Kammergericht 26. August 2022
1 W 262/22
GBO § 35; BGB §§ 138, 2064, 2065

Nachweis der Erbfolge durch öffentliches Testament mit Nacherbeneinsetzung nach Art der sog. „Dieterle-Klausel“

GBO § 35; BGB §§ 138, 2064, 2065
Nachweis der Erbfolge durch öffentliches Testament mit Nacherbeneinsetzung nach Art der sog. „Dieterle-Klausel“

Zum Nachweis der Erbfolge im grundbuchrechtlichen Berichtigungsverfahren bei Verwendung der sog. „Dieterle-Klausel“ in einem öffentlichen Testament.

KG (1. Zivilsenat), Beschl. v. 26.8.2022 – 1 W 262/22

Problem
Die im Jahr 2021 verstorbene Erblasserin bestimmte durch öffentliches Testament die Beteiligten 1 bis 3 zu ihren Erben. Der Beteiligte zu 3 ist der Sohn der Beteiligten zu 2 [Tochter der Erblasserin] und der Enkel der Erblasserin. Die Erblasserin traf zu dem Beteiligten zu 3 folgende Regelung:

„2. Soweit mein Enkel [Beteiligter zu 3] Erbe wird, ist er nur von den gesetzlichen Beschränkungen befreiter Vorerbe. Nacherbe auf seinen Tod sind seine gewillkürten eigenen Erben, ersatzweise meine Tochter [Beteiligte zu 2]. Als Nacherbe ausgenommen ist der Vater meines Enkels, dessen Abkömmlinge aus anderen Verbindungen und seine Verwandten aufsteigender Linie. […]“

Im November 2021 beantragte der Beteiligte zu 1 [Sohn der Erblasserin] Grundbuchberichtigung durch Eintragung seiner Person und der Beteiligten zu 2 und 3. Das Grundbuchamt beanstandete im Wege der Zwischenverfügung den eingereichten Antrag und forderte zum Nachweis des Erbrechts die Vorlage eines Erbscheins, da das Testament hinsichtlich der Regelung zur Nacherbfolge gegen § 2065 Abs. 2 BGB verstoße. Außerdem sei das Testament sittenwidrig, da der Beteiligte zu 3 hierdurch in seiner Erbenbestimmung beschränkt werde.

Entscheidung
Nach Ansicht des KG hat die zulässige Beschwerde in der Sache Erfolg, da die vom Grundbuchamt aufgezeigten Eintragungshindernisse nicht vorlägen und aufgrund zulässiger Nacherbenregelung (i. S. v. § 2065 Abs. 2 BGB) die Voraussetzungen für eine Grundbuchberichtigung auf Basis der vorgelegten Unterlagen (öffentlich beurkundete Verfügung von Todes wegen nebst Eröffnungsniederschrift) nach § 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 GBO gegeben seien. Die Vorlage eines Erbscheins nach § 35 Abs. 1 S. 1 HS. 1 GBO sei nicht erforderlich.

Dabei legt das KG zunächst dar, dass ein Erblasser ein Testament gem. § 2064 BGB nur persönlich errichten könne und sich dabei über sämtliche wesentlichen Teile seiner Verfügung von Todes wegen allein schlüssig werden müsse. Dem Erblasser sei es i. S. v. § 2065 Abs. 2 BGB nicht gestattet, seinen letzten Willen in der Weise unvollständig zu äußern, dass es einem Dritten überlassen bleibe, ihn nach seinem Belieben oder Ermessen in wesentlichen Teilen zu ergänzen (BGH NJW 1955, 100). Dagegen sei es dem Erblasser nicht verwehrt, seinen letzten Willen auch hinsichtlich der Person des Bedachten und des Gegenstandes der Zuwendung bedingt zu äußern. Der Erblasser könne insbesondere eine Erbeinsetzung unter einer Bedingung vornehmen, wobei die Bedingung auch in einem Tun oder Unterlassen des Bedachten oder eines Dritten bestehen könne. Die im konkreten Fall beschriebene Erbeneinsetzung entspricht der sog. „Dieterle-Klausel“, wonach zu Nacherben diejenigen Personen eingesetzt werden, die ein anderer (bspw. der Vorerbe) zu seinen gewillkürten Erben einsetzt (vgl. Dieterle, BWNotZ 1970, 170; 1971, 14, 15 f.). Eine solche Gestaltung wird vor allem im Rahmen von sog Geschiedenentestamenten diskutiert, deren Ziel es ist, zu verhindern, dass der (oftmals verhasste) geschiedene Ehegatte (hier: Schwiegersohn) über die gemeinsamen Abkömmlinge, die zu Erben eingesetzt werden, am Nachlass des Erblassers partizipiert, wenn der Abkömmling kurze Zeit nach Antritt der Erbschaft verstirbt. Die Zulässigkeit der „Dieterle-Klausel“ ist bislang jedoch umstritten.

