Anwendung der Höfeordnung auf Nacherbfall bei jahrzehntelang fehlender Hofeigenschaft
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Dokumentnummer: 10w4_11
letzte Aktualisierung: 26.6.2013
OLG Oldenburg , 20.12.2012 - 10 W 4/11
BGB §§ 2100, 2108 Abs. 2, 2069; HöfeO
Anwendung der Höfeordnung auf Nacherbfall bei jahrzehntelang fehlender Hofeigenschaft
Im Falle einer bei einem Hof eingreifenden Vor- und Nacherbschaft, in denen ein Hof im Sinne
der HöfeO bei Eintritt des Erbfalls (Vorerbfalls) vorgelegen hat, danach jedoch seit Jahrzehnten
die Hofeigenschaft entfallen ist und ein aus verfassungsrechtlichen Gründen notwendiger
hinreichender materieller Sachgrund für eine höferechtliche Privilegierung nicht mehr ersichtlich
ist, richtet sich ausnahmsweise die Nacherbfolge nicht nach der HöfeO, sondern nach dem im
Zeitpunkt des Nacherbfalls anzuwendenden allgemeinen Recht.
Gründe
I.
Die Beteiligten sind Abkömmlinge des am …………….. verstorbenen B…. R …-S ….. Er war
Eigentümer eines im Grundbuch von E… (O …..), Bl. …., eingetragenen Hofes und hinterließ
ein privatschriftliches Testament vom 20.12.1949 mit u.a. folgendem Inhalt:
1. Aus meiner Ehe sind acht Kinder/Söhne hervorgegangen, von denen H…. und H…. in
Feindesland gefallen sind und B…. heute schon sieben Jahre ohne jegliche Nachricht im Osten
vermisst ist.
2. Von den fünf lebenden Söhnen ist A…. der älteste, dann folgt J…., H …., A…. und P…..
Als Erbnachfolger setze ich meinen Sohn H…. ein, und zwar aus dem Grunde, weil die
Erfahrung, dass A …. mit seiner Familie nicht die Gewähr leistet, den Hof im Sinne der
Familie zu erhalten. Seine Veranlagung lassen leicht Auseinandersetzung aufkommen,
außerdem ist A…. gelernter Handwerker (Schlosser), dagegen der Haupterbe Landwirt.
3. J….ist krank und als Haupterbe kommt er nicht in Frage … Sollte der Haupterbe ohne
Leibeserben sterben, so soll nachstehende Reihenfolge in Frage kommen, der vermisste B….
und dann P…., dann A…..
Aufgrund dieses Testaments wurde seinem Sohn H….R ….-S …. am 13.09.1963 ein Erbschein
mit Hoffolgezeugnis erteilt, der ihn als Alleinerben auswies und für den Fall des Versterbens
ohne Leibeserben die Brüder B…., P …. und A …. als Nacherben vorsah. Weil B …. nicht aus
dem Krieg zurückgekehrte, wurde er mit Wirkung zum 31.12.1945 für tot erklärt. Er hatte
keine Kinder. Der Sohn P …. verstarb bereits vor seinem Vater am 01.11.1958. P…. hat eine
Tochter, K…. B …. - die Antragstellerin. Der weitere Sohn A …. verstarb 1968 und hinterließ
zwei Kinder, die Beteiligten zu 6.) und 7.).
Am 16.02.1967 wurde das vorgenannte Hoffolgezeugnis eingezogen und die Antragstellerin
als Hofnacherbin von H…. R…-S …. bestimmt. H … R ….-S …. betrieb den Hof in
Eigenbewirtschaftung bis zum Jahr 1979. Seitdem sind die Ländereien an verschiedene Pächter
fremdverpachtet und der Hof stillgelegt. Er kann - nach übereinstimmenden Bekundungen der
Beteiligten - auch nicht wieder angespannt werden. Am 14.01.2009 verstarb H …. R …..-S ….
kinderlos.
