Grundstücksveräußerung durch den Vorerben mit Verzicht des Nacherbentestamentvollstreckers auf Eintragung des Nacherbenvermerks
daß dieser trotz langjähriger Mitarbeit im Betrieb des Klägers noch ungesichert sei; deshalb wolle sie ihm ihren
Hausanteil übertragen. Darauf habe der Kläger gesagt, es
sei sehr schön, wenn seine Frau die Hälfte auf den Schwiegersohn überschreibe. Mit dieser Begründung kann das
angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben.
1. Die Erblasserin war durch den Erbvertrag mit dem Kläger
vom 28.11.1954 auf die dort vereinbarte (vertragsmäßig verfügte) Erbfolge festgelegt; spätere Verfügungen der Erblasserin von Todes wegen wären, soweit sie die Rechte des zum
Vertragserben eingesetzten Klägers beeinträchtigt hätten,
gern.
und ihre Testierfreiheit — ganz oder teilweise — wieder
erlangen, dann bedurfte es dazu einer entsprechenden Aufhebung des Erbvertrages nach § 2290, § 2291 oder § 2292
BGB. Eine solche Aufhebung ist nicht zustande gekommen.
a) Soweit darüber hinaus die Auffassung vertreten wird,
auch die formlose Einwilligung des vertragsmäßig bedachten Vertragspartners in eine seine Rechte beeinträchtigende
Verfügung von Todes wegen sei geeignet, den Erblasser von
seiner Bindung zu befreien und weitere Verfügungen von
Todes wegen — im Rahmen der Einwilligung — trotz § 2289
Abs. 1 BGB wirksam werden zu lassen, vermag der Senat
dem nicht zu folgen.
Die Frage ist umstritten. Während das Reichsgericht (RGZ
134, 325, 327; DJ 1938, 1368, 1369) und im Ergebnis im entschiedenen Falle auch der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes — dieser unter Zuhilfenahme des Arglisteinwandes —
(Urteil vom 28.4.1958 — III RZ 98/56 — LM BGB § 2271 Nr. 7)
eine formlose Zustimmung haben ausreichen lassen, hat
der erkennende Senat die Frage im Anschluß an die Rechtsprechung des früheren IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 7.12.1977 — IV ZR 20/76 LM BGB § 1829
Nr. 5 [=
Frage nunmehr dahin, daß die formlose Zustimmung insoweit nicht ausreicht.
Die gegenteilige Rechtsprechung des Reichsgerichts nimmt
nicht genügend Bedacht darauf, daß das Gesetz sowohl die
Aufhebung eines Erbvertrages als auch den Verzicht auf berechtigte Erberwartungen (
strenger Formvorschriften knüpft. Diesem Gesichtspunkt
hat der Bundesgerichtshof besonderes Gewicht beigelegt.
Demgemäß hat der frühere IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes bereits in seiner in
Freistellungsklausel, durch die dem Erblasser in einem Erbvertrag vorbehalten wird, über die Vergabe seines Nachlasses in bestimmtem Rahmen anders zu verfügen als in dem
Erbvertrag vorgesehen ist, der Form des
An dieser Entscheidung, die allgemeine Zustimmung gefunden hat (vgl. z. B. Coing,
der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit uneingeschränkt festzuhalten. Mit dieser Linie wäre es aber nicht
vereinbar,
des Erblassers an seine vertragsmäßig verfügten Anordnungen bereits mit einer formlosen Zustimmung des Erbvertragspartners oder des Bedachten enden zu lassen
(ebenso z. B. MK-Musielak, BGB § 2289 Rdnr. 18; a. M. z. B.
