BGH 06. Februar 2024
II ZB 19/22
GNotKG §§ 54 S. 1, 97 Abs. 1

Notarkosten; Übertragung eines Geschäftsanteils an gemeinnütziger GmbH; Geschäftswert der notariellen Beurkundung

letzte Aktualisierung: 3.6.2024
BGH, Beschl. v. 6.2.2024 – II ZB 19/22

GNotKG §§ 54 S. 1, 97 Abs. 1
Notarkosten; Übertragung eines Geschäftsanteils an gemeinnütziger GmbH; Geschäftswert der notariellen Beurkundung

Der Geschäftswert der notariellen Beurkundung der Übertragung eines Geschäftsanteils an einer
gemeinnützigen GmbH bestimmt sich nach dem Eigenkapital der Gesellschaft im Sinne von § 266
Abs. 3 HGB, das auf den Anteil entfällt.

Gründe:

I.
Die Beteiligte zu 1 ist eine gemeinnützige GmbH, mit einem Stammkapi-
tal in Höhe von 25.600 € und einem bilanziellen Eigenkapital in Höhe von
36.642.917,35 €.

Mit notarieller Urkunde des Beteiligten zu 2 vom 8. Dezember 2019
(UR-Nr. 1864/2019 Z) wurden zwei von fünf auf denselben Nennwert lautende
Geschäftsanteile unentgeltlich übertragen. Die anfallenden Kosten sollte die
Beteiligte zu 1 tragen. Der Beteiligte zu 2 berechnete der Beteiligten zu 1 für
das Beurkundungsverfahren Kosten in Höhe von 34.564,98 €. Als Geschäfts-
wert setzte er 40 % des Eigenkapitals der Beteiligten zu 1 an.

Die Beteiligte zu 1 als Kostenschuldnerin hat Antrag auf gerichtliche Ent-
scheidung gestellt und den für die Kostenberechnung für das Beurkundungsver-
fahren zugrunde gelegten Geschäftswert beanstandet. Das Landgericht hat die
Kostenberechnung bestätigt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteilig-
ten zu 1 hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der vom Beschwer-
degericht zugelassenen Rechtsbeschwerde beantragt die Beteiligte zu 1 die
Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts und die Herabsetzung
der Kostenberechnung des Beteiligten zu 2 vom 7. Januar 2020 auf 248,35 €
brutto.

II.
Das Beschwerdegericht (OLG Karlsruhe, GmbHR 2023, 35) hat zur Be-
gründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Da es sich bei der Beteiligten zu 1 um eine Kapitalgesellschaft handele,
greife für die Geschäftswertbestimmung § 54 Satz 1 GNotKG ein. Danach be-
stimme sich der Wert nach dem Eigenkapital der Gesellschaft das auf den je-
weiligen Anteil entfalle. Entscheidend für die Ermittlung des Geschäftswerts sei
der Wert des Geschäftsanteils selbst und nicht, welche Rechte dem einzelnen
Gesellschafter hieraus nach dem Gesellschaftsvertrag zustünden. Es komme
daher weder auf den Anteil der Gesellschafter am Gewinn noch auf deren Anteil
am Liquidationserlös an. Gegebenenfalls sei zu prüfen, ob Anhaltspunkte für
einen höheren Wert vorlägen. Dies gelte indes nicht für einen geringeren Wert,
denn § 54 Satz 1 GNotKG regele einen Mindestwert.

III.
Die aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht statthafte und
auch im Übrigen gemäß § 129 Abs. 2, § 130 Abs. 3 GNotKG, § 70 Abs. 1, § 71
FamFG zulässige Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 hat in der Sache kei-
nen Erfolg. Der Beschluss des Beschwerdegerichts hält den Angriffen der
Rechtsbeschwerde stand. Die Heranziehung des Geschäftswerts in Höhe von
insgesamt 14.657.166,94 € ist rechtlich nicht zu beanstanden.