Die Antragstellerin K… B …., die Tochter des 1958 vorverstorbenen Sohnes P…. R …-S ….,
beantragte nach dem Tod von H …. R ….-S …. einen Erbschein mit Hoffolgezeugnis (AG
Cloppenburg 5 Lw …/ …). Dem trat der Antragsgegner F….-J …. R ….-S …. entgegen. Er
meint, die Antragstellerin könne den Hof nicht erben, da sie nicht wirtschaftsfähig sei. Er
hingegen komme als Einziger als Hoferbe in Betracht. Er betreibe hauptberuflich als
Angestellter eine Schweinemast und im Nebenberuf Landwirtschaft und Pferdezucht im
eigenen Namen.
Die Antragstellerin hat daraufhin beim zuständigen Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht Cloppenburg ein Feststellungsverfahren eingeleitet, in dem sie beantragt hat,
festzustellen,
1. dass der Antragsgegner von der Hoferbfolge in den Hof ausgeschlossen ist, der im
Grundbuch von E …. Blatt …. gebucht ist und dem am 7. September 1881 geborenen und am
27. Februar 1963 verstorbenen Erblasser Landwirt B …. R ….-S …. gehörte,
3. weiter hilfsweise, dass die vorgenannte landwirtschaftliche Besitzung im Zeitpunkt des
Nacherbfalls, der mit dem Tod des am 25. Februar 1929 geborenen und am 14. Januar 2009
verstorbenen Vorerben J ….R ….-S …. eintrat, kein Hof im Sinne des HöfeO war.
Der Antragsgegner hat beantragt,
die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen.
Das Landwirtschaftsgericht hat auf den Hilfsantrag zu 2.) festgestellt, dass der Antragsgegner
F…-J … R …-S … wirtschaftsfähig sei. Die Übrigen Anträge hat es zurückgewiesen. Ein
Ausschluss des F …-J … R …-S … von der Hoferbfolge ergebe sich nach dem Wortlaut des
Testaments von B… R…-S …. nicht. Da die Antragstellerin und der schwer erkrankte Vater
des Antragsgegners, A… R …-S …, nicht wirtschaftsfähig seien, wäre der Antragsgegner nur
dann von der Hoferbfolge ausgeschlossen, wenn er selbst nicht wirtschaftsfähig sei. Nach
Einholung eines Gutachtens der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, dessen Einschätzung
sich das Landwirtschaftsgericht anschließt, sei aber aufgrund der wirtschaftlich-technischen
Fähigkeiten des Antragsgegners von seiner Wirtschaftsfähigkeit auszugehen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie ist im
Wesentlichen der Auffassung, das Landwirtschaftsgericht habe bei der vorliegenden
Sachverhaltskonstellation, bei der im Verlauf der Vorerbschaft der Hof seit Jahrzehnten
endgültig stillgelegt worden sei und auch nicht wiederangespannt werden könne, die
Höfeordnung nicht mehr anwenden dürfen. Es existiere bei Eintritt des Nacherbfalls kein Hof,
der es rechtfertige, die Privilegierungen der Höfeordnung noch durchgreifen zu lassen, so dass
die Anwendung der Höfeordnung in diesem Fall gegen
Antragstellerin auch wirtschaftsfähig, da sie Mitte der siebziger Jahre erfolgreich eine
Ausbildung zur Hauswirtschaftsgehilfin absolviert habe.
Die Antragstellerin beantragt
den Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Cloppenburg vom 24.11.2010 zu
ändern und
festzustellen, dass der Antragsgegner von der Hoferbfolge ausgeschlossen ist und dass es nach
dem Tod des Hofvorerben H… R …-S … keinen Hof(nach)erben gibt.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss und die zwischen den
Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Der Antragsgegner ist von der Hoferbfolge ausgeschlossen; es ist nach dem Tod des
Hofvorerben H… R…-S …. auch kein anderer Hofnacherbe vorhanden. Denn bei der
vorliegenden besonderen Fallkonstellation, in der eine Hofvor- und Nacherbschaft angeordnet
worden ist, aber im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls ein Hof im Sinne der Höfeordnung
verfassungskonformer Auslegung nach den Bestimmungen des BGB. Die Höfeordnung findet
keine Anwendung mehr.