Erman/Hense, BGB 7. Aufl. § 2289 Rdnr. 5).
b) Die hieran anschließende weitere Frage, ob die formlose
Einwilligung des Vertragserben in eine ihn benachteiligende
Schenkung unter Lebenden im Sinne von
jedenfalls (stets) den Schutz nach dieser Vorschrift nimmt,
ist ebenfalls zu verneinen (vgl. dazu Nachweise in BGHZ 83,
44, 49). Gewiß ist es richtig, daß der Vertragserbe die Möglichkeit haben muß, auf den Schutz des
dem Erbfall zu verzichten. Jedoch gebietet es die Nähe
eines solchen Verzichts zum Erbverzicht (§§ 2346, 2352
BGB), insoweit auf die Einhaltung der Form des
abzustellen. Diesen Weg ist der Senat bereits für die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung gern. § 2347 Abs. 1
BGB gegangen (
Fall zeigt, daß es sowohl im Interesse der Rechtsklarheit
als auch des Schutzes des (angeblich) Verzichtenden vor
unüberlegten Äußerungen der notariellen Form bedarf.
c) Damit ist freilich nicht gesagt, daß dem Bedachten der
sich auf den Erbvertrag beruft, seine Zustimmung zu der ihn
beeinträchtigenden späteren Verfügung nicht in einem Einzelfall unter dem Gesichtspunkt des Arglisteinwandes mit
Erfolg entgegengehalten werden könnte (vgl. Z.B.Staudinger/
Kanzleiter, BGB 12. Aufl. § 2289 Rdnr. 19).
2.
12.
durch den Vorerben mit Verzicht des Nacherbentestamentvottstreckers auf Eintragung des Nacherbenvermerks)
1. Der Nacherbentestamentsvollstrecker nach
kann wirksam auf die Eintragung des Nacherbenvermerks
im Grundbuch verzichten. Das Grundbuchamt ist nicht befugt, die Zweckmäßigkeit eines derartigen Verzichts zu
prüfen.
2. Verfügt der Vorerbe über ein Nachiaßgrundstück zugunsten eines Dritten, so kann der Dritte ohne Voreintragung
des Vorerben als Eigentümer nach dem Erblasser eingetragen werden, wenn zugleich der Nacherbe auf die Eintragung
des Nacherbenvermerks verzichtet.
BayObLG, Beschluß vom 1.6.1989 — BReg. 2 Z 119/88 — mitgeteilt von Johann Demharter, Richter am BayObLG
Aus dem Tatbestand:
Die Beteiligten sind Geschwister; sie sind Miteigentümer je zur
Hälfte eines Hausgrundstücks. Als Alleineigentümer des von diesem
Verfahren betroffenen Hausgrundstücks ist der am 26.12.1987 verstorbene Vater der Beteiligten eingetragen. Dieser hat durch notarielles
Testament die Beteiligten, seine einzigen Kinder, als Vorerben zu gleichen Teilen eingesetzt. Nacherben sind deren eheliche Abkömmlinge, soweit sie beim Ableben des Vorerben vorhanden sind, und zwar
jeweils nach Stämmen zu gleichen Teilen. Außerdem ist die Beteiligte
zu 2 zum Testamentsvollstrecker zur Wahrung der Rechte der Nacherben nach dem Beteiligten zu 1 und der Beteiligte zu 1 zum Testamentsvollstrecker zur Wahrung der Rechte der Nacherben nach der
Beteiligten zu 2 bestimmt.
Am 18.1.1988 schlossen die Beteiligten, die beide bisher keine Kinder
haben, einen notariellen Überlassungs- und Erbvertrag, in dem die
Beteiligte zu 2 dem Beteiligten zu 1 ihren 1/2-Miteigentumsanteil an
dem gemeinsamen Hausgrundstück in W. überträgt. Als Gegenleistung dafür soll die Beteiligte zu 2 im Weg der Erbauseinandersetzung Alleineigentümerin des vom Vater geerbten Hausgrundstücks
werden. Dieser Auseinandersetzung stimmte die Beteiligte zu 2 als
Testamentsvollstreckerin der Nacherben nach dem Beteiligten zu 1,
der Beteiligte zu 1 stimmte ihr als Testamentsvollstrecker der Nacherben nach der Beteiligten zu 2 zu. In der gleichen Eigenschaft verzichteten die Beteiligten auf die Eintragung des Nacherbenvermerks
im Grundbuch bei dem vom Vater geerbten Grundstück. In der Urkunde bewilligen und beantragen die Beteiligten die Eintragung der
Rechtsänderung im Grundbuch, beim geerbten Grundstück möglichst ohne Zwischeneintragung der Beteiligten als Erben.