1. Der Geschäftswert der notariellen Beurkundung der Übertragung eines
Geschäftsanteils an einer gemeinnützigen GmbH bestimmt sich nach dem
Eigenkapital der Gesellschaft im Sinne von § 266 Abs. 3 HGB, das auf den An-
teil entfällt (§ 97 Abs. 1, § 54 Satz 1 GNotKG).

a) Ob § 54 Satz 1 GNotKG auch auf eine gemeinnützige GmbH Anwen-
dung findet, ist streitig. Eine Meinung geht wie das Beschwerdegericht davon
aus, dass nach der Regelung des § 54 Satz 1 GNotKG bei der Bewertung von
Geschäftsanteilen an einer gemeinnützigen GmbH ein Abschlag nicht veran-
lasst ist (OLG Rostock, NotBZ 2023, 73 f.; LG Leipzig, NotBZ 2018, 158, 159;
Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 21. Aufl., § 15 Rn. 52; Diehn in Bormann/
Diehn/Sommerfeldt, 4. Aufl., GNotKG § 54 Rn. 20; Korintenberg/Tiedtke,
22. Aufl., GNotKG § 54 Rn. 12; Renner/Otto/Heinze, Leipziger Gerichts- &
Notarkosten-Kommentar, 3. Aufl., § 54 Rn. 25; BeckOK Kostenrecht/Neie,
Stand: 1.7.2023, § 54 GNotKG Rn. 1; Toussaint/Kawell, Kostenrecht, 53. Aufl.,
§ 54 GNotKG Rn. 1; Waldner in Rohs/Wedewer, GNotKG, Stand: Januar 2023,
§ 54 Rn. 6; Diehn in Hausschild/Kallrath/Wachter, Notarhandbuch Gesell-
schafts- und Unternehmensrecht, 3. Aufl., § 36 Rn. 89; Würzburger Notarhand-
buch/Tiedke/Sikora, 6. Aufl., Teil 5 Kap. 9 Rn. 84; Ländernotarkasse, Leipziger
Kostenspiegel, 3. Aufl., Rn. 21.847 ff.; Notarkasse, Streifzug durch das
GNotKG, 13. Aufl., Rn. 1265; Felix, RNotZ 2018, 306, 307; Gilberg,
RNotZ 2020, 193, 209; Sikora/Strauß, DNotZ 2023, 583, 593; Wudy,
notar 2018, 271, 282; Wudy, notar 2023, 225, 228 f.). Anderer Auffassung zu-
folge soll es auch nach der gesetzlichen Neuregelung in § 54 GNotKG möglich
sein, als Geschäftswert den Nominalbetrag des Geschäftsanteils anzusetzen
(Leiß in Fackelmann/Heinemann, GNotKG, § 54 Rn. 20; Leiß in Schneider/
Volpert/ Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., § 54 GNotKG Rn. 15; Schmidt/
Sikora/Tiedke, Praxis des Handelsregister- und Kostenrechts, 7. Aufl.,
Rn. 3272 f.).

b) Die erstgenannte Auffassung ist richtig. § 54 Satz 1 GNotKG gilt auch
für eine gemeinnützige GmbH.