1. Das handschriftliche Testament vom 20.12.1949 des am 27.02.1963 verstorbenen B …. R
….-S …. (im Folgenden: Erblasser) enthält die Anordnung einer auflösend bedingten Vor- und
Nacherbschaft.
a) Nach dem Wortlaut des Testaments vom 20.12.1949 ist zunächst der Sohn des Erblassers,
H… R….-S…., als „Erbnachfolger“ eingesetzt worden. Der Erblasser hat damit zunächst
geregelt, welcher seiner Söhne den Hof nach ihm erben sollte. Da er gleichzeitig aber auch
angeordnet hat, dass dessen jüngere Söhne in der im Testament angegebenen Reihenfolge für
den Fall den Hof erben sollten, dass der „Haupterbe“, also H …, kinderlos verstirbt, hat er die
von ihm gewählte Bestimmung der weiteren Erbfolge vom Eintritt einer Bedingung
(„kinderlos“) abhängig gemacht. Nach dem Gesamtkontext, in dem diese Erbeinsetzungen
stehen, und dem daraus erkennbaren Willen des Erblassers, den Hof in der Familie des
„Haupterben“ zu halten und nur ausnahmsweise seinen weiteren Söhnen zukommen lassen zu
wollen, stellt sich bei lebensnaher Auslegung die testamentarischen Bestimmung als eine
auflösend bedingte Vor- und Nacherbfolge im Sinne des
Zeitpunkt der Testamentserstellung kinderlose H… noch Kinder bekommen hätte, sollte die
Hoferbfolge nicht auf die weiteren Söhne des Erblassers übergehen. Ihre Einsetzung nach H …
(Nacherbfolge) ist also unter einer auflösenden Bedingung (H … hat Kinder) erfolgt.
Diese Auslegung ist auch bereits vom Amtsgericht Löningen in dem Verfahren auf Erteilung
eines Hoffolgezeugnisses (Az. LwH ../..) so vorgenommen worden und wird weder von der
Antragstellerin noch vom Antragsgegner in Zweifel gezogen.
b) Das Testament kann auch nicht etwa so verstanden werden, dass H…. R….-S…. Vollerbe
und die drei jüngeren Brüder Ersatzerben sein sollten. Denn dafür muss ein Erbe für den Fall
eingesetzt sein, dass der zunächst Berufene nie Erbe wird, weil er vor oder nach dem Erbfall dann aber mit Rückwirkung auf dessen Eintritt - wegfällt (vgl. Schlichting, in MünchnerKommentar zum BGB, 5. Auflage, § 2096 Rdnr. 2). Hier sollte H …. aber zunächst ohne
weitere Bedingung „Haupterbe“ werden. Das Testament sieht also gerade nicht die Situation
vor, dass der zunächst berufene Haupterbe nicht erben kann. Vielmehr sind die Brüder bei
Versterben des H …. R ….-S …. nur unter der Bedingung berufen, dass dieser kinderlos
geblieben ist. Eine Ersatzerbschaft liegt daher nicht vor.
2. Weil H …. R ….-S …. am 14.01.2009 kinderlos verstorben ist, ist die für die Nacherbschaft
verfügte auflösende Bedingung nicht eingetreten. Damit verblieb es bei der eingerichteten Vorund Nacherbschaft. H …. R ….-S …. war als Vorerbe und gemäß Ziff. 3 S. 3 des Testaments
waren zunächst die Brüder B…., P …. und A …. in der angegebenen Reihenfolge als
Nacherben berufen. Die Formulierung „Reihenfolge“ in Ziff. 3 S. 3 des Testaments ist dabei
als Ersatznacherbschaft zu verstehen und nicht etwa als Nach-Nacherbeneinsetzung. Aus dem
Gesamtkontext des Testaments wird ersichtlich, dass es dem Erblasser darum ging, den Hof
einem Sohn zu hinterlassen, der in der Lage ist, den Hof fortzuführen. Dies zeigt sich bereits
an der Einsetzung des „H ….“ und seiner Kinder. Der Hof sollte also bei Eintritt des
Nacherben auch in dem jeweiligen Stamm verbleiben und nicht etwa von einem Sohn zum
anderen wechseln.