320 MittBayNot 1989 Heft 6
Den vom Verfahrensbevollmächtigten eingereichten Vollzugsantrag
hat das Amtsgericht — Grundbuchamt — mit Zwischenverfügung
vom 6.5.1988 beanstandet. Zum Vollzug der Erbauseinandersetzung
und deren Eintragung ohne Nacherbenvermerk sei die Zustimmung
der Nacherben erforderlich. Die von den Beteiligten als Nacherbentestamentsvollstreckern abgegebenen Zustimmungen seien umwirksam, weil darin unentgeltliche Verfügungen über den Nachlaß lägen.
Außerdem schließe
durch einen Pfleger für die derzeit noch unbekannten Nacherben und
die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Erklärung des
Pflegers vorgelegt werden. Die Beschwerde der Beteiligten gegen die
Zwischenverfügung hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen
richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten.
Aus den Gründen:
Das Rechtsmittel der Beteiligten führt zur Aufhebung des
Beschlusses des Landgerichts und der Zwischenverfügung
des Grundbuchamts. Das angenommene Eintragungshindernis besteht nicht.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen
Prüfung nicht stand:
a) Bei der Eintragung eines Vorerben im Grundbuch hat das
Grundbuchamt das Recht des Nacherben von Amts wegen
mit einzutragen (
Grundstück zugunsten eines Dritten die unmittelbare Eintragung des Dritten nach
Eickmann GBR 3. Aufl. § 51 Rdnr. 27). Das gilt nur dann
nicht, wenn der Nacherbe der Verfügung zugestimmt hat
(Horber/Demharter GBO 17. Aufl. § 40 Anm. 2 b aa; KEHEI
Eickmann § 51 Rdnr. 27) oder wenn der Nacherbe auf die Eintragung des Nacherbenvermerks verzichtet hat, weil dann
von vorneherein die Eintragung des Nacherbenvermerks zu
unterbleiben hat (OLG Frankfurt
zu § 51).
Im vorliegenden Fall haben die Beteiligten als Testamentsvollstrecker zur Wahrung der Rechte der Nacherben einen
solchen Verzicht auf den Nacherbenvermerk in der Form des
b) Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen sind diese Erklärungen der Beteiligten als Testamentsvollstrecker für die
Nacherben ausreichend, um einen Verzicht auf die Eintragung von Nacherbenvermerken im Grundbuch zu bewirken.
(1) Nach herrschender Meinung können Mitvorerben zu
Nacherbentestamentsvollstreckern nach
BGB 48. Aufl. Anm. 1 a, Erman/Hense BGB 7. Aufl. Rdnr. 3,
Soergel/Damrau BGB 11. Aufl. Rdnr. 3, Staudinger/Reimann
BGB 12. Aufl. Rdnr. 5, jeweils zu § 2222; Haegele/Winkler Der
Testamentsvollstrecker 9. Aufl. Rdnr. 153; zweifelnd MünchKommlBrandner BGB § 2222 Rdnr. 4).
Ein derartiger Testamentsvollstrecker nimmt, wie sich aus
wahr. Er tritt voll an seine Stelle; soweit er Erklärungen anstelle des Nacherben abgeben kann, scheidet die Bestellung eines Pflegers für den Nacherben aus (BayObLGZ 1959,
493/501; Haegele/Winkler Rdnr. 155; Palandt/Edenhofer
Anm. 1 a a. E., Erman/Hense Rdnr. 2, Soergel/Damrau
Rdnr. 6, MünchKomm/Brandner Rdnr. 2, jeweils zu § 2222).
Bei der Abgabe von Willenserklärungen für den Nacherben,
auch wenn dieser unbekannt oder noch nicht volljährig oder
MittBayNot 1989 Heft 6
gar noch nicht geboren ist, unterliegt der Nacherbentestamentsvollstrecker auch nicht der Kontrolle des Vormundschaftsgerichts (Haegele/Wink/er a. a. 0.; MünchKomm/
Brandner a. a. 0.).