Der Wortlaut der Vorschrift unterscheidet nicht zwischen den mit der
Kapitalgesellschaft verfolgten Zielen und umfasst daher individual- und gemein-
nützige Kapitalgesellschaften gleichermaßen. Bei diesem Befund bedeutete der
Ausschluss gemeinnütziger Kapitalgesellschaften vom Anwendungsbereich der
Vorschrift eine teleologische Reduktion. Deren Voraussetzungen lassen sich
entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht feststellen.
aa) Eine teleologische Reduktion kommt in Betracht, wenn der Wortlaut
einer Norm mit Blick auf ihren Zweck zu weit gefasst ist. Sie setzt eine verdeck-
te Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes
voraus. Ob eine solche Lücke vorhanden ist, ist vom Standpunkt des Gesetzes
und der ihm zugrundeliegenden Regelungsabsicht zu beurteilen (BGH, Urteil
vom 13. November 2001 - X ZR 134/00, BGHZ 149, 165, 174; Beschluss vom
20. Januar 2005 - IX ZB 134/04, NJW 2005, 1508, 1510; Urteil vom
26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27, 35; Urteil vom
30. September 2014 - XI ZR 168/13, BGHZ 202, 302 Rn. 13; Urteil vom
14. August 2019 - IV ZR 279/17, BGHZ 223, 57 Rn. 10; Urteil vom 7. April 2021
- VIII ZR 49/19, NJW 2021, 2281 Rn. 36; Urteil vom 21. Februar 2022
- VIa ZR 8/21, WM 2022, 731 Rn. 57; Beschluss vom 28. Juni 2022 - II ZB 8/22,
WM 2022, 1595, 1596 Rn. 12). Eine solche Regelungslücke kann sich auch aus
der weiteren Rechtsentwicklung ergeben (BVerfGE 88, 145, 167; BGH,
Beschluss vom 28. Juni 2022 - II ZB 8/22, WM 2022, 1595, 1596 Rn. 12).
bb) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Eine planwidrige Unvoll-
ständigkeit des Gesetzes ist nicht anzunehmen. Damit fehlt es an einer Recht-
fertigung für eine teleologische Reduktion. Diese ist wegen der Gesetzesbin-
dung des Richters (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG, § 1 GVG) nur gerechtfer-
tigt, wenn ihre Voraussetzungen belegt sind (BGH, Beschluss vom 28. Juni
2022 - II ZB 8/22, WM 2022, 1595, 1596 Rn. 13).

(1) Der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Wille des
Gesetzgebers spricht gegen eine planwidrige Regelungslücke.

Bei der Ermittlung des Werts von Beteiligungen und Anteilen an Gesell-
schaften kannte die Kostenordnung keine besondere Regelung für den Fall,
dass der Wert nicht feststand. Der Gesetzgeber wollte daraus resultierenden
Bewertungsschwierigkeiten abhelfen und hat mit § 54 GNotKG eine besondere
Bewertungsvorschrift für Anteile an Kapitalgesellschaften und für Kommanditbe-
teiligungen geschaffen, die an das Eigenkapital im Sinne von § 266 Abs. 3 HGB
anknüpft und die in dieser Norm unter A benannten Positionen ausdrücklich
aufzählt. Hierbei hat er in Kauf genommen, dass mit der gewählten Anknüpfung
an das bilanzielle Eigenkapital häufig nicht der für die Kostenberechnung nach
dem GNotKG gebotene, eher am Verkehrswert orientierte Wert erfasst wird
(RegE eines Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts,
BT-Drucks. 17/11471 (neu) Seite 172 f.).

Der Gesetzgeber hat sich demnach bewusst für eine Bewertungsschwie-
rigkeiten vermeidende, gerade nicht am Verkehrswert orientierte pauschale,
aber vereinfachte und praktikable Wertermittlung entschieden und hierbei in
Kauf genommen, dass dieser Wert (Eigenkapital) nicht dem für eine notarielle
Kostenberechnung an sich gebotenen Wert entspricht (vgl. KG, ZIP 2021, 406).
Die Begründung der Ausnahmen in § 54 Satz 2 und 3 GNotKG zeigt zudem,
dass der Gesetzgeber nur in den Fällen zu dem für die Bemessung des Ge-
schäftswerts nach dem GNotKG regelmäßig maßgeblichen Verkehrswert zu-
rückkehren wollte, in denen sich daraus ein höherer Geschäftswert ergibt, als
es bei der Anknüpfung an das bilanzielle Eigenkapital der Fall wäre. In dieser
Konsequenz wird in § 54 Satz 1 GNotKG auf das bilanzielle Eigenkapital dann
abgestellt, wenn keine genügenden Anhaltspunkte für einen höheren Wert von
Anteilen bestehen. Eine niedrigere als durch das bilanzielle Eigenkapital be-
stimmte Bewertung bei der Übertragung von Geschäftsanteilen an einer ge-
meinnützigen GmbH würde diesem eindeutigen Willen des Gesetzgebers ent-
gegenstehen.