Da der Sohn B …. R ….-S …. mit Wirkung zum 31.12.1945 für Tod erklärt worden ist und
auch er keine Kinder hatte, scheidet er als zunächst berufener Nacherbe aus.
Erblasser verstorben. Seine Tochter, die Antragstellerin, ist aber an seiner Stelle als Nacherbin
berufen. Dies folgt zwar nicht aus
nur dann auf seine Erben übergeht, wenn der ursprünglich eingesetzte Erbe nach dem Eintritt
des Erbfalls verstirbt.
Entscheidend ist daher, ob es dem Willen des Erblassers entsprach, dass beim Wegfall eines
Nacherbens dessen Kinder erben sollten und nicht etwa die weiteren Ersatznacherben. Insoweit
muss vorliegend mangels weiterer Erkenntnisse des Erblasserwillens wiederum das Testament
anhand seines Regelungsinhalts ausgelegt werden:
Wie oben bereits ausgeführt, hatte der Erblasser B…. R ….-S …. bereits bei der Einsetzung
von H …. R ….-S …. als Vorerben dessen Stamm vorrangig vor den übrigen
Familienmitgliedern berücksichtigen wollen, sonst hätte er keine auflösend bedingte
Nacherbschaft angeordnet. Da die Nacherbschaft entfallen wäre, wenn H …. R ….-S ….
Kinder gehabt hätte, lag es folglich im primären Interesse des Erblassers, den Hof - wenn
möglich - in der Hand eines Familienstammes zu belassen. Es könnte daher angenommen
werden, dass dieser Grundgedanke des Erblassers auch für die jeweiligen (Ersatz-) Nacherben
gelten sollte.
Gegen diese Auslegung könnte allenfalls die Tatsache sprechen, dass der Erblasser für die
Nacherben keine Bedingung für den Fall vorgesehen hat, dass diese kinderlos bleiben. Daraus
könnte eventuell geschlossen werden, dass der Erblasser für den Nacherbfall vorrangig allein
die weiter benannten Söhne bedenken wollte und nicht deren Stämme.
Die Auslegung des Testaments hinterlässt danach jedenfalls zumindest Zweifel, was der
Erblasser wirklich wollte. In einem solchen Zweifelsfall greift die Auslegungsregel des § 2069
BGB ein. Danach treten an die Stelle eines vom Erblasser bedachten Abkömmlings im Zweifel
insoweit dessen Abkömmlinge, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten
würden. Diese Regel bezieht sich auch auf die (Ersatz-)Nacherbschaft. War also als Nacherbe
ein Abkömmling eingesetzt, treten nach § 2069 im Zweifel dessen Kinder an seine Stelle
(Grunzky in Münchner-Kommentar zum BGB, 5. Auflage, § 2108 Rdnr. 2 m.w.N.;
Palandt/Weidlich, BGB, 72. Auflage, § 2069 RdNr. 1; Wöhrmann, Das
Landwirtschaftserbrecht, 10. Auflage, § 7 Rdnr. 68).
Daraus folgt, dass gemäß
Kind des Ersatznacherben P…. R ….-S …., seine Tochter K …. B …. - die Antragstellerin -,
grundsätzlich Nacherbin des B …. R ….-S …. geworden ist. Diese Erbfolge hat auch das
Landwirtschaftsgericht Löningen ausweislich eines Vermerks vom 25.01.1967 so beurteilt und
daher das Hoffolgezeugnis vom 16.02.1967 entsprechend erteilt.
3. Dem Anfall der Nacherbschaft zugunsten der Antragstellerin steht auch nicht entgegen, dass
die Antragstellerin nicht wirtschaftsfähig im Sinne des
Denn bei der vorliegenden Fallkonstellation, bei der im Zeitpunkt des Nacherbfalls ein Hof im
Sinne der HöfeO seit ca. 30 Jahren nicht mehr vorhanden ist, ist für die Bestimmung der
Nacherbfolge nicht (mehr) auf die Regelungen der Höfeordnung, sondern auf die im Zeitpunkt
des Eintritts des Nacherbfalls nunmehr geltenden Erbregelungen des BGB abzustellen.