(2) Die Vorinstanzen haben zwar zu Recht ausgeführt, daß
dem Nacherbentestamentsvollstrecker die rechtliche Befugnis fehlt, auf die Anwartschaft des Nacherben selbst zu verzichten, dem Vorerben also die Stellung eines Vollerben zu
verschaffen (KG JW 1937, 1553/1554; Kipp/Coing Erbrecht
13. Bearbeitung S. 435; Palandt/Edenhofer Anm. 1 a, Erman/
Hense Rdnr. 1, MünchKomm/Brandner Rdnr. 6, Staudinger/
Reimann Rdnr. 11, jeweils zu § 2222). Darum geht es aber im
vorliegenden Fall nicht. Denn durch den Verzicht auf die Eintragung des Nacherbenvermerks im Grundbuch wird das
Recht, bei dem der Vermerk einzutragen wäre, nicht frei von
den Rechten des Nacherben. Der Nacherbe verzichtet dadurch lediglich auf die Wirkung des Nacherbenvermerks, so
daß ein gutgläubiger Dritter das Grundstück frei vom Nacherbenrecht erwerben könnte (KG KGJ 52, 1661169 f.; RGZ 151,
3951397; OLG Frankfurt
GBO).
Der Verzicht kann bei Bestellung eines Testamentsvollstreckers für die Nacherben nur von diesem erklärt werden.
Er enthält keine Verfügung über das Nacherbenrecht oder
über einen Nachlaßgegenstand und kann daher unbeschränkt vom Testamentsvollstrecker erklärt werden (KG
Schöner/Stöber Grundbuchrecht B. Aufl. Rdnr. 3506; Horber/
Demharter § 51 Anm. 9 a a. E.; Staudinger/Reimann § 2222
Rdnr. 13; Lange/Kuchinke Lehrbuch des Erbrechts 3. Aufl.
S. 390 Fn. 63; a. A. Kipp/Coing S. 435 Fn. 3). An die Erklärung
des Verzichts durch den Nacherbentestamentsvollstrecker
ist das Grundbuchamt gebunden; eine Überprüfung der
Erklärung darauf, ob sie zweckmäßig ist und ordnungsmäßiger Wahrnehmung der Interessen des Nacherben entspricht, steht dem Grundbuchamt nicht zu_(KG DNotZ 1930,
480/481; Haegele/Winkler Rdnr.158; Staudinger/Reimann
§ 2222 Rdnr. 13; Haegele
der Testamentsvollstrecker dem Nacherben gegenüber für
etwaige Verstöße gegen die Verpflichtung zu ordnungsmäßiger Verwaltung verantwortlich ist (§ 2216 Abs. 1, § 2219
BGB).
(3) Da die Beteiligten den Verzicht auf die Eintragung des
Nacherbenvermerks nicht sich selbst gegenüber erklärt
haben, sondern gegenüber dem Grundbuchamt, stellt sich
die Frage eines Verstoßes gegen
(4) Da die Verzichtserklärungen der Beteiligten als Nacherbentestamentsvollstrecker für sich allein schon dazu führen,
daß Nacherbenvermerke am Nachlaßgrundstück nicht einzutragen sind, ist es unerheblich für den Vollzug der Eintragungsanträge der Beteiligten, ob ihre Zustimmungserklärungen zu der Erbauseinandersetzung in ihrer Eigenschaft als
Nacherbentestamentsvollstrecker wirksam sind. Im übrigen
würden diese Zustimmungen nichts daran ändern, daß die
Rechte der Nacherben nach
erstrecken. Das wäre bei beiden Beteiligten jeweils ein ideeller Hälftebruchteil an den von ihnen erworbenen Hausgrundstücken.
Die vom. Grundbuchamt in seiner Zwischenverfügung beanstandeten Eintragungshindernisse bestehen somit nicht.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BayObLG
Erscheinungsdatum:01.06.1989
Aktenzeichen:BReg. 2 Z 119/88
Erschienen in: Normen in Titel:BGB § 2222; GBO §§ 40, 51