Das KG weist in seiner Begründung daher auch auf die in Rechtsprechung und Literatur vertretene Ansicht hin, wonach die vorstehende Regelung wegen Verstoßes gegen § 2065 Abs. 2 BGB nichtig sei (OLG Frankfurt/M. DNotZ 2001, 143, 144; BeckOGK-BGB/Hölscher, Std.: 1.5.2022, § 2151 Rn. 65 ff.; Lamberz, Rpfleger 2019, 457 f.), sodass aus Gründen des notariellen Gebots, den sichersten Weg zu gehen, z. T. von der Verwendung solcher testamentarischer Regelungen abgeraten wird (vgl. Kanzleiter DNotZ 2001, 149, 150; BeckOGK-BGB/Küpper, Std.: 1.7.2022, § 2100 Rn. 408; Beck’sches Notar-Handbuch, 7. Aufl. 2019, § 17 Rn. 136; Kössinger, in: Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, 6. Aufl. 2020, § 21 Rn. 41a).

Das KG schließt sich jedoch der Gegenauffassung an, wonach eine solche Regelung, bei der zu Nacherben im Wege einer Bedingung diejenigen Personen bestimmt würden, die der Vorerbe zu seinen Erben einsetze, zulässig sei (vgl. OLG München MittBayNot 2018, 50, 52 – dort aber zu einer anderen Konstellation; MünchKommBGB/Leipold, 8. Aufl. 2020, § 2065 Rn. 24; BeckOGK-BGB/Gomille, Std.: 1.8.2022, § 2065 Rn. 44). Es sei lediglich erforderlich, dass der Erblasser die Person des Bedachten und den Gegenstand der Zuwendung so bestimmt angebe, dass die Bestimmung des Erben durch einen Dritten für jede sachkundige Person objektiv möglich sei, ohne dass ihr eigenes Ermessen dabei bestimmend werde (Senat, Beschl. v. 5.2.1998 – 1 W 6796/95 – DNotZ 1999, 679, 683). Dem entsprach auch das beurkundete Testament der Erblasserin.

Das KG räumt jedoch auch die Nähe zu § 2065 Abs. 2 BGB durch die vom Grundbuchamt beanstandete Klausel ein. Im Zeitpunkt der Testamentserrichtung sei nicht absehbar gewesen, ob und welche Personen der damals erst vierjährige Beteiligte zu 3 zu seinen Erben bestimmen werde, wodurch klar sei, dass die Bestimmung der Nacherben der Erblasserin nicht nur von einer Handlung, sondern auch von dessen darin zum Ausdruck kommenden Willen des Beteiligten zu 3 abhänge. Allerdings stellt das KG weiter klar, dass der Beteiligte zu 3 bei Errichtung einer eigenen Verfügung von Todes wegen unmittelbar nur seine eigenen Erben i. S. v. § 1937 BGB bestimmen werde, sodass seine letztwilligen Anordnungen sich nicht i. S. d. § 2065 Abs. 2 Var. 1 BGB in der (für sich betrachtet unzulässigen) Bestimmung der Nacherben der Erblasserin erschöpfen würden. Die letztwilligen Verfügungen des Beteiligten zu 3 hätten lediglich mittelbaren Einfluss auf die Nacherben der Erblasserin.

Aus Sicht des KG liegt auch keine sittenwidrige Einflussnahme der Erblasserin auf die Testierfreiheit des Beteiligten zu 3 vor. In der letztwilligen Verfügung der Erblasserin fehle es bereits an der Grundlage, die eine Drucksituation des Beteiligten zu 3 begründen könne, sich von seinem Vater bzw. seinen väterlichen Verwandten nicht nur wirtschaftlich, sondern auch persönlich entfremden zu müssen. Die von der Erblasserin gewählte negative Bestimmung der Nacherben bezogen auf ihren Nachlass sei genauso zulässig wie die konkrete Benennung der Beteiligten zu 2 als Ersatznacherbin für diesen Fall.

Praxishinweis
Die vorstehende Entscheidung des KG ist – soweit ersichtlich – die erste gerichtliche Entscheidung, die die sog. „Dieterle-Klausel“ für zulässig erachtet. Die vom KG zitierten Entscheidungen betrafen überwiegend andere Gestaltungen. Eine Ausnahme gilt für die zitierte Entscheidung des OLG Frankfurt/M. (DNotZ 2001, 143, 144), das von der Unzulässigkeit der dort verwendeten Dieterle-Klausel im Hinblick auf § 2065 Abs. 2 BGB ausgegangen ist (vgl. dazu kritisch Ivo, DNotZ 2002, 260 ff.). Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung wird für die Praxis eine gewisse Rechtsunsicherheit bzgl. der Zulässigkeit verbleiben.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

Kammergericht

Erscheinungsdatum:

26.08.2022

Aktenzeichen:

1 W 262/22

Rechtsgebiete:

Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Grundbuchrecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 140-142

Normen in Titel:

GBO § 35; BGB §§ 138, 2064, 2065