Gemäß
über. Dieser wird also Erbe des Erblassers und nicht etwa Erbe des Vorerben. Für die
Nacherbeneinsetzung ist es daher grundsätzlich unerheblich, ob und in welchem Umfange sich
der Nachlass nach dem Tod des Erblassers in seinem Wert und/oder seiner Substanz verändert.
Fällt - wie hier - die Hofeigenschaft nach dem Tod des Erblassers während der Vorerbschaft
daher noch zum Nachlass des Erblassers. Auf ihn erstreckt sich weiterhin die Vor- und
Nacherbschaft. An diesem, sich bereits aus dem Gesetz ergebenden Grundsatz der
Einheitlichkeit von Vor- und Nacherbschaft hält auch der Senat fest.
Allerdings darf in Fällen der hier vorliegenden Art, in denen seit Jahrzehnten kein Hof mehr
im Sinne der HöfeO vorhanden ist und ein aus verfassungsrechtlichen Gründen notwendiger
hinreichender materieller Sachgrund für eine höferechtliche Privilegierung nicht mehr
ersichtlich ist, die Rechtslage nicht mehr nach dem im Zeitpunkt des Erbfalls geltenden Recht,
sondern nach dem im Zeitpunkt des Nacherbfalls anzuwendenden Recht beurteilen.
Die HöfeO dient dem Zweck, leistungsfähige landwirtschaftliche Betriebe in bäuerlichen
Familien zu erhalten und es zu ermöglichen, dass solche Betriebe weitgehend geschlossen zu
wirtschaftlich tragbaren Bedingungen auf einen einzigen Erben der nachfolgenden Generation
übergehen können (vgl. dazu Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo, HöfeO, 3. Aufl.,
Einleitung, Rdnr. 47; Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, HöfeO, 10. Aufl., Einleitung, Rdnr. 3;
Wöhrmann, Das Landwirtschaftserbrecht, 10. Aufl., Einleitung, Rdnr. 1). Die HöfeO führt zu
einer im Vergleich zum allgemeinen Erbrecht erheblichen Privilegierung des Hoferben und zu
einer Benachteiligung evtl. vorhandener weichender Miterben. Diese erhebliche Privilegierung
des Hoferben einerseits und die Zurücksetzung der anderen Miterben (regelmäßig der
Geschwister) andererseits lässt sich nur im Hinblick auf den auch im öffentlichen Interesse
liegenden, dargestellten Zweck der HöfeO rechtfertigen. Nur unter dieser Voraussetzung und
mit dem dargestellten sachlichen Grund lässt sich die Privilegierung des Hoferben im
Vergleich zu den übrigen Erbberechtigten vertreten und ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz
des
Wöhrmann, Einleitung, Rdnr. 15).
Danach kann zur Erreichung ihres dargestellten Zwecks und Vermeidung einer
verfassungswidrigen Privilegierung eines einzelnen Erben die HöfeO nur zur Anwendung
kommen, wenn entweder eine hinreichend leistungsfähige und mithin im öffentlichen Interesse
erhaltenswerte landwirtschaftliche Betriebseinheit vorhanden ist oder objektiv hinreichend
gesichert erscheint, dass diese vom Hoferben ohne weiteres wieder hergestellt werden kann
und auch hergestellt wird. Da es der HöfeO um die Sicherung des Bestandes eines
vorhandenen leistungsfähigen landwirtschaftlichen Betriebes im Erbgang geht, muss weiterhin
auch eine Kontinuität und wesentliche Identität zwischen der vorhanden gewesenen und der
bei Eintritt des Erbfalls weiterzuführenden bzw. wiederherzustellenden Betriebseinheit
bestehen.
Vorliegend steht außer Frage, dass es sich bei dem noch vorhandenen Grundbesitz nicht mehr
um einen Hof im Sinne der Höfeordnung handelt. Der Vorerbe H…. R ….-S …. hat den Hof
im Jahr 1979 aufgegeben. Die Flächen sind seither an verschiedene Pächter fremdverpachtet.
Nach Angaben der Antragstellerin und des Antragsgegner sind die Gebäude verfallen. Ein
Wiederanspannen scheidet nach ihren übereinstimmenden Angaben definitiv aus. Unter diesen
Voraussetzungen kann der vorgenannte Zweck des Höferechts, leistungsfähige
landwirtschaftliche Betriebe in bäuerlichen Familien im öffentlichen Interesse zu erhalten,
zwangsläufig nicht erreicht werden. Besteht folglich kein rechtfertigender Grund dafür,
Höferecht anzuwenden, liegt auch der vom Bundesverfassungsgericht geforderte sachliche
Grund für die Privilegierung des Hoferben nicht mehr vor, so dass die Anwendung der
Höfeordnung bei einem Sachverhalt wie dem Vorliegenden gegen den Gleichheitsgrundsatz
des
Aus diesem Grund ist der Senat in Abkehr seiner früheren Rechtsauffassung (OLG Oldenburg,
10 W 30/05; 10 W 9/03 =
Nacherben in einem solchen Fall bei verfassungskonformer Auslegung nicht mehr nach dem
zur Zeit des Erbfalls geltenden Recht (hier der HöfeO in der Fassung vom 24. April 1947),
sondern nach dem im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls geltendem Recht ergibt (dem im
Ergebnis folgend: Wöhrmann, Das Landwirtschaftserbrecht, 10. Auflage, § 7 Rdnr. 14;
Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo, HöfeO, 3. Aufl., § 7 Rdnr. 3; a.A. BGH,
OLG Hamm,
Höferechts geltend vorliegend daher die allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Diese nach Auffassung des Senats verfassungsrechtlich gebotene Rechtsfolge erscheint auch
nicht systemwidrig. So wird auch nach überwiegender Rechtsprechung und Literatur für den
Fall, dass der Erblasser eine Vorerbschaft angeordnet, aber den Nacherben nicht benannt hat,
angenommen, dass als Nacherben dann gemäß
Erben berufen sind und dabei für die Bestimmung der Eigenschaft als gesetzlicher Erbe und
das dafür anwendbare Recht grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Nacherbschaft - und nicht
etwa des Erbfalls - abzustellen ist (BayObLG,
605; Grunzky bzw. Leipold in Münchner-Kommentar zum BGB, 5. Auflage, § 2104 Rdnr. 5,
§ 2066 Rdnr. 10; Palandt-Weidlich, BGB, 77. Auflage, § 2104, Rdnr. 5; § 2066 Rdnr. 3;
Stürner, in Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 14. Auflage, § 2066 Rdnr. 2).
Im Ergebnis ist daher Höferecht nicht anwendbar, so dass weder ein Ausschluss aus der
Hoferbfolge noch ein Hoferbe bestimmt werden kann. Den Anträgen der Antragstellerin war
daher vollumfänglich stattzugeben war.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 44 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 2 LwVG. Die
Antragsänderung durch die Antragstellerin fällt im Hinblick auf eine etwaige Kostenquote
nicht ins Gewicht, da sich ihr Feststellungsinteresse nicht wesentlich geändert hat.
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf
hat der Senat zugrunde gelegt, dass es sich um einen ca. 15 ha großen Hof nebst Wohnhaus
und diverser älterer Wirtschaftsgebäude handelt, der einen Verkaufswert von mindestens
30.000,00 EUR pro Hektar hat, also insgesamt mindestens 450.000,00 EUR. Diesen Wert hat
der Senat aufgrund des negativen Feststellungsantrages halbiert.
Da sowohl der BGH, allerdings als auch die Oberlandesgericht Hamm und Köln, wie oben
erwähnt, die hier relevante Frage des anwendenden Rechts bei Erlöschen der Hofeigenschaft
im Zeitraum der Vorerbschaft in der Vergangenheit anders beurteilt haben, erscheint eine
Entscheidung des BGH als Rechtsbeschwerdegericht erforderlich. Der Senat hat deshalb
wegen der genannten Frage nach §§ 9 LwVG, 70 Abs. 2 FamFG die Rechtsbeschwerde
zugelassen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Oldenburg
Erscheinungsdatum:19.12.2012
Aktenzeichen:10 W 4/11
Rechtsgebiete:Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Erschienen in:DNotZ 2013, 865-868
Normen in Titel:BGB §§ 2100, 2108 Abs. 2, 2069; HöfeO