafterversammlung befugt angesehen werden, dass es im Einberufungszeitpunkt
keinen Managing Partner gegeben hat.
Zum einen ist auch das nicht festgestellt, sondern nur davon auszugehen,
dass der Beklagte zu 4 nicht Managing Partner war. Ob und unter welchen Umständen
andere Gesellschafter der Partnerschaftsgesellschaft eine Gesellschafterversammlung
einberufen dürfen, wenn ein Managing Partner fehlt, kann zum
anderen nur durch eine nach den §§ 133, 157 BGB vorzunehmende Auslegung
des Gesellschaftsvertrags bestimmt werden, die weitgehend in der Verantwortung
des Tatrichters liegt (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 - II ZR 84/13,
BGHZ 203, 77 Rn. 15; Urteil vom 22. September 2020 - II ZR 141/19, ZIP 2020,
2117, 2119 Rn. 30).

IV. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die
Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1
Satz 1 und 3 ZPO). Das Berufungsgericht wird sich auch mit den weiteren Rügen
der Parteien auseinandersetzen müssen, zu denen Stellung zu nehmen der
Senat zum jetzigen Zeitpunkt keine Veranlassung hat.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

16.07.2024

Aktenzeichen:

II ZR 100/23

Rechtsgebiete:

Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
Aktiengesellschaft (AG)
Partnerschaftsgesellschaft (PartGG)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

PartGG a. F. §§ 1 Abs. 4, 6 Abs. 3; BGB a. F. § 709