Da unter dem Regime der Kostenordnung umstritten war, ob Geschäfts-
anteile an einer gemeinnützigen GmbH nach dem Nennwert oder nach ihrem
anteiligen Wert am Reinvermögen, gegebenenfalls mit einem Abschlag, zu be-
werten waren (vgl. Renner/Otto/Heinze, Leipziger Gerichts- & Notarkosten-
Kommentar, 3. Auflage, § 54 Rn. 25 mwN), liegt es fern, dass der Gesetzgeber
bei der Novellierung des Kostenrechts die Möglichkeit der Erstreckung der Vor-
schrift auch auf gemeinnützige Kapitalgesellschaften übersehen hat.

(2) Die in § 91 Abs. 2 GNotKG enthaltene Beschränkung der Gebühren-
ermäßigung auf Körperschaften, Vereinigungen und Stiftungen, die ausschließ-
lich und unmittelbar mildtätige oder kirchliche Zwecke im Sinne der Abgaben-
ordnung verfolgen, entspricht inhaltlich dem zuvor geltenden § 144 Abs. 2
KostO, mit dem der Gesetzgeber wiederum auf eine Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 1. März 1978 reagierte, welche die Vorgänger-
regelung (§ 144 Abs. 3 KostO idF vom 28. August 1969, BGBl. I S. 1513) teil-
weise für nichtig erklärte.

Das Bundesverfassungsgericht hielt die weiter gefasste Pflicht zur Ge-
bührenermäßigung für unvereinbar mit der Berufsausübungsfreiheit der Notare
(Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG; BVerfGE 47, 285 ff.), weil eine Ermäßigungspflicht
aus Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt und den Notaren zumutbar sein
müsste und der Gesetzgeber dies unter Ermittlung der Einkommensauswirkun-
gen für die Notare konkret zu prüfen habe (BVerfGE 47, 285 ff.). Diesen Vorga-
ben wollte der Gesetzgeber gerecht werden und die Gebührenvergünstigung in
einem engen, den Notar möglichst wenig belastenden Rahmen halten (vgl.
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 20. April 1989,
BT-Drucks. 11/4394, Seite 10 f.; Gesetzesentwurf des Bundesrates vom
19. Mai 1988, BT-Drucks. 11/2343, Seite 10 f.). Angesichts dessen war der
sachliche und persönliche Geltungsbereich der Gebührenermäßigung in der
anschließenden Neuregelung des § 144 KostO abschließend geregelt worden.
Eine Ausdehnung der Regelung auf die weit gefasste Verfolgung gemeinnützi-
ger Zwecke im Sinne der Abgabenordnung kommt nicht in Betracht, da dies
dem erklärten Ziel des Gesetzgebers zuwiderlaufen würde (vgl. BGH,
Beschluss vom 19. Juni 2013 - V ZB 130/12, NJW-RR 2014, 183 Rn. 8 f.).

Die in § 144 Abs. 2 KostO und § 91 Abs. 2 Nr. 1 GNotKG getroffenen
gesetzgeberischen Entscheidung, u.a. gemeinnützige Vereinigungen nicht ge-
bührenmäßig zu privilegieren, legt nahe, dass der Gesetzgeber bei der Rege-
lung des § 54 Satz 1 GNotKG eine Differenzierung zu gemeinnützigen Kapital-
gesellschaften nicht vornehmen wollte. Dass der Gesetzgeber im Lichte der
zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Ausdehnung der
Gebührenermäßigung auf gemeinnützige Körperschaften, Vereinigungen und
Stiftungen für nicht angezeigt hielt, spricht dafür, dass er auch eine privilegie-
rende Wertfestsetzung bei der Übertragung von Anteilen an einer gemeinnützi-
gen Kapitalgesellschaft nicht begründen wollte.

cc) Schließlich teilt der Senat die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht,
die von der Rechtsbeschwerde für eine einschränkende Auslegung des § 54
Satz 1 GNotKG angeführt werden. Die Verkehrsfähigkeit der übertragenen An-
teile ist bereits deshalb nicht eingeschränkt, weil die Gesellschaft die Kosten für
die Übertragung der Anteile übernimmt.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

06.02.2024

Aktenzeichen:

II ZB 19/22

Rechtsgebiete:

Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

GNotKG §§ 54 S. 1, 97 Abs